Das Vereinbarkeitspaket – Änderungen im Mutterschutz- und Väter-Karenzgesetz ab 1.1.2016

BIANCASCHRITTWIESER
1.
Die wichtigsten Neuerungen im Überblick

Am 1.1.2016 sind einige Änderungen im MSchG und VKG (BGBl I 2015/149), BGBl I 2015/152, BGBl I 2015/162) in Kraft getreten. Es handelt sich um Maßnahmen (in Umsetzung des Regierungsprogramms 2013 bis 2018), die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern und der betrieblichen Praxis entgegenkommen sollen. Dazu zählen:

  • ein Rechtsanspruch auf Karenz und Elternteilzeit für Pflegeeltern (§ 15c Abs 1, 2 Z 1, Abs 3 MSchG und § 5 Abs 1, 2, 4 und 5 VKG) bei unentgeltlicher Pflege auch ohne Adoptionsabsicht;

  • die Einführung einer Arbeitszeitbandbreite bei der Elternteilzeit (§§ 15h Abs 1, 15i, 15j Abs 2, § 10 MSchG und §§ 8 Abs 1, 8a, 8b Abs 2, 10 VKG): Arbeitszeitreduktion um zumindest 20 % der wöchentlichen Normalarbeitszeit und Mindestarbeitszeit während der Elternteilzeit mit zwölf Stunden pro Woche;

  • die gesetzliche Verankerung eines sogenannten „Zweiten Meldezeitpunktes“ für die Elternkarenz (§ 15 Abs 3 MSchG und § 2 Abs 5 VKG);

  • die Einbeziehung von arbeitnehmerähnlichen freien DN in das individuelle und absolute Beschäftigungsverbot (§ 1 Abs 5 MSchG) sowie die Verankerung eines Motivkündigungsschutzes (§ 10 Abs 8 MSchG);

  • ein Kündigungs- und Entlassungsschutz bis vier Wochen nach einer Fehlgeburt (§§ 10 Abs 1a, 12 Abs 1 MSchG);

  • Weiterzahlung des Entgelts nach § 14 Abs 2 MSchG und § 8 Abs 4 AngG.

2.
Die Neuerungen im Detail
2.1.
Rechtsanspruch auf Karenz und Elternteilzeit für Pflegeeltern bei unentgeltlicher Pflege auch ohne Adoptionsabsicht (§ 15c Abs 1, 2 Z 1, 3 MSchG und § 5 Abs 1, 2, 4 und 5 VKG)

Derzeit haben Pflegeeltern nur dann einen Anspruch auf Karenz bzw Elternteilzeit, wenn sie ein Kind in Adoptionsabsicht in unentgeltliche Pflege nehmen. Dh es muss sich um ein zur Adoption freigegebenes Kind handeln* und es darf aus der Übernahme der Pflege kein Entgelt bezogen werden.

Die neuen Bestimmungen, insb § 15c Abs 1, 2 Z 1, 3 MSchG und § 5 Abs 1, 2, 4 und 5 VKG sehen diesbezüglich wesentliche Verbesserungen für erwerbstätige Pflegeeltern vor. Es wird ein Anspruch auf Karenz und Elternteilzeit für jene Pflegeeltern geschaffen, die ein Kind in unentgeltliche Pflege übernehmen und nicht adoptieren wollen oder keine Chance auf eine Adoption haben, weil die leiblichen Eltern das Kind dazu nicht freigegeben haben.

Pflegeeltern, die die Pflege eines Kindes allerdings im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses übernehmen und dafür Entgelt beziehen, haben weiterhin keinen Anspruch auf Karenz bzw Elternteilzeit. Nicht unter den Entgeltbegriff zu sub-43sumieren ist das Pflegegeld. Die geplanten Änderungen sind mit 1.1.2016 in Kraft getreten.

2.2.
Die Einführung einer Arbeitszeitbandbreite bei der Elternteilzeit (§§ 15h Abs 1, 15i, 15j Abs 2, 10 MSchG und §§ 8 Abs 1, 8a, 8b Abs 2, 10 VKG)

Gem § 15h MSchG/§ 8 VKG haben AN einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn sie zum Antrittszeitpunkt in einem Betrieb mit mehr als 20 AN beschäftigt sind und ihr Arbeitsverhältnis zum Antrittszeitpunkt ununterbrochen drei Jahre gedauert hat. Zu den beiden bereits bestehenden Anspruchsvoraussetzungen wird nun eine Bandbreite bei der Arbeitszeitverkürzung als dritter Anspruchstatbestand festgelegt.

Demnach muss bei der Elternteilzeit nach § 15h MSchG/§ 8 VKG zusätzlich die Arbeitszeitreduktion zumindest 20 vH der wöchentlichen Normalarbeitszeit betragen. Außerdem muss die Mindestarbeitszeit während der Elternteilzeit muss mit zumindest zwölf Stunden pro Woche festgelegt werden. Diese Regelungen sollen nach den Erläuternden Bemerkungen sinngemäß auch für die einmalige Änderungsmöglichkeit (§ 15j Abs 5 und 6) der Basisvereinbarung der Elternteilzeit Anwendung finden. Die Bandbreite gilt zudem auch für die vereinbarte Elternteilzeit nach § 15i MSchG/§ 8a VKG.

Nach der Neureglung können AN und AG auch ein Ausgestaltungsmodell der Teilzeit außerhalb der Bandbreite vereinbaren (es besteht allerdings kein Rechtsanspruch), weil beispielsweise eine Reduktion bereits von 10 % der wöchentlichen Normalarbeitszeit die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht. In diesem Fall finden nach § 15j Abs 10 MSchG/§ 8b Abs 10 VKG trotzdem die Bestimmungen über die Elternteilzeit Anwendung (insb der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz).

Zudem bleibt der Anspruch auf Änderung der Lage der Arbeitszeit nach § 15p MSchG/§ 8h VKG in seiner bisherigen Form erhalten, so dass anstelle der Reduktion der Arbeitszeit auch weiterhin nur eine Änderung der Lage der Arbeitszeit in Anspruch genommen werden kann.

Die Neuregelung der Elternteilzeit gilt für Mütter und Väter, deren Kinder ab 1.1.2016 geboren werden.

2.3.
Die gesetzliche Verankerung eines „ Zweiten Meldezeitpunktes“ für eine Elternkarenz (§ 15 Abs 3, 15c Abs 2 Z 1 MSchG und § 2 Abs 5 und § 5 Abs 2 VKG)

Nach derzeitiger Rechtslage kann eine Elternkarenz entweder im Anschluss an die Mutterschutzfrist oder im Anschluss an die Karenz des jeweils anderen unselbstständig erwerbstätigen Elternteils angetreten werden. Diese Rechtslage führt in der Praxis zu folgendem Problem: Betreut beispielweise eine Mutter, die sich in Ausbildung befindet (und daher keinen Anspruch auf Karenz hat), ihr Kind im 1. Lebensjahr, dann konnte der Vater im 2. Lebensjahr eine Karenz de facto nicht in Anspruch nehmen.

Nunmehr wird einem Elternteil die Inanspruchnahme der Karenz auch zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht, sofern der andere Elternteil keinen Karenzanspruch hat. Nach dem neuen Gesetz soll der Elternteil im zeitlichen Rahmen zwischen Ende der Schutzfrist und vollendetem 2. Lebensjahr des Kindes das Recht haben, die Karenz nach MSchG/VKG spätestens drei Monate vor dem geplanten Antritt bekannt zu geben und in Anspruch zu nehmen. Sein Kündigungs- und Entlassungsschutz beginnt frühestens vier Monate vor Antritt.

2.4.
Die Einbeziehung von arbeitnehmerähnlichen freien DN in das MSchG (§ 1 Abs 5 MSchG) sowie die Verankerung eines Motivkündigungsschutzes (§ 10 Abs 8 MSchG)

Der neu geschaffene Abs 5 in § 1 MSchG bezieht nun erstmals (schwangere) freie DN (iSd § 4 Abs 4 ASVG) in den Geltungsbereich des MSchG ein. Mit der Änderung erfolgt aber eine nur teilweise Einbeziehung freier DN in die Schutzbestimmungen des MSchG. Freie DN haben demnach zwar einen Freistellungsanspruch gem § 3 sowie § 5 Abs 1 und 3 MSchG (individuelle und absolute Beschäftigungsverbote vor bzw nach der Entbindung). Andere Schutzbestimmungen beispielsweise wegen gefährlicher Arbeiten, ein besonderer Kündigungsschutz, etc bleiben allerdings weiterhin außer Betracht.

Zur Absicherung vor unzulässigen Kündigungen wurde allerdings ein Motivkündigungsschutz in § 10 Abs 8 MSchG für freie DN gesetzlich verankert. Das Verfahren im Rahmen der Anfechtungsklage soll jenem nach § 105 Abs 5 und 7 ArbVG nachgebildet sein. Freie DN, die wegen ihrer Schwangerschaft oder eines Beschäftigungsverbotes bis vier Monate nach der Geburt gekündigt werden, haben daher die Möglichkeit, die Kündigung innerhalb von zwei Wochen bei Gericht anzufechten. Für den Fall, dass die Schwangere die Kündigung gegen sich gelten lässt, findet nach den Erläuternden Bemerkungen die Regelung des § 1162b ABGB erster Satz Anwendung. Dies bedeutet, dass die freie DN Anspruch auf das gleiche Entgelt wie bei einer Kündigung hat, die erst vier Monate nach der Geburt ausgesprochen wird.

Die Bestimmungen sind mit 1.1.2016 in Kraft getreten.44

2.5.
Kündigungs- und Entlassungsschutz bis vier Wochen nach einer Fehlgeburt (§§ 10 Abs 1a, 12 Abs 1 MSchG)

In der Praxis ist es nicht selten vorgekommen, dass AG nach einer Fehlgeburt das Arbeitsverhältnis mit der AN gelöst haben. Frauen soll daher nach §§ 10 Abs 1a und 12 Abs 1 MSchG ein besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz von vier Wochen nach einer erfolgten Fehlgeburt zukommen, um die psychische Belastung möglichst gering zu halten. Auf Verlangen des AG hat die AN eine ärztliche Bescheinigung über die Fehlgeburt vorzulegen.

Sollte übrigens eine Kündigung nach Ablauf der vier Wochen wegen der Annahme, die AN würde bald wieder schwanger werden, erfolgen, dann kann diese bei Gericht nach dem GlBG innerhalb von 14 Tagen ab Zugang der Kündigung bekämpft werden.*

Die Bestimmungen sind mit 1.1.2016 in Kraft getreten

2.6.
Weitere Änderungen im MSchG/VKG und AngG
2.6.1.
Weiterzahlung des Entgelts nach § 14 Abs 2 MSchG und § 8 Abs 4 AngG

Gem § 14 Abs 3 MSchG besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Falle eines Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs 3 (vorgezogene Schutzfrist aus Gesundheitsgründen) nur dann, wenn kein Anspruch auf Wochengeld besteht. In § 14 Abs 2 MSchG wird nun klargestellt, dass im Falle eines Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs 3 der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Durchschnitt der letzten 13 Wochen vor Eintritt des Beschäftigungsverbotes zu berechnen ist Befindet sich daher eine AN bei Beginn des Beschäftigungsverbotes noch in Karenz für ein früheres Kind und bestand in den letzten 32 Wochen vor Eintritt des Beschäftigungsverbotes keine Pflichtversicherung, weil sie eine kurze Kinderbetreuungsgeldvariante gewählt hat, dann ergibt sich daraus, dass wegen der Bemessungsgrundlage Null kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem AG besteht. Besteht aber deshalb kein Anspruch auf Wochengeld, weil die AN geringfügig beschäftigt war, tritt nach den Erläuternden Bemerkungen keine Änderung der bisherigen Rechtslage ein.

Eine weitere Neuerung erfolgt in § 8 Abs 4 AngG: Nach dieser wenig bekannten Bestimmung haben AN Entgeltfortzahlungsanspruch für sechs Wochen nach der Entbindung, allerdings nur insoweit, als der AN nicht Wochengeld oder Krankengeld zukommt.

Nach der Neuregelung besteht auch kein Entgeltfortzahlungsanspruch für jene AN, die sich vor dem Beschäftigungsverbot vor der Geburt in Karenz nach dem MSchG befanden. (Nicht umfasst sind nach den Erläuternden Bemerkungen Karenzen, die aufgrund spezieller arbeitsrechtlicher Normen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie – wie etwa Familienhospizkarenz, Pflegekarenz oder Bildungskarenz – angetreten wurden.)

Zudem wird mit dieser Änderung klargestellt, dass Ansprüche nach § 8 Abs 4 AngG keine wochengeldähnliche Leistung darstellen, die zu einem Entfall des Kinderbetreuungsgeldes führen würde.

2.6.2.
Frauen, deren eingetragene Partnerin oder Lebensgefährtin durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung ein Kind bekommt, haben ua Anspruch auf Elternkarenz

Im VKG wird klargestellt, dass auch Frauen, deren eingetragene Partnerin oder Lebensgefährtin durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung ein Kind bekommt, Elternkarenz und die anderen in diesem Gesetz vorgesehenen Elternrechte in Anspruch nehmen können.45