Änderungen im Bereich der Sozialversicherung im ersten Halbjahr 2015
Änderungen im Bereich der Sozialversicherung im ersten Halbjahr 2015
Die der Bundesregierung bisweilen unterstellte Trägheit trügt besonders im Bereich der SV. Wurden doch allein in den letzten Monaten so viele Gesetze vorbereitet und beschlossen, dass selbst Beteiligte den Überblick verlieren müssen. Ziel des Beitrages ist es, die wichtigsten Aspekte der beschlossenen Gesetzespakete hervorzuheben.
Die Beitragsgrundlage für eine geringfügige Beschäftigung ergibt sich ab 2017 aus einer strikten Kalendermonatsbetrachtung. Eine geringfügige Beschäftigung liegt zukünftig grundsätzlich dann vor, wenn das Einkommen im Kalendermonat die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigt.
Änderungen gibt es für Beschäftigungen, die über einen Kalendermonat hinaus vereinbart werden (zB 28.1. bis 2.2.). In diesem Fall kommt derzeit jedenfalls die monatliche Geringfügigkeitsgrenze zur Anwendung und es liegt dann keine geringfügige Beschäftigung vor, wenn die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nur deshalb nicht überschritten wird, weil die Beschäftigung im Laufe eines Kalendermonats begonnen oder beendet wurde (Fiktion, die Beschäftigung wäre für den ganzen Kalendermonat vereinbart worden, vgl Empfehlung des HV E-MVB 005-02-00-001). Die Aufhebung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze macht nun eine Änderung dieser Regelung notwendig. Künftig wird nicht mehr darauf abgestellt, ob eine Beschäftigung über einen Kalendermonat hinaus vereinbart wurde (zB 28.1.–2.2.) sondern, ob sie für einen längeren Zeitraum als einen Monat (30 Tage) vereinbart wurde und die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nur deshalb nicht überschritten wird, weil die Beschäftigung im Laufe eines Kalendermonats begonnen oder beendet wurde. Dh, wenn eine Beschäftigung nicht für einen längeren Zeitraum als 30 Tage vereinbart wird, wird künftig die Fiktion, die Beschäftigung wäre für den ganzen Kalendermonat vereinbart worden, nicht mehr angestellt, auch wenn die Beschäftigung über einen Kalendermonat hinaus (zB 28.1. bis 2.2.) vereinbart wurde.
Weiters werden im Zusammenhang mit der Aufhebung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze die Bestimmungen über unständig beschäftigte Arbeiter in der Land- und Forstwirtschaft (§§ 461 bis 471) und die Bestimmungen über die fallweise beschäftigten Personen (§§ 471a bis 471e) aufgehoben. Derzeit fallweise beschäftigte Personen, deren Einkommen die tägliche Geringfügigkeitsgrenze überschreitet (nicht jedoch die monatliche), erwerben ab 2017 keine Arbeitslosen- und Pensionsversicherungszeiten mehr. Das kann bei Personen, die häufig bzw über längere Zeiträume fallweise (tageweise, gelegentlich) beschäftigt sind (zB Schneeräumer oder Gartenarbeiter), zu Leistungseinbußen führen. Für DG wird die Beschäftigung von Gelegenheitsarbeitern durch den Entfall der Sozialversicherungsbeiträge erheblich günstiger. Für die Krankenversicherungs- und Pensionsversicherungsträger entstehen Einnahmenausfälle, in der AlV entstehen neben Beitragsausfällen auch Mehraufwendungen, weil Gelegenheitsarbeiter mangels täglicher Geringfügigkeitsgrenze künftig auch an Beschäftigungstagen Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beziehen können. Es wird zu beobachten sein, in welchem Ausmaß die Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze zu unerwünschten Lenkungseffekten führt, insb, ob die Zahl der geringfügig Beschäftigten signifikant ansteigt, weil für tageweise Beschäftigte keine Sozialversicherungsbeiträge mehr zu zahlen sind.
Noch bis zum 31.12.2016 hat der Beitragsschuldner die Beiträge von der Lohnsumme aller bei ihm beschäftigten DN selbst zu ermitteln und unaufgefordert an den zuständigen Krankenversi-272cherungsträger abzuführen. Dieses Verfahren wird auch als Selbstverrechnung bezeichnet. Durch die Einführung der monatlichen Beitragsgrundlage hat der Beitragsschuldner ab 1.1.2017 „von den jedem Dienstnehmer/jeder Dienstnehmerin im Beitragszeitraum gebührenden und darüber hinaus gezahlten Entgelten
“ die Beiträge zu ermitteln und unaufgefordert an den zuständigen Krankenversicherungsträger abzuführen. An der Selbstverrechnung ändert sich durch die Umstellung auf die monatliche Beitragsgrundlage also nichts. Es wird jedoch monatlich eine Individualisierung der Meldung der Beitragsgrundlagen und der zu entrichtenden Beiträge vorgenommen. Die monatliche Beitragsgrundlage erhöht die Transparenz der Meldedaten und deren Kontrolle. Wenn derzeit ein AN überprüfen möchte, ob sein DG die für ihn zu zahlenden Beiträge zur SV korrekt, also vom ihm zustehenden Bruttolohn bzw der Beitragsgrundlage bemessen, abführt, so ist das nur jährlich im Nachhinein möglich. Hinzu kommt, dass in rund 10 % der Fälle die von den DG einmal jährlich vorgenommene Individualisierung der Beitragsgrundlagen mit der gemeldeten Lohnsumme nicht übereinstimmt. Dies führt in vielen Fällen zu beträchtlichen Verzögerungen bei der Berechnung und Auszahlung von Ansprüchen, die von der Beitragsgrundlage abgeleitet werden (etwa bei der Auszahlung der Abfertigung Neu, bei der Berechnung der Ansprüche aus dem Pensionskonto oder auch bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes). Durch die Einführung der monatlichen Beitragsgrundlage können diese ab 2017 monatlich überprüft und damit auch kurzfristig korrigiert werden.
Die monatliche Meldung der Beitragsgrundlagen hat auch eine Veränderung der Sanktionen für Meldeverstöße erforderlich gemacht. Die in § 113 ASVG geregelten Beitragszuschläge für verspätete oder falsche Meldungen des Entgelts werden aufgehoben und durch – deutlich niedrigere – Säumniszuschläge in § 114 ersetzt, die jedoch öfter, weil monatlich und individualisiert, fällig werden können.
Gem VfGH (25.6.1994, G 249/93) beruhen Verzugszinsen auf bereicherungsrechtlichen Gedanken. Sie sollen nämlich – abgesehen von der Abgeltung eines durch die Säumnis verursachten Verwaltungsmehraufwandes – auch verhindern, dass der Unternehmer durch Nichtzahlung der Sozialversicherungsbeiträge einen günstigen Kredit („billiges Geld“) erlangt. Laut VwGH haben Verzugszinsen keinen pönalen Charakter, sondern stellen ein wirtschaftliches Äquivalent für den Zinsverlust dar, den der Beitragsgläubiger dadurch erleidet, dass er die geschuldete Leistung nicht fristgerecht erhält. Die Absenkung der Verzugszinsen wird im Lichte dieses Gedankens durch das derzeit niedrige Zinsniveau gestützt. Das Ausmaß der Absenkung durch das Meldepflicht-Änderungsgesetz von derzeit 8 % plus Basiszinssatz auf 4 % plus Basiszinssatz ab 1.1.2017 (§ 689 Abs 1, BGBl I 2015/79) wird vor dem Hintergrund der Rechtsnatur der Verzugszinsen im Zusammenhang mit den tatsächlichen Refinanzierungskosten für kurzfristiges Geld und den mit der Einhebung der Verzugszinsen verbundenen Verwaltungskosten zu beurteilen sein.
Das Steuerreformgesetz enthält in seinem sozialrechtlichen Teil eine Reihe von Änderungen ua im Beitragsrecht der SV, die in einer Unterarbeitsgruppe der Steuerreformkommission erarbeitet wurden.
Es handelt sich um die unter Vereinfachung der Lohnverrechnung firmierende Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen von Steuer und SV und um die Verringerung der rund 500 Beitragsgruppen in der SV sowie sonstige Änderungen.
Bereits heute ist der Großteil der in § 49 Abs 3 ASVG von der Beitragspflicht in der SV befreiten Entgeltteile durch Anbindung an das Steuerrecht „harmonisiert“. Die Neuregelung sieht nunmehr eine weitere Vereinheitlichung durch Streichung mehrerer Ausnahmen von der Beitragspflicht im ASVG vor. Folgende Ausnahmen werden in § 49 Abs 3 mit Ablauf des 31.12.2015 aufgehoben und die entsprechenden Einkünfte damit sozialversicherungspflichtig:
Fehlgeldentschädigungen (Z 3), Werkzeuggelder (Z 6), Jubiläumsgeschenke aus Anlass eines Dienst- oder Firmenjubiläums sowie Prämien für Diensterfindungen (Z 10), Haustrunk im Brauereigewerbe (Z 14), Freimilch in milchverarbeitenden Betrieben (15), die unentgeltliche oder verbilligte Beförderung der eigenen DN und deren Angehörigen bei Beförderungsunternehmen (Z 20), Prämien für Verbesserungsvorschläge (Z 24) und Nachlässe von DG der Versicherungswirtschaft bei Versicherungsprämien ihrer DN (Z 25).
Anstelle der aufgehobenen Befreiungen wird ein sogenannter Mitarbeiterrabatt ab 1.1.2016 eingeführt (§ 49 Abs 3 Z 29 ASVG). Der geldwerte Vorteil aus dem kostenlosen oder verbilligten Bezug von Waren oder Dienstleistungen, die der DG im allgemeinen Geschäftsverkehr für alle oder bestimmte Gruppen von DN anbietet, wird bis zu273 folgenden Höchstgrenzen beitragsfrei gestellt: Im Einzelfall darf dieser Vorteil nicht mehr als 20 % des Verkehrswertes der betreffenden Ware oder Leistung, insgesamt in einem Kalenderjahr nicht mehr als € 1.000,- betragen. Die kostenlos oder verbilligt bezogenen Waren dürfen nicht verkauft und nur in einer Menge gewährt werden, die den Verkauf ausschließt.
Diese Regelung läuft auf eine weitgehende, bei kumulativen Zuwendungen aber keineswegs vollständige Kompensation der oben neu eingeführten Beitragspflichten hinaus. Nachdem künftig zB bisher sozialversicherungsfreie Jubiläumsgelder sozialversicherungspflichtig werden, kann dies zu einer beträchtlichen Mehrbelastung im Einzelfall führen. Im Zusammenhang mit der Tarifreform sollte es jedoch trotzdem zu einer Entlastung kommen. Wie geldwerte Vorteile aus Sachbezügen grundsätzlich zu bewerten sind, ist künftig in § 50 ASVG im Detail geregelt.
Neu geregelt werden auch bisher beitragsfreie Zuwendungen des DG im Zusammenhang mit der Teilnahme an Betriebsveranstaltungen (zB Betriebsausflüge, kulturelle Veranstaltungen, Betriebsfeiern). Künftig sind diese Zuwendungen nur noch bis zur Höhe von € 365,- jährlich, bei dort empfangenen Sachzuwendungen bis € 186,- jährlich beitragsfrei. Auch bisher beitragsfreie aus Anlass eines DN-Jubiläums oder eines Firmenjubiläums gewährte Sachzuwendungen werden in Zukunft nur noch bis zur Höhe von € 186,- jährlich beitragsfrei sein.
Der DN-Anteil wird künftig für alle AN-Gruppen 3,87 % und der DG-Anteil 3,78 % betragen. Der Gesamtbeitragssatz von 7,65 % bleibt gleich. Diese Änderung basiert auf der Empfehlung der Unterarbeitsgruppe der Steuerreform, nämlich dahingehend, dass sich in Summe an den AN- und AG-Beiträgen nichts ändern soll. Die Neufestsetzung der Beiträge wurde also kostenneutral zwischen DN und DG konzipiert (Angestellte zahlen künftig statt 3,82 % 3,87 %, Arbeiter statt 3,95 % 3,87 %, für freie DN bleibt es bei 3,87 %).
Derzeit gibt es 19 unterschiedliche Beitragsgruppen in der KV der Lehrlinge, die künftig zu einer Beitragsgruppe zusammengefasst werden. Im Einzelfall bedeutet die Veränderung, welche auf alle Lehrverhältnisse angewendet wird, die ab dem 1.1.2016 begründet werden, dass künftig in allen drei bzw vier Lehrjahren vom Lehrling 1,67 % an Krankenversicherungsbeiträgen zu entrichten sind statt wie bisher im ersten und zweiten Lehrjahr kein Beitrag und im dritten bzw vierten Lehrjahr jedoch 3,7 %. Über die gesamte Lehrzeit betrachtet, entsteht im Einzelfall also keine Mehrbelastung, sondern lediglich eine Aufteilung auf die Gesamtlehrzeit. AG zahlen künftig 1,68 % an Krankenversicherungsbeitrag für den Lehrling. Damit die angestrebte Parität der Krankenversicherungsbeiträge bei den Lehrlingen mit drei Stellen nach dem Komma nicht zu einem Verwaltungsmehraufwand in der Lohnverrechnung führt, wurden die Beitragssätze auf zwei Nachkommastellen zu Gunsten der Lehrlinge gerundet.
Bei den DN konnte die Parität der Beiträge noch nicht erreicht werden, bleibt aber als Forderung und Ziel der AN-Interessenvertretungen weiterhin aufrecht.
Mit 1.1.2016 wird die Höchstbeitragsgrundlage zusätzlich um € 90,- erhöht. Zweck der Erhöhung ist eine einnahmenseitige Entlastung des Bundes, ohne eine Steuererhöhung im engeren Sinne vorzunehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden entsprechende Änderungen im Sozialversicherungsrecht beschlossen, die eine Entlastung des Bundes im Ausmaß der Mehreinnahmen der SV gewährleisten. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage in bestimmten Zusammenhängen zu einer direkten Entlastung des Bundes führt. Dies gilt insb für den Bereich der PV, hier führen die Mehreinnahmen an Pensionsbeiträgen direkt zu einem Absinken der Ausfallshaftung des Bundes im selben Ausmaß. Im Bereich der KV bedeutet jeder Anstieg der Krankenversicherungsbeiträge ein zusätzliches Einkommen für die Länder, weil ein Drittel der Krankenversicherungsbeiträge im Rahmen der Krankenanstaltenfinanzierung von der SV an die Länder fließt. Die durch die außerordentliche Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage noch verbleibenden Mehreinnahmen werden durch gezielte Maßnahmen abgeschöpft. Dies wird zB durch die Senkung der sogenannten Hebesätze (Beitrag des Bundes zur KV der Pensionisten) im ASVG, BSVG und GSVG erreicht. Durch die zusätzliche Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage kommt es nicht nur zu Mehreinnahmen im Bereich des ASVG, GSVG und BSVG, sondern auch für die Beamtenversicherungsanstalt. Da es im Beamtenbereich keine Hebesätze gibt, wurde im B-KUVG anstelle dessen der DG-Beitrag abgesenkt (§ 22 B-KUVG). Ein weiterer Baustein zur Erzielung der Kostenneutralität ist in der Wiedereinrichtung und Dotierung (bis 2018 mit 10 Mio pro Jahr) des Krankenkassenstrukturfonds zu sehen.
Personen, die aufgrund ihres geringen Einkommens keine Einkommenssteuer zahlen, sollen in274 der Veranlagung Sozialversicherungsbeiträge rückerstattet erhalten:
AN bis zu € 400,-,
Pendler bis zu € 500,-,
Pensionisten bis zu € 110,- (es erfolgt jedoch eine Anrechnung auf die Ausgleichszulage, wodurch diese Gruppe keine Rückerstattung der Sozialversicherungsbeiträge erhält. Nachdem auch Ausgleichszulagenbezieher 5,1 % an Krankenversicherungsbeiträgen bezahlen, erscheint die Anrechnung auf die Ausgleichszulage gleichheitsrechtlich bedenklich).
Die Rückerstattung ist erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2016 anzuwenden. Für das Veranlagungsjahr 2015 wird jedoch die Hälfte rückerstattet, also bei Pensionisten bis zu € 55,- und bei AN bis zu € 220,- (§ 124b Z 292 EStG).
Bei Landwirten erfolgt die Rückerstattung von Beiträgen auf Basis einer eigenen, sehr komplizierten Regelung in § 24d BSVG. Das Ausmaß der Rückerstattung hängt von der Höhe der dafür vom Bund zweckgewidmet dem Versicherungsträger zur Verfügung gestellten Mittel ab.
Die gewerblich Selbstständigen erhalten statt der Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen die von ihnen seit langem geforderte Absenkung der Mindestbeitragsgrundlage in der KV und PV auf die Höhe der Geringfügigkeitsgrenze im ASVG. In der PV erfolgt die Absenkung schrittweise bis 2021 (§ 25 Abs 4 iVm § 359 Abs 3a GSVG). Die Aufwendungen für das Absenken der Mindestbeitragsgrundlage werden bis zu einem jährlichen Ausmaß von 40 Mio € aus Mitteln der Einkommensteuer getragen. Der Bund finanziert die Senkung jedoch über einen zweiten Weg mit: Diese führt auch zu einem Beitragsentfall in der PV, der durch die Ausfallshaftung des Bundes, also mit allgemeinen Steuermitteln, auszugleichen sein wird.
Sonderausgaben für Beiträge und Versicherungsprämien zu einer freiwilligen KV, UV oder PV etc für Wohnraumbeschaffung, Wohnraumsanierung und Altersvorsorge werden für bis zum 31.12.2015 geschlossene Verträge noch fünf Jahre bis zum Jahr 2020 beibehalten (§ 63 Abs 1 Z 2). Für Neuverträge besteht bereits ab dem Veranlagungsjahr 2016 keine Absetzmöglichkeit mehr.
Für Beiträge für eine freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen PV, einschließlich des Nachkaufs von Versicherungszeiten, wird eine Spezialnorm geschaffen (§ 18 Abs 1a); diese bleiben damit weiterhin absetzbar, auch wenn man sie für den Ehepartner oder seine Kinder leistet (§ 18 Abs 3 Z 1). Beiträge zur Höherversicherung können hingegen ab 2016 nicht mehr als Sonderausgaben abgesetzt werden.
Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung einschließlich des Nachkaufs von Versicherungszeiten und Kirchenbeiträge sollen ab dem Veranlagungsjahr 2017 automatisch berücksichtigt werden (Pensionsversicherungsträger und Kirche melden an die Finanzbehörde).
Geldzahlungen von Arbeitslohn zur Erbringung von Bauleistungen dürfen nicht in bar geleistet oder entgegengenommen werden, wenn der AN über ein Girokonto verfügt oder einen Rechtsanspruch darauf hat. In dieser Sichtbarmachung der Lohnzahlungen ist eine weitere Maßnahme zur Sozialbetrugsbekämpfung zu sehen.
Zweck des Gesetzes ist die Verstärkung der Abwehr, Verhinderung und Verfolgung von Sozialbetrug (Sozialbetrugsbekämpfung). Illegale Verhaltensweisen sollen durch verbesserte Koordination und wirksame Kontrollen der zuständigen Behörden und Einrichtungen bekämpft werden. Sozialbetrug bezeichnet alle Verhaltensweisen, die eine Verletzung jener Pflichten zum Gegenstand haben, die die Finanzierung der SV (Beiträge) und des Staates (Steuern) gewährleisten.
Es werden Kooperations- und Informationsstellen im Wirkungsbereich verschiedener Behörden (insb Finanzbehörden, Sozialversicherungsträger und Gerichte) zur Sozialbetrugsbekämpfung geschaffen. Es wird ein Beirat eingerichtet, in dem berufliche Interessenvertretungen ein Anhörungsrecht haben. Zum besseren Informationsaustausch wird eine Datenbank eingerichtet. Die Ermittlungsbefugnisse der Finanzstraf- und Abgabenbehörden werden erweitert, die Ermittlungspflicht der Finanzstrafbehörden wird ausgedehnt und den Trägern der KV im Strafverfahren zum Sozialbetrug die Stellung von Privatbeteiligten eingeräumt.
Ein Scheinunternehmen ist ein Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist, Lohnabgaben, Beiträge zur SV, Zuschläge nach dem BUAG oder275 Entgeltansprüche von AN zu verkürzen, oder Personen zur SV anzumelden, obwohl diese keine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen. Ziel des Gesetzes ist es, bereits bei einer Verdachtslage tätig zu werden, um das Handeln der Scheinunternehmen so früh wie möglich zu unterbinden. Ein Verdacht kann ua durch eine Risiko- und Auffälligkeitsanalyse aus den Daten der SV geschöpft werden. Ein solcher Verdacht ist durch weitere Ermittlungen zu erhärten. Liegt ein Verdacht auf Bestehen eines Scheinunternehmens vor, ist dieser der Firma durch die Abgabenbehörde schriftlich mitzuteilen.
Die Zustellung dieser Mitteilung hat elektronisch ohne Zustellnachweis zu erfolgen. Ist die elektronische Zustellung nicht möglich, hat die physische Zustellung an die der Abgabenbehörde zuletzt bekannt gegebene Adresse und an eine allfällig im Firmenbuch eingetragene Geschäftsanschrift ohne Zustellnachweis zu erfolgen. Die physische Zustellung wird auch dann bewirkt, wenn die Voraussetzungen des ZustG in Bezug auf die Anwesenheit des Empfängers nicht vorliegen. Bei Zustellung durch einen Zustelldienst oder ein Organ einer Gemeinde gilt die Zustellung am dritten Werktag nach Übergabe an den Zustelldienst oder die Gemeinde als bewirkt. Gegen den mitgeteilten Verdacht kann binnen einer Woche ab Zustellung Widerspruch bei der Abgabenbehörde erhoben werden. Der Widerspruch kann nur durch persönliche Vorsprache eines befugten Vertreters erfolgen.
Wird kein Widerspruch erhoben, hat die Abgabenbehörde mit Bescheid festzustellen, dass das Unternehmen, hinsichtlich dessen ein Verdacht vorliegt, als Scheinunternehmen gilt. Für die Zustellung dieses Bescheids gilt das vorhin Ausgeführte. Der rechtskräftige Bescheid ist allen Kooperationsstellen, der Gewerbebehörde und dem Auftragnehmerkataster Österreich zu übermitteln.
Handelt es sich beim Scheinunternehmen um einen im Firmenbuch eingetragenen Rechtsträger, so ist der rechtskräftige Bescheid oder das Erk des Verwaltungsgerichts von der Abgabenbehörde auch dem zuständigen Firmenbuchgericht zu übermitteln. Das Gericht hat aufgrund einer solchen Mitteilung von Amts wegen eine Eintragung oder Löschung vorzunehmen. Das BM für Finanzen hat eine Liste der rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen im Internet zu veröffentlichen (Identität, Firmenbuchnummer und Geschäftsanschrift des Scheinunternehmens).
Bei Scheinfirmen ist meist deutlich erkennbar, dass keine normale unternehmerische Struktur vorliegt, so dass in aller Regel von einem Wissen-Müssen ausgegangen werden kann. Ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens haftet der Auftrag gebende Unternehmer, wenn er zum Zeitpunkt der Auftragserteilung wusste oder wissen musste, dass es sich beim Auftrag nehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen handelt, zusätzlich zum Scheinunternehmen als Bürge und Zahler nach § 1357 ABGB für Ansprüche auf das gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt für Arbeitsleistungen im Rahmen der Beauftragung der beim Scheinunternehmen beschäftigten AN. Diese Bestimmung erfüllt eine jahrelange Forderung der AN-Vertretungen zur Bekämpfung von Scheinunternehmen. Sie kann durchaus als Herzstück der Reform bezeichnet werden, weil sie am Profit der Auftrag gebenden Unternehmen ansetzt. Die Scheinfirmen können deutlich unter Marktpreisen anbieten, weil sie von vornherein mit Lohnbetrug kalkulieren. In Zukunft kann sich kein Auftraggeber einer dubiosen Firma mehr sicher sein, ob er nicht am Ende des Tages die Rechnung für den Lohnbetrug zahlt.
Die Krankenversicherungsträger sind an die rechtskräftige Feststellung des Vorliegens eines Scheinunternehmens durch die Abgabenbehörden gebunden (§ 35a). Die Versicherten sind verpflichtet, zur Auskunftserteilung über die Beschäftigung bei einem rechtskräftig als Scheinunternehmen festgestellten Unternehmen binnen sechs Wochen nach schriftlicher Aufforderung persönlich beim Krankenversicherungsträger zu erscheinen (§ 43 Abs 4).
Die Pflichtversicherung von DN erlischt neben den sonstigen im ASVG vorgesehenen Gründen auch mit der rechtskräftigen Feststellung eines Scheinunternehmens, wenn sie der Aufforderung zum persönlichen Erscheinen beim Versicherungsträger nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen bzw wenn sie nicht glaubhaft machen können, dass sie tatsächlich Arbeitsleistungen verrichtet haben (§ 11 Abs 7).
Haben Personen, die der Aufforderung zum persönlichen Erscheinen beim Krankenversicherungsträger nach § 43 Abs 4 rechtzeitig nachgekommen sind, glaubhaft gemacht, (für bestimmte Zeiträume) tatsächlich Arbeitsleistungen im Bereich eines Scheinunternehmens verrichtet zu haben, so hat der Krankenversicherungsträger den DG dieser Personen zu ermitteln. Ist dies nicht möglich, so gilt – ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens – als DG das Auftrag gebende Unternehmen, wenn es wusste oder wissen musste, dass es sich beim Auftrag nehmenden Unternehmen um ein Scheinunterneh-276men nach § 8 SBBG handelt, und nicht beweist, von diesen Personen keine Arbeitsleistungen erhalten zu haben oder zu erhalten (§ 35a).
Die Anmeldung durch Unternehmen, die bescheidmäßig als Scheinunternehmen nach § 35a festgestellt wurden, ist unzulässig und gilt nicht als Meldung nach § 41. Die davon betroffenen Personen sind nach § 43 Abs 4 zur Auskunftserteilung aufzufordern (§ 33 Abs 1b).
Die Kontrollmöglichkeiten der Gebietskrankenkassen wurden für den Fall erheblich verstärkt, dass der begründete Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens besteht. Die Bediensteten der Gebietskrankenkassen sind zB berechtigt, zur Durchführung ihrer Aufgaben die Betriebsstätten zu betreten, DG und DN sind verpflichtet, Auskünfte zu erteilen, die DN zudem verpflichtet, auf Verlangen der Bediensteten ihre Ausweise oder sonstigen Unterlagen zur Feststellung ihrer Identität vorzuzeigen (§ 42 Abs 1a). Die Abgabenbehörden wiederum sind verpflichtet, die Gebietskrankenkassen über das Vorliegen eines Verdachtes auf ein Scheinunternehmen zu informieren (§ 35a).
Die Krankenversicherungsträger haben zur Ergreifung von Maßnahmen gegen den Versicherungsmissbrauch sowie zur Sicherstellung des Versicherungsschutzes Risiko- und Auffälligkeitsanalysen mit einem standardisierten Risiko- und Auffälligkeitsanalyse-Tool im DG-Bereich durchzuführen. Kompetenzzentrum dafür ist die oberösterreichische GKK (§ 42b).
Die Strafbestimmungen betreffend Verstöße gegen melderechtliche Vorschriften wurden um auskunftspflichtige Personen bei Ermittlungen zu einem Scheinunternehmen ergänzt; ordnungswidrig handelt, wer Bediensteten der Versicherungsträger einen Ausweis oder eine sonstige Unterlage zur Feststellung der Identität nicht vorzeigt oder die zur Durchführung der Aufgaben der Versicherungsträger erforderlichen Auskünfte nicht erteilt (§ 111). In den Verwaltungsstrafverfahren nach den §§ 111, 112 und 112a hat der anzeigende Versicherungsträger künftig Parteistellung und ist berechtigt, gegen Entscheidungen Beschwerde beim Verwaltungsgericht zu erheben (§ 111a).
Klargestellt wird, dass die Träger der KV berechtigt sind, sich davon zu überzeugen, dass die ärztlichen Anordnungen und die Bestimmungen der Krankenordnung vom Versicherten eingehalten werden. Die Träger der KV sind weiters berechtigt, den Gesundheitszustand des Erkrankten zu prüfen (§ 23 Abs 7).
Der Hauptverband hat Richtlinien über die Durchführung, Dokumentation und Qualitätssicherung von Kontrollen im Vertragspartnerbereich nach § 32a zu erlassen (§ 31 Abs 5 Z 12).
Die Versicherungsträger sind verpflichtet, die rechtskonforme Vorgehensweise der Vertragspartner wie insb der Ärzte zu überprüfen. Zu diesem Zweck sind die Versicherungsträger ermächtigt, eigens hierfür ausgestellte e-cards durch die Prüforgane des Versicherungsträgers einzusetzen. Solche Kontrollen sind nur bei begründetem Verdacht zulässig und darüber hinaus stichprobenweise auf Grund eines jährlich im Vorhinein zu erstellenden Stichprobenplans (§ 32a).
Die Krankenanstalten sind verpflichtet, die e-card und die e-card-Infrastruktur zu verwenden und die Identität des Patienten sowie die rechtmäßige Verwendung der e-card zu überprüfen. Die Überprüfung der Identität ist für Patienten bis zum vollendeten 14. Lebensjahr nur im Zweifelsfall vorzunehmen (§ 148 Z 6).
Die Verträge der Krankenanstalten bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der schriftlichen Form und haben insb nähere Bestimmungen über die Einweisung, die Überprüfung der Identität des Patienten und die rechtmäßige Verwendung der e-card, etc zu enthalten (§ 149 Abs 2).
Weder durch Vertrag noch durch Nebenabrede kann die Kontrolle der Vertragspartner durch die Versicherungsträger und der Einsatz einzelner Kontrollinstrumente durch die Versicherungsträger ausgeschlossen werden (§ 338 Abs 5).
Die Landesgesetzgebung hat die Ausführungsbestimmungen zu den §§ 148 Z 6 und 149 Abs 2 innerhalb von sechs Monaten zu erlassen (§ 692 Abs 2).
Mit der Zuerkennung einer Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit ist derzeit nur zu rechnen, wenn aufgrund eines Gutachtens zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Pensionsversicherungsanstalt anzunehmen ist, dass Arbeitsfähigkeit nicht vorliegt. Künftig ist mit der Zuerkennung auch zu rechnen, wenn ein diesbezügliches gerichtliches Gutachten vorliegt. Das ist eine sinnvolle Ergänzung der derzeitigen Rechtslage, weil nunmehr auch für diesen Fall klargestellt ist, dass während der weiteren Abklärung (im Rechtsmittelweg oder in einem277 Verfahren im Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum [BBRZ]) eine konkrete Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit zusteht (eine dauernde Pension gem § 254 ASVG, Rehabilitationsgeld gem § 143a ASVG oder Umschulungsgeld gem § 39b AlVG, Pensionsvorschuss gem § 23 AlVG).
Ein AG, der ältere Personen, die die Anspruchsvoraussetzungen für eine Korridorpension gem § 4 Abs 2 APG erfüllen, beschäftigt und diesen bei kontinuierlicher, also nicht geblockter, Verringerung ihrer Arbeitszeit auf Grund einer Teilpensionsvereinbarung einen Lohnausgleich gewährt, hat bei Erfüllung der nachstehend genannten Voraussetzungen Anspruch auf eine Abgeltung seiner zusätzlichen Aufwendungen, die in nicht ganz schlüssiger Weise als Teilpension bezeichnet wird.
Eine Teilpension gebührt für Personen, die 1. in den letzten 25 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) 780 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt waren, 2. auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung ihre Normalarbeitszeit auf 40 bis 60 vH verringert haben, 3. auf Grund eines KollV, einer BV oder einer vertraglichen Vereinbarung bis zur Höchstbeitragsgrundlage einen Lohnausgleich in der Höhe von mindestens 50 vH des Unterschiedsbetrages zwischen dem im letzten Jahr vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit gebührenden Entgelt und dem der verringerten Arbeitszeit entsprechenden Entgelt erhalten und für die der AG die Sozialversicherungsbeiträge entsprechend der Beitragsgrundlage vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit entrichtet hat.
Den Anspruch auf eine Korridorpension erfüllen Personen, die nach Vollendung des 62. Lebensjahres mindestens 480 Versicherungsmonate erworben haben. Dh, Personen, die die Voraussetzungen für die sogenannte „Hacklerregelung“ mit 540 Beitragsmonaten oder für die Schwerarbeitspension mit 540 Versicherungsmonaten erreichen, erfüllen ab dem 62. Lebensjahr auch die Anspruchsvoraussetzungen für eine Korridorpension und damit für die Teilpension in Form der erweiterten Altersteilzeit. Für Frauen kommt die Regelung für längere Zeit nicht in Frage, weil das Regelpensionsalter mit 60 Jahren unter dem der Korridorpension liegt.
Die Teilpension hat dem AG den zusätzlichen Aufwand, der durch einen Lohnausgleich und die Sozialversicherungsbeiträge entsteht, zu 100 % abzugelten. Bei der herkömmlichen Altersteilzeit werden nur 90 % abgegolten. Eine Teilpension kann mit einer vorhergehenden Altersteilzeit kombiniert, jedoch nur für die Höchstdauer von fünf Jahren bezogen werden. Aufgrund des Lohnausgleichs und der weiterbestehenden SV auf Basis des Vollzeiteinkommens ist diese Regelung für AN als sehr attraktiv zu bezeichnen, denn der Pensionsaufschub führt auch zu einer beträchtlichen Pensionserhöhung (zwischen 8 % und 10 % pro Jahr des Aufschubs).
Die Bundesregierung hat mit den skizzierten Gesetzespaketen jedenfalls Handlungsfähigkeit bewiesen. Aus AN-Sicht sind neben der Tarifreform die Einführung der monatlichen Beitragsgrundlage und die Haftung für Entgelt begrüßenswerte Weiterentwicklungen. Die monatliche Beitragsgrundlage löst das 1972 eingeführte Lohnsummenverfahren und die Bildung von durchschnittlichen Beitragsgrundlagen ab. In der Zeit der Lochkarten war es unumgänglich, das Datenvolumen auf ein Zwölftel zu reduzieren. Heute ist zwar der Speicherplatz keine große Herausforderung mehr, aber die Umstellung auf eine monatliche Beitragsgrundlage stellt für die Sozialversicherungsträger eine enorme Herausforderung dar, die nicht ohne weiteres bis 2017 zu bewältigen ist. Eine Verschiebung des Inkrafttretens ist daher nicht ausgeschlossen.
Hervorzuheben ist, dass die Harmonisierung der Beitragssätze in der KV, die Reduktion der Beitragsgruppen, die monatliche Beitragsgrundlage, die Meldevereinfachungen, die Aufhebung der Beitragszuschläge für falsche Entgeltmeldungen, die Halbierung der Verzugszinsen, die Senkung der Mindestbeitragsgrundlage, die Aufhebung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze, die Abschaffung der fallweisen Beschäftigung, und vieles mehr einerseits zu Verwaltungsvereinfachung führt, andererseits aber auch zu Entlastungen der Unternehmen, die zT durch allgemeine Mittel zu finanzieren sein werden.278