Die wichtigsten Neuerungen rund um das Arbeitsrechts-Änderungsgesetz (ARÄG) 2015

CHRISTIANDUNST
Vor rund drei Jahren wurden im Rahmen des Regierungsübereinkommens der österreichischen Bundesregierung für die Jahre 2013 bis 2018 Maßnahmen mit den Zielen vereinbart, mehr Fairness und Transparenz in das Arbeitsleben zu bringen sowie die Förderung selbstbestimmter und frei gewählter Mobilität im Arbeitsrecht zu forcieren, die nunmehr teilweise im ARÄG 2015 umgesetzt wurden. Die wichtigsten Änderungen betreffen Einschränkungen im Bereich der Konkurrenzklauseln und Einschränkungen beim Ausbildungskostenrückersatz, Transparenz bei All-In-Verträgen sowie die Schaffung eines zivilrechtlichen Anspruches auf Lohnabrechnungen. Im Arbeitszeitrecht wurde die Anhebung der täglichen Höchstarbeitszeit durch aktive Reisezeit und die verpflichtende Information von Teilzeitbeschäftigten über freie Vollzeitstellen vorgesehen. Die wichtigsten Änderungen hier im Überblick!
1.
Dienstzettel – § 2 AVRAG

Die Neuregelung des § 2 Abs 2 Z 9 AVRAG sowie die ebenfalls geänderten Abs 5 und 6 sind der Transparenz von Entgeltvereinbarungen gewidmet. Künftig ist die Höhe des laufenden Grundgehalts oder -lohns obligatorisch betragsmäßig anzugeben. Entgegen der bisherigen Rechtslage ist ein allgemeiner Verweis auf anzuwendende gesetzliche oder kollektive Lohnvorschriften nicht mehr ausreichend. Ausnahmen von dieser Informationsverpflichtung sind nur für jene Fälle vorgesehen, in denen es um reine Vorrückungen innerhalb derselben Berufs- oder Verwendungsgruppe geht oder aber Änderungen gesetzlicher oder kollektiver Lohnvorschriften Auswirkungen auf die konkrete Höhe des Grundgehalts oder -lohns nach sich ziehen. Ein Wechsel in eine höhere Berufs- oder Verwendungsgruppe wäre beispielsweise nunmehr zwingend auszuweisen, nicht aber allfällige Erhöhungen auf Basis der jährlich stattfindenden Kollektivvertragsverhandlungen. Diese Information hat schriftlich binnen eines Monats nach Wirksamkeitsbeginn der Änderung zu erfolgen.

2.
Konkurrenzklausel – § 2c AVRAG, §§ 36 und 37 AngG

Die Entgeltgrenze, ab der künftig eine zulässigerweise vereinbarte Konkurrenzklausel schlagend werden kann, wird nach neuer Rechtslage vom 17-fachen auf das 20-fache der täglichen Höchstbeitragsgrundlage angehoben und zudem ausdrücklich klargestellt, dass Sonderzahlungen bei der Berechnung des maßgeblichen Entgelts nicht zu berücksichtigen sind.

Damit ist der neue ausschlaggebende Wert für 2016 mit € 3.240,- brutto anzusetzen, während nach bisheriger Rechtslage – unter der Annahme, dass das Entgelt aus dem Grundgehalt 14-mal jährlich besteht – die maßgebliche Entgeltgrenze bei € 2.360,- brutto lag. Folgt man den diesbezüglichen Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen, soll das für den letzten Monat gebührende Entgelt weiterhin auf Basis des weiten arbeitsrechtlichen Entgeltbegriffs berechnet werden, so wie er nach stRsp auch für die Ermittlung der konkreten Höhe der Abfertigung alt gem § 23 Abs 1 AngG herangezogen wird. Damit sind regelmäßige Überstundenentgelte ebenso wie Zulagen etc, nicht aber eben Sonderzahlungen, in die Grenze miteinzurechnen.

Die Neuregelungen umfassen neben Konkurrenzklauseln auch damit im Zusammenhang vereinbarte Konventionalstrafen, indem nunmehr ausdrücklich klargestellt wurde, dass pauschalierter Schadenersatz den Betrag von sechs Nettomonatsentgelten nicht übersteigen darf, wobei auch bei Ermittlung dieser Entgeltgrenze systemkonform allfällige Sonderzahlungen außer Betracht zu bleiben haben und klargestellt wird, dass Konventionalstrafen innerhalb dieses Rahmens zusätzlich dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegen.

Die Erläuternden Bemerkungen sehen diesbezüglich ein zweistufiges Prüfungsverfahren vor, in-41auszudem nicht nur die Überprüfung der Höchstgrenze, sondern auch innerhalb einer vereinbarten Konventionalstrafe von sechs Nettomonatsentgelten die richterliche Mäßigung ausdrücklich verankert wird.

Die neuen Bestimmungen treten mit Ablauf des dem der Kundmachung folgenden Tages in Kraft und sind ausschließlich auf neu abgeschlossene Vereinbarungen anzuwenden. Zu beachten ist daher, dass für bestehende Vereinbarungen die alte Rechtslage weiterhin anwendbar bleibt.

3.
Ausbildungskostenrückersatz – § 2d Abs 3 Z 2 und 3 AVRAG

Die Neuerungen im Ausbildungskosten-Rückersatzrecht bringen wesentliche Änderungen im Hinblick auf die höchstzulässige Bindungsdauer, die von maximal fünf auf vier Jahre reduziert wurde (die in Ausnahmefällen mögliche Bindungsdauer von bis zu acht Jahren bleibt unberührt). Auch hinsichtlich der Rückzahlungsvereinbarung selbst legt § 2d Abs 3 Z 3 AVRAG neu nunmehr ausdrücklich fest, dass zwingend, bei sonstiger Unwirksamkeit der gesamten Rückzahlungsvereinbarung, eine monatliche Aliquotierung zu erfolgen hat, wobei günstigere Regelungen weiterhin zulässig bleiben. Die Rsp hat bisher eine jährliche Aliquotierung für ausreichend erachtet.

Auch im Rahmen der Neuregelung zum Ausbildungskostenrückersatz wird von einer Stichtagsregelung Gebrauch gemacht, so dass nur neue Vereinbarungen nach Inkrafttreten der diesbezüglichen Gesetzesbestimmungen davon erfasst sind.

4.
Lohn- und Gehaltsabrechnungen und Anmeldung zur Sozialversicherung – § 2f AVRAG

§ 2f AVRAG schafft einen eigenen zivilrechtlichen Anspruch auf Übermittlung von Lohn- und Gehaltsabrechnungen und Aushändigung einer Kopie der Anmeldung zur SV. Die Anforderungen an derartige Lohn- und Gehaltsabrechnungen gehen über die bis dato bereits bestehende Verpflichtung gem § 78 Abs 5 EStG weit hinaus, indem eine schriftliche, übersichtliche, nachvollziehbare und vollständige Abrechnung der Bezüge zu erfolgen hat, sowohl was Entgelt als auch Aufwandsentschädigungen betrifft.

Da einige Kollektivverträge bereits Regelungen hinsichtlich der Verpflichtung zur Erstellung und Ausstellung von Lohnabrechnungen beinhalten, wurde in den Materialien klargestellt, dass die Verpflichtungen aus Kollektivverträgen den gesetzlichen Bestimmungen vorgehen.

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes können Lohn- und Gehaltsabrechnungen natürlich auch in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden.

5.
Pauschalentgeltvereinbarungen (All-In) – § 2g AVRAG

Klassische All-In-Vereinbarungen, die ein Gesamtentgelt ohne Differenzierung in Grundlohn und Mehrleistungsabgeltung vorsehen, wurden bis dato von der Judikatur akzeptiert und bei Rechtsstreitigkeiten, insb bei Fragen rund um die korrekte Abgeltung von Überstunden, nur das kollektivvertragliche Mindestentgelt als Grundlohn für die Normalarbeitszeit zugrunde gelegt.

ISd Transparenz von Entgeltvereinbarungen verlangt nunmehr § 2g AVRAG für neu abgeschlossene All-In-Vereinbarungen die konkrete betragsmäßige Ausweisung des Grundgehalts oder -lohns und knüpft an die Nichtbeachtung dieser Rechtsvorschrift die Rechtsfolge, dass ansonsten der branchen- und ortsübliche Normalstundenlohn (Ist-Lohn) und nicht der kollektivvertragliche Mindestlohn zusteht. Werden also künftig entgegen dem gesetzlichen Wortlaut Pauschalentgeltvereinbarungen ohne Differenzierung in Grundlohn und Mehrleistungsentgelt abgeschlossen und in Folge strittig und gerichtsanhängig, muss wohl mithilfe berufskundlicher Sachverständiger das branchen- und ortsübliche Entgelt (Ist-Lohn) ermittelt werden. Für die Praxis ist daher dringend anzuraten, Grundlohn bzw -gehalt im Arbeitsvertrag oder Dienstzettel auszuweisen.

6.
Informationsrecht für Teilzeitbeschäftigte – § 19d AZG

Künftig sind Teilzeitbeschäftigte über frei werdende Vollzeitstellen oder aber Stellen mit einem höheren Arbeitszeitausmaß zu informieren – dies an einer geeigneten zugänglichen Stelle im Betrieb, wobei auch ein elektronischer Zugang als ausreichend erachtet wird. Zu beachten ist, dass die Verletzung dieser Informationspflicht unter Strafsanktion steht. Die Geldstrafen reichen hier bis zu € 436,-.

7.
Bis zu zwölf Stunden Tagesarbeitszeit bei aktiver Reisezeit – § 20b Abs 6 AZG

§ 20b Abs 6 AZG erlaubt nunmehr, die tägliche Arbeitszeit bei aktiver Reisezeit (Selbstlenken eines Fahrzeugs) auf bis zu zwölf Stunden auszu-42dehnen. Die eigentliche Arbeitsleistung inklusive Überstunden darf aber weiterhin höchstens zehn Stunden betragen, genauso dann, wenn das Lenken eines Fahrzeuges der Haupttätigkeit der/des AN zugeordnet werden kann, wie das typischerweise bei VertreterInnen, ServicetechnikerInnen oder Zustelldiensten der Fall sein wird.

8.
Bis zu zehn Stunden für Lehrlinge ab 16 bei passiver Reisezeit – § 11 Abs 3a KJBG

Ab Vollendung des 16. Lebensjahres kann die höchstzulässige Tagesarbeitszeit für Lehrlinge durch passive Reisezeit zusätzlich auf bis zu zehn Stunden ausgedehnt werden. Für die Arbeitszeit ieS gelten aber jedenfalls weiterhin die im KJBG enthaltenen Höchstgrenzen, ähnlich wie bei der Erweiterung der Tagesarbeitszeit bei aktiver Reisezeit.

9.
Einschätzung

ME kann die Bedeutung der nun im ARÄG 2015 umgesetzten Änderungen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, denn die Auswirkungen dieser stärkeren Regulierung von Arbeitsverträgen und Beschränkung des zulässigen Vereinbarungsgehalts derselben werden in naher Zukunft wohl hunderttausende Arbeitsverhältnisse betreffen und ein Stück weit mehr an selbstbestimmter Mobilität und Transparenz bringen. Hinsichtlich der Neuregelungen im Arbeitszeitrecht bleibt zu hoffen, dass die Erhöhung der zulässigen Tagesarbeitszeit durch Reisebewegungen in der Praxis künftig nicht dazu verwendet wird, Schutzbestimmungen, insb die grundsätzlich weiter geltenden Höchstarbeitszeitgrenzen, zu umgehen.