219Berechnung der erforderlichen Beschäftigungsdauer für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld
Berechnung der erforderlichen Beschäftigungsdauer für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld
Die Dauer der für den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld gem § 24 Abs 1 Z 1 KBGG erforderlichen Erwerbstätigkeit stellt eine Laufzeit und keine Frist dar. Daher findet das Europäische Übereinkommen zu Fristberechnung BGBl 1983/254 keine Anwendung. Das KBGG enthält selbst keine Regelung zur Berechnung von Laufzeiten. Lücken bei der Berechnung von Fristen und Laufzeiten sind unter Heranziehung der in den §§ 902 ABGB niedergelegten Grundsätze zu füllen.
Die Kl war ab 8.7.2013 in einem befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Mit 8.1.2014 trat der Versicherungsfall der Mutterschaft ein, die Kl hat bis einschließlich 7.1.2014 gearbeitet. Sie beantragte bei der Bekl das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens im Zeitraum vom 15.4.2014 bis 13.5.2015. Die bekl GKK lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Kl hätte bereits ab dem 7.7.2013 beschäftigt sein müssen, da es gem § 902 Abs 2 ABGB erforderlich sei, dass das Ende einer Monatsfrist auf die Zahl falle, die dem Tag des Ereignisses entspreche, mit dem der Lauf der Frist begonnen habe.
Das Erstgericht gab der Klage mit der Begründung statt, dass die relevante Sechs-Monats-Frist bei Beginn am 8.7.2013 mit dem 7.1.2014 ende. Das Berufungsgericht gab der Berufung der bekl GKK nicht Folge. Abweichend von § 902 ABGB entspreche es der Natur und dem Zweck von laufzeitabhängigen Ansprüchen, dass der Tag des Dienstantritts mit einzurechnen sei. Bei der Kl sei der erste Tag des Dienstantritts in die Laufzeit des Beobachtungszeitraums gem § 24 Abs 1 Z 1 KBGG einzubeziehen. Die erforderliche Laufzeit ende folglich mit dem 7.1.2014.
Der OGH folgte der Begründung der bekl GKK nicht, die Frist gem § 24 Abs 1 Z 1 KBGG sei vom 7.1.2014 zurückzurechnen und müsse daher auch den 7.7.2013 umfassen. Er wies deshalb die ordentliche Revision ab. § 24 Abs 1 Z 2 KBGG enthält keine Frist im engeren Sinn, sondern normiert eine Laufzeit (hier: Dauer der Erwerbstätigkeit). Daher findet das Europäische Übereinkommen zur Fris-270tenberechnung keine Anwendung. Das KBGG selber enthält keine Regelung zur Berechnung von Laufzeiten; eine solche Lücke ist daher nach den Grundsätzen der §§ 902 f ABGB zu füllen. Demnach ist bereits jener Tag mit zu berücksichtigen, der die Laufzeit auslöst, und dieser Tag ist von Mitternacht des jeweiligen „ersten Tages“ an zu rechnen. Aus der Einbeziehung des ersten Tages ergibt sich, dass der letzte Tag der Laufzeit mit Mitternacht des Tages endet, der vor dem Tag liegt, auf dessen Zahl das die Laufzeit auslösende Ereignis gefallen ist.
„[…], dass es hier nicht um eine Frist im engeren Sinne geht, sondern um die Dauer einer Laufzeit (hier: der Dauer einer Erwerbstätigkeit). Damit kann festgehalten werden, dass das […] Europäische Übereinkommen zur Fristenberechnung (BGBl 1982/254) keine Anwendung findet. […]
Im KBGG selbst ist keine Regelung zur Berechnung von Laufzeiten vorgesehen; […] Allgemein wird vertreten, dass eine Lücke bei der Berechnung von Fristen (und von Laufzeiten) auch im öffentlichen Recht unter Heranziehung der in den §§ 902 f ABGB niedergelegten Grundsätze zu füllen ist. […]
Bei Dauerrechtsverhältnissen geht die Rechtsprechung – abweichend von § 902 ABGB – davon aus, dass die (aus dem Rechtsverhältnis zu erbringende) Dauerleistung bereits am ereignisauslösenden Tag zu erbringen ist, weshalb dieser Tag in die Dauer einzubeziehen ist […]. So ist bei laufzeitabhängigen Ansprüchen aus einem Dienstverhältnis der Dienstantritt einzurechnen […]. Dabei ist von Mitternacht des jeweiligen ‚ersten Tages‘ an zu rechnen […]; dies gilt auch für den Beginn von Versicherungsverhältnissen […].“
Nach dem Sachverhalt des vorliegenden Urteils hatte die Antragstellerin ihr befristetes Arbeitsverhältnis so vereinbart, dass es exakt sechs Monate vor dem Eintritt des Versicherungsfalles auf Basis des errechneten Entbindungstermins begann und mit Eintritt der Wochenschutzfrist endete. Es ist wohl offensichtlich, dass diese Vorgangsweise gewählt wurde, um die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes zu gewährleisten. Die bekl GKK machte geltend, dass vor dem Eintritt des Versicherungsfalles keine vollen sechs Monate vorgelegen hatten. Dies wäre richtig, wenn man das Erfordernis der sechs Monate dauernden Erwerbstätigkeit in § 24 Abs 2 KBGG als Frist ansieht. Der OGH zog allerdings unter Rückgriff auf ständige Judikatur zum Dienstverhältnis als Dauerschuldverhältnis den Schluss, dass dies eine Laufzeit darstellt, die stets unter Einbeziehung der vollen Tage ab Beginn bis Ende (Mitternacht des jeweiligen ersten Tages der Laufzeit bis Mitternacht des letzten Tages) zu berechnen ist. Da die Kl das Erfordernis einer sechsmonatigen Beschäftigung vor Eintritt des Versicherungsfalls erfüllte, war der Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld zu bejahen.271