Wichtige Änderungen im Bereich der Sozialversicherung im zweiten Halbjahr 2015

WOLFGANGPANHÖLZL
Auch im zweiten Halbjahr 2015 wurden im Sozialbereich Reformpakte beschlossen (vgl zum ersten Halbjahr 2015, Panhölzl, DRdA-infas 2015, 272 ff), deren wichtigste Aspekte hervorgehoben und kurz bewertet werden sollen. Ein vollständiger Überblick würde den Rahmen des Beitrages bei weitem sprengen. Zuerst werden die Maßnahmen des Arbeitsmarktgipfels betrachtet (umgesetzt mit dem Budgetbegleitgesetz 2016, BGBl 2015/144BGBl 2015/144), dann die im Zusammenhang mit dem Rehabilitationsgeld stehenden arbeitsrechtlichen Änderungen durch des ARÄG 2015 (Beschluss im Nationalrat am 10.12.2015), schließlich die wichtigsten Punkte des SRÄG 2015 ( BGBl 2015/162BGBl 2015/162).
1.
Änderungen auf Basis des Arbeitsmarkt- und Konjunkturgipfels
1.1.
Ergebnisse des Arbeitsmarkt- und Konjunkturgipfels

Am 30.10.2015 wurden beim Arbeitsmarkt- und Konjunkturgipfel, an dem auch die Sozialpartner teilnahmen, neben anderen Maßnahmen eine Senkung der Lohnnebenkosten, eine Stärkung der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die Bewusstseinsbildung zur Beschäftigung Älterer und ein Bonus-/Malus-System beschlossen. In Summe sollen die Lohnnebenkosten der Unternehmen stufenweise bis 2018 um bis zu 1 Mrd € pro Jahr gesenkt und dadurch bis zu 14.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Dies soll durch eine Senkung des IESG-Beitrags um 0,1 Prozentpunkte ab 1.1.2016 (91 Mio € pro Jahr), weiters durch eine Senkung des FLAF-Beitragssatzes ab 2017 um 0,4 Prozentpunkte (520 Mio € pro Jahr) und ab 1.1.2018 um weitere 0,2 Prozentpunkte (in Summe 790 Mio € pro Jahr) erreicht werden.

Zudem ist eine weitere Senkung um 0,1 Prozentpunkte ab 1.1.2018 im Rahmen des Bonus-/Malus-Systems (bis zu 920 Mio € pro Jahr) vereinbart worden. Das Potential zur Senkung der DG-Beiträge im Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) und im Insolvenzentgeltfonds (IEF) ergibt sich nach Einschätzung der Bundesregierung in den nächsten Jahren durch entsprechende Überschüsse aufgrund der hohen Beschäftigtenzahlen.

Ziel der Bundesregierung ist es, die Beschäftigungsquoten älterer AN (ab 55 Jahren) bis 2018 anzuheben. Die bisherigen Pensionsreformen zeigen, wie das WIFO festgestellt hat, Wirkung und immer mehr ältere Menschen sind am Arbeitsmarkt. Die tatsächliche Entwicklung der Beschäftigung Älterer soll nun verbindlich gemessen und zum 31.10.2017 (Stichtag: 1.7.2017) durch das Sozialministerium veröffentlicht werden. Die Quoten aus dem Regierungsprogramm werden auf den genannten Stichtag umgerechnet. Wird der Zielwert nicht erreicht, greift folgendes System: Unternehmen, die bei der Beschäftigung Älterer über ihrem Branchenvergleich (ÖNACE-Zweisteller) liegen, erhalten ab 1.1.2018 einen Bonus in Form einer zusätzlichen Senkung der Lohnnebenkosten in Höhe von 0,1 Prozentpunkte des FLAF-Beitrages. Unternehmen, die unter dem Branchenvergleich liegen, müssen bei Beendigung von Dienstverhältnissen die Auflösungsabgabe in doppelter Höhe leisten.

Um im Vorfeld Bewusstseinsbildung zu leisten, informiert der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger alle Unternehmen mit mehr als 25 AN sowie die gesetzlichen Interessenvertretungen über den Stand der älteren AN im Vergleich zum Branchendurchschnitt sowie der Gesamtwirtschaft. Das verursacht für Unternehmen weder Kosten noch administrativen Aufwand. Erreicht ein Unternehmen den Branchendurchschnitt nicht, berät die Wirtschaftskammer den Betrieb. Die WKÖ liefert jährlich einen Bericht über die Beratungsleistung.

Weiters wurde ein möglichst frühes Vorziehen des Entfalls der täglichen Geringfügigkeitsgrenze sowie die möglichst rasche Einrichtung einer App zur unbürokratischen und raschen An- und Abmeldung von Beschäftigten beschlossen.

1.2.
Umsetzung des Arbeitsmarkt- und Konjunkturgipfels

Die Vereinbarungen des Gipfels wurden unverzüglich unter Einbeziehung der Sozialpartner als Gesetzesvorschlag verhandelt, konkretisiert und durch einen Abänderungsantrag in das Budgetbegleitgesetz 2016 aufgenommen. Die Umsetzung des Bonus-/Malus-Systems wurde auf mehrere46 Gesetze aufgeteilt, worunter die Nachvollziehbarkeit des Regelwerks leidet.

In § 1a AMPFG (Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz) ist der Auslösemechanismus festgelegt. Nämlich welche Beschäftigungszielquoten für Ältere bis 30.6.2017 zu erreichen sind und dass der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz diese Quoten nach einer bestimmten Methode zu ermitteln, ein Verfehlen der Zielquoten festzustellen und im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen hat, wodurch das Bonus-/Malus-System in Kraft tritt.

In § 31 Abs 14 bis 16 ASVG sind die diesbezüglichen Aufgaben des Hauptverbandes geregelt. Der Hauptverband hat die Älterenquoten in den Betrieben, also wie groß der Anteil der 55+-Jährigen an der Gesamtbelegschaft ist, festzustellen. Daraus hat der Hauptverband eine Gesamtquote für alle Betriebe und für die Branchen nach dem ÖNACE-Zweisteller zu ermitteln. Sodann ist jeder Betrieb ab 25 AN über die festgestellte Älterenquote im Betrieb, über die Branchenquote der Branche, der der Betrieb angehört und über die Gesamtquote zu informieren. Diejenigen Betriebe, die unter ihrer durchschnittlichen Branchenquote liegen, fallen unter den Malus und diejenigen Betriebe, die die durchschnittliche Branchenquote erreichen oder darüber liegen, erhalten einen Bonus. Die Bonus-/Malus-Regelungen treten nur dann in Kraft, wenn gem § 1a AMPFG die Auslösung erfolgt. Erfolgt die Auslösung nicht, weil alle drei Beschäftigungsquoten des § 1a AMPFG erreicht werden, hat die Mitteilung der Älterenquoten an die Betriebe bloßen Informationscharakter und löst für Betriebe, die unter der durchschnittlichen Branchenquote liegen, eine Beratungspflicht der Interessenvertretungen aus.

Der Bonus ist in § 41 Abs 5a FLAFG und der Malus in § 1a Abs 5 AMPFG geregelt.

1.3.
Umsetzung des Bonus-/Malus-Systems im FLAFG

In § 41 Abs 5 FLAFG ist die Absenkung des FLAF verankert. Der Beitrag beträgt derzeit 4,5 % der Beitragsgrundlage und wird ab 1.1.2017 auf 4,1 % und ab 1.1.2018 auf 3,9 % gesenkt. In § 41 Abs 5a FLAFG ist der Bonus des Bonus-/Malus-Systems in Form einer weiteren Absenkung des FLAF-Beitrages um 0,1 % geregelt.

Bei Unterschreitung eines oder mehrerer Zielwerte gem § 1a Abs 3 des AMPFG beträgt der Beitrag für DG, die durchschnittlich mindestens 25 vollversicherte (freie) DN beschäftigen und deren DG-Quote gem § 31 Abs 14 Z 3 ASVG die für das davor liegende Jahr festgestellte Branchenquote gem § 31 Abs 14 Z 2 ASVG erreicht oder überschreitet, in Bezug auf das der Feststellung der DG-Quote nachfolgende Kalenderjahr 3,8 vH der Beitragsgrundlage (statt 3,9 %).

1.4.
Umsetzung des Bonus-/Malus-Systems im AMPFG

Die Kernbestimmung des Bonus-/Malus-Systems ist in § 1a AMPFG geregelt. Demnach hat der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz die Beschäftigungsquoten der 55- bis 59-jährigen Männer, der 60- bis 64-jährigen Männer sowie der 55- bis 59-jährigen Frauen zum 30.6.2017 zu ermitteln.

In Abs 2 ist die Beschäftigungsquote definiert. Als Beschäftigungsquote gilt demnach der Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung der jeweiligen Altersgruppe. Als erwerbstätig gelten alle unselbstständig Beschäftigten (einschließlich der BeamtInnen, jedoch ohne geringfügig Beschäftigte, basierend auf den Daten des Hauptverbandes) und alle selbstständig Beschäftigten. Die Ermittlung der Zahl der Erwerbstätigen und der Zahl der EinwohnerInnen in den jeweiligen Altersgruppen erfolgt als Monatsbetrachtung zum 30.6.2017. Dabei wird in der Monatsbetrachtung der jeweilige Monatsendbestand zum 30.6.2017 der unselbstständigen und selbstständigen Beschäftigung zum Jahresdurchschnittsbestand der Bevölkerung im Jahr 2017 in Beziehung gesetzt.

Die Beschäftigungsquote sagt aus, welcher Anteil der Bevölkerung in der jeweiligen Altersgruppe beschäftigt ist. Davon zu unterscheiden ist die Älterenquote im Betrieb, die angibt, wie groß der Anteil der Älteren an der Gesamtbelegschaft ist. Auslöser für das Bonus-/Malus-System ist die gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsquote, entscheidend dafür, ob ein Betrieb einen Bonus oder Malus erhält, ist die Älterenquote im Betrieb.

In Abs 3 sind die Zielwerte für die Beschäftigungsquoten festgelegt, die bis zum 30.6.2017 zu erreichen sind. Diese sind linear aus den im Regierungsprogramm für 2018 vereinbarten Beschäftigungsquoten abgeleitet.

Die Zielwerte für den Anteil der Bevölkerung in der jeweiligen Altersgruppe, die zum 30.6.2017 in Beschäftigung stehen sollten, betragen:

  1. für 55- bis 59-jährige Männer 73,6 %,

  2. für 60- bis 64-jährige Männer 33,1 %,

  3. für 55- bis 59-jährige Frauen 60,1 %.

Gem Abs 4 hat der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz bis spätestens 31.10.2017 die ermittelten Beschäftigungsquoten gem Abs 1 und allfällige Abweichungen von den Zielwerten gem Abs 3 Z 1 bis 3 sowie das Überoder Unterschreiten eines oder mehrerer dieser Zielwerte im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Abs 4 stellt sozusagen den auslösenden Mechanis-47mus dar, der das Bonus-/Malus-System wirksam werden lässt, wenn einer der Zielwerte des Abs 3 verfehlt wird. Sollten alle drei Zielwerte erreicht werden, tritt weder die Malusregel in § 1a Abs 5 AMPFG noch die Bonusregel in § 41 Abs 5a FLAFG in Kraft. Wird jedoch auch nur einer dieser Zielwerte verfehlt, wird das Bonus-/Malus-System wirksam und bleibt es solange, bis der Gesetzgeber anderes beschließt.

In Abs 5 ist der Malus in Form der doppelten Auflösungsabgabe geregelt. Bei Unterschreitung eines oder mehrerer Zielwerte gem Abs 3 gilt für DG, die durchschnittlich mindestens 25 vollversicherte (freie) DN, ausgenommen RehabilitationsgeldbezieherInnen und Lehrlinge, beschäftigen und deren DG-Quote gem § 31 Abs 14 Z 3 ASVG die für das davor liegende Jahr festgestellte Branchenquote gem § 31 Abs 14 Z 2 ASVG nicht erreicht, dass sich die Auflösungsabgabe gem § 2b Abs 1 im darauf folgenden Kalenderjahr jeweils auf den doppelten Betrag erhöht.

Die Verdoppelung der Auflösungsabgabe gilt unabhängig vom Alter für alle AN des Betriebes, deren Dienstverhältnis aufgelöst wird.

1.5.
Umsetzung des Bonus-/Malus-Systems im ASVG

In § 31 Abs 14 bis 16 ASVG wurden die Aufgaben des Hauptverbandes im Zusammenhang mit dem Bonus-/Malus-System aufgenommen.

Gem Abs 14 ist der Hauptverband verpflichtet, für DG, die durchschnittlich mindestens 25 vollversicherte (freie) DN, ausgenommen RehabilitationsgeldbezieherInnen und Lehrlinge, beschäftigen, einmal jährlich den Anteil älterer Personen (55 Lebensjahre und älter) an allen vollversicherten Beschäftigten festzustellen, und zwar

1. für alle diese DG insgesamt (Gesamtquote),

2. für die einzelnen Abteilungen, denen diese DG jeweils angehören, nach der Systematik der Wirtschaftstätigkeiten ÖNACE (Branchenquote) und

3. für jede/n einzelne/n dieser DG gesondert (DG-Quote).

Der Anteil ist aus dem Durchschnitt der Beschäftigtenstände, ausgenommen RehabilitationsgeldbezieherInnen und Lehrlinge, vom 1.7. des Vorjahres bis zum 30.6. des Jahres der Feststellung zu ermitteln. Monate, in denen bei einem DG keine vollversicherten (freien) DN beschäftigt waren, sind für die Quoten nach Z 1 bis 3 nicht zu berücksichtigen.

Gem Abs 15 hat der Hauptverband einmal jährlich jeweils bis zum 30.9. auf elektronischem Weg zu informieren:

1. die betroffenen DG über die zuletzt ermittelte Gesamtquote nach Abs 14 Z 1, über die zuletzt ermittelte, sie betreffende Branchen- und DG-Quote nach Abs 14 Z 2 und 3 sowie darüber, ob die DG-Quote die jeweilige Branchenquote unter- oder überschreitet; über Letzteres ist auf Verlangen mit Bescheid abzusprechen;

2. die in Betracht kommenden gesetzlichen Interessenvertretungen der DN und der DG über alle nach Abs 14 Z 1 bis 3 zuletzt ermittelten Quoten, wobei die bundesweit eingerichteten gesetzlichen Interessenvertretungen die ihr zugehörigen Landeseinrichtungen zu informieren haben.

Der Hauptverband hat die nach Z 1 betroffenen DG mit der Information im Jahr 2017 auf die Rechtsfolgen nach § 1a Abs 5 AMPFG und nach § 41 Abs 5a FLAFG hinzuweisen. Die in Betracht kommende gesetzliche Interessenvertretung der DG hat alle in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden DG, die die Branchenquote nach Abs 14 Z 2 unterschreiten, über die Erhöhung der DG-Quote zu beraten.

In Abs 16 ist festgelegt, dass der Hauptverband die Aufgaben nach den Abs 14 und 15 Z 1 und 2 im übertragenen Wirkungsbereich nach den Weisungen des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu vollziehen hat. Die Beratungen nach Abs 15 letzter Satz erfolgen im eigenen Wirkungsbereich der jeweils in Betracht kommenden Interessenvertretung der DG. Diese hat über ihre Beratungstätigkeit je Kalenderjahr bis zum 31.3. des jeweiligen Folgejahres dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu berichten. Dieser Bericht hat auch eine Analyse der Ursachen zu enthalten und ist im Internet zu veröffentlichen.

1.6.
Bewertung der Umsetzung

Die konkrete Ausformung des Bonus-/Malus-Systems ist sicher als Kompromiss zu sehen, der nicht an das im Regierungsprogramm vereinbarte Konzept heranreicht. Bedenkt man jedoch, wie groß die Skepsis der Wirtschaft gegenüber einem Malussystem auf Basis von Älterenquoten ist, kann die Umsetzung auch in der konkreten Form nur begrüßt werden. Man sollte vor allem die bewusstseinsbildenden Aspekte nicht geringschätzen. Immerhin erhalten rund 16.000 Unternehmen, die 25 und mehr AN beschäftigen, künftig jährlich ein Informationsschreiben, wie sie mit der Älterenbeschäftigung im Vergleich zur Branche und zur Gesamtquote aller Unternehmen liegen. In den rund 16.000 österreichischen Betrieben mit zumindest 25 DN waren im Juni 2015 2.490.049 DN aktiv beschäftigt. Das entspricht 74 % aller unselbstständigen Aktiv-Beschäftigten. 12,1 % der Beschäftigten in Betrieben ab 25 DN waren 55 Jahre oder älter, 2,4 % waren zumindest 60 Jahre (sowohl bei der Betriebsgröße als auch bei den Beschäftigten und den jeweiligen Anteilen sind Lehrlinge nicht eingerechnet).48

Den höchsten Anteil an älteren Beschäftigten hatten im Juni 2015 die Entsorgungsbetriebe mit 24,3 %, vor dem Erzbergbau (22,9 %) sowie der Mineralölverarbeitung (19,5 %), der Energieversorgung (19,3 %), den Exterritorialen Organisationen (18,7 %) und der öffentlichen Verwaltung (18,4 %).

Deutlich unter dem Durchschnitt lagen hingegen die beiden Schlusslichter Veterinärwesen mit 3,9 % und die Telekommunikation mit 4,0 % Anteil an Beschäftigten ab 55, gefolgt von der Luftfahrt (4,9 %) und dem Film-, Fernseh- und Musikbereich mit 5,3 % sowie der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfung mit 5,4 % (vgl Pensions- und Beschäftigungsmonitoring 2015 auf www.bmask.at).

Mit dem vorliegenden Bonus-/Malus-System ist jedenfalls eine Grundlage geschaffen, um die Älterenbeschäftigung bis auf die Betriebsebene transparent zu machen und gezielt die Verantwortung der Unternehmen einzufordern. Wie sinnvoll es ist, den Malus an die Kündigungen zu koppeln, wird sich zeigen. Hier wäre ein konsequenterer Malus, der sich am Ausmaß der Unterschreitung des Branchenschnitts orientiert, sicher zweckmäßiger gewesen.

Auch, ob der Branchenschnitt als Grenzwert für den Erhalt eines Bonus bzw die Bezahlung eines Malus ausreicht, wird zu evaluieren sein. Das demografisch bedingte Anwachsen des Anteils der 55+-Jährigen an der erwerbstätigen Bevölkerung wird noch viele Jahre andauern. Klar ist, will man die Beschäftigungsquoten der 55+-Jährigen, die im Regierungsprogramm für 2018 vereinbart sind, erreichen, müssen alle Branchendurchschnitte deutlich ansteigen. Unterm Strich wurde mit dem Bonus-/Malus-System ein wichtiger Schritt gesetzt, um das Thema Älterenbeschäftigung breit und nachhaltig im politischen Diskurs zu verankern.

2.
Arbeitsrechtliche Änderungen im Zusammenhang mit dem Rehabilitationsgeld
2.1.
Einleitung

Im Zusammenhang mit der Invaliditätspensionsreform (SRÄG 2012) und der Abschaffung des Pensionsvorschusses sind an der Schnittstelle zum Arbeitsrecht bei RehabilitationsgeldbezieherInnen Probleme im Bereich der Abfertigung, der Betriebspension, der Entgeltfortzahlung, der Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit für die konkrete Tätigkeit und des Erwerbs zeitabhängiger Rechte aufgetreten. Zum anderen haben sich im Zusammenhang mit der weitgehenden Abschaffung des Pensionsvorschusses sozialpolitisch unerwünschte Versorgungslücken gezeigt. Mit dem ARÄG 2015 und dem SRÄG 2015 wurden unter Einbeziehung der Sozialpartner die drängendsten Probleme in den genannten Bereichen beseitigt.

Zu diesem Themenkomplex finden sich Maßnahmen in verschiedenen arbeitsrechtlichen Gesetzen (§ 23a Abs 1 Z 3 und 4 Angestelltengesetz [AngG], § 22a Abs 1 Z 4 und 4 Gutsangestelltengesetz, § 16a Abs 3a Betriebspensionsgesetz [BPG] und § 15b Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz [AVRAG]).

2.2.
Änderungen durch § 15b AVRAG

Bei einer vom Versicherungsträger gem § 367 Abs 4 ASVG festgestellten Invalidität eines AN ruhen ab 1.1.2016 für die Dauer des Bezuges von Rehabilitationsgeld nach § 143a ASVG oder Umschulungsgeld nach § 39b AlVG die wechselseitigen sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Hauptleistungspflichten sowie die Verpflichtung des AG zur Fortzahlung des Entgelts, es sei denn, der AN wird iSd § 4 Abs 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes für arbeitsfähig erklärt.

Mit dieser Bestimmung wird geregelt, dass sich der AN für die Dauer des Bezuges von Rehabilitations- oder Umschulungsgeld in einer Karenz befindet. Der Fall des Bezugs von Teilrehabilitationsgeld neben einem Erwerbseinkommen nach Maßgabe des § 143a Abs 4 ASVG ist von dieser Bestimmung nicht erfasst. Für den AN ist damit klargestellt, dass durch die Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes auch für die konkrete Tätigkeit grundsätzlich keine Arbeitspflicht besteht, es sei denn, der AN wird durch den Kontrollarzt der Gebietskrankenkasse für arbeitsfähig erklärt. Damit wird Entlassungen von RehabilitationsgeldbezieherInnen mit aufrechtem Dienstverhältnis, weil sich diese nicht auch für die konkrete Tätigkeit krankschreiben ließen, der Boden entzogen.

Weiters wird nach Vorbild des § 15f Abs 1 und 2 MSchG angeordnet, dass für die Dauer dieser Karenz dienstzeitabhängige Rechte von AN nicht weiter anwachsen sowie der Urlaubsanspruch in dem Urlaubsjahr, in das die Karenz fällt, im aliquoten Ausmaß zusteht. Ebenso verkürzt sich der Anspruch auf sonstige, einmalige Bezüge iSd § 67 Abs 1 EStG 1988 nach Maßgabe des § 15f Abs 1 MSchG.

§ 15b AVRAG tritt mit 1.1.2016 in Kraft, damit können während des Rehabilitationsgeld- oder Umschulungsgeldbezuges dienstzeitabhängige Rechte ab diesen Zeitpunkt nicht mehr erworben werden.49

2.3.
Abfertigung auch bei Rehabilitationsgeld und Umschulungsgeld durch § 23a Abs 1 Z 3 und 4 AngG

Gem § 23a Abs 1 Z 2 AngG besteht Anspruch auf Abfertigung bei Kündigung seitens des AN, ua wegen Inanspruchnahme einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit, nicht jedoch ausdrücklich wegen Rehabilitationsgeldbezug bzw Umschulungsgeldbezug aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit. Die Leistungen unterscheiden sich zwar in ihrem Verwendungszweck, jedoch ist der Versicherungsfall, aus dem die Leistungen resultieren, jeweils der gleiche. Um Unsicherheiten einer gebotenen analogen Anwendung zu vermeiden, wurde nunmehr in § 23a Abs 1 Z 3 AngG ausdrücklich festgelegt, dass der Abfertigungsanspruch auch dann besteht, wenn das Arbeitsverhältnis wegen bescheidmäßiger Feststellung der Berufsunfähigkeit gem § 367 Abs 4 ASVG in der Dauer von mindestens sechs Monaten durch Kündigung seitens des/der AN endet.

Im Zusammenhang mit der weitgehenden Aufhebung des Pensionsvorschusses ergibt sich das Problem, dass AN, deren Anspruch auf Krankengeld bereits ausgeschöpft wurde, im Fall der Arbeitsunfähigkeit – bezogen auf das konkrete Arbeitsverhältnis nach bestehender Rechtslage – dieses nicht während eines Leistungsstreitverfahrens über die Berufsunfähigkeit beenden können, ohne ihren Anspruch auf Abfertigung zu verlieren. Dabei handelt es sich zwar um äußerst seltene Konstellationen, doch soll künftig durch § 23a Abs 1 Z 4 AngG auch in diesen Fällen die Möglichkeit geschaffen werden, das Arbeitsverhältnis unter Wahrung der Abfertigungsansprüche zu kündigen, insb um zwischenzeitig eine Leistung aus der AlV zu erhalten.

Dies auch vor dem Hintergrund, dass es gelegentlich Fälle mit sehr langen Krankenständen gibt, in denen die Frage der Arbeitsunfähigkeit nicht so eindeutig ist, dass der AN abfertigungserhaltend aus gesundheitlichen Gründen kündigen bzw austreten kann. Der AG wiederum kündigt nicht, weil er die Abfertigung alt nicht zahlen will. Es ist erfreulich, dass diese „Zwangslage“ nun positiv gelöst wird.

2.4.
Betriebspension auch bei Rehabilitationsgeld und Umschulungsgeld durch § 16a Abs 3a BPG

Bei befristeten Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen ist es möglich und auch üblich, zusätzlich eine Betriebspension zu beziehen. Beim Bezug von Rehabilitationsgeld und Umschulungsgeld ist dies nicht selbstverständlich der Fall. Derzeit liegt es an den jeweiligen Betriebsräten, die entsprechenden Betriebsvereinbarungen zu treffen. Da es sich beim Rehabilitations- und Umschulungsgeld hinsichtlich Versorgungsniveau und Dauer der Leistung – auch hier sind mehrere Jahre des Bezugs möglich – um mit der befristeten Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension vergleichbare Leistungen handelt, sollen durch § 16a Abs 3a BPG auch vergleichbare Leistungen im Rahmen der beruflichen Absicherung (zB unter der Bezeichnung „Betriebsrehabilitationsgeld“ bzw „Betriebsumschulungsgeld“) erfolgen. Die Neuregelung gilt ab dem Inkrafttreten selbstverständlich auch für zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende Arbeitsverhältnisse.

Diese generelle Angleichung des Rehabilitationsund Umschulungsgeldes an die Versorgung bei befristeten Pensionen im BPG ist fair und gerecht. Denn die Beiträge in die betrieblichen Vorsorgekassen werden ja auch für das Risiko der geminderten Arbeitsfähigkeit entrichtet. Und dieser der Leistung zugrunde liegende Versicherungsfall ist bei Rehabilitations- und UmschulungsgeldbezieherInnen ident mit dem einer befristeten Pension. Das Leistungsziel ist freilich ein anderes, nämlich durch die Bezeichnung der Leistung als Rehabilitationsgeld und durch ein Casemanagement die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt in den Vordergrund zu rücken. Dieses Ziel soll auch durch die dafür vorgesehene betriebliche Leistung unterstützt werden. Dabei ist zu bedenken, dass die Reformen der letzten Jahre im Bereich der Invaliditätspensionen (Wartezeit für Berufsschutz, längere Sperrfristen, Anhebung des Alters für den Tätigkeitsschutz, Abschaffung des Pensionsvorschusses, Einrichtung des Begutachtungszentrums) zu einem beträchtlichen Rückgang der Zugangszahlen geführt haben (von 28.000 im Jahr 2010 auf 20.000 im Jahr 2014). Damit einhergehend muss sich auch die Anzahl der betrieblichen Vorsorgen reduziert haben.

3.
Wichtige Maßnahmen im SRÄG 2015
3.1.
Einführung eines Sonderkrankengeldes in § 139 Abs 2a ASVG

Durch die Änderungen beim Pensionsvorschuss im Rahmen des 2. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl I 2012/35, kann für Personen, die sich trotz langen Krankenstandes noch in einem aufrechten Dienstverhältnis befinden, eine Versorgungslücke entstehen. Dies ist dann der Fall, wenn diese Personen einen ablehnenden Bescheid des Pensionsversicherungsträgers über eine beantragte Invaliditätspension erhalten haben, da das Kompetenzzentrum Begutachtung die Arbeitsfähigkeit festgestellt hat, und sie diesen vor dem Arbeitsund Sozialgericht bekämpfen. Auf Grund des lan-50gen Krankenstandes besteht für diese Personen wegen Ablaufs der Höchstdauer kein Anspruch auf Krankengeld mehr, auf Grund des aufrechten Dienstverhältnisses haben sie jedoch auch keinen Anspruch auf Leistungen aus der AlV, da der Pensionsvorschuss nur mehr bis zur Entscheidung des Pensionsversicherungsträgers gewährt wird.

Für die Zeit des laufenden Pensionsverfahrens, in der das Dienstverhältnis weiterhin aufrecht bleibt, haben diese Personen keinerlei Einkommen. Diese Versorgungslücke soll durch die gegenständliche Regelung, mit der diesen Personen bis zum Abschluss des Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten weiterhin ein Krankengeld gewährt wird, beseitigt werden. In Fällen, in denen die Pension rückwirkend zuerkannt wird, ist den Krankenversicherungsträgern das für diesen Zeitraum bereits ausgezahlte Krankengeld von den Pensionsversicherungsträgern zu refundieren.

Mit dieser Bestimmung wird eine Versorgungslücke geschlossen, die zwar sehr selten vorkommt, aber in den auftretenden Einzelfällen zu sozialpolitisch ungewollten Ergebnissen führt. Die DN sind in dieser Konstellation gezwungen, ihr Dienstverhältnis, in das sie grundsätzlich nach der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit wieder zurückehren wollen, zu kündigen, um während des Gerichtsverfahrens über den Anspruch auf eine Leistung bei Invalidität, eine Leistung aus der AlV beziehen zu können. Mit dem Sonderkrankengeld in § 139 Abs 2a ASVG wurde nun die Möglichkeit für eine Rückkehr in den Betrieb geschaffen. Diese Bestimmung ist ergänzend zu den Regelungen über den Abfertigungsanspruch in § 23a Abs 1 Z 3 und 4 zu verstehen. Gewährleisten die Abfertigungsregeln in jenen Fällen, in denen mit einer Wiederaufnahme der Tätigkeit bzw eine Rückkehr in den Betrieb nicht mehr zu rechnen ist, die Auflösung des Dienstverhältnisses, so ermöglicht das Sonderkrankengeld gerade die Aufrechterhaltung desselben.

Bei der Beurteilung der Bedeutung dieser Regelungen ist zu beachten, dass lediglich 2,2 % der rund 19.000 RehabilitationsgeldbezieherInnen (Stand 2015) ein aufrechtes Dienstverhältnis haben. Die vorgenommenen Änderungen ermöglichen sozialpolitisch sinnvoll die Auflösung bzw die Aufrechterhaltung von Dienstverhältnissen bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit bzw während eines Verfahrens darüber in Einzelfällen. Das Grundproblem der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt liegt systemisch betrachtet in der Tatsache, dass gemindert arbeitsfähige Personen typischerweise lange Zeit vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ihren Job verlieren, üblicherweise während des ersten längeren Krankenstandes.

Weiters wurde in § 139 Abs 2b ein Sonderkrankengeld nach Aussteuerung für einen notwendigen Krankenhausaufenthalt als Satzungsermächtigung aufgenommen. Durch die Satzung kann Personen, bei denen die Höchstdauer ihres Krankengeldanspruches abgelaufen und noch kein neuer Krankengeldanspruch entstanden ist, für die Dauer notwendiger, unaufschiebbarer stationärer Aufenthalte (Krankenhaus- sowie Rehabilitationsaufenthalte im Anschlussheilverfahren) ein Krankengeld in der zuletzt bezogenen Höhe gewährt werden. Der Regelungsbedarf ergibt sich aus dem Umstand, dass arbeitslose Personen, die aus dem Krankengeldbezug ausgesteuert sind, bis zum Erwerb eines neuen Anspruches auf Krankengeld, was bei derselben Krankheit 13 Wochen dauert, keinen Leistungsanspruch für die Dauer eines Krankenhausaufenthaltes haben, weil Leistungen des AlVG während eines solchen Aufenthaltes gem § 16 Abs 1 lit c AlVG ruhen. Auch diese Konstellation steht im Zusammenhang mit der Abschaffung des Pensionsvorschusses, auch sie kommt zwar sehr selten vor, bedurfte aber trotzdem einer Lösung. Insgesamt ist im Zusammenhang mit der Abschaffung des Pensionsvorschusses auch der Neuerwerb eines Anspruches auf Krankengeld im Fall der Aussteuerung zu überdenken.

3.2.
Klarstellung, dass Teilpflichtversicherungszeiten als Wartezeit für die ewige Anwartschaft gelten

Im Zuge der Schaffung des Pensionskontos im Jahr 2005 durch das Pensionsharmonisierungsgesetz wurden die bisherigen Ersatzzeiten (für Zeiten der Kindererziehung, des Präsenz- oder Zivildienstes, des Kranken-, Wochengeld- oder Übergangsgeldbezuges oder des Bezugs einer Leistung aus der AlV) durch neue Teilpflichtversicherungen ersetzt, da es in einem Pensionskonto keine Ersatzzeiten geben kann. Jeder „verbuchten“ Beitragsgrundlage muss ja ein zugehöriger Beitrag entsprechen. Die Beitragslast für die neuen Teilpflichtversicherungen wird von verschiedenen Stellen (sogenannte Beitragsgaranten, zB AMS, FLAF, Bund etc) getragen. Sie gelten nur für Personen, für die ein Pensionskonto einzurichten ist (also die ab dem 1.1.1955 Geborenen, vgl § 1 Abs 3 APG), für alle anderen (das sind die vor dem 1.1.1955 Geborenen) sind weiterhin die bisherigen Ersatzzeitenregelungen anzuwenden.

Die Teilpflichtversicherungszeiten wurden nach der Judikatur des OGH nicht als „Beitragsmonate“ für die Erfüllung der sogenannten ewigen Anwartschaft nach § 236 Abs 4 ASVG bzw der besonderen Voraussetzungen für die „originäre“ Invalidität nach § 255 Abs 7 ASVG akzeptiert:

Aus primär gleichheitsrechtlichen Erwägungen hat der OGH die Auffassung vertreten, dass diese51 Teilpflichtversicherungszeiten nicht als Beitragszeiten für die Erfüllung der Wartezeit nach § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG zu betrachten sind, weil „andernfalls … ein sachlich nicht rechtfertigbarer Unterschied zu jenen (vor dem 1. Jänner 1955 geborenen) Versicherten, für die weiterhin die Ersatzzeitenregelung des § 227 ASVG Anwendung findet“, bestünde (vgl OGH 12.9.2013, 10 ObS 109/13x).

Nunmehr soll durch die Aufnahme dieser neuen Teilpflichtversicherungszeiten in den Katalog der Beitragszeiten nach dem ASVG, GSVG und BSVG klargestellt werden, dass diese als Beitragszeiten iS dieser Gesetze gelten und daher auch bei der „ewigen Anwartschaft“ nach § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG zu berücksichtigen sind. Damit können auch zahlreiche Folgeprobleme vermieden werden (vgl Panhölzl, Umwandlung der ehemaligen Ersatzzeiten in [Teil-]Pflichtversicherungszeiten, DRdA 2015, 147 ff).

In einem wird klargestellt, dass die als Beitragszeiten zu qualifizierenden Teilpflichtversicherungszeiten nicht für die Erfüllung der Voraussetzungen für die sogenannte originäre Invalidität nach § 255 Abs 7 ASVG (Erwerb von 120 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung) heranzuziehen sind, da es hiefür solcher Beitragsmonate bedarf, die auf Grund einer Erwerbstätigkeit erworben wurden. Dies entspricht nicht nur der Intention dieser Regelung bei ihrer Einführung (vgl die ErläutRV des 2. SVÄG 2003, 310 BlgNR 22. GP 17/18), sondern auch der einschlägigen Judikatur des OGH (vgl 19.10.2010, 10 ObS 145/10m und 30.9.2014, 10 ObS 85/14v).

Der Umstand, dass die Verbesserung bei der „ewigen Anwartschaft“ nur jüngeren Versicherten, für die bereits das Pensionskontorecht gilt, zugutekommt, erscheint im Hinblick auf die Neuordnung der Versicherungszeiten in Anpassung an das Pensionskonto nicht bedenklich. Dieser Verbesserung stehen viele Regelungen gegenüber, die für Personen, die vor dem Jahr 1955 geboren wurden, nicht zur Anwendung kommen, was ihnen zum Vorteil gereicht.

3.3.
Bemessung des Rehabilitationsgeldes NICHT von einer geringfügigen Beschäftigung

Von der geltenden Formulierung „aus der letzten eine Versicherung nach diesem Bundesgesetz oder dem B-KUVG begründende Erwerbstätigkeit“ sind auch Personen umfasst, die bei ihrer letzten Erwerbstätigkeit lediglich in der UV versichert waren. Dies hat zur Folge, dass zur Berechnung des Rehabilitationsgeldes auch eine geringfügige Beschäftigung herangezogen werden kann und nicht auf die letzte krankenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit abgestellt wird.

Durch die gegenständliche Änderung soll klargestellt werden, dass immer jene letzte Erwerbstätigkeit zur Berechnung des Rehabilitationsgeldes herangezogen werden soll, die eine Pflichtversicherung in der KV begründet hat, wodurch den betroffenen Personen in der Regel ein höheres Rehabilitationsgeld zusteht.

Durch die Übergangsbestimmung des § 695 Abs 3 ASVG wird sichergestellt, dass Fälle, bei denen das Rehabilitationsgeld ausschließlich auf Grund einer geringfügigen Erwerbstätigkeit berechnet wurde, neu aufgerollt und neu berechnet werden, sofern das Rehabilitationsgeld auf Grund der ab 1.1.2016 geltenden Rechtslage höher wäre. Dies kann nur der Fall sein, wenn vor der geringfügigen Beschäftigung eine die Pflichtversicherung in der KV begründende Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde. Personen, die ausschließlich Beschäftigungen unter der Geringfügigkeitsgrenze ausgeübt haben, erhalten unverändert das ihnen zuerkannte Rehabilitationsgeld.

3.4.
Vorziehen der Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze

Im Meldepflicht-Änderungsgesetz, BGBl I 2015/79, wurde die Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze mit 1.1.2017 normiert. Nunmehr soll als Ergebnis des Arbeitsmarktgipfels der Bundesregierung vom 30.10.2015 die Möglichkeit geschaffen werden, das Inkrafttreten der Aufhebung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze entsprechend den technischen Vollziehungsvoraussetzungen durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vorzuverlegen.

Zu diesem Zweck hat der Hauptverband den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz bis längstens 29.2.2016 darüber zu informieren, wann die technischen Mittel für die Umsetzung dieser Aufhebung voraussichtlich zur Verfügung stehen werden. Über das tatsächliche Zur-Verfügung-Stehen dieser technischen Mittel hat der Hauptverband den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz schriftlich zu informieren. Dieser hat sodann die Inkraftsetzungsverordnung unverzüglich zu erlassen.

3.5.
RechtsanwältInnen (§ 7 Abs 1 lit e) und NotärztInnen

Durch § 7 Abs 1 lit e ASVG werden die GesellschafterInnen-GeschäftsführerInnen einer Rechtsanwalts-GmbH von der Teilversicherung in der KV und UV ausgenommen. Diese Gesetzesänderung geht auf eine Anregung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages zurück und beruht auf der Überlegung, dass GeschäftsführerInnen einer Rechtsanwalts-GmbH auf Grund der berufs-52rechtlichen Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung (RAO) nicht im arbeitsrechtlichen Sinne „angestellt“ sind und damit auch nicht von der Teilpflichtversicherung in der KV und UV nach § 7 Z 1 lit e ASVG erfasst sein sollen.

Die Überlegungen der Rechtsanwaltskammer, die eine Ausnahme von GesellschafterInnen-GeschäftsführerInnen einer Rechtsanwalts-GmbH von der Teilversicherung in der KV und UV im ASVG begründen sollen, fehlt eine sachliche Grundlage. Entscheidend in der Frage, ob jemand unselbstständig (überwiegend in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit) oder selbstständig erwerbstätig ist und damit im ASVG oder in einer Sonderversicherung versichert ist, ist der „wahre wirtschaftliche Gehalt“ der Erwerbstätigkeit. Eine diese Systematik durchbrechende Ausnahmebestimmung ist daher aus rechtspolitischen Gründen abzulehnen.

Grundsätzlich ist jede Unterminierung des Typenzwanges im Versicherungsrecht der SV, der nach § 539a ASVG auf den „wahren wirtschaftlichen Gehalt“ einer Erwerbstätigkeit abstellt, abzulehnen. Diese Feststellung ist deshalb notwendig, weil das SRÄG 2015 zwei Eingriffe in diese aus ordnungspolitischen Gründen vorgegebene Systematik (NotärztInnen und GesellschafterInnen-GeschäftsführerInnen einer Rechtsanwalts-GmbH) enthält. Auch die SexdienstleisterInnen sollten gemäß dem Entwurf grundsätzlich ins GSVG übertragen werden, davon hat man jedoch letztlich aufgrund der Einwendungen im Begutachtungsverfahren Abstand genommen.

Tätigkeiten, die im Rahmen freier Dienstverträge geleistet werden, fallen in die Pflichtversicherung nach dem ASVG. Nach dem SRÄG 2015 werden NotärztInnen in den § 2 Abs 2 Sozialversicherungsgesetz der freiberuflich selbstständig Erwerbstätigen (FSVG) aufgenommen, was gem § 4 Abs 4 lit b ASVG eine Pflichtversicherung nach dem ASVG ausschließt. Auch diese Maßnahme ist ein unsachlicher Eingriff in die für die Versicherungszugehörigkeit geltenden Grundsätze.

Da fast alle Personen im notärztlichen Dienst schon durch ihre Stammtätigkeit ein Entgelt über der Höchstbeitragsgrundlage erzielen, kommt es durch die Neuregelung insb dazu, dass keine DG-Beiträge mehr für die Tätigkeit von NotärztInnen zu entrichten sind. Der Entfall dieser Beitragszahlungen mag die Rettungsorganisationen entlasten, führt jedoch zu einem Beitragsausfall in der SV und zu einer unsystematischen Zuordnung einer Berufsgruppe. Derartige Finanzierungsprobleme unentbehrlicher Organisationen sollten nicht über die Ausdünnung der SV und unsachliche Zuordnungen gelöst werden, sondern durch Wahrnehmung der Finanzierungsverantwortung. Dh, wenn Rettungsorganisationen sich die Pensionsbeiträge für NotärztInnen nicht leisten können, sollte man sich eine Finanzierung dafür aus Landes- oder Bundesmittel überlegen.

4.
Zusammenfassung

Die Bundesregierung und die Sozialpartner haben sich auch in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 im Sozialbereich als konsens- und reformfähig erwiesen und insb mit dem Bonus-/Malus-System einen sozialpolitischen Meilenstein gesetzt. Bedauerlich ist, dass die beachtlichen Weiterentwicklungen, die im Jahr 2015 im Sozialbereich gelungen sind, nicht als gemeinsamer Erfolg in die Öffentlichkeit getragen werden, sondern im Streit über alles mögliche untergehen.53