15Kündigungsanfechtung – Fälligkeit des nachzuzahlenden Entgelts grundsätzlich erst mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils
Kündigungsanfechtung – Fälligkeit des nachzuzahlenden Entgelts grundsätzlich erst mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils
Im Fall einer erfolgreichen Kündigungsanfechtung werden die nach § 1155 ABGB nachzuzahlenden Entgeltansprüche allgemein mit der Rechtskraft des stattgebenden Anfechtungsurteils fällig. Sollte das Arbeitsverhältnis schon früher – wie im Anlassfall durch Austritt des Kl gem § 25 IO – geendet haben, sind die in Rede stehenden Ansprüche mit diesem Zeitpunkt fällig geworden (§ 1154 Abs 3 ABGB).
Der Kl wurde am 27.12.2011 zum 15.2.2012 von seinem AG gekündigt. Am 3.1.2012 brachte er beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht eine Klage auf Anfechtung der Kündigung gem § 105 ArbVG ein. Mit rechtskräftigem Urteil vom 9.12.2013 wurde der Klage stattgegeben und die Kündigung für rechtsunwirksam erklärt.
Zuvor, nämlich mit Beschluss vom 20.6.2013, war über das Vermögen des AG das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Kl meldete die hier zugrunde liegenden Entgeltansprüche im Insolvenzverfahren an, die vom Insolvenzverwalter schließlich anerkannt wurden. Am 22.7.2013 erklärte der Kl nach Schließung des Unternehmens gem § 25 IO seinen Austritt aus dem Arbeitsverhältnis.
Der Kl begehrte von der bekl IEF-Service GmbH Insolvenz-Entgelt für den Zeitraum 16.2. bis 30.11.2012. (Der danach liegende Zeitraum war nicht strittig, siehe sogleich.) Die Bekl entgegnete, dass die Ansprüche nicht gesichert seien, weil sie mehr als sechs Monate vor dem Stichtag (Insolvenzeröffnung) fällig geworden seien und bezahlte Insolvenz-Entgelt erst ab 1.12.2012. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge und dem Klagebegehren zur Gänze statt. Der OGH erachtete die Revision der Bekl zwar für zulässig, aber nicht für berechtigt.
„Allgemein wird mit Wirksamwerden der Kündigung (zum Kündigungstermin) das Arbeitsverhältnis beendet. Wird der Anfechtungsklage (nach § 105 ArbVG) rechtskräftig stattgegeben, so wird die Kündigung für rechtsunwirksam erklärt. Sie wird ex tunc vernichtet. Das Arbeitsverhältnis lebt mit all seinen Rechten und Pflichten rückwirkend wieder auf. Dies bedeutet, dass die Zeit zwischen Ablauf der Kündigungsfrist und Rechtsunwirksamerklärung der Kündigung auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses anzurechnen ist und das Arbeitsverhältnis wieder aufrecht ist (Rebhahn, Die Rechtslage während eines arbeitsrechtlichen Kündigungsprozesses,
). Den Entgeltausfall für den Zeitraum während des Anfechtungsverfahrens hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gemäß § 1155 ABGB zu ersetzen (Wolligger in ZellKomm² § 105 ArbVG Rz 251). […]Gibt schon das Erstgericht der Anfechtung statt, so hat der Arbeitnehmer aufgrund der vorläufigen Wirksamkeit des Urteils gemäß § 61 ASGG sogar schon während des laufenden Verfahrens Anspruch auf das Entgelt nach § 1155 ABGB, allerdings nur vorläufig. Wird die Anfechtungsklage später endgültig abgewiesen, so muss der Arbeitnehmer die für die Dauer des Prozesses erhaltenen Beträge zurückzahlen (Rebhahn in ZellKomm² § 1155 ABGB Rz 10 und 36). Die Folge dieser vorläufigen Verbindlichkeitswirkung besteht darin, dass das Arbeitsverhältnis vorläufig als fortbestehend fingiert wird, was die vorläufige Anwendbarkeit des § 1155 ABGB ermöglicht, der ein Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraussetzt (9 ObA 283/99d=
§ 1155 ABGB begründet im Fall eines stattgebenden Anfechtungsurteils eine Nachzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers. Die Nachzahlungsverpflichtung ist an das Wirksamwerden des stattgebenden Anfechtungsurteils geknüpft. Abgesehen von der Sonderregel des § 61 ASGG kommt es dafür auf die Rechtskraft des Anfechtungsurteils an. Das effektive, unwiderrufliche Wiederaufleben des Arbeitsverhältnisses erfolgt erst durch dieses Urteil. Weder § 61 ASGG noch § 1155 ABGB sprechen für eine zeitabschnittsbezogene (tägliche oder monatliche) Fälligkeit der laufenden Entgeltansprüche schon während des Anfechtungsverfahrens.“
Der OGH hat im vorliegenden Fall eine wichtige Frage, zu der höchstgerichtliche Judikatur fehlt, einer Klärung zugeführt: Wann werden die Entgeltansprüche eines AN für die Zeit während des Anfechtungsverfahrens gem § 105 ArbVG im Fall einer erfolgreichen Kündigungsanfechtung fällig? (Mangels Erfolg können solche Ansprüche ja gar nicht entstehen, weil die vorerst nur schwebend wirksame Kündigung durch das abweisende Urteil endgültig wirksam würde.) Die nachzuzahlenden Ansprüche entstehen im Prinzip mit Rechtskraft des stattgebenden Anfechtungsurteiles.
Für den Anlassfall bedeutet dies, dass die zugrunde liegenden Ansprüche an sich erst im Dezember 2013 fällig geworden wären. Da das Arbeitsverhältnis schon früher, nämlich am 22.7.2013 durch Austritt des Kl geendet hat, sind die in Rede stehenden Ansprüche nach Ansicht des OGH mit diesem Zeitpunkt fällig geworden (§ 1154 Abs 3 ABGB: Fällig-22keit des bereits verdienten Entgelts mit Beendigung des Dienstverhältnisses) und somit gem § 3a Abs 1 IESG gesichert. Diese Bestimmung schließt nämlich Insolvenz-Entgelt für Ansprüche aus, welche außerhalb der letzten sechs Monate vor Insolvenzeröffnung (hier: 20.6.2013) oder, wenn das Arbeitsverhältnis vor diesem Stichtag geendet hat, außerhalb der letzten sechs Monate vor dessen arbeitsrechtlichem Ende fällig geworden sind (außer diese Ansprüche sind binnen sechs Monaten nach ihrem Entstehen bereits gerichtlich geltend gemacht worden). Das Erstgericht war noch davon ausgegangen, dass in Bezug auf die Fälligkeit der nachzuzahlenden Ansprüche so vorzugehen sei, als wäre eine Kündigung nie erfolgt, weshalb die Fälligkeit jeweils monatlich im Nachhinein eingetreten und somit keine IESG-Sicherung für die weiter zurück liegenden Monatsentgelte vorhanden gewesen sei.
Aufgrund dieses OGH-Urteils ist – auch außerhalb einer Insolvenz – während des Kündigungsanfechtungsverfahrens jedenfalls die Gefahr eines eventuell vorhandenen Verfalls von nach dem ursprünglich vorgesehenen Kündigungsendzeitpunkt anfallendem laufendem Entgelt gebannt, und zwar unabhängig von der – nicht einheitlich beantworteten – Frage, ob die Anfechtungsklage sämtliche Verfallsfristen hemmt oder nicht.