6

Einschränkung des Entlassungsrechts des Arbeitgebers durch einzelvertragliche Bindung an Entscheidung durch Disziplinarkommission zulässig und wirksam

MARTINACHLESTIL

Ein Versicherungsunternehmen entließ einen Außendienstmitarbeiter. Bestandteil dessen Arbeitsvertrages ist (als Vertragsschablone) ein „Rahmenvertrag für Bezirks- und Reisevertreter“ der Rechtsvorgängerin der AG. Nach den Vorgaben dieses Rahmenvertrags ist der AN definitiv gestellt.

Hinsichtlich der Auflösung eines (wie hier) unkündbar gestellten Arbeitsverhältnisses verweist der Rahmenvertrag auf die Disziplinarordnung der Rechtsvorgängerin. Danach kann eine Entlassung ohne vorangegangenes Disziplinarverfahren nur im Fall einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung wegen bestimmter Delikte erfolgen. Der AN klagte auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses; die Revision der bekl AG gegen die klagsstattgebende E des Berufungsgerichts wies der OGH zurück.

Durch den Verweis im Rahmenvertrag sind die ent-sprechenden Bestimmungen der Disziplinarordnung Inhalt des Rahmenvertrags geworden. Die bekl AG ist der Ansicht, dass die Disziplinarordnung „von Haus aus“ nicht anzuwenden sei, weil sie nicht in Form einer BV abgeschlossen worden sei.

Dass die Disziplinarordnung in ihrer Gesamtheit unwirksam ist, weil sie nicht als BV oder KollV abgeschlossen wurde, entspricht nicht der Rsp (vgl OGH 27.2.2012, 9 ObA 153/11g). Zwar können Kündigungen und Entlassungen nicht als Disziplinarmaßnahmen iSd § 102 ArbVG angesehen werden und daher 11nicht Gegenstand einer BV nach § 96 Abs 1 Z 1 ArbVG sein (Teilunwirksamkeit einer Disziplinarordnung); es ist aber zulässig, dass sich beide Teile des Arbeitsvertrags hinsichtlich der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses mit der Vereinbarung eines bestimmten Verfahrens der E eines dafür verantwortlichen Dritten, zB einer Disziplinarkommission, unterwerfen. Eine solche Selbstbindung der AG kann auch einzelvertraglich zulässig und wirksam vereinbart werden. Im vorliegenden Fall besteht also eine einzelvertragliche „Restgültigkeit“ eines von der bekl AG zu berücksichtigenden Verfahrens, mit dem die Auflösbarkeit des Arbeitsverhältnisses durch die AG beschränkt wird.