208

Dienstgebereigenschaft eines Sportvereins

MONIKAWEISSENSTEINER
VwGH 29.4.2015, 2013/08/0188

Dienstgeber ist, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird. Das ist jene Person, die nach rechtlichen (und nicht bloß nach tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird.

SACHVERHALT

Herr R. S. war als Amateurfußballer im U Fußballverein T und als Co-Trainer der Jugendmannschaft tätig; die Trainertätigkeit übte er für den formell selbstständigen „U Sportverein T“ aus. In Summe erhielt er monatlich € 1.400,- brutto.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Fraglich war, ob eine Pflichtversicherung als DN in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit besteht und wer der DG ist. Die Gebietskrankenkasse hat ein vollversichertes Dienstverhältnis zum Fußballverein festgestellt. Die Berufungsbehörde gab der Berufung des Vereins keine Folge. Es liege persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit vor; die zwei formell selbstständigen Vereine bildeten eine wirtschaftliche Einheit. Der VwGH hat diesen Bescheid aufgehoben, weil noch Feststellungen zur DG-Eigenschaft zu treffen sind.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1. Dienstnehmer ist gemäß § 4 Abs. 2 ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hierzu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Gemäß § 35 Abs. 1 erster Satz ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.

Die Person, auf deren Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt wird, ist jene, die nach rechtlichen (und nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird. Es kommt also darauf an, wen das Risiko des Betriebes im Gesamten unmittelbar trifft. Im Fall der Betriebsführung durch Dritte muss dieser Person zumindest die rechtliche Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Betriebsführung zustehen. Maßgeblich sind die wirklichen rechtlichen Verhältnisse, nicht der nach außen in Erscheinung tretende Sachverhalt. Demgemäß kann auch ein indirekt Vertretener Dienstgeber sein. […]

2. Die belangte Behörde hat […] hinsichtlich beider Tätigkeitsbereiche die Pflichtversicherung auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses zum beschwerdeführenden Verein als Dienstgeber festgestellt. Dabei hat sie sich darauf gestützt, dass der beschwerdeführende Verein und der Sportverein T. eine ‚wirtschaftliche Einheit‘ bildeten, weil der beschwerdeführende Verein – trotz seiner rechtlichen Selbständigkeit – die ‚Fußballsektion‘ des Sportvereins T. bilde und ‚ein Teil des Ganzen‘ sei. […]

3. Diese Argumentation ist rechtlich verfehlt: Es wäre iSd § 35 Abs. 1 ASVG festzustellen gewesen, auf wessen Rechnung der betreffende Betrieb geführt wurde bzw. ob der Erstmitbeteiligte allenfalls – wie es dem Vorbringen des beschwerdeführenden Vereins entspricht – in zwei unterschiedlichen Betrieben tätig war. […] Das bloße gemeinsame Auftreten nach außen bzw. das ‚Verschmelzen‘ der beiden Vereine in der Darstellung auf diversen Internetseiten ist für die Frage, auf wessen Rechnung der Betrieb geführt wurde, schon deswegen nicht relevant, weil es dafür nicht auf den nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt, sondern auf die wirklichen rechtlichen Verhältnisse ankommt (vgl. oben Punkt 1. und das bereits genannte Erkenntnis vom 2. April 2008, 2007/08/0296, mwN).“

ERLÄUTERUNG

In dieser E werden die zwei Elemente der Pflichtversicherung gem § 4 Abs 2 ASVG geprüft: Erstens, ob persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit als Voraussetzung der DN-Eigenschaft vorliege und zweitens, wer der DG gem § 35 ASVG ist. Nach stRsp hat die Prüfung, ob jemand DN ist, immer nur in265 Bezug auf eine andere Person, nämlich – vom Fall der Indienstnahme durch Mittelspersonen abgesehen – den DG, zu erfolgen. Der VwGH hat deshalb in einem Erk vom 15.5.2013, 2013/08/0051, auch Folgendes entschieden: Das System der Versicherungspflicht abhängig Beschäftigter baut auf der Verschiedenheit von DG und DN auf; Letzteres kann daher auch jener nicht sein, der auf einen DG in rechtlicher Hinsicht (sei es als Mehrheitsgesellschafter einer juristischen Person, sei es als persönlich haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft) einen beherrschenden Einfluss ausübt. Die Beantwortung derartiger Fragen ist vor allem bei juristischen Personen (diverse Gesellschaften) von Bedeutung.

Im vorliegenden Fall hat der VwGH die Beurteilung der Behörde bestätigt und auf Grund des Vorliegens persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit (ua Einhaltung von Trainings- und Spielplänen, Trainingszeiten und -orten, keine Vertretungsmöglichkeit, Weisungsgebundenheit sowie Nutzung der Betriebsmittel des Vereins) die DN-Eigenschaft gem § 4 Abs 2 ASVG bejaht. Der angefochtene Bescheid wurde jedoch aufgehoben, weil noch Feststellungen zur DG-Eigenschaft des U Fußballvereines T zu treffen sind. Der VwGH bekräftigt, dass DG iSd § 35 ASVG der ist, der nach rechtlichen (und nicht nur tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften berechtigt und verpflichtet ist. Die Behörde hat nicht ausreichend geprüft, ob die Tätigkeiten – wie in der Beschwerde vorgebracht – als Fußballer und Trainer in zwei unterschiedlichen Betrieben (Fußballverein und Sportverein) erfolgte. Es kann somit rechtlich noch nicht abschließend beurteilt werden, wer nun DG ist. Die Behörde hat zu prüfen, ob es sich um zwei rechtlich getrennte Vereine handelt, die auf getrennte Rechnungen geführt werden.