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Keine Ausgleichszulage ohne in Österreich oder im EU-/EWRAusland begründeten Pensionsanspruch

RICHARDGIESEN (MÜNCHEN)
§§ 222, 235, 236, 245, 246, 252, 260, 292, 293 ASVG; Art 5, 6, 50, 57, 70 VO 883/2004 Art 6, 45, 47, 50, 53 VO 987/2009

Nach § 246 ASVG obliegt die Feststellung und Gewährung der Leistung dem Versicherungsträger, welchem der Versicherte gem § 245 ASVG leistungszugehörig ist. Hat ein Versicherter in Österreich keine Versicherungszeiten erworben und galten für ihn deshalb zu keinem Zeitpunkt österreichische Rechtsvorschriften, kann eine österreichische Behörde nicht als „zuständiger Träger“ iSd Art 6 VO (EG) 883/2004 angesehen werden, sodass keine Verpflichtung zur Zusammenrechnung nach Art 6 der VO (EG) 883/2004 besteht.

Der am * geborene, in Österreich wohnhafte * ist das Kind des am 20.4.2013 verstorbenen spanischen Staatsbürgers *. Unstrittig ist, dass der Verstorbene in Österreich keine Versicherungsmonate erworben hat. Wie sich aus dem Versicherungsakt ergibt, ist das Kind österreichischer Staatsbürger. Am 14.5.2013 stellte die Mutter des Kindes als dessen gesetzliche Vertreterin bei der Landesstelle Tirol der bekl Pensionsversicherungsanstalt (PVA) den Antrag auf Zuerkennung der Waisenpension. Die Bekl lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 10.6.2013 mit der Begründung ab, dass der Vater keine in die österreichische Versicherungslast fallenden Versicherungsmonate erworben habe. Gegen diesen Bescheid erhob die Mutter des Kindes (als dessen gesetzliche Vertreterin) am 26.8.2013 Klage [...]. Wenngleich in Österreich keine Versicherungsmonate vorlägen, habe der Vater in Spanien ausreichend Versicherungsmonate einer Erwerbstätigkeit erworben. Nach der Trennung sei der Umzug nach Österreich erfolgt, wo der mit dem Kind gemeinsame Hauptwohnsitz begründet worden sei. [...] Es wäre der in Österreich geltende Richtsatz der Ausgleichszulage gem § 293 Abs 1 lit a bb ASVG auf die Waisenpension anzuwenden. [...]. Die Bekl bestritt das [...] Klagebegehren. Eine (österreichische) Waisenpension stehe nicht zu, weil der Verstorbene in Österreich keinen einzigen Versicherungsmonat erworben habe. [...]

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig [...]. Der Revisionswerber macht geltend, gem Art 6 der VO (EG) 883/2004 wären die von seinem verstorbenen Vater in Spanien erworbenen Versicherungszeiten wie österreichische Versicherungszeiten zu behandeln, sodass die Waisenpension nach dem österreichischen ASVG zuzuerkennen gewesen wäre. Art 57 der VO (EG) 883/2004 enthalte keine Zuständigkeitsre-532gel, sondern normiere nur, dass keine Leistungen für nationale Zeiten von weniger als einem Jahr gewährt werden müssten. Hätten die Vorinstanzen eine entsprechende Auskunft des spanischen Versicherungsträgers eingeholt, hätten sie in Erfahrung gebracht, dass der verstorbene Vater 13 Jahre an Versicherungszeiten in Spanien erworben hat, wodurch die Anspruchsvoraussetzungen für eine Waisenpension bei angenommenem Erwerb österreichischer Zeiten in diesem Umfang jedenfalls erfüllt wären. Aus dem Gleichbehandlungsgebot resultiere weiters, dass auch der Richtsatz der Ausgleichszulage gem § 293 Abs 1 lit a bb ASVG auf die Waisenpension anzuwenden wäre. [...] Die Bekl hat keine Revisionsbeantwortung erstattet, obwohl ihr diese freigestellt worden war. [...]

1. [...]

2.1 Anspruch auf Waisenpension haben nach dem Tod des (der) Versicherten die Kinder iSd § 252 Abs 1 Z 1 bis 4 und Abs 2 ASVG, wenn die Wartezeit durch zu berücksichtigende Versicherungsmonate erfüllt ist (§ 222 Abs 1 Z 3 lit a iVm § 235 Abs 1 und 2 ASVG). Diese sekundäre Leistungsvoraussetzung soll sicherstellen, dass nur solche Leistungswerber in den Genuss von Leistungen kommen, die der Versichertengemeinschaft bereits eine bestimmte Zeit angehören und durch ihre Beiträge zur Finanzierung der Leistungsverpflichtungen dieser Gemeinschaft beigetragen haben (RIS-Justiz RS0084485, RS0106536).

2.2.1 Auch Hinterbliebene bzw Leistungen an Hinterbliebene fallen in den persönlichen bzw sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 (Art 2 Abs 1 und 2; Art 3 Abs 1 lit e), deren Zweck in der Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit als Teil des freien Personenverkehrs liegt (ErwGr 1).

2.2.2 Art 5 der VO (EG) 883/2004 enthält den Grundsatz der Gleichstellung von Leistungen und Einkünften (Abs 1) sowie von (sonstigen) Sachverhalten oder Ereignissen (Abs 2).

2.2.3 Die „Sachverhaltsgleichstellung“ nach Art 5 der VO (EG) 883/2004 darf aber nicht mit dem in Art 6 dieser VO verankerten Grundsatz der Zusammenrechnung von Versicherungszeiten verwechselt werden (ErwGr 10):

Um die materiell-rechtliche Gleichstellung von Personen zu erreichen, die die Freizügigkeit wahrgenommen haben, regelt Art 6 („Zusammenrechnung der Zeiten“) als tragender Grundsatz der Koordination die Berücksichtigung von fremdmitgliedstaatlichen Versicherungs-, Beschäftigungs- oder Wohnzeiten, soweit die nach nationalem Recht anzurechnenden Versicherungszeiten für die Erfüllung der jeweiligen innerstaatlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht ausreichen (Schuler in

Fuchs
, Europäisches Sozialrecht6 Art 6 VO [EG] Nr 883/2004 Rz 2 f). Der zuständige Träger hat dabei die fremden Zeiten so zu behandeln, als ob sie nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären. Maßgebend für das Ob und den Umfang der Berücksichtigung mitgliedstaatlicher Zeiten ist das Pensionsrecht jenes Mitgliedstaates, unter dessen Geltung die Zeiten zurückgelegt wurden. Der danach zuständige Träger entscheidet hierüber grundsätzlich verbindlich und einheitlich für alle Mitgliedstaaten, dh mit Tatbestandswirkung (stRsp; RIS-Justiz RS0113189 [T1 bis T4]);

2.3 Fraglich ist, ob eine Zusammenrechnung nach Art 6 der VO (EG) 883/2004 voraussetzt, dass in Österreich mindestens eine Versicherungszeit zurückgelegt wurde („1+x“). Der Revisionswerber vertritt dazu den Standpunkt, die Bekl sei verpflichtet, Leistungsansprüche oder den Zugang zum eigenen System, auch ohne österreichische Versicherungszeiten nur aufgrund der in einem anderen Mitgliedstaat (in Spanien) zurückgelegten Versicherungszeiten zu prüfen („0+x“) und allenfalls Leistungen zu gewähren (siehe Spiegel in

Spiegel
, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht2 Art 6 VO [EG] Nr 883/2004 Rz 12).

2.4 Der EuGH befasste sich mit dieser Frage in der E vom 15.12.2011, C-257/10 (Bergström). Der E lag ein bei einem schwedischen Sozialversicherungsträger gestellter Antrag auf Elterngeld in Höhe des Krankengeldes (somit ein Antrag auf eine Familienleistung) zugrunde, welcher Anspruch nach schwedischem Recht ua einen Wohnsitz in Schweden und den Nachweis einer Zeit der Erwerbstätigkeit in den 240 Tagen vor der Entbindung voraussetzt. Die zum Zeitpunkt der Antragstellung (wieder) in Schweden wohnhafte Antragstellerin hatte die gesamte Anwartschaftszeit aber nicht durch Erwerbstätigkeit in Schweden, sondern vollständig im Hoheitsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft zurückgelegt. Der EuGH ging davon aus, das Wort „Zusammenrechnung“ in Art 72 der VO 1408/71 („Zusammenrechnung der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbstständigen Tätigkeit“) in Kapitel 7 („Familienleistungen“) setze nicht logischerweise mindestens zwei in verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegte Zeiten der Erwerbstätigkeit voraus. Der zuständige Träger eines Mitgliedstaates könne nicht verlangen, dass neben einer in einem anderen Staat (hier der Schweiz) zurückgelegten Beschäftigungs- oder Erwerbstätigkeitszeit eine weitere Versicherungszeit in seinem Hoheitsgebiet zurückgelegt worden sein muss (Rz 44). Aufgrund des Freizügigkeitsabkommens mit der Schweiz seien die dort zurückgelegten Versicherungszeiten ebenso wie nationale Versicherungszeiten für den Anspruch auf Elterngeld zu berücksichtigen.

2.5.1 Spiegel in

Spiegel
, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht2 Art 6 VO Nr (EG) 883/2004 Rz 12 legt dar, dass auch nach Diskussionen in der Verwaltungskommission zu dieser Frage eine entsprechende Beschlussfassung nicht gelungen sei. Man müsste eigentlich zur Auffassung gelangen, dass Art 6 der VO (EG) 883/2004 als allgemeinen Grundsatz die „0+x“-Theorie umsetze, wenn man Art 14 Abs 4 und Art 61 als Sonderregelungen ansehe, die der „1+x“-Theorie entsprechen. Nur so sei auch der Anhang XI ÖSTERREICH Nr 3 zu verstehen, wonach beim Entstehen von Ersatzzeiten aufgrund von Art 6 der VO (EG) 883/2004 ausschließlich aufgrund ausländischer Versicherungszeiten die Bemessungsgrundlage für Zeiten der Kindererziehung heranzuziehen ist, da nach natio-533nalem österreichischen Recht keine Bemessungsgrundlage gebildet werden kann (also „0+x“). Nunmehr habe der EuGH allerdings in der E Bergström zum schwedischen Erziehungsgeld ganz eindeutig die „0+x“-Theorie vertreten.

2.5.2 Eichenhofer, Sozialrecht der Europäischen Union5 [2013] Rz 212 vertritt die Meinung, „Zusammenrechnung“ verlange, dass der Versicherte in mehreren Mitgliedstaaten Versicherungszeiten zurückgelegt habe. Das EU-Recht könne vorsehen, dass diese Zeiten eine besondere rechtliche Qualität haben. Eine Zusammenrechnung komme danach nicht in Betracht, falls die Versicherungszeiten die im EU-Recht festgelegte Mindestdauer von 12 Monaten nicht überschreiten (vgl Art 57 VO [EG] 883/2004).

2.5.3 Hauschild in

Eichenhofer ua
, EU-Sozialrecht, Kommentar Art 6 VO Nr 883/2004 Rz 26, befasst sich mit den Auswirkungen der E des EuGH in der Rs Bergström auf die deutsche Rentenversicherung. Er geht davon aus, dass diese E innerhalb der deutschen Rentenversicherung keine praktische Relevanz entfalte, weil für den Bereich der Rentenansprüche nach dem deutschen SGB VI darauf abgestellt werde, dass nur „Versicherte“ einen Anspruch auf Rente erwerben können, welche Eigenschaft zumindest einen Pflicht- oder freiwilligen Beitrag zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung voraussetze.

2.6.1 Nach Ansicht des erkennenden Senats besteht auch nach der E des EuGHC-257/10 (Bergström) für den vom Kl geltend gemachten Anspruch auf (österreichische) Waisenpension aufgrund der (ausschließlich) in Spanien erworbenen Versicherungszeiten keine Grundlage:

Art 6 der VO (EG) 883/2004 ordnet an, dass der zuständige Träger eines Mitgliedstaates bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen zur Zusammenrechnung der Zeiten verpflichtet ist. Der Bekl kommt aber die Eigenschaft des „zuständigen Trägers“ nicht zu:

Nach Art 1 lit q) der VO (EG) 883/2004 ist „zuständiger Träger“ der Träger, bei dem die betreffende Person zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Leistung versichert ist (Art 1 lit q) i) oder der Träger, gegenüber dem die betreffende Person einen Anspruch auf Leistungen hat oder hätte, wenn sie selbst oder ihr Familienangehöriger bzw ihre Familienangehörigen in dem Mitgliedstaat wohnen würden, in dem dieser Träger seinen Sitz hat (Art 1 lit q) ii) oder der von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaates bezeichnete Träger (Art 1 lit q) iii). Es wird als „zuständiger Träger“ somit jeder Träger bestimmt, der dem Berechtigten gegenüber im Zeitpunkt des Antrags auf Leistungen aufgrund des Rechts des jeweiligen Mitgliedstaates verpflichtet ist. Es ist dies die Behörde oder Einrichtung des zuständigen Staates, bei dem eine aktuelle Versicherung besteht oder der gegenüber dem Berechtigten zur Erbringung von Leistungen verpflichtet ist (Spiegel in

Fuchs
, Europäisches Sozialrecht, VO [EG] Nr 883/2004, Art 1 Rz 31).

2.6.2 Da die VO (EG) 883/2004 in nationale Regeln zur Koordinierung von Trägern und Systemen innerhalb eines Mitgliedstaates nicht eingreifen darf, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Trägers ausschließlich unter Berücksichtigung der in diesem Mitgliedstaat zurückgelegten Versicherungszeiten (Art 53 Abs 1 VO [EG] 987/2009; Pöltl in

Spiegel
, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht2 Art 53 VO [EG] Nr 987/2009 Rz 1 f). Dies entspricht dem Grundsatz, dass der Regelungsbereich des EU-Rechts im Bereich des Sozialrechts grundsätzlich nicht auf die innerstaatlichen Regelungen der einzelnen Sozialversicherungssysteme einwirkt und sozialrechtliche Regelungen grundsätzlich – dh unter Beachtung des Gebots der Gleichbehandlung unter den EU-Bürgern – in der Regelungsmacht der einzelnen Mitgliedstaaten bleiben.

2.6.3 Nach österreichischem Recht (§ 246 ASVG) obliegt die Feststellung und Gewährung der Leistung dem Versicherungsträger des Zweiges der PV, dem der Versicherte nach § 245 ASVG leistungszugehörig ist. Der Vater des Kl hat aber in Österreich keine Versicherungszeiten erworben, sodass er keinem Zweig der PV leistungszugehörig war; für ihn galten zu keinem Zeitpunkt die österreichischen Rechtsvorschriften. Sind aber die vom Vater des Kl in Spanien zurückgelegten Versicherungszeiten bei Ermittlung des leistungszuständigen Trägers nicht zu berücksichtigen, ist weder die Bekl – noch ein anderer österreichischer Träger oder eine österreichische Behörde – als „zuständiger Träger“ iSd Art 6 VO (EG) 883/2004 anzusehen, sodass keine Verpflichtung zur Zusammenrechnung nach Art 6 der VO (EG) 883/2004 besteht.

3. Art 57 Abs 1 der VO (EG) 883/2004 sieht zwecks Vermeidung von „Zwergleistungen“ vor, dass der Träger eines Mitgliedstaats nicht verpflichtet ist, Leistungen für die Zeiten zu gewähren, die nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt wurden und diese bei Eintritt des Versicherungsfalls zu berücksichtigen, wenn die Dauer dieser Zeiten weniger als ein Jahr beträgt, sofern nicht bereits allein aufgrund dieser Zeiten ein Anspruch besteht. Damit die vom zuständigen Träger nicht berücksichtigten Zeiten nicht verloren gehen, ordnet Abs 2 des Art 57 an, dass die entsprechenden Zeiten von den übrigen Mitgliedstaaten im Rahmen der Pro-Rata-Berechnung zwar bei der Berechnung des theoretischen Betrags, nicht aber bei der Kürzung im Zeitenverhältnis berücksichtigt werden (Art 52 Abs 1 lit b). Art 57 geht also davon aus, dass der Träger des Mitgliedstaats, in dem die Zeiten in weniger als der Dauer eines Jahres nach den für diesen Staat geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt wurden, an sich der zuständige Träger iSd Art 1 lit q der VO (EG) 883/2004 ist, aber zur Zusammenrechnung nach den Art 6 und 51 nicht verpflichtet ist. Demgegenüber ist die Bekl mangels Vorliegens auch nur eines einzigen österreichischen Versicherungsmonats nicht als zuständiger Träger anzusehen (siehe oben Pkt 2.6.3). Wollte man dennoch (fiktiv) davon ausgehen, dass sie zuständiger Träger iSd Art 1 lit q der VO (EG) 883/2004 wäre, wäre jedenfalls kein Leistungsanspruch gegeben.

4. Die Modalitäten der Bearbeitung der Anträge durch die beteiligten Träger sind – auch für Hinterbliebenenleistungen – in Art 47 der VO (EG) 987/2009 geregelt. Der Kl hat die Möglichkeit wahrgenommen, seinen Antrag auf Waisenpension bei534 der Bekl als Wohnortträger zu stellen, obwohl sein Vater niemals Versicherungszeiten in Österreich erworben hatte. Der Wohnortträger hat in diesem Fall den Antrag an jenen Träger in einem anderen Mitgliedstaat weiterzuleiten, bei dem zuletzt Versicherungszeiten erworben wurden und dem dann die Rolle des sogenannten „Kontakt-Trägers“ zukommt (Art 45 Abs 4 zweiter Satz VO [EG] 987/2009; Pöltl in

Spiegel
, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht2 Art 47 VO [EG] Nr 987/2009 Rz 5). Zum zwischenstaatlichen Pensionsverfahren legt Art 50 Abs 1 VO (EG) 883/2004 nämlich fest, dass durch Stellen eines einzigen Leistungsantrags das Rentenfeststellungsverfahren durch die zuständigen Rentenversicherungsträger in allen Mitgliedstaaten, in denen Zeiten zurückgelegt worden sind, in Gang gesetzt wird. Allerdings soll der Antrag beim Träger des Wohnortes (auch wenn dort keine Versicherungszeiten erworben wurden) oder dem Versicherungsträger des Mitgliedstaates gestellt werden, der zuletzt für die Versicherung zuständig war (Art 45 Abs 4 Satz 1 VO [EG] 987/2009).

Die Bekl hatte als Träger des Wohnorts den Rentenantrag somit an den zuletzt zuständigen spanischen Träger als „Kontakt-Träger“ weiterzuleiten (Art 45 Abs 4 Satz 2 der VO [EG] 987/2009), welchem Auftrag sie entsprochen hat.

5. Wie sich aus der Aktenlage (ON 10a) ergibt, ist am 20.2.2014 (somit nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im vorliegenden Verfahren) eine E des spanischen Versicherungsträgers über den Antrag auf Waisenrente bereits erfolgt. Der Antrag wurde laut Art 175.1 des Allgemeinen Gesetzes der SV mangels einer Anmeldung zum Zeitpunkt des Todes und mangels eines Mindestzeitraums von 15 Jahren an Beitragszahlungen abgelehnt.

6. Zur vorläufigen Leistung:

Nach dem vom Kl für sich ins Treffen geführten Art 6 Abs 2 der VO (EG) 987/2009 besteht ein Anspruch auf vorläufige Leistungen nach den vom Träger des Wohnorts anzuwendenden Rechtsvorschriften, wenn zwischen den Trägern oder Behörden zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten eine Meinungsverschiedenheit darüber besteht, welcher Träger die Geld- oder Sachleistungen zu gewähren hat, so wie wenn es diese Meinungsverschiedenheiten nicht gäbe. Diese Vorschrift kommt aber nur dann zur Anwendung, wenn nicht spezielle Regelungen vorgesehen sind, wie zB Art 50 der VO (EG) 987/2009 betreffend die vorläufige Berechnung von Renten, wenn noch nicht alle Berechnungsgrundlagen bekannt sind (Spiegel in

Spiegel
, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht2 Art 6, 7 VO [EG] Nr 987/2009 Rz 1). Nach Art 50 der VO (EG) 987/2009 hat ein Träger, der bei der Bearbeitung eines Leistungsantrags feststellt, dass der Antragsteller nach den von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften Anspruch auf eine autonome Leistung nach Art 52 Abs 1 lit a der VO (EG) 883/2004 hat, diese Leistung ungeachtet des Art 7 der VO (EG) 883/2004 unverzüglich auszuzahlen. Die in Art 50 genannten Voraussetzungen liegen aber nicht vor, sodass ein Anspruch auf die Gewährung einer vorläufigen Leistung nicht gegeben ist.

7. Im Hinblick auf die in der VO (EG) 883/2004 und der VO (EG) 987/2009 enthaltenen Regelungen zum zwischenstaatlichen Pensionsverfahren und zur Bearbeitung der Anträge besteht keine Veranlassung, der Anregung des Revisionswerbers auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH zu der Frage nachzukommen, ob Art 57 Abs 1 der VO (EG) 883/2004 dahin auszulegen sei, dass ein für den Wohnsitz eines Kindes zuständiger nationaler Träger für die Waisenpension den Antrag ohne weitere Prüfung von Versicherungszeiten des verstorbenen Elternteils in anderen Mitgliedstaaten ablehnen darf, wenn der verstorbene Elternteil im Wohnsitzstaat des Kindes nicht mindestens ein Jahr Zeiten iSd Art 57 der VO (EG) 883/2004 erworben hat.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben. [...]

ANMERKUNG

Der Fall: Vater, Mutter und minderjähriger Sohn leben in Spanien. Die Eltern trennen sich, und die Mutter zieht mit dem Sohn nach Österreich. Später verstirbt der Vater. Er ist dreizehn Jahre in der spanischen gesetzlichen Rentenversicherung pensionsversichert gewesen, aber mit der österreichischen SV nie in Berührung gekommen. Da die spanischen Vorschriften eine 15 Jahre lange Wartezeit fordern und der Vater woanders keine weiteren Versicherungszeiten zurückgelegt hat, erwirbt der Sohn keinen spanischen Waisenpensionsanspruch. Er verlangt, vertreten durch die Mutter, von der österreichischen PVA Hinterbliebenenleistungen. Es geht dabei nicht um die Waisenpension nach §§ 260 und 252 ASVG, sondern die Ausgleichszulage nach §§ 292 ff ASVG. Diese hat die österreichische PVA der Waise als Aufstockung zu zahlen, wenn der Umfang der Waisenpension zu niedrig ausfällt. Mangels Waisenpensionsanspruchs steht somit eine volle, die „Null-Pension“ aufstockende Ausgleichszulage zur Diskussion. Der OGH hat den Anspruch im Ergebnis zu Recht versagt, wobei sich aber die Begründung teils anders herleiten lässt.

1.
Vorüberlegung: Waisenansprüche können aus Versicherungsbeziehungen eines Verstorbenen oder aus eigenem Recht hergeleitet werden

Zunächst ist zu fragen, ob österreichisches Recht angewandt werden kann. Wer Rechte als Hinterbliebener eines Versicherten geltend machen will, ist davon abhängig, dass dieser in der Vergangenheit Anwartschaften beim in Anspruch genommenen Versicherungsträger angesammelt hat. Soweit der Sohn also Waisenpensionsansprüche vom Vater ableitet, muss dieser Versicherungszeiten unter Geltung österreichischen Rechts zurückgelegt haben. Das war aber nicht der Fall – schließlich war der Vater nie in Österreich versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Damit stellt sich die weitere Frage, ob der Sohn aus eigenem Recht Ansprüche geltend machen kann. Das ließe sich eventuell für den Anspruch535 auf die Ausgleichszulage nach den §§ 292 ff ASVG behaupten. Dieser besteht ja gerade dann, wenn die Waisenpension rechnerisch nicht ausreicht. Von daher ließe sich argumentieren, dass es sich um einen Leistungsanspruch handelt, der nicht von einem verstorbenen Versicherten abgeleitet wird, sondern – weil dieser zu wenig Anwartschaften angespart hat – aus eigenem Recht. In einem solchen Fall ist es wenig vernünftig, zur Beantwortung der Frage nach dem anwendbaren Recht auf einen Beschäftigungsort abzustellen, da die berechtigte Waise ja in der Regel (noch) nicht selbst irgendwo beschäftigt ist. Sinnvoller Anknüpfungspunkt muss dann eher der Wohnort der Waise sein. Folgte man dieser Überlegung, käme also für den in Österreich wohnenden Sohn ein Anspruch in Betracht.

Damit lässt sich für die Suche nach dem anwendbaren Recht folgender Konflikt formulieren: Auf der einen Seite steht die Anknüpfung an eine in der Vergangenheit liegende Versicherungspflicht des Verstorbenen, die, da eine solche in Österreich niemals bestand, keinen Anspruch entstehen ließ. Auf der anderen Seite steht die Anknüpfung an den Wohnort des Hinterbliebenen, die hier, da der Sohn in Österreich wohnt, zum Anspruch führen kann.

2.
Herleitung eines Anspruchs aus dem Recht des Verstorbenen nach Art 50 ff VO 883/04 oder aus eigenem Recht der Waise nach Art 70 VO 883/04
2.1.
Anknüpfung an den ehemaligen Beschäftigungsort des Verstorbenen nach Art 50 ff VO 883/04

Dieser Konflikt wird in der VO 883/04 gesehen und auch gelöst. Die Frage nach dem anwendbaren Recht wird in den Art 11 ff VO 883/2004 beantwortet, wobei als Grundregel nach Art 11 Abs 3 lit a VO 883/04 an den Beschäftigungsstaat angeknüpft wird. Wer Alters- oder Hinterbliebenenleistungen gemäß den besonderen Vorschriften der Art 50 ff VO 883/04 beansprucht, muss diese demnach aus – möglicherweise lang zurückliegenden – Versicherungszeiten eines Beschäftigten herleiten, die unter der Geltung desjenigen Rechts zurückgelegt wurden, welches für den in Anspruch genommenen Träger gilt. Die österreichische PVA schuldet also insoweit Leistungen, als ihre Vorschriften in der Vergangenheit „für die betreffende Person galten“ (Art 50 Abs 1 VO 883/04). Die Anwendung der österreichischen Vorschriften über Hinterbliebenenleistungen hing demnach im vorliegenden Fall davon ab, dass der Vater, von dem der Sohn seine Ansprüche ableitete, irgendwann eine österreichische Pensionsversicherungspflicht begründende Zeit zurückgelegt hatte, insb als Beschäftigter iSd Art 11 Abs 3 lit a VO 883/04. Das war aber nicht der Fall. Es gab keinen in der Vergangenheit liegenden Anknüpfungspunkt, der eine solche Versicherungsbeziehung begründet hatte. Auf den durch den OGH problematisierten Art 57 VO 883/04 (Pkt 3 der E) kam es somit nicht mehr an.

2.2.
Anknüpfung an den Wohnort des Hinterbliebenen nach Art 70 Abs 4 VO 883/04

Nun kennt die VO aber für „besondere beitragsunabhängige Geldleistungen“ eine andere Anknüpfung. Solche Leistungen werden in eigens definierten Fällen nach Art 70 Abs 4 VO 883/04 „ausschließlich in dem Mitgliedstaat (gewährt), in dem die betreffenden Personen wohnen“. Hier äußert sich der oben unter 1. geschilderte Regelungsgedanke, nach welchem Ansprüche, die nicht versicherungsartig angespart wurden, auch nicht nach den Rechtsvorschriften des Staates der (ehemaligen) Beschäftigung gewährt werden sollten, sondern nach dem Wohnortrecht des Berechtigten, hier also der Waise.

Die Ausgleichszulage nach dem ASVG ist eine solche „besondere beitragsunabhängige Geldleistung“ iSd Art 70 VO 883/04. Sie wird von der (aufwendigen) Definitionsnorm des Art 70 Abs 2 VO 883/04 erfasst, da sie ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts garantiert, welches in Beziehung zu dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld in dem betreffenden Mitgliedstaat steht. Zudem wird die Ausgleichszulage gem Art 70 Abs 2 lit c VO 883/04 in Anhang X der VO 883/04 genannt (siehe im Einzelnen Felten in

Spiegel
[Hrsg], Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht2 [Loseblatt-Slg 2012], 9. Lfg, Art 70 VO 883/04 Rz 6; ebenso bereits zur Vorgängerregelung in der VO 1408/71 EuGH 29.4.2004, C-160/02, Skalka, Slg 2004, I-5631, Rz 22 ff).

Aus der Anwendung von Art 70 Abs 4 VO 883/04 auf die Ausgleichszulage folgt, dass diese anderen Regeln unterliegt als Waisenpensionen. Für Waisenpensionen gilt gem Art 50 ff VO 883/04, dass sie aus Österreich ins Ausland exportiert werden, wenn die Berechtigten, die früher in Österreich Anwartschaften angesammelt haben, außerhalb Österreichs wohnen. Anders bei der Ausgleichszulage. Für sie folgt aus der Wohnortanknüpfung des Art 70 Abs 4 VO 883/04, dass sie nur von in Österreich wohnenden Pensionsberechtigten beansprucht werden kann (Felten in

Spiegel
[Hrsg], Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht2 9. Lfg, Art 70 VO 883/04 Rz 10 f; Spiegel daselbst, 2. Lfg, Art 1 VO 883/04 Rz 37). Allerdings besteht gem Art 5 lit a VO 883/04 der Anspruch auf Ausgleichszulage auch dann, wenn die aufzustockenden Pensionsansprüche gegen nicht-österreichische Träger im EU-/EWR-Ausland bestehen (zur Gleichstellung inländischer und EU-/EWR-ausländischer Pensionen für den Anspruch auf Ausgleichszulage OGH10 ObS 172/10gDRdA 2012, 61).

3.
Sachrechtliche Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Ausgleichszulage nach §§ 292 ff ASVG

Wenn damit Art 70 Abs 4 VO 883/04 für die Ausgleichszulage an den Wohnort anknüpft, stellt sich weiter die Frage, ob die Anspruchsvoraussetzungen im vorliegenden Fall gemäß österreichischem Recht erfüllt waren. Das richtet sich nach den §§ 292 ff ASVG.536

3.1.
Kein Anspruch auf Ausgleichszulage mangels Waisenpensionsanspruchs gem § 292 Abs 1 ASVG

§ 292 Abs 1 ASVG setzt ua voraus, dass „die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gem § 294 zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des ... Richtsatzes (§ 293)“ erreicht. § 292 Abs 1 ASVG fordert demnach eine „Pension“, also einen, dem Grunde nach bestehenden, wenn auch möglicherweise niedrigen, Pensionsanspruch (Felten in

Spiegel
[Hrsg], Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht2 9. Lfg, Art 70 VO 883/04 Rz 6).

Ein solcher war im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Waise half auch nicht die (oben unter 2.2. dargelegte) Gleichstellung inländischer und ausländischer Waisenpensionsansprüche gem Art 5 lit a VO 883/04. Denn ihr stand auch nach spanischem Recht keine Waisenpension zu, weil der Verstorbene die in Spanien geforderte 15-jährige Wartezeit nicht erfüllt hatte: Eine harte Regelung, wenn man bedenkt, dass bei früh versterbenden jungen Elternteilen das 15-Jahres-Erfordernis praktisch nie erfüllt sein wird.

3.2.
Gebietet Europarecht für § 292 Abs 1 ASVG statt der Gleichstellung in- und ausländischer Pensionsansprüche (Art 5 lit a VO 883/04) die Gleichstellung ausländischer Wartezeiten (Art 6 VO 883/04)?

Man hätte es somit dabei bewenden lassen können, dass mangels aufzustockender Pension kein Anspruch bestand. Jedoch stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob das Erfordernis des Bestehens eines Pensionsanspruchs nicht seinerseits europarechtlichen Anforderungen widerspricht. Der OGH prüft hier, ob damit eine Verletzung von Art 6 VO 883/04 verbunden ist, einer Regelung, welche für die Begründung von Leistungsansprüchen diejenigen Wartezeiten, die im Ausland zurückgelegt wurden, den inländischen Wartezeiten gleichstellt.

Art 6 VO 883/04 kann hier allerdings seinem Wortlaut nach nicht angewandt werden, da § 292 Abs 1 ASVG gerade keine Wartezeiten fordert, sondern einen Pensionsanspruch (weil Art 6 VO 883/04 nicht anzuwenden ist, sind die Überlegungen unter Pkt 2.3. der E zur Frage, ob die Vorschrift nach dem Prinzip „0 + x“ auch eingreift, wenn keine Zeiten im zuständigen Staat zurückgelegt wurden, zumindest missverständlich; nicht einschlägig ist die dort zitierte E EuGH 15.12.2011, C-257/10, Bergström, Slg 2011, I-13227). Zu einer entsprechenden Anwendung von Art 6 VO 883/04 kommt man demnach nur, wenn man nicht auf das Bestehen eines Waisenpensionsanspruchs abstellt, sondern auf die Zurücklegung von Wartezeiten. Legt man dies zugrunde, kann man eine Aussage zur Schlechterstellung der hiesigen Waise wie folgt formulieren: Da die Waise eines in Österreich Versicherten bereits durch Erfüllung der Wartezeiten gem §§ 235 ff ASVG eine Ausgleichszulage nach §§ 292 ff ASVG erhalten kann, wird die Waise eines in Spanien Versicherten durch österreichisches Recht benachteiligt, wenn sie der strengeren 15-Jahres-Regelung des spanischen Rechts unterworfen wird.

Eine solche Subsumtion verlangt freilich die besondere Vermengung spanischen und österreichischen Rechts. Dafür müssen, damit ein Anspruch zustande kommt, der Waisenpensionsanspruch nach den §§ 260 und 252 ASVG und der Anspruch auf die Ausgleichszulage nach den §§ 292 ff ASVG zu einer Einheit verschmolzen werden, für die es genügt, dass der Verstorbene die österreichische Wartezeit nach den §§ 236 ff ASVG durch in Spanien zurückgelegte Versicherungszeiten erfüllt. In diesem Fall ist die österreichische PVA möglicherweise verpflichtet, „auch ohne eigene Versicherungszeiten nur aufgrund von Versicherungszeiten in einem anderen Mitgliedstaat Leistungsansprüche oder den Zugang zu seinem System zu prüfen (0 + x)“ (Spiegel in

Spiegel
[Hrsg], Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht2 [Loseblatt-Slg 2012], 3. Lfg, Art 6 VO 883/04 Rz 12). Diesem Modell stellt der OGH hier die Situation gegenüber, in der ein Anspruch als solcher bestehen muss („1 + x“).

Dass sich der OGH hier gegen eine solche Vermengung nach der Formel „0 + x“ ausspricht, überzeugt im Ergebnis. Wie gesagt, ist Art 6 VO 883/04 schon seinem Wortlaut nach nicht einschlägig, aber auch die sinngemäße Anwendung muss ausscheiden. Denn § 292 Abs 1 ASVG begründet einen Zusatzanspruch, der einen dem Grunde nach bestehenden Pensionsanspruch voraussetzt, was zwingend eine gesonderte Anspruchsentstehung erfordert. Diese Trennung legt auch Art 70 Abs 2 lit a Unterabs i. VO 883/04 zugrunde, welcher die „besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen“ als Leistungen einstuft, die „einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz“ zu den in Art 3 Abs 1 VO 883/04 genannten Systemen schaffen, in diesem Fall eben den von den Art 50 ff VO 883/04 erfassten Pensionsansprüchen. Diese Trennung ist notwendig, weil für beide Leistungen unterschiedliche internationalrechtliche Anknüpfungspunkte gelten (siehe oben 2.).

Dass eine vermengende Anwendung der Wartezeitenvorschriften auf den Anspruch auf Ausgleichszulage nicht in der VO 883/04 angelegt ist, zeigt die Kontrollüberlegung desjenigen Falls, in dem der Erwerb des Waisenpensionsanspruchs im Ausland wartezeitrechtlich einfacher ist als in Österreich. Hier kann die Ausgleichszulage der in Österreich wohnenden Waise nicht mit der Begründung verwehrt werden, sie habe ihren Waisenpensionsanspruch unter Bedingungen erworben, unter denen ein Anspruch gegen den österreichischen Träger (noch) nicht entstanden wäre. Das verstieße gegen Art 5 lit a VO 883/04, der für die Anwendung von § 292 Abs 1 ASVG jeden Waisenpensionsanspruch zulässt, unabhängig davon, ob dieser nach österreichischem Recht oder nach dem Recht eines anderen EU-/EWR-Mitgliedstaats entstanden ist.

4.
Fazit

Nach alledem gilt: Die Ausgleichszulage nach § 292 Abs 1 ASVG steht jeder in Österreich wohnenden537 (Art 70 Abs 4 VO 883/04) Waise zu, die einen Waisenpensionsanspruch hat. Dabei ist es gem Art 5 lit a VO 883/04 gleichgültig, ob der Waisenpensionsanspruch gegen einen österreichischen oder einen sonstigen EU-/EWR-ausländischen Träger besteht. Fehlt es dagegen – wie im vorliegenden Fall – mangels Wartezeiterfüllung an irgendeinem (auch ausländischen) Waisenpensionsanspruch, dann kann die unter Geltung ausländischen Rechts zurückgelegte Versicherungszeit nicht dazu dienen, Wartezeiten für den österreichischen Anspruch auf Ausgleichszulage zu schaffen. Art 6 VO 883/04 ist in dieser Situation nicht anwendbar.

Insgesamt hat also der OGH zu Recht einen Anspruch auf Ausgleichszulage verneint. Für einen Waisenpensionsanspruch, der gem Art 50 ff VO 883/04 nach österreichischem Recht (§§ 260 und 252 ASVG) in Betracht gekommen wäre, fehlte es an Versicherungszeiten, welche der verstorbene Vater in Österreich zurückgelegt hatte. Der Anspruch auf Ausgleichszulage nach §§ 292 ff ASVG, für den gem Art 70 Abs 4 VO 883/04 der Wohnort in Österreich notwendig und im vorliegenden Fall auch gegeben war, erforderte gem § 292 Abs 1 ASVG das Bestehen eines (wenn auch möglicherweise niedrigen) Waisenpensionsanspruchs, wobei nach Art 5 lit a VO 883/04 ein im europäischen Ausland bestehender Waisenpensionsanspruch ebenfalls ausgereicht hätte. Einen solchen Anspruch hatte der Sohn aber nicht, insb nicht nach spanischem Recht, weil der Vater dort die dafür erforderlichen Versicherungsjahre nicht angesammelt hatte.