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Mäßigung der Konventionalstrafe für Verstoß gegen Konkurrenzklausel auf unter ein Bruttomonatsentgelt bei fehlendem Schaden angemessen

RAINERWANDERER

Eine im Verhältnis zur Konventionalstrafe geringfügige Schadenshöhe stellt das primäre Mäßigungskriterium dar, und zwar auch dann, wenn sie nicht feststellbar ist.

SACHVERHALT

Der bekl AN war beim kl AG von 18.1.2010 bis 31.3.2014 als Kunden- und Mitarbeiterbetreuer beschäftigt. Geschäftszweck der Kl ist die Überlassung von Arbeitskräften. Aufgabenschwerpunkt des Bekl war die Rekrutierung und Vermittlung von Leiharbeitskräften an die Kunden der Kl. Im Rahmen seiner Tätigkeit gewann der Bekl Einsicht in die Kundendateien der Kl, wodurch er Kenntnis über ihre Kalkulation, Preisbildung und Deckungsbeitragsberechnung erlangte.

Der Bekl kündigte das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.3.2014 und begründete am 1.4.2014 ein Angestelltenverhältnis bei einem anderen Arbeitskräfteüberlasser als Kunden- und Mitarbeiterbetreuer. Grundsätzlich besteht für Unternehmen wie die Kl die Gefahr, dass der Kunde bei Zufriedenheit mit persönlichen Betreuern wie dem Bekl mit diesem das Personalverleihunternehmen wechselt. Im gegenständlichen Fall ist ein derartiger Wechsel eines Kunden allerdings nicht erfolgt. Zuletzt bezog der Bekl ein Fixum von € 2.100,- brutto. Unter Einrechnung der anteiligen Sonderzahlungen8 und der variablen Entgeltbestandteile betrug das Monatsentgelt bei seinem Ausscheiden € 3.586,72 brutto. Der AN hat keine Unterhaltsverpflichtungen und die Wohnkosten betragen € 290,-. Er ist im Jahr 1988 geboren und hat den Beruf des Tischlers erlernt. Im Arbeitsvertrag war eine Konkurrenzklausel verankert, welche im Falle des Verstoßes gegen diese nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkung eine Konventionalstrafe von zwölf Monatsentgelten – das sind € 43.040,- – versah.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die ehemalige AG klagte unter Berufung auf die vereinbarte Konkurrenzklausel 8,4 Monatsentgelte – das sind € 30.128,- – ein. Mit dieser Reduktion der eingeklagten Vertragsstrafe um 30 % – das sind € 12.912,- – gegenüber den vertraglichen Grundlagen sollte dem in § 38 AngG vorgesehenen zwingenden richterlichen Mäßigungsrecht erklärtermaßen bereits vorab Rechnung getragen werden. Die erste Instanz mäßigte die Konventionalstrafe mit der Festsetzung auf einen Betrag von € 3.000,- auf unter ein Monatsentgelt. Das Berufungsgericht erhöhte die zuerkannte Vertragsstrafe auf € 10.000,-, was knapp drei Monatsentgelten entspricht. Der OGH gab der außerordentlichen Revision des AN statt und stellte das Urteil der ersten Instanz mit seiner Mäßigung der Vertragsstrafe auf € 3.000,- wieder her.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Eine im Verhältnis zur Konventionalstrafe geringfügige Schadenshöhe stellt das primäre Mäßigungskriterium dar. Auch aus den Feststellungen ergibt sich weder, dass ein konkreter Schaden eingetreten ist, noch, dass er leicht hätte eintreten können. Zu Unrecht stützt sich das Berufungsgericht daher auf jene Rechtsprechung, wonach die Höhe des tatsächlich beim Arbeitgeber eingetretenen Schadens dann nicht als Mäßigungskriterium berücksichtigt werden kann, wenn sie nicht feststellbar ist. Dies setzt nämlich den Eintritt eines tatsächlichen Schadens voraus, an dem es im Anlassfall aber wie ausgeführt fehlt. Zu beachten ist weiters das Interesse des Beklagten, seine Arbeitskraft bestmöglich zu verwerten. Ausgehend davon erscheint die Festsetzung der Konventionalstrafe im konkreten Fall in der vom Erstgericht vorgenommenen Höhe von 3.000 EUR […] ausreichend.“

ERLÄUTERUNG

Das richterliche Mäßigungsrecht für Konventionalstrafen für Angestelltenverhältnisse ist in § 38 AngG verankert. Es kann nach § 40 AngG durch den Dienstvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden. Mit dem Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015 (ARÄG) (284/BlgNR) wird das richterliche Mäßigungsrecht für Vertragsstrafen für andere Beschäftigungsverhältnisse in § 2e AVRAG aufgenommen. Die bisherige Regelung des § 2c Abs 6 AVRAG ließ unklar, ob dem richterlichen Mäßigungsrecht nur eine im Zusammenhang mit einer Konkurrenzklausel vereinbarte Konventionalstrafe unterfällt, oder auch in sonstigen Fällen vereinbarte Konventionalstrafen dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegen. Letzteres wird nunmehr mit § 2e AVRAG aus Gründen der Rechtssicherheit – nach dem Vorbild des § 38 AngG – klargestellt. Das richterliche Mäßigungsrecht nach § 2e AVRAG ist aufgrund des § 16 AVRAG unabdingbar. Es kann weder durch Arbeitsvertrag noch durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung aufgehoben oder beschränkt werden.

§ 2c Abs 5 AVRAG bzw § 37 Abs 3 AngG sehen nach Inkrafttreten der Arbeitsrechtsnovelle 2015 folgende Neuerungen vor: Eine für den Fall des Zuwiderhandelns gegen die Konkurrenzklausel vereinbarte Konventionalstrafe ist nur insoweit wirksam, als diese das Sechsfache des für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses gebührenden Nettomonatsentgelts nicht übersteigt. Allfällige Sonderzahlungen sind bei der Berechnung des Nettoentgelts iSd ersten Satzes außer Acht zu lassen.

Diese neuen absoluten gesetzlichen Obergrenzen für die Höhe von Konventionalstrafen berühren die Ausübung des richterlichen Mäßigungsrechts in keiner Weise.

Nach der im vorliegenden Fall noch geltenden Rechtslage war die Entgeltgrenze für die Rechtswirksamkeit einer Konkurrenzklausel auf Grundlage des 17-fachen der täglichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage zu berechnen. Der Bekl hatte sie überschritten. Entsprechend dem Regierungsprogramm wird der Multiplikator mit dem „Arbeitsrechtspaket 2015“ für die Berechnung der Entgeltgrenze auf das 20-fache der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage angehoben. Die Entgeltgrenze beträgt damit für das Jahr 2016 € 3.240,-.

Bei der Ermittlung der Entgeltgrenze ist weiterhin das letzte Monatsentgelt des Arbeitsverhältnisses maßgeblich. Einzubeziehen waren bisher ua neben einem variablen laufenden Entgeltsschnitt (Überstundenentgelte, Prämien, Provisionen etc) auch anteilige Sonderzahlungen (vgl etwa OGH9 ObA 154/09aARD 6084/2/2010). Nach dem novellierten § 2c Abs 2 AVRAG bzw § 36 Abs 2 AngG sind anteilige Sonderzahlungen bei der Ermittlung des Entgelts nunmehr ausdrücklich außer Acht zu lassen.

Für die konkrete Rechtssache hätte die Anwendbarkeit der neuen Rechtslage bedeutet, dass das gerichtlich erhobene letzte Gesamtentgelt von € 3.586,72 um zwei Zwölftel des Monatsfixums von € 2.100,- zu kürzen wäre, womit das maßgebliche letzte Entgelt € 3.236,72 betragen würde. Damit wäre die Verdienstgrenze für die Rechtsgültigkeit von nachvertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen bezogen auf das Jahr 2016 nicht überschritten worden.9