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Altersdiskriminierung: Wiederum Vorlage von „reparierten“ Anrechnungssystemen

WOLFGANGKOZAK
§ § 13, 40 alte und neue Fassung DO.A. sowie § 239 DO.A.; Art 21 und 28 GRC; Art 6 RL 2000/78/EG

Erneute Vorlage des OGH an den EuGH im Zusammenhang mit dem Umgang der Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Geburtstag. Diesmal stehen Regelungen der Kollek-tivvertragspartner auf dem Prüfstand.

SACHVERHALT

Der Kl erwarb vor Beginn seines Arbeitsverhältnisses Schulzeiten im Ausmaß von zwei Jahren und zehn Monaten. Er stellte 2011 einen Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungstermins. Die Anrechnung dieser Vordienstzeiten führte aber zu keiner Verbesserung beim Kl, da aufgrund der Neuregelung der Bestimmungen der DO.A. eine Vorrückung von Bezugsstufe 1 auf Bezugsstufe 2, statt wie bisher nach zwei Jahren, erst nach fünf Jahren erfolgt.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Nachdem der Kl in der ersten Instanz obsiegte, wies das Berufungsgericht das Klagsbegehren ab, ließ aber die Revision zu. Der angerufene OGH legt nun den Fall dem EuGH mit folgenden Fragen vor.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Ist Art 21 der Grundrechtecharta in Verbindung mit Art 2 Abs 1 und 2 sowie Art 6 Abs 1 der Richtlinie 2000/78/EG – auch unter Berücksichtigung des Art 28 der Grundrechtecharta – dahin auszulegen, dass a) eine kollektivvertragliche Regelung, die für Beschäftigungszeiten am Beginn der Karriere einen längeren Vorrückungszeitraum vorsieht und die Vorrückung in die nächste Bezugsstufe daher erschwert, eine mittelbare Ungleichbehandlung aus Gründen des Alters darstellt,

b) und im Fall der Bejahung dahin, dass eine solche Regelung insbesondere mit Rücksicht auf die geringe Berufserfahrung am Beginn der Karriere angemessen und erforderlich ist.“

ERLÄUTERUNG

Nunmehr wird der „Hütter-Reparaturversuch“ (in der Rs Hütter [EuGH 18.6.2009, C-88/08] wurde zum ersten Mal die Frage einer unionsrechtlichen Altersdiskriminierung jener Vordienstzeitenanrechnungssysteme releviert, die ansonsten anzurechnende Zeiten bei Lage vor dem 18. Geburtstag generell außer Acht ließen) der Anrechnungsnormen für Vordienstzeiten bei Sozialversicherungsträgern, die der Dienstordnung A (DO.A.) unterliegen, vor dem Unionsgerichtshof thematisiert. Die Sozialpartner wählten als Sanierungskonzept die ursprüngliche Vorgangsweise des Bundes: Als Ausgleich für die Anrechnung von Beschäftigungszeiten vor dem 18. Geburtstag, die bis zur Novellierung ausgeschlossen waren, wurde die erste Vorrückung um mögliche anzurechnende Zeit um drei Jahre auf fünf Jahre erstreckt. Für die sonstigen Vorrückungen bleibt der zweijährige Vorrückungszeitraum erhalten.

Bemerkenswert ist nun aber, dass die aktuelle Rechtssache nicht auf die Auswirkungen eines Systemübergangs (von diskriminierend zu nicht diskriminierend) abstellt, sondern auf die Beurteilung, ob bei einem Neueinstieg in das Bezugssystem ohne Anrechnung von Vordienstzeiten die unterschiedlich langen Vorrückungsdauern zwischen der ersten und den folgenden Vorrückungen per se altersdiskriminierende Wirkung haben. Insofern handelt der OGH konsequent, indem er die E des EuGH im der Rs Schmitzer (EuGH 11.11.2014, C-530/13) nicht unreflektiert anwendet, sondern die Rechtssache wiederum vorlegt.17

Die Vorlagefragen selbst folgen dem erforderlichen Prüfungsschema bei Altersdiskriminierungen: Nach der Frage, ob überhaupt eine Altersdiskriminierung vorliegt, wird nachgefragt, ob die (dann diskriminierende) Regelung angemessene und gerechtfertigte Ziele verfolgt, so dass sie trotzdem unionsrechtskonform ist. Hervorzuheben ist, dass die Fragen mustergültig in Prägnanz und Verständlichkeit sind. Letztlich wird es im Verfahren darauf ankommen, da gerade Berufseinsteiger (in der Regel also jüngere Menschen) von den Auswirkungen betroffen sind, die rechtspolitischen Ziele, den minimalsten und zweckmäßigsten Eingriff (mehr als bisher) ausreichend darzustellen und nachzuweisen, um den EuGH von einer Unionsrechtskonformität des Gehaltssystems des KollV überzeugen zu können.