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Höhe der Witwenpension nach Scheidung

MARTINATHOMASBERGER
§ 264 Abs 8–10 ASVG; § 23 EPG; §§ 55 und 69 Abs 2 EheG

Das Vorliegen einer unsachlichen Differenzierung zwischen den Rechtsfolgen des EheG und des Eingetragenen Partnerschaftsgesetzes (EPG) bei Anwendung des § 264 Abs 10 ASVG kann nicht von geschiedenen Ehegatten aufgegriffen werden.

SACHVERHALT

Die Ehe der Kl war im Jahr 1988 aus überwiegendem Verschulden des Verstorbenen geschieden worden (§ 60 Abs 2 EheG). Der Verstorbene leistete zuletzt einen gerichtlich festgesetzten Unterhalt von € 151,- pro Monat. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) wurde der Kl ab 1.10.2013 die Witwenpension in derselben Höhe zugesprochen. Dagegen erhob die Kl Klage, mit der sie eine höhere Leistung begehrte.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Anspruch auf Witwenpension bestehe lediglich in Höhe der geleisteten Unterhaltszahlung. Die Ausnahmebestimmung des § 264 Abs 10 ASVG sei nicht anzuwenden, da die Kl nicht gem § 55 EheG und folglich auch nicht mit Verschuldensausspruch gem § 61 Abs 3 EheG geschieden worden war.

In der Berufung gegen dieses Urteil brachte die Kl vor, dass sich seit dem Inkrafttreten der §§ 55 und 69 EheG durch die Erlassung des EPG wesentliche Änderungen ergeben hätten und regte die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich § 264 Abs 10 ASVG an. Das EPG enthalte keine dem § 69 Abs 2 EheG entsprechende Bestimmung, nach der gem § 55 EheG Geschiedene Anspruch auf Unterhalt wie während aufrechter Ehe haben, wenn im Scheidungsurteil gem § 61 Abs 3 EheG über das alleinige oder überwiegende Verschulden des Kl an der Zerrüttung der Ehe abgesprochen wurde. Dies stelle eine unsachliche Ungleichbehandlung von im Wesentlichen gleichen Sachverhalten dar, die auch Personen relevieren können sollten, deren unterhaltsrechtliche Stellung sich nach den Bestimmungen des EheG richtet. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl nicht Folge.

Der OGH ließ die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Kl zur Klarstellung der Rechtslage zwar zu, wies sie aber als unberechtigt ab. Die Kl erachtet sich dadurch pensionsrechtlich benachteiligt, dass ihre Ehe ohne Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG geschieden wurde (§ 69 Abs 2 EheG) und für sie daher die (begünstigende) Ausnahmebestimmung des § 264 Abs 10 Z 1 ASVG nicht zur Anwendung gelangt. Es entspricht aber der Rsp,33 dass bei einer Scheidung aus Verschulden nach § 49 EheG (wie bei der Kl) eine Anwendung des § 264 Abs 10 ASVG ausgeschlossen ist, selbst wenn im Zeitpunkt der Scheidung die materiellen Voraussetzungen für eine Scheidung nach § 55 EheG und einen Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG vorgelegen wären. An der Differenzierung zwischen den Folgen einer Scheidung aus Verschulden (§ 49 EheG) einerseits und aufgrund Zerrüttung nach § 55 EheG andererseits hält der Gesetzgeber auch nach Einführung des EPG mit 1.1.2010 fest. Diese E liegt innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers. Die Kl kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie als hinterbliebene Partnerin nach dem EPG gegenüber einer geschiedenen unterhaltsberechtigten Person benachteiligt wäre. Dies könnte nur ein dadurch benachteiligter eingetragener Partner erfolgreich aufgreifen. Der Kl muss es daher verwehrt bleiben, den Unterschied in den Rechtsfolgen des EheG einerseits und des EPG andererseits aufzugreifen und auf dieser Grundlage die Verfassungsmäßigkeit von § 264 Abs 10 zu relevieren.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Allein der Umstand, dass der Gesetzgeber die sich aus § 69 Abs 2 EheG ergebende Begünstigung für die Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft im EPG nicht aufrecht erhalten hat, kann demnach […] nicht der Entfall der nach § 264 Abs 9 ASVG gegebenen Begrenzung des Witwenpensionsanspruchs der Höhe nach bewirken, noch kann dieser Umstand dazu führen, dass die Klägerin so behandelt wird, als wäre ihre Ehe wegen Zerrüttung nach § 55 EheG mit einem Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG geschieden worden. […]

Auch wenn dieses Vorbringen dahin zu verstehen sein sollte, eine sachliche Ungleichbehandlung rühre daher, dass der wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft geschiedene beklagte Ehepartner die Pension im selben Umfang wie bei aufrechter Partnerschaft (im Sinne einer Ehe) in Anspruch nehmen könne (während dies einem eingetragenen Partner infolge Fehlens einer dem § 69 Abs 2 EheG vergleichbaren Bestimmung versagt bleibt), kann es der Revisionswerberin nicht zum Vorteil gereichen, weil nur eingetragene PartnerInnen eine dadurch gegebene sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung erfolgreich aufgreifen könnten. Ob es einem eingetragenen Partner bzw einer eingetragenen Partnerin gelingen sollte […] die Aufhebung des § 264 Abs 10 Z 1 ASVG durch den Verfassungsgerichtshof zu erreichen, ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.“

ERLÄUTERUNG

Hinterbliebene Ex-Ehepartner, die nach dreijähriger Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft auf Scheidung geklagt und mit einem Ausspruch des Verschuldens rechtskräftig geschieden werden, haben Anspruch auf Ehegattenunterhalt wie während aufrechter Ehe sowie die Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen (§ 69 Abs 2 EheG). Daran knüpft § 264 Abs 10 ASVG an und gewährt hinterbliebenen geschiedenen Ehegatten bei Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen eine Witwen-/Witwerpension in Höhe des vollen Ehegattenunterhaltsanspruchs. Im Fall einer Scheidung nach § 49 EhG ist der Unterhaltsanspruch und damit letztlich auch der Pensionsanspruch hingegen begrenzt. Im Kern ging es in der vorliegenden E darum, ob diese Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist.

In der ausführlich begründeten E 10 ObS 2/02w (SSV-NF 16/57) hatte der OGH bereits dargelegt, dass er keinen Grund sieht, die unterschiedlichen unterhaltsrechtlichen Folgen von § 49 und § 55 EheG und ihre pensionsrechtlichen Auswirkungen als verfassungswidrig anzusehen. Es sei sachlich gerechtfertigt, dass nur in einem speziellen Fall – nämlich bei schuldlos wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft geschiedenen Ehegatten und Feststellung des Verschuldens des kl Ehegatten im Scheidungsurteil – der Unterhaltsanspruch auf das Maß dessen, was während aufrechter Ehe zu leisten gewesen wäre (zuzüglich Beiträge zur KV), erweitert wird. Es bestehe nämlich hier ein besonderes Schutzbedürfnis hinsichtlich der Sicherung der wirtschaftlichen Lebensgrundlagen. Folglich sei die Begrenzung des Unterhaltsanspruchs in Fällen von Scheidungen nach § 49 EheG ebenfalls sachlich gerechtfertigt. Die daran anknüpfende Differenzierung bezüglich der pensionsrechtlichen Folgen (vgl § 264 Abs 8–10 ASVG) stellt nach Auffassung des OGH keine ausreichende Begründung für eine Überprüfung der gesetzlichen Grundlagen durch den VfGH dar. An dieser Wertung hielt im vorliegenden Fall auch das OLG als Berufungsgericht fest.

Neu an der vorliegenden E war aber, dass sich der OGH mit dem Argument der Kl auseinandersetzen musste, dass sich mit dem Inkrafttreten des EPG die Wertungen des Gesetzgebers insofern geändert hätten, als gleich gelagerte Sachverhalte unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen. Denn nach mindestens dreijähriger Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft können auch eingetragene Partnerschaften durch Klage aufgehoben werden. Im EPG fehlt allerdings eine Bestimmung, die § 69 Abs 2 EheG entspricht, obwohl die sonstigen unterhaltsrechtlichen Bestimmungen des EPG eng, zum Teil wörtlich, an das EheG angelehnt sind und die entsprechenden pensionsrechtlichen Folgen nach sich ziehen. Darin, so wurde vorgebracht, liege eine unsachliche Benachteiligung eingetragener Partner, die zu einer neuerlichen Überprüfung der pensionsrechtlichen Folgen von Scheidungen bzw der Aufhebung eingetragener Partnerschaften führen müsse. Der OGH folgte diesem Weg nicht. Er machte – mE zu Recht – geltend, dass die Kl sich nicht auf die möglicherweise benachteiligende Bestimmung im EPG beru-34fen kann. Dies könnte allenfalls ein (vormals) eingetragener Partner nach einer Klage auf Aufhebung der eingetragenen Partnerschaft mit den entsprechenden (eingeschränkten) unterhalts- bzw pensionsrechtlichen Folgen tun. Der OGH ließ es – klugerweise – offen, wie er selbst dies beurteilen würde. Im Urteil findet sich eine kursorische Auseinandersetzung mit den Materialien des EPG und dem Schrifttum. In der Literatur wurde darauf hingewiesen (in Gitschthaler/Höllwerth, Kommentar zum Ehe- und Partnerschaftsrecht, § 23 EPG Rz 9 mwN), dass die Differenzierung zwischen EheG und EPG bezüglich der unterhalts- und pensionsrechtlichen Rechtsfolgen nicht unproblematisch ist. Das könnte in Zukunft, sollte sich diese Frage vor dem Hintergrund eines besser geeigneten Sachverhalts nochmals stellen, argumentativ aufgegriffen werden.