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Geltendmachung von Prozesskosten der unterlegenen Partei in nachfolgendem Schadenersatzprozess?

CHRISTOPHKLEIN (WIEN)

Die Präklusionswirkung der rechtskräftigen Kostenentscheidung eines Vorprozesses erfasst die in einem Folgeprozess neu geltend gemachten Sachverhalte nicht, wenn diese im Zeitpunkt der Vorentscheidung zwar bereits entstanden waren, aber wegen der Eigenart des Kostenrechts im Vorprozess nicht geltend gemacht werden konnten.

Die Bekl war AN der Kl. Sie vereinbarte mit dieser am 13.12.2012 die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2012. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden zwischen den Streitteilen bereits Unstimmigkeiten. Als die Bekl am 7.1.2013 von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erlangte, verständigte sie die Kl davon noch mit Schreiben vom selben Tag. Diesem Schreiben lag eine Schwangerschaftsbestätigung des behandelnden Arztes der Bekl bei, in der bestätigt wurde, dass aufgrund der Größe der Fruchtblase die Befruchtung „ca. um den 12.12.12 stattgefunden“ habe. Die Kl empfand dies als unzureichend und verlangte in weiterer Folge die Vorlage exakter Bestätigungen, insb die Entbindung des Gynäkologen der Bekl von seiner Verschwiegenheitspflicht. Dem kam die Bekl nicht nach.

In einem Vorverfahren beim Erstgericht als Arbeitsund Sozialgericht begehrte die nunmehrige Bekl und damalige Kl ua die Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ungeachtet der einvernehmlichen Lösung vom 13.12.2012 zum 31.12.2012 über den 31.12.2012 hinaus und bis zum Beginn des Beschäftigungsverbots der Kl aufgrund der bestehenden Schwangerschaft aufrecht fortbestehe. Im Zuge dieses Vorverfahrens entband die damalige Kl ihren Arzt von der Verschwiegenheitspflicht. Auf Grundlage528 dieser Aussage wurde ein Sachverständigengutachten erstellt, in welchem der Zeitpunkt des Eintritts der Schwangerschaft dargelegt wurde. Rechtlich hatte dies zur Folge, dass dem Klagebegehren im Vorverfahren mit Urteil vom 17.5.2013 zur Gänze stattgegeben wurde. Die damalige Bekl und nunmehrige Kl wurde gem § 41 ZPO zum Ersatz der Verfahrenskosten der damaligen Kl verpflichtet und hatte ihre eigenen Anwaltskosten zu tragen. Dieses Urteil erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Die Kl begehrt den Ersatz der durch diesen Rechtsstreit entstandenen Kosten. Die Bekl habe ihren Anspruch im Vorverfahren aufgrund der Aussage ihres behandelnden Gynäkologen erfolgreich durchgesetzt. Die Kl habe den Zeitpunkt der Schwangerschaft schon vor Beginn des Vorverfahrens durch Kontaktaufnahme mit diesem Arzt klären wollen, was die Bekl jedoch untersagt habe. Bei alternativ rechtmäßigem Verhalten hätte die Bekl der Kl als AG jedoch diese Information verschaffen müssen. Dadurch hätte die Kl den Anspruch der Bekl schon vor dem Beginn des Vorverfahrens anerkannt, sodass dieser Rechtsstreit vermieden hätte werden können. Die Weigerung der Bekl, ihren Arzt von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung zu befreien, sei rechtswidrig und schuldhaft gewesen, sodass der Kl ein Schaden in Höhe des selbständigen und nicht akzessorischen Kostenersatzanspruchs entstanden sei. Die Voraussetzungen des § 45 ZPO seien im Vorverfahren nicht gegeben gewesen.

Die Bekl erhob die Einreden der Unzulässigkeit des Rechtswegs und der entschiedenen Rechtssache. Die Bekl habe ihre Informationspflichten betreffend ihre Schwangerschaft gegenüber der Kl zur Gänze erfüllt. Selbst wenn diese Informationen ungenügend wären, so hätte die Kl im Vorverfahren den Anspruch der Bekl nach Erstattung des Sachverständigengutachtens anerkennen und unter Berufung auf § 45 ZPO den Zuspruch von Kosten begehren können. Die Kl mache nunmehr Kosten geltend, die mit dem Vorverfahren zusammenhängen und die nicht gesondert geltend gemacht werden könnten. Das Gericht habe im Vorverfahren über die hier geltend gemachte Forderung bereits rechtskräftig entschieden bzw hätte darüber entscheiden können.

Das Erstgericht verwarf die erhobenen Prozesseinreden. Die Kostenersatzpflicht werde ausschließlich durch die Bestimmungen der Zivilprozessordnung geregelt, der Kostenersatzanspruch sei akzessorisch. Nur wenn es an der Akzessorietät fehle, könne ein Kostenersatzanspruch als Hauptanspruch geltend gemacht werden. Mache allerdings der Kl einen Sachverhalt geltend, dessen Berücksichtigung bei der Kostenentscheidung des Vorprozesses aufgrund der Eigenart des Kostenrechts nicht in Betracht kam, sei dieser von der Präklusionswirkung der Kostenentscheidung nicht umfasst. Die Kl berufe sich im konkreten Fall nicht auf eine Unrichtigkeit der getroffenen Kostenentscheidung, sondern auf ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Bekl vor Einleitung des Vorverfahrens. Für die Berücksichtigung eines solchen Verhaltens eröffneten die Kostenersatzbestimmungen der ZPO – auch nicht § 45 ZPO – keine Möglichkeit. Bei der Kostenentscheidung im Vorverfahren sei nicht zu berücksichtigen gewesen, ob die von der Bekl als AN der Kl als AG erteilte Information über den Eintritt der Schwangerschaft ausreichend und vollständig gewesen sei. Der mit der nunmehrigen Klage geltend gemachte Sachverhalt sei daher zwar schon in dem für die Vorentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt entstanden gewesen, habe aber kostenrechtlich im Vorverfahren nicht berücksichtigt werden können. Er sei daher nicht von der Präklusionswirkung der Kostenentscheidung im Vorprozess mitumfasst, sodass der Anspruch aus dem Titel des Schadenersatzes geltend gemacht werden könne. Die Voraussetzungen des § 45 ZPO seien nicht erfüllt gewesen.

Das Rekursgericht gab dem von der Bekl gegen diese E erhobenen Rekurs Folge und änderte sie dahin ab, dass es die Klage zurückwies. Die Kostenersatzpflicht werde durch den Kostenausspruch abschließend entschieden und könne nicht neuerlich aufgerollt werden. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Im vorliegenden Fall gehe es um Prozesskosten, die der Bekl im Vorprozess entstanden seien, weil sie dort unterlag. § 45 ZPO wäre durchaus im Vorverfahren zur Anwendung gelangt. Die „Eigenart des Kostenrechts“ habe es im Vorverfahren nicht unmöglich gemacht, den von der Kl geltend gemachten und ihr bekannten Sachverhalt bereits dort geltend zu machen. Die von der Rsp entwickelte Ausnahme von der Präklusionswirkung einer rechtskräftigen Kostenentscheidung könne nicht den Zweck haben, ein ursprünglich bestehendes Kostenrisiko im Nachhinein rückgängig zu machen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob § 45 ZPO der Kl im Vorverfahren hätte helfen können. Die Informationspflichten im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses seien in den §§ 3 Abs 4 und 10 MuttSchG geregelt und wirkten sich im Vorverfahren unmittelbar auf die E der Hauptsache aus. Die „Eigenarten des Kostenrechts“ im Vorverfahren könnten daher im vorliegenden Fall keinen Grund bilden, vom Grundsatz, dass die Frage der Kostenersatzpflicht abschließend geregelt sei, abzuweichen. Über den geltend gemachten Anspruch sei daher rechtskräftig entschieden, sodass die Klage wegen entschiedener Rechtssache zurückzuweisen war.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, inwieweit ein Schadenersatzanspruch für die Kosten eines verlorenen Prozesses durch § 45 ZPO grundsätzlich ausgeschlossen sei, Rsp des OGH fehle. Gegen diesen Beschluss richtet sich der von der Bekl beantwortete Revisionsrekurs der Kl.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Die Frage der Kostenersatzpflicht im Zivilprozess ist durch die Bestimmungen der Zivilprozessordnung geregelt. Über den möglichen Ersatz von Kosten, die durch ein vor einem österreichischen Gericht eingeleitetes Verfahren entstanden sind, ist daher grundsätzlich in dem im Verfahrensrecht vor-529gesehenen Weg zu entscheiden. Durch die Kostenentscheidung wird über die Kostenersatzpflicht zwischen den Parteien des konkreten Verfahrens endgültig entschieden. Die Kostenfrage kann zwischen ihnen auch nicht in einem Folgeprozess, etwa – wie hier – gestützt auf Schadenersatz, neuerlich aufgerollt werden (stRsp seit 1 Ob 12/56; 10 Ob 6/05p; RIS-Justiz RS0023616; Obermaier, Kostenhandbuch2 Rz 4).

Die Präklusionswirkung der rechtskräftigen Kostenentscheidung des Vorprozesses erfasst jedoch die in einem Folgeprozess neu geltend gemachten Sachverhalte nicht, wenn diese im Zeitpunkt der Vorentscheidung zwar bereits entstanden waren, aber wegen der Eigenart des Kostenrechts im Vorprozess nicht geltend gemacht werden konnten (2 Ob 535/95; 4 Ob 111/07p; RIS-Justiz RS0106965; Obermaier aaO Rz 4).

2. Vergleichbar zu dem in 2 Ob 535/95 entschiedenen Sachverhalt beruft sich die Kl auch hier auf ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Bekl vor Einleitung des Vorverfahrens. Angesichts der von ihr als unklar empfundenen Schwangerschaftsbestätigung habe sie Zweifel gehabt, ob die Bekl tatsächlich am 13.12.2012, dem Zeitpunkt der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses, schwanger war. Sie habe daher vor Einleitung des Vorprozesses versucht, nähere Auskünfte zu erlangen, und von der Bekl verlangt, ihren behandelnden Arzt von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. Die Bekl habe dies rechtswidrig und schuldhaft verweigert, weshalb die Kl den von der Bekl geltend gemachten Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bestreiten habe müssen.

3. ISd oben dargestellten Rechtslage ist daher zu prüfen, ob dieser Sachverhalt – wie die Kl meint – in kostenrechtlicher Hinsicht im Vorverfahren nicht geltend gemacht werden konnte. Dieser Standpunkt der Kl erweist sich im Ergebnis als berechtigt.

3.1 § 10 MuttSchG normiert einen besonderen Bestandschutz für schwangere Mütter. Bedingung für den Eintritt des besonderen Kündigungsschutzes nach dieser Bestimmung ist neben der Schwangerschaft deren Bekanntgabe an den AG, wobei diese Bekanntgabe auch die Verpflichtung umfasst, die Schwangerschaft oder die Vermutung der Schwangerschaft durch eine Bestätigung des Arztes nachzuweisen (Wolfsgruber in ZellKomm2 § 10 MuttSchG Rz 11; RIS-Justiz RS0111397).

3.2 Zur im MuttSchG nicht geregelten Frage, ob eine schriftliche einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses in Unkenntnis der Schwangerschaft der AN wirksam ist, hat der OGH in seinen Entscheidungen 8 ObA 76/06v und 9 ObA 10/06w ausgeführt, dass im Falle der einvernehmlichen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt, in dem die AN zwar schon schwanger ist, aber davon noch keine Kenntnis hat, eine ungewollte Regelungslücke vorliegt. Diese ist durch Analogie zu §§ 10a, 10 Abs 2 MuttSchG dahin zu schließen, dass unter den „formalen“ Voraussetzungen des § 10 Abs 2 MuttSchG (unmittelbare Bekanntgabe nach Kenntnis, Übermittlung der ärztlichen Bestätigung) die Unwirksamkeit der Auflösung zum vereinbarten Termin geltend gemacht werden kann, somit dieser Termin wegfällt und von einem entsprechend § 10a MuttSchG verlängerten Arbeitsverhältnis auszugehen ist.

3.3 Dass die nunmehrige Bekl zum Zeitpunkt der Vereinbarung der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses bereits schwanger war, wurde im Vorprozess rechtskräftig festgestellt. Da sie dem AG rechtzeitig von der Schwangerschaft unter Vorlage einer ärztlichen Bestätigung über die Schwangerschaft bzw „die Vermutung der Schwangerschaft“ (§ 10 Abs 2 MuttSchG) Mitteilung gemacht hat, hat sie im Vorprozess obsiegt, weshalb ihr rechtskräftig die Kosten dieses Verfahrens zugesprochen wurden. Ob die nunmehrige Bekl – wie die Kl nun geltend macht – verpflichtet gewesen wäre, der Kl vor Einbringung ihrer Klage über ihre Aufforderung weitere Informationen zu geben und insb ihren Arzt von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, war für diese Entscheidung im Vorprozess nicht entscheidend.

3.4 § 45 ZPO – andere Bestimmungen des Kostenrechts der ZPO kommen hier unstrittig von vornherein nicht in Betracht – stand der damaligen Bekl und nunmehrigen Kl im Vorprozess zur Geltendmachung des nunmehr ins Treffen geführten Sachverhalts nicht zur Verfügung:

Nach dieser Bestimmung fallen – entgegen dem Prozessausgang – die Prozesskosten dem Kl zur Last, wenn er „durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage nicht Veranlassung gegeben und den in der Klage erhobenen Anspruch sofort bei erster Gelegenheit anerkannt“ hat.

§ 45 ZPO setzt somit voraus, dass der Klagsanspruch als solcher berechtigt ist, dass der Bekl zur Klagsführung keinen Anlass gegeben, und dass er den eingeklagten Anspruch sofort – das ist bei erster Gelegenheit – anerkannt hat.

Veranlassung zur Klage wird durch ein Verhalten gegeben, das vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (näher zu alledem Obermaier, aaO Rz 253 ff).

3.5 Hier hat die nunmehrige Kl vor Einleitung des Vorprozesses den schon damals bestandenen Anspruch der Bekl auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bestritten und damit die Klageführung veranlasst. Das von ihr geltend gemachte und als rechtswidrig und schuldhaft gewertete Verhalten der nunmehrigen Bekl vermag daran nichts zu ändern. Es betrifft (nur) die Frage, warum die Kl die Einleitung des Verfahrens veranlasst hat, ändert aber an der Tatsache der Veranlassung nichts.

Damit stand aber § 45 ZPO der nunmehrigen Kl im Vorprozess nicht zur Verfügung, was aber zur Folge hat, dass – weil sie das von ihr nunmehr behauptete Verhalten im Vorprozess aufgrund der Eigenart des Kostenrechts nicht geltend machen konnte – die Präklusionswirkung der rechtskräftigen Kostenentscheidung des Vorprozesses den nunmehr von ihr geltend gemachten Sachverhalt nicht umfasst.

Ausgehend davon war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die E des Erstgerichts wiederherzustellen. [...]530

ANMERKUNG

Dieser auf den ersten Blick eher unauffällige, rein verfahrensrechtliche Beschluss trägt in Wahrheit den Keim einer Revolution der zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung in sich.

Warum? Kurz und abstrahiert dargestellt ist es hier einer Kl gelungen, den von ihr behaupteten Anspruch in einem Zivilprozess durchzusetzen. Da raufhin sagt der unterlegene Bekl: „Ja hätte ich vor dem Gerichtsverfahren Zugang zu den von Ihnen vor Gericht verwendeten Beweismitteln gehabt, hätte ich den Anspruch ohnehin anerkannt. Da Sie mich also unnötig in einen Zivilprozess verwickelt haben, fordere ich die mir entstandenen Prozess kosten von Ihnen als Schadenersatz.“ Obwohl nach völlig hL und stRsp Verfahrenskosten in aller Regel nur in dem betreffenden Verfahren selbst geltend gemacht werden können (M. Bydlinski in

Fasching/Konecny
3 II 1 § 40 ZPO Rz 10 ff mwN), anerkennt der OGH daraufhin in vorliegender E den Rechtsweg des gesonderten Schadenersatzprozesses grundsätzlich als zulässig. Darüber, ob der Schadenersatzanspruch nun tatsächlich besteht, ist damit noch nichts gesagt; aber schon die bloße Möglichkeit, dass die Nicht-Offenlegung von später in einem Gerichtsverfahren verwendeten Beweisen schadenersatzpflichtig machen kann, lässt ein Nachdenken über die Folgen als dringend angezeigt erscheinen.

Schadenersatz setzt ein rechtswidriges Verhalten voraus. Welche Rechtspflicht könnte die AN hier verletzt haben? Wendet eine AN gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ein, dass sie schwanger sei, „hat sie gleichzeitig durch eine Bestätigung des Arztes die Schwangerschaft oder die Vermutung der Schwangerschaft nachzuweisen“ (§ 10 Abs 2 dritter Satz MSchG). Damit normiert der Gesetzgeber aber keine Pflicht, sondern lediglich eine Obliegenheit der AN: Sie ist nicht verpflichtet, den angesprochenen Nachweis zu führen, der AG hat keinerlei Anspruch darauf. Dass die AN mit einer hinreichend aussagekräftigen Bestätigung – vor einem allenfalls nachfolgenden Rechtsstreit, nämlich in der Regel binnen fünf Tagen nach der Beendigung des Vertrags (§ 10 Abs 2 erster Satz MSchG) – ihre Schwangerschaft nachweist, ist eine von ihr ausschließlich im eigenen Interesse zu erfüllende Bedingung für die von ihr angestrebte Fortführung des Arbeitsverhältnisses. Die Verletzung einer Obliegenheit kann denkmöglich keine Schadenersatzansprüche oder sonstigen Ansprüche anderer Personen auslösen (P. Bydlinski, Grundzüge des Privatrechts9, Rz 33c).

(Dass die Beendigung im Vorverfahren rechtskräftig aufgehoben wurde, legt übrigens den Schluss nahe, dass der vom AG erhobene Vorwurf, der Beginn der Schwangerschaft sei ihm vor dem Verfahren nicht nachgewiesen worden, gar nicht zutreffen kann: Der gelungene und fristgerecht – allenfalls nach Wegfall eines hier nicht relevanten Hindernisses, vgl § 10 Abs 2 letzter Satz MSchG – erbrachte Nachweis war schließlich gesetzliche Voraussetzung für das Obsiegen der AN. Mangels Kenntnis der Vorentscheidung wissen wir aber nicht gesichert, ob sie tatsächlich die Feststellung enthält, dass die AN schon mit der von ihr überbrachten Bestätigung den vom Gesetz verlangten Nachweis erbracht hat. Diesfalls hätte der OGH die gegenständliche Schadenersatzklage wohl wegen entschiedener Sache abweisen müssen, weil der AG seine Klage ja einzig auf die Behauptung stützt, die AN habe erst im somit von ihr unnötig provozierten gerichtlichen Verfahren den Beginn der Schwangerschaft bewiesen.)

Zurück zum Hauptthema: Die Spezialregelung im Mutterschutzrecht enthält also dezidiert keine Beweisoffenlegungspflicht, die die schwangere AN verletzt haben könnte. Ist aber vielleicht der Rechtsordnung die generelle Regelung zu entnehmen, dass der, der einen Anspruch behauptet (oder bestreitet), dem Anspruchsgegner die Beweise offenlegen muss, die er in einer allfälligen späteren gerichtlichen Auseinandersetzung zu verwenden beabsichtigt? Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dieser Art existiert nicht. Aber vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten – die uns im Arbeitsrecht in der Gestalt der Fürsorgepflicht des AG und der Treuepflicht des AN entgegentreten – sind ja ein sehr dehnfähiges Material und könnten hier mit dem Argument nutzbar gemacht werden, dem Vertragspartner seien, um ihm sinnlose und kostspielige Gerichtsverfahren zu ersparen, schon vor einem drohenden Verfahren alle später vor Gericht verwendeten Beweise zugänglich zu machen.

Die Tragweite eines solchen neuentdeckten Aspekts der vertraglichen Nebenpflichten wäre schier unüberschaubar: Ein AN klagt Überstundenentgelt ein, legt aber erst dem Gericht seine penibel geführten persönlichen Notizen über Arbeitszeiten und -inhalte vor, die die vom AG geführten Arbeitszeitaufzeichnungen ad absurdum führen? Zuspruch der Überstundenentgelte, aber im nachfolgenden Schadenersatzprozess wird der AN zur Übernahme der Kosten des Überstundenprozesses verurteilt. Der fristlos entlassene AN hat das von ihm angestrengte Verfahren auf Kündigungsentschädigung verloren, weil der AG das Vorliegen mehrerer gesetzlicher Gründe nachweisen konnte, die in Summe die Entlassung rechtfertigen? Geschenkt, aber anschließend wird der AG erfolgreich auf Schadenersatz für die verursachten Prozesskosten geklagt, weil er dem AN nicht gleich, nachdem dieser seine Forderung erhob, offengelegt hat, was er an diesem nicht bekanntem Beweismaterial (einschließlich von Zeugenbeobachtungen) über dessen Verfehlungen vor Gericht aufzubieten gedenkt.

Mithilfe dieser Beispiele soll der zugrunde liegende Gedanke, die vertraglichen Nebenpflichten enthielten auch einen Schutz des Vertragspartners vor vermeidbaren Prozessführungen und -kosten iS einer Pflicht zu vorprozessualer Beweisoffenlegung, nicht von vornherein abgelehnt werden. Um ein solches Prinzip zu bejahen oder abzulehnen, bedürfte es viel tiefer schürfender Untersuchung, als sie in einer kurzen Entscheidungsbesprechung möglich ist. Wenn man sich aber bewusst macht, dass damit nicht nur im Arbeitsrecht, dem die Beispiele entstammen, sondern auf allen denkbaren Gebieten des Vertragsrechts (oder familiärer Rechts-531beziehungen) zwar auf der einen Seite unnötige Verfahren vermieden werden könnten, jedoch auf der anderen Seite unterlegene Prozessparteien, die mangels Kenntnis des Beweismaterials der Gegenseite ihr Prozessrisiko falsch einschätzten, eine Flut nachfolgender Kostenersatzprozesse führen würden, wird vielleicht klar, warum ich einleitend von einer „Revolution“ in der Rechtsdurchsetzung gesprochen habe.

Darum soll abschließend noch die Frage beleuchtet werden, ob nicht doch – wenn man Pflichten zur vorprozessualen Beweisoffenlegung anerkennt – der Weg über § 45 ZPO und damit die Kostenauferlegung der beweisvorenthaltenden Partei im Ursprungsverfahren der richtige wäre. Der OGH verneint dies, weil die Kostentragung durch den obsiegenden Kl gem § 45 ZPO voraussetzt, dass der Bekl zur Prozessführung nicht „durch sein Verhalten ... Veranlassung gegeben“ hat. In der bloßen Ablehnung des Anspruchs durch den AG in gegenständlichem Fall, sei sie nun berechtigt oder nicht, erblickt der OGH bereits ein die Klage veranlassendes Verhalten, das die Anwendung von § 45 ZPO unmöglich mache. Zu Recht hat Trenker in seiner Glosse der E (EvBl 2015/54) darauf hingewiesen, dass die reine Kausalitätsprüfung dabei zu kurz greift und der Begriff der Veranlassung „nicht ohne wertende Gesichtspunkte interpretiert werden“ darf. Wenn einen potentiellen Kl tatsächlich eine für Sinn oder Sinnlosigkeit des allenfalls zu führenden Verfahrens ausschlaggebende Rechtspflicht gegenüber dem Bekl trifft, darf der Bekl wohl die Erfüllung dieser Rechtspflicht abwarten, ohne dass ihm dies später in der Kostenfrage als „Veranlassung“ einer unnötigen Klage zum Vorwurf gemacht werden darf (ähnlich argumentieren M. Bydlinski, Der Kostenersatz im Zivilprozess [1992] 277, und Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts [1941] 270 f). Hätte die AN daher eine solche Pflicht getroffen, wäre § 45 ZPO auch aus meiner Sicht durchaus anwendbar und die gegenständliche Klagsführung somit durch die Kostenentscheidung des Vorprozesses präkludiert gewesen.

Da aber die Spezialnorm des § 10 Abs 2 dritter Satz MSchG unmissverständlich klar macht, dass die rechtzeitige, vorprozessuale Beweisführung gerade keine Pflicht der Schwangeren, sondern eine bloße Obliegenheit darstellt, ohne deren Erfüllung sie einfach des materiellen Anspruchs verlustig geht, konnte in unserem Fall weder § 45 ZPO im Ursprungsverfahren angewendet werden (insofern im Ergebnis verfehlt Trenker, der ohne jede arbeitsrechtliche oder sonst materiellrechtliche Erörterung eine solche Pflicht voraussetzt) noch kommt ein Schadenersatz im hier angestrengten Folgeverfahren in Betracht. Letzteres gilt auch dann, wenn man die oben als denkbar dargestellte breite Offenlegungspflicht von Beweismitteln aufgrund vertraglicher Schutzpflichten bejaht, weil im Kontext von § 10 Abs 2 MSchG die AN mit einer zum Anspruchsverlust führenden vorprozessualen Beweisvorenthaltung ja stets nur die eigenen Interessen, nicht aber die des AG schädigen kann.