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Auflösung eines Lehrverhältnisses in der Probezeit wegen Schwangerschaft: Höhe des Schadenersatzes nach dem GlBG

BIANCASCHRITTWIESER

Im Fall einer Beendigungsdiskriminierung ist eine Beeinträchtigung jedoch schon deshalb typischerweise massiver, weil sie mit dem Verlust der Stelle einhergeht, die der/die diskriminierte AN bereits innehat. Darüber hinaus kommt einer mit der Schwangerschaft einer DN begründeten Diskriminierung besonderes Gewicht zu. Der Entschädigung hat nach dem expliziten gesetzlichen Auftrag auch präventive Funktion zuzukommen.

SACHVERHALT

Die 17-jährige Kl war bei der Bekl von September bis Oktober 2013 als Lehrling (Einzelhandelskauffrau) beschäftigt. In den ersten Wochen des Lehrverhältnisses war die Kl bemüht und verrichtete ihre Arbeit ordnungsgemäß. In der Folge ließ die Arbeitsmotivation nach. Sie trödelte zum Teil und konnte die vorgegebene Arbeitseinteilung zeitweise nicht einhalten. Darüber hinaus antwortete sie öfters, wenn sie Anweisungen erhielt, mit mürrischen Aussagen und redete zurück. Anfang Oktober 2013 erkundigte sich der Lebensgefährte der Mutter der Kl erstmals beim Geschäftsführer, ob „alles in Ordnung sei“. Dieser antwortete, dass „alles passe“. Das nicht ordnungsgemäße Verhalten der Kl erwähnte der Geschäftsführer dabei allerdings nicht. Am 11.10.2013 er-fuhr die Kl von ihrer Schwangerschaft. Die Meldung an den AG erfolgte am 14.10.2013. Nach Bekanntgabe der Schwangerschaft kam es zu zwei weiteren Gesprächen zwischen dem Geschäftsführer, der Kl, ihrer Mutter und dessen Lebensgefährten. Der Geschäftsführer teilte mit, dass das Lehrverhältnis innerhalb der Probezeit aufgelöst werde. Die Kl sei frech, rede zurück, verrichte die Arbeit teilweise nicht ordnungsgemäß und auch Mitarbeiter hätten sich über sie beschwert. Im Zuge der Gespräche thematisierte der Geschäftsführer auch die Schwangerschaft. Er meinte, „jetzt haben wir zwei Schwangere und zwei Behinderte und was soll ich jetzt machen“. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass es bessere Jobs für Schwangere gäbe und es besser sei, wenn die Kl etwas anderes machen würde. Der Geschäftsführer bemerkte, die Kl solle sich überlegen, ob sie die Lehre fortführen möchte, da für sie eine „Eiszeit“ anbrechen würde und niemand mehr mit ihr reden dürfe. Beim Gespräch mit dem Geschäftsführer begann die Kl zu weinen, verließ mehrfach den Raum und beteuerte, die Lehre nicht beenden zu wollen. Ende Oktober 2013 wurde das Lehrverhältnis schließlich vom AG während der Probezeit aufgelöst.

Die Kl begehrte daraufhin Schadenersatz nach dem GlBG im Wesentlichen wegen Diskriminierung bei Beendigung des Lehrverhältnisses aufgrund der gemeldeten Schwangerschaft. Sie forderte eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung in der Höhe von € 3.000,- sowie einen Ersatz des Vermögensschadens in der Höhe von rund € 3.000,- brutto in Form der entgangenen Lehrlingsentschädigung (für fünf Monate). Der AG bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, die Kl sei nicht bei der Beendigung diskriminiert worden. Die Frage der Auflösung in der Probezeit sei schon vor Bekanntgabe der Schwangerschaft diskutiert worden, weil sich die Kl gegenüber Kollegen, aber auch gegenüber dem Geschäftsführer unangemessen verhalten, Weisungen nicht, verspätet oder nicht ordnungsgemäß ausgeführt habe. Die Schwangerschaft sei dabei kein Thema gewesen. Der von der Kl geltend gemachte immaterielle Schaden sei überdies zu hoch.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht verpflichtete den AG zur Zahlung des Verdienstentgangs in der Höhe von rund € 3.000,- sowie zur Zahlung eines immateriellen Schadenersatzes in der Höhe von € 1.000,- netto. Das Mehrbegehren von € 2.000,- netto wies das Erstgericht ab. Das Berufungsgericht gab den gegen das Ersturteil erhobenen Berufungen der Streitteile nicht Folge.

Der OGH hielt den Zuspruch des Verdienstentgangs in der Höhe von rund € 3.000,- (Lehrlingsentschädigung von fünf Monaten) für berechtigt, erhöhte den Ersatz für den immateriellen Schadensatz jedoch auf € 1.700,-.18

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] Die diskriminierende Berücksichtigung einer Schwangerschaft wird vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung als unmittelbare Geschlechtsdiskriminierung qualifiziert. […] Da diese Bestimmung […] nunmehr […] drei Arten der Beendigung (Kündigung, vorzeitige Beendigung oder Auflösung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit) anspricht und § 12 Abs 7 letzter Satz GlBG ohne weitere Differenzierung nach der konkreten Art der Beendigung den Ersatz von Vermögensschäden vorsieht, bietet der insoweit klare Gesetzeswortlaut keinen Grund zur Annahme, dass bei Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses ein Vermögensschaden, […] von vornherein ausgeschlossen wäre. […]

In der Literatur wird zum Teil eine zeitliche Begrenzung der Ersatzpflicht mit dem nächsten regulären Kündigungstermin mit der Begründung vorgeschlagen, dass der Arbeitnehmer bei rechtmäßigem Alternativverhalten des Arbeitgebers […] den darüber hinausgehenden Gehaltsverlust ebenfalls erlitten hätte. […] Das stünde jedoch im Widerspruch zu den genannten Intentionen von Art 18 der Gleichbehandlungs-RL 2006/54/EG und § 12 Abs 7 GlBG. […] Für die Frage, ob einem Arbeitnehmer diskriminierungsbedingt ein zu ersetzender Vermögensschaden entstanden ist, ist danach auf das allgemeine schadenersatzrechtliche Prinzip zurückzugreifen, wonach der Schädiger die Behauptungs- und Beweislast dafür zu tragen hat, dass der Schaden auch im Fall des vorschriftsmäßigen Verhaltens, dh ohne Verletzung der Schutznorm, eingetreten wäre. […]

Bei Festsetzung der Höhe der Entschädigung sind die maßgeblichen Kriterien des § 12 Abs 14 GlBG […],

  • dass eine erlittene Beeinträchtigung tatsächlich und wirksam ausgeglichen wird,

  • dass die Entschädigung der erlittenen Beeinträchtigung angemessen ist und

  • dass die Entschädigung präventiv wirken muss (arg: ‚Diskriminierungen verhindert‘).

[…] Bei der Ausmessung dieser Genugtuungsleistung (Geldersatz) wird die psychophysische Situation des Betroffenen, die Beschaffenheit seiner Gefühlswelt, seine Empfindsamkeit, die Schwankungsbreite seiner Psyche gleichfalls zu berücksichtigen […] sein. […] Erste Anhaltspunkte für die Festlegung der Höhe der Entschädigung bieten die im Gesetz für die Fälle einer Einstellungs- oder Beförderungsdiskriminierung und einer Belästigung vorgesehenen Beträge sowie die dazu ergangene Rechtsprechung: […] Im Fall der Beendigungsdiskriminierung ist eine Beeinträchtigung jedoch schon deshalb typischerweise massiver, weil sie mit dem Verlust einer Stelle einhergeht, die der diskriminierte Arbeitnehmer bereits innehat. […] Die bisherigen Entscheidungen bieten danach zwar Anhaltspunkte für die Festlegung der Höhe der Entschädigung, bedürfen im Hinblick auf eine Beendigungsdiskriminierung jedoch noch weitergehender Erwägungen. […] Schon aus der Entscheidung des EuGH vom 14.7.1994, Rs C-32/93, Webb, geht hervor, dass einer mit der Schwangerschaft einer Dienstnehmerin begründeten Diskriminierung besonderes Gewicht zukommt. Denn der Gemeinschaftsgesetzgeber habe ‚unter Berücksichtigung der Gefahr, die eine mögliche ‚Entlassung‘ für die physische und psychische Verfassung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, […] darstellt, einschließlich des besonders schwerwiegenden Risikos, dass eine schwangere Arbeitnehmerin zum freiwilligen Abbruch ihrer Schwangerschaft veranlasst wird‘, einen besonderen Schutz vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs verfügt. […]

Der Entschädigung hat nach dem expliziten gesetzlichen Auftrag des § 12 Abs 14 GlBG auch präventive Funktion zuzukommen. […]

Zu betonen ist, dass die Festlegung des Entschädigungsbetrags stets nur nach den Umständen des Einzelfalls erfolgen kann (vgl 8 ObA 18/03k ua), sodass der hier festgelegte Betrag nicht als Pauschale für andere Konstellationen einer Beendigungsdiskriminierung zu verstehen ist.“

ERLÄUTERUNG

In der vorliegenden E befasst sich der OGH erstmals intensiv mit der Frage der Rechtsfolgen einer geschlechtsdiskriminierenden Beendigung eines Lehrverhältnisses wegen einer Schwangerschaft.

Eine Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Schwangerschaft verstößt gegen das in § 3 GlBG normierte Gleichbehandlungsgebot. Die diskriminierende Berücksichtigung einer Schwangerschaft wird vom EuGH in stRsp als unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts qualifiziert. Nach dem GlBG darf niemand aufgrund des Geschlechts, insb unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat, im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden. Das gilt auch für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 3 Z 7 iVm § 12 Abs 7 GlBG). Unter Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist im GlBG auch der Fall der Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses/-lehrverhältnisses verankert. An eine diskriminierende Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses sind auch gesetzliche Sanktionen geknüpft. In § 12 Abs 7 GlBG ist eine Wahlmöglichkeit für AN eingeräumt: Die Auflösung in der Probezeit kann entweder innerhalb von 14 Tagen ab Zugang der Auflösungserklärung bei Gericht angefochten werden oder die AN lässt die Kündigung gegen sich gelten und kann stattdessen einen Vermögensschaden und einen Ersatz für die persönlich erlittene Beeinträchtigung geltend machen.

Im vorliegenden Fall hat die Kl von ihrem Wahlrecht Gebrauch und Schadenersatz geltend gemacht. Der OGH hatte nun einerseits zu beurteilen, wie der Vermögensschaden im Falle einer Lösung in der 19Probezeit zu bewerten ist und andererseits sich mit der Frage der Bemessung des immateriellen Schadenersatzes auseinanderzusetzen.

Hinsichtlich des Vermögensschadens kommt er zum Ergebnis, dass auch im Falle einer diskriminierenden Lösung in der Probezeit ein Anspruch auf einen Vermögensschaden zustehen kann (hier fünf Monate Lehrlingsentschädigung). Es obliegt dem AG nämlich zu beweisen, dass er das Arbeitsverhältnis ohnedies aus anderen Gründen beendet hätte. Gelingt ihm dieser Beweis jedoch nicht, dann ist der Vermögensschaden zu ersetzen.

Zur Bemessung des immateriellen Schadenersatzes bei einer Beendigungsdiskriminierung gibt das Gesetz selbst wenig Anhaltpunkte. Lediglich in § 12 Abs 14 GlBG ist vorgesehen, dass „die Höhe der Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung so zu bemessen ist, dass dadurch die Beeinträchtigung tatsächlich und wirksam ausgeglichen wird und die Entschädigung der erlittenen Beeinträchtigung angemessen ist sowie Diskriminierungen verhindert“.

In § 12 Abs 13 GlBG ist noch für den Fall der Mehrfachdiskriminierung vorgesehen, dass darauf bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung Bedacht zu nehmen ist. Anders als etwa bei einer sexuellen Belästigung (€ 1.000,- Mindestschadenersatz) hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, bei der Beendigungsdiskriminierung keine Mindest-, Fix- oder Höchstbeträge für den Ausgleich des Schadens festzulegen. Die Festsetzung der Höhe der Entschädigung ist also jeweils im Einzelfall nach den vom OGH im Rahmen seiner Judikatur entwickelten Kriterien vorzunehmen. Bei der Beendigungsdiskriminierung braucht es aber laut OGH noch zusätzlicher Erwägungen, weil der Verlust eines Arbeitsplatzes einen massiven Eingriff darstellt. Zudem ist einer mit der Schwangerschaft einer AN begründeten Diskriminierung besonderes Gewicht zuzukommen.

Im konkreten Fall sah der OGH eine Höhe von € 1.700,- für angemessen: Er berücksichtigte dabei, dass die Kl ihre Lehrstelle aufgrund der Schwangerschaft verlor, das jugendliche Alter, die persönliche Betroffenheit (begann zu weinen, verließ mehrfach den Raum, wollte die Lehre nicht beenden) sowie das Verhalten des AG (Bemerkung, dass für sie eine „Eiszeit“ anbrechen werde und niemand mehr mit ihr reden dürfe, setzte Lehrling in unzumutbarer Weise unter Druck, nahm die Schwangerschaft einer AN als „Unglücksfall“ des AG wahr).

Die Festlegung des Entschädigungsbetrags ist aber stets nur nach den Umständen des Einzelfalls zu bewerten. Der hier zugesprochene Betrag ist aus Sicht des OGH nicht als Pauschale für andere Konstellationen einer Beendigungsdiskriminierung zu verstehen. Die Höhe ist in jedem Einzelfall erneut zu prüfen. Dabei ist es aber wichtig, dass diskriminierte AN konkret darstellen, worin im jeweiligen Fall ihre erlittene persönliche Beeinträchtigung liegt.