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Auch frühere Verstöße, die nur zu Ermahnung führten, können bei Entlassung wegen neuerlichen Vorwurfs in Würdigung des Gesamtverhaltens einfließen

MANFREDTINHOF

Ein AN war von 1.12.2009 bis zu seiner Entlassung am 19.6.2012 bei einem im Sicherheitsbereich tätigen Unternehmen als Berufsdetektivassistent im Angestelltenverhältnis tätig.

Da sich der AN über die Kilometergeldabrechnung eines Kollegen ärgerte und diese kontrollieren wollte, stieg er Ende des Jahres 2011 in den privaten E-Mail-Account des Geschäftsführers ein, ohne diesen darüber zu informieren. Er leitete die Mails des Kollegen mit dessen Fahrtenbüchern an sich selbst weiter. Der AN hatte weder den Auftrag, Kilometergeldabrechnungen zu kontrollieren, noch die Erlaubnis, sich in den privaten E-Mail-Account des Geschäftsführers einzuwählen. Als das Verhalten des AN zu Tage trat, erhielt er eine Verwarnung: „Wenn noch etwas ist, dann gehst du.“

Im Mai 2012 erlaubte der AN einem alten Bekannten, das nun bekl Unternehmen in dessen Lebenslauf als Auftraggeber anzuführen, ohne dass der Bekannte jemals dort gearbeitet hatte. Er tat dies, ohne Rücksprache mit dem Geschäftsführer zu halten. Als der Geschäftsführer den E-Mail-Verkehr des AN mit dem Bekannten entdeckte, sprach er dem AN gegenüber die Entlassung aus.

Während die Vorinstanzen das Fehlverhalten des AN als nicht schwerwiegend genug und somit die Entlassung für unberechtigt erachteten, hielt der OGH die Revision für zulässig und auch berechtigt.

In manchen Branchen – wie etwa auch dem Sicherheitswesen – muss den Angestellten ein besonderes Vertrauen entgegengebracht werden können. Vertrauensunwürdigkeit und somit ein Entlassungsgrund iSd § 27 Z 1 dritter Fall AngG liegen hier vor, weil der AN jedenfalls damit rechnen musste, dass sein Bekannter den Lebenslauf mit den wahrheits-238widrigen Angaben über die Bekl für sein eigenes berufliches Fortkommen auch in der Sicherheitsbranche verwenden werde, so dass seine Vorgangsweise zumindest potenziell geeignet war, die Reputation der Bekl im geschäftlichen Verkehr zu gefährden.

Darüber hinaus trifft nicht zu, dass – wie vom Berufungsgericht behauptet – der nur wenige Monate zuvor vom AN unberechtigt vorgenommene Zugriff auf den privaten E-Mail-Account des Geschäftsführers im konkreten Fall nicht mehr zur Beurteilung der Berechtigung der Entlassung herangezogen werden könne, weil der Geschäftsführer durch die dafür ausgesprochene Verwarnung schlüssig auf die Ausübung des Entlassungsrechts für dieses gravierende Fehlverhalten des AN verzichtet hätte. Hat der AG ihm zur Kenntnis gelangte konkrete Vorfälle bloß zum Anlass für eine Ermahnung genommen, so kann eine derartige Erklärung nur dahin verstanden werden, dass der AG auf das Recht, den AN wegen diesem Verhalten zu entlassen, verzichtet hat. Abgemahnte ältere Vorfälle können daher zwar später nicht neuerlich als Entlassungsgrund herangezogen werden, bei späterer Wiederholung des abgemahnten (bzw eines gleichartigen) Verhaltens können aber die alten Vorfälle im Rahmen einer Würdigung des Gesamtverhaltens auch noch nachträglich Berücksichtigung finden.