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Beginn der Selbstversicherung bei Pflege eines nahen Angehörigen

MONIKAWEISSENSTEINER

Eine Selbstversicherung gem § 18b ASVG für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen ist nur für zwölf Monate rückwirkend ab Antrag möglich.

SACHVERHALT

Eine nicht erwerbstätige Mutter stellte am 13.2.2015 einen Antrag auf Selbstversicherung gem § 18b ASVG für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen für ihren 2007 geborenen Sohn ab 1.1.2013. Die Pensionsversicherungsanstalt bewilligte den Antrag ab 1.2.2014, weil Beiträge nur für Beitragszeiträume entrichtet werden können, die nicht mehr als zwölf Monate zurückliegen.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Beschwerde an das BVwG wurde als unbegründet abgewiesen. Anders als für die Selbstversicherung nach § 18a ASVG für die Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes (§ 18a ASVG iVm § 669 Abs 3 ASVG) sei für eine weitere Rückwirkung keine Ausnahmeregelung vorgesehen. Auch die Revision wurde als unbegründet abgewiesen.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Die Berechtigung einer Person, sich nach § 18b Abs. 1 und 2 ASVG für bestimmte Zeiten in der Pensionsversicherung selbst zu versichern, ist zwar nicht ident mit der Frage, ob die Zeit, die zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung berechtigt hat bzw. hätte, als Beitragszeit im Sinne des § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG anzusehen ist.

Unter der Berechtigung, sich gemäß § 18b ASVG für bestimmte Zeiten selbst zu versichern, ist aber, wie sich sowohl aus dem Wortlaut dieser Bestimmung im Zusammenhalt mit § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG als auch aus ihrem daraus erhellenden Zweck ergibt, nichts anderes gemeint als die Berechtigung, für bestimmte, in § 18b ASVG genannte Zeiten durch Beitragsentrichtung wirksam Beitragszeiten in der Pensionsversicherung zu erwerben.

[…] Auch wenn der Versicherte als Zeitpunkt des Beginns der freiwilligen Versicherung auch einen bereits verstrichenen Zeitpunkt wählen kann, ergibt sich aus § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG, dass als frühester Beginnzeitpunkt der dem Antragszeitpunkt vorangehende Monatserste des Vorjahres gewählt werden kann. […] Ein (bei materiell-rechtlichen Fristen in der Regel nicht begründeter) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. ein Anspruch auf Schadenersatz wegen behaupteter Falschauskunft sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch, so behandelt zu werden, als wäre eine Auskunft erteilt worden (‚Herstellungsanspruch‘), besteht nicht.“

ERLÄUTERUNG

Die E des VwGH zeigt die nicht leicht nachvollziehbaren Unterschiede der geltenden Rechtslage betreffend verschiedener Möglichkeiten der Selbstversicherung auf: Die Möglichkeit der Selbstversicherung gem § 18b ASVG für Zeiten der Pflege naher Angehöriger besteht, wenn die Pflege unter erheblicher Beanspruchung der Arbeitskraft in häuslicher Umgebung erfolgt; weiters muss der Pflegebedürftige zumindest Pflegegeld der Stufe 3 beziehen. Eine Erwerbstätigkeit ist zulässig. Die Beitragsgrundlage beträgt € 1.735,06 monatlich (Wert 2016) – und ist somit ident mit der Beitragsgrundlage der Kindererziehung.

Die Selbstversicherung gem § 18a ASVG für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes setzt hingegen eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft voraus und (ua) den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe. Seit der 84. ASVG-Novelle (ab 1.1.2015) wird die Beitragsgrundlage schrittweise angeglichen und beträgt im Jahr 2016 € 1.323,-; ebenso ist nicht mehr die gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft erforderlich und somit ebenfalls eine Erwerbstätigkeit zulässig.

Beide Varianten sind für die die Versicherten kostenlos, die Beitragstragung ist wieder unterschiedlich (durch den Bund bzw durch den Familienlastenausgleichsfonds und den Bund). Mit der 78. Novelle zum ASVG wurde „zur Hintanhaltung pensionsrechtlicher Nachteile“ von Eltern, die behinderte Kinder pflegen und oft über die Möglichkeit der Selbstversicherung nicht informiert sind, der rückwirkende Erwerb von bis zu 120 Monaten ermöglicht.

Wie der vorliegende Fall zeigt, besteht bei Pflege eines behinderten Kindes aber auch alternativ die Möglichkeit die Selbstversicherung gem § 18b ASVG zu wählen (nur ein Jahr zurückreichend, aber bessere Beitragsgrundlage!).

Allerdings kann die Mutter – was ihr auch vom BVwG empfohlen wurde – für die mehr als ein Jahr zurückliegenden Monate noch den Antrag gem § 18a iVm § 669 Abs 3 ASVG stellen. Damit kann sie wie ursprünglich beantragt auch die Monate ab 1.1.2013 bis 31.1.2014 als zusätzliche Versicherungsmonate erwerben. Die in § 688 Abs 5 ASVG vorgesehene Evaluierung der Änderungen des § 18a ASVG sollte auch für eine Diskussion möglicher Vereinheitlichungen genutzt werden.31