10Anfechtung der Auflösung eines Lehrverhältnisses während der Probezeit wegen (psychischer) Krankheit nur nach BEinstG möglich
Anfechtung der Auflösung eines Lehrverhältnisses während der Probezeit wegen (psychischer) Krankheit nur nach BEinstG möglich
Die Anfechtung der Auflösung eines (Probe-)Arbeitsverhältnisses wegen Behinderung ist nur unter den besonderen Kautelen des BEinstG möglich. Das bedeutet, dass das in § 7k BEinstG vorgesehene obligatorische Schlichtungsverfahren vor Klagseinbringung zwingend einzuhalten ist.
Nach dem Vorbringen der Kl wurde ihr Lehrverhältnis während der Probezeit von der bekl AG wegen ihrer (psychischen) Krankheit aufgelöst. Die Kl steht auf dem Standpunkt, dass bei ihr keine Behinderung iSd BEinstG vorliege und dieses Gesetz daher nicht zur Anwendung gelange. Sie meint vielmehr, wenn eine Schwangerschaft eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstelle, dann müsse die „Kündigung“ wegen einer schweren Krankheit analog betrachtet werden. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit wegen einer schweren Krankheit sei diskriminierend und die Bestimmung des § 12 Abs 7 GlBG analog anzuwenden.
Der OGH wies die außerordentliche Revision der Kl mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage 15zurück. Die Anfechtung der Auflösung des (Probe-)Arbeitsverhältnisses wegen einer (psychischen) Krankheit kann nicht auf die analoge Anwendung der Bestimmungen des GlBG gestützt werden, sondern ist nur unter den besonderen Kautelen des BEinstG möglich.
„[…] 4.2 Es ist somit richtig, dass die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses auch während der Probezeit (auch bei einem Lehrverhältnis während der Probezeit nach § 15 Abs 1 BAG und auch bei einem begünstigten Behinderten während der Probezeit nach § 8 Abs 1 BEinstG) wegen einer Schwangerschaft – oder aber bei Diskriminierung wegen eines sonstigen geschützten Merkmals außer jenem der Behinderung – gemäß § 12 Abs 7 GlBG angefochten werden kann (vgl Brenn in Reissner, aaO § 19 Rz 54 und 100 f).
5.1 Die Klägerin ist nicht schwanger, sondern beruft sich auf eine psychische Krankheit.
Dazu entspricht es der Rechtsprechung, dass die Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses im Grundsatz jederzeit und insbesondere auch während krankheitsbedingter Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers erfolgen kann. Kennt das Gesetz schon keinen besonderen Kündigungsschutz wegen einer krankheits- oder unfallsbedingten Arbeitsverhinderung, so muss dies umso mehr für die jederzeit mögliche Auflösung während der Probezeit gelten (9 ObA 154/03t; vgl auch 9 ObA 66/14t).
[…] 6.1 Mit Bezug auf den Anlassfall ist nun zu berücksichtigen, dass die Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben für die von Diskriminierung in der Arbeitswelt betroffenen Personenkreise (insbesondere der RL 2006/54/EG und 2000/78/EG) – außer für Menschen mit Behinderung – einerseits im GlBG erfolgte (vgl Brenn, aaO Rz 100 f). Hinsichtlich des nach der RL 2000/78/EG geschützten Merkmals der Behinderung einer Person erfolgte die Umsetzung demgegenüber im BEinstG, insbesondere in den §§ 7a bis 7r idF BGBl I 2005/82BGBl I 2005/82 (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7a BEinstG Rz 1).
Daraus folgt, dass die Anfechtung der Auflösung eines (Probe-)Arbeitsverhältnisses wegen Behinderung nur unter den besonderen verfahrensrechtlichen Kautelen des BEinstG möglich ist. Eine solche Anfechtung lässt das Gesetz nicht nur bei einem begünstigten Behinderten (im Fall einer Kündigung gilt § 7 Abs 3 BEinstG), sondern auch bei einer festgestellten Behinderung von unter 50 % oder einer sonst tatsächlich bestehenden Behinderung im Sinn des § 3 BEinstG zu (§ 7f iVm § 7k BEinstG; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7f BEinstG Rz 2). […]
Die Berufung der Klägerin auf einen Analogieschluss zu § 12 Abs 7 GlBG ist mangels planwidriger Gesetzeslücke nicht tragfähig (vgl 8 ObA 91/11g; 8 ObA 57/14m). Der Gesetzgeber hat für die Rechtsfolgen bei Auflösung eines (Probe-)Arbeitsverhältnisses wegen einer Behinderung spezielle Regelungen vorgesehen, wobei zwischen § 12 Abs 7 GlBG und § 7f Abs 1 BEinstG eine inhaltliche Übereinstimmung besteht (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7f BEinstG Rz 1).“
Im vorliegenden Fall bringt die Kl vor, ihre psychische Erkrankung sei der Grund für die Auflösung ihres Lehrverhältnisses während der Probezeit durch ihre AG gewesen. Sie meint, das sei diskriminierend und sie beruft sich dabei auf die Rechtswidrigkeit einer Kündigung aus Gründen der Schwangerschaft einer AN. Richtig ist, dass eine unmittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts vorliegt, wenn eine Frau wegen ihrer Schwangerschaft entweder nicht eingestellt oder gekündigt wird. Gem § 12 Abs 7 GlBG gilt dies auch für die Auflösung von Probearbeitsverhältnissen bzw die Beendigung von befristeten, auf die Umwandlung in unbefristete Arbeitsverhältnisse angelegte Arbeitsverhältnisse. Derart diskriminierende Beendigungen können beim Arbeits- und Sozialgericht angefochten werden bzw kann auf Feststellung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses geklagt werden. Wahlweise kann die AN aber die Beendigung gegen sich gelten lassen und Anspruch auf Schadenersatz geltend machen.
Der OGH teilt aber nicht die Ansicht der Kl, dass die Beendigung des Probearbeitsverhältnisses wegen einer schweren Krankheit analog zu diesen Regelungen im GlBG zu betrachten ist. Für einen Analogieschluss ist eine planwidrige Gesetzeslücke erforderlich; diese liegt aber nicht vor.
Eine Krankheit allein stellt nach der Rsp des OGH keinen Grund dar, der die Auflösung eines wirksam vereinbarten Probearbeitsverhältnisses durch AG verbietet. Es gibt somit keinen besonderen „Kündigungs- bzw Beendigungsschutz“ allein wegen einer Erkrankung. Allerdings kann eine heilbare oder unheilbare Krankheit eines AN unter den Begriff Behinderung iSd RL 2000/78/EG und des die RL in Österreich umsetzenden BEinstG fallen. Voraussetzung ist, dass die Erkrankung eine länger dauernde Einschränkung (mehr als voraussichtlich sechs Monate) mit sich bringt, die insb auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, welche den AN an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen AN, hindern können. Auch eine psychische Erkrankung kann eine Behinderung darstellen und somit unter den Diskriminierungsschutz des BEinstG fallen. Der Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderung besteht unabhängig von einem bestimmten Grad bzw Schwere der Behinderung. Entscheidend ist der Umstand, dass sich an die Behinderung eine Diskriminierung knüpfen kann.
Auch im Bereich des BEinstG gilt, dass die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses – somit auch die Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses – wegen ei-16ner Behinderung diskriminierend und daher unzulässig ist. Auch hier gilt die Wahlmöglichkeit (siehe oben), entweder die Beendigung binnen 14 Tagen ab Zugang der Beendigungserklärung bei Gericht anzufechten bzw den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht feststellen zu lassen (bei Nichtverlängerung eines nicht befristeten Arbeitsverhältnisses) oder die Beendigung gegen sich gelten zu lassen und binnen sechs Monaten Schadenersatz zu verlangen.
Zu beachten ist allerdings, dass das BEinstG – anders als das GlBG – in § 7k BEinstG als besondere Voraussetzung vor Klagseinbringung ein Schlichtungsverfahren vorsieht. Betroffene müssen sich vorab an die Schlichtungsstelle der jeweils zuständigen Landesstelle des Sozialministeriumservice wenden und einen Schlichtungsantrag einbringen. Ziel des kostenlosen Verfahrens ist eine gütliche Einigung; es wird nicht festgestellt, ob eine Diskriminierung vorliegt oder nicht. Die Durchführung eines vorherigen Schlichtungsverfahrens ist verpflichtend und hemmt den Ablauf der Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung.
Im gegenständlichen Fall hat die Kl das vorausgesetzte Schlichtungsverfahren, das, wie vom OGH festgestellt, auch den unionsrechtlichen Vorgaben nach Art 9 Abs 1 der RL 2000/78/EG entspricht, nicht durchgeführt und somit die Voraussetzungen für eine Anfechtung der Auflösung ihres Probearbeitsverhältnisses nach dem BEinstG nicht erfüllt.