SteinerÄnderungskündigung im Vergleich Deutschland

Verlag des ÖGB, Wien 2014, 124 Seiten, € 29,90

BARBARATROST (LINZ)

Es kommt nicht allzu häufig vor, dass Diplomarbeiten für eine Publikation in Buchform geeignet erscheinen – die vorliegende ist es zweifellos! Diese überarbeitete Fassung der Diplomarbeit von Friedrich Steiner enthält alles, was man sich von einer rechtsvergleichenden Studie zu einem immer aktuellen Thema als LeserIn erwartet, gleichgültig, ob vom wissenschaftlichen oder auch vom praktischen Standpunkt aus betrachtet, wenngleich hier der praktische Wert des Buches und nicht so sehr die akademische Arbeit im Vordergrund der Betrachtung stehen soll.

Zunächst ist dazu festzuhalten, dass die immense Bedeutung der Änderungskündigung im Arbeitsleben in keinem Verhältnis zu ihrem stiefmütterlichen Dasein in der Literatur steht, sodass schon aus diesem Grund dieses Buch ein wichtiges ist. Noch seltener findet man wirklich gründliche rechtsvergleichende Arbeiten zu dieser Thematik, wie überhaupt der Rechtsvergleich – wird er tief gehend und exakt betrieben – eine herausfordernde Arbeit ist, bei welcher die Gefahr, in Fallen zu tappen, oft größer erscheint als die Chance auf fruchtbare Beiträge zur Weiterentwicklung der einen oder anderen Rechtsordnung. Es verleitet nämlich die Entdeckung von Brauchbarem in der Vergleichsrechtsordnung dazu, ohne einen Blick auf die meist unterschiedlichen Prämissen, die Übernahme vermeintlicher Vorzüge zu fordern. Zu prüfen, inwieweit derartige Adaptionen für das österreichische Recht in Betracht kommen, ist die Forschungsfrage, die der Autor an den Beginn stellt. Und wie sich später zeigt, löst er sie mit Bedacht und Fingerspitzengefühl.

Einen ersten Schritt, um LeserInnen neugierig zu machen, schafft Steiner bereits auf S 20 mit einem eindrucksvollen Beispiel zu den tatsächlichen Auswirkungen der bestehenden Unterschiede in den zu568vergleichenden Rechtsordnungen: Die fehlende Änderungsschutzklage in Österreich führt, verbunden mit der Voraussetzung der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung, für die Anfechtung von Kündigungen zu absolut verschiedenen Ergebnissen, je nachdem, ob sich ein und derselbe Sachverhalt in Österreich oder in Deutschland ereignet.

Den klassischen Fehler der Rechtsvergleichung vermeidet der Autor bereits an jener Stelle und auch später noch in verschiedenen anderen Passagen: Das Orten eines Rechtsschutzdefizits nimmt er nicht selbstverständlich zum Anlass, Elemente aus der verglichenen Rechtsordnung zur Argumentation de lege lata hereinzunehmen. Vielmehr sucht er korrekt und mit scharfem Blick auf alle Details die Unterschiede in den gesetzlichen Regelungen, dogmatische Besonderheiten der beiden Rechtsordnungen und analysiert die Gründe, warum es zu entsprechend individuellen Entwicklungen gekommen ist. Als ein Beispiel hierfür wäre die Auseinandersetzung um die Änderungskündigung „ohne Bedingung“ zu nennen, deren Zulässigkeit in Deutschland Steiner mit Recht für nicht auf Österreich übertragbar hält, weil dieses Konstrukt tatsächlich ausschließlich am Wortlaut der deutschen Regelung anknüpft, für den es in Österreich in Ermangelung einer Regelung an sich eben kein Pendant gibt (S 42). Demgegenüber steht die Diskussion um die Anfechtbarkeit der schwebend (un)wirksamen (je nach aufschiebender oder auflösender Bedingung) Kündigung, die zwar gleichfalls in Deutschland der gesetzlichen Regelung unterliegt, dort jedoch bereits vor der Normierung dogmatisch begründet und judiziert wurde. Richtig schließt der Autor in diesem Fall die Übertragung des Instrumentes nicht generell aus, gelangt aber nach ausführlicher Begründung dennoch zur Nichtanwendung in Österreich (S 48 ff).

Als den elementaren Unterschied im Zugang der beiden Rechtsordnungen zum faktischen Phänomen der Änderungskündigung in formaler Hinsicht erklärt der Autor die ausdrückliche gesetzliche Regelung in Deutschland und demgegenüber die durch Lehre und Rsp gefundene Lösung der damit zusammenhängenden Fragen in Österreich. Richtigerweise knüpfen daran zwei Fragen an, eine formale und eine inhaltliche: Ist es besser (günstiger, sozial gerechter usw) Änderungskündigungen ausdrücklich gesetzlich zu regeln? Und: Welche Vorzüge/Nachteile hat die ausdrückliche gesetzliche Regelung in Deutschland verglichen mit der (ungeschriebenen) österreichischen Rechtslage? Natürlich können die beiden Fragen nicht wirklich isoliert untersucht werden. Steiner kommt daher auch zu dem Ergebnis, dass der Umstand einer ausdrücklichen Regelung für sich noch nicht unbedingt einen Vorteil darstellen muss, wenn auch in gewissen Einzelfragen klare Regeln als durchaus wünschenswert festgehalten werden. So äußert er zB rechtspolitisch in formaler Hinsicht den Wunsch nach einem zwingenden Schriftformgebot für Änderungskündigungen (S 23 ff) sowie nach einer Fixierung einer Entscheidungsfrist für die Annahme oder Ablehnung des Änderungsangebots (S 47 f).

In materieller Hinsicht liegt der zentrale Unterschied zwischen der deutschen und der österreichischen Rechtslage darin, dass eine Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung bzw eine Änderungsschutzklage wie in § 2 KSchG in der österreichischen Rechtsordnung fehlt. Steiner fordert eine solche de lege ferenda. Überhaupt zeigt sich spätestens in der Conclusio, dass rechtsdogmatische Schlussfolgerungen für die österreichische Rechtsordnung auch für Änderungskündigungen nicht in Betracht gezogen werden können, zeigt sich doch auch hier besonders deutlich, wie unterschiedlich die Systeme des Beendigungsrechts in ihrer Grundstruktur sind. Selbst mit rechtspolitischen Forderungen ist daher Steiner auch mit Recht zurückhaltend, weil er eindrucksvoll nachweist, welche Vorzüge eines jeden der beiden Systeme jeweils welchen Nachteilen gegenüberstehen. Das Ultima-Ratio-Prinzip beispielsweise – nicht nur für Änderungskündigungen, sondern für Kündigungen überhaupt – nützt, wie der Autor auch in seinen abschließenden Bemerkungen noch einmal betont (S 106) auch sozial stärkeren AN, und so erstrebenswert es auch sein mag, möglichst nur sachlich begründete Kündigungen zuzulassen, so muss man doch umgekehrt zur Kenntnis nehmen, dass dieser Grundsatz in Deutschland mit einer äußerst reduzierten Berücksichtigung der sozialen Lage der AN einhergeht (zB S 68).

Alles Positive hat auch ein Negatives könnte man zusammenfassend festhalten, und genau dies macht der Autor übersichtlich und verständlich klar. Naturgemäß hätte eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den systemischen Unterschieden auch einer umfassenderen Aufarbeitung der wissenschaftlichen Literatur zu beiden Systemen bedurft, was aber den Rahmen der vorliegenden Untersuchung gesprengt hätte. So war es letztlich auch konsequent, mit Reformvorschlägen und Forderungen nach Übernahme von Regelungen und Prinzipien aus der verglichenen Rechtsordnung sparsam umzugehen.