Ausbildungsverhältnisse im Sozialversicherungsrecht

ANGELAJULCHER (WIEN)

Ausbildungsverhältnisse, die mit einer praktischen Tätigkeit in einem Betrieb einhergehen, sind – beginnend bei den „klassischen“ Lehrverhältnissen über verschiedene Formen von (Pflicht-)Praktika und Volontariaten bis hin zu Fortbildungen und Umschulungen im Lauf des Berufslebens – ein häufiges Phänomen. Die sozialversicherungsrechtliche Behandlung dieser Ausbildungsverhältnisse – also im Wesentlichen die Frage des Unfall- und Krankenversicherungsschutzes sowie des Erwerbs von Pensionsversicherungszeiten – folgt nicht einheitlichen Kriterien, sondern unterliegt eher kasuistischen Regeln, die zum Teil erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten aufwerfen. Mit dem vorliegenden Beitrag* sollen die Rechtslage und die dazu ergangene Rsp des VwGH systematisch dargestellt werden, wobei auch Inkonsistenzen und besondere Problemfelder aufzuzeigen sein werden.

1.
Einleitung

Beim Thema „Ausbildungsverhältnisse im Sozialversicherungsrecht“ erschließt sich selbst für am Sozialversicherungsrecht Interessierte nicht unbedingt sofort, dass es spannend und im höchsten Maße praxisrelevant ist. Ich möchte daher mit drei Beispielen aus der Rsp des VwGH beginnen,* die zeigen, welche Bedeutung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von Ausbildungsverhältnissen zukommen kann:

  • Ein Mann absolviert in einer privaten Schulungseinrichtung eine Ausbildung zum „Biotrainer“, dh insb zum gewerblichen Masseur sowie zum medizinischen Masseur und Heilmasseur (mit bestimmten Zusatzqualifikationen). Diese Ausbildung dauert insgesamt 17 bis 18 Monate und beinhaltet auch Praxiszeiten von insgesamt 875 Stunden. Am Ende des ersten Praxistages verunglückt der angehende Biotrainer auf dem Heimweg schwer und ist in der Folge dauernd berufsunfähig (in der Pflegestufe 7). Er beansprucht nun Leistungen aus der UV. Ist er aber während seiner praktischen Ausbildung überhaupt der Pflichtversicherung in der UV unterlegen?

  • Acht ungarische Arbeiter werden in Österreich über mehrere Wochen bei Fassadenarbeiten am Ringturm tätig. Die Gebietskrankenkasse (GKK) stellt die Pflichtversicherung als DN in der KV, UV und PV nach dem ASVG fest, was aber mit der Behauptung bekämpft wird, dass es sich bloß um Volontäre handle, die verschiedene Betoninstandsetzungsarbeiten erlernen sollen. Es gibt sogar 159einen eigenen Ausbildungsplan für die Volontäre aus Ungarn, in dem vermerkt ist, was sie alles zu lernen und zu üben haben: Abstrahlen, Eisen freilegen, Sandstrahlen und Wasserstrahlen, Reprofilieren, Spachteln, Beschichten – maW alle Schritte einer Fassadensanierung. Unterliegen diese Personen wirklich nicht der von der GKK festgestellten Pflichtversicherung?

  • Ein Mann wurde Mitte der Sechziger Jahre als Jugendlicher nach Begehung einer Straftat in eine Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige eingewiesen. Er absolvierte dort in der anstaltseigenen Werkstätte eine Ausbildung in einem Lehrberuf. Im Jahr 2012 beantragt er eine Alterspension, und es stellt sich heraus, dass er nur dann die erforderlichen Beitragszeiten aufweist, wenn auch die Ausbildungszeit in der Anstalt dazuzählt. Hat aber diese Ausbildung die Pflichtversicherung in der PV begründet?

Anhand dieser Beispiele zeigt sich schon, dass uns praktische Ausbildungsverhältnisse in vielfältigen Formen begegnen. Das klassische Ausbildungsverhältnis ist das Lehrverhältnis, darüber hinaus gibt es verschiedene Arten von Praktika und Volontariaten: So zB die Praktika, die im Lehrplan berufsbildender Schulen – wie etwa der Hotelfachschulen – vorgesehen sind, den praktischen Teil der Ausbildung zB von Ärztinnen oder Psychotherapeuten* sowie verschiedene Betriebspraktika und Volontariate mit oder ohne Bezahlung, oft in der Hoffnung, im Anschluss in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis übernommen zu werden. Dazu kommen noch Ausbildungsverhältnisse mitten im Berufsleben, insb dann, wenn die Berufslaufbahn aus irgendeinem Grund ins Stocken gerät – man denke etwa an Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation oder die Umschlungen von Arbeitslosen.

Ungeachtet dieser großen praktischen Bedeutung von Ausbildungsverhältnissen ist ihre sozialversicherungsrechtliche Behandlung nicht ganz befriedigend gelöst. Die entscheidende Frage, ob und inwieweit Personen, die in einem Ausbildungsverhältnis stehen, der Pflichtversicherung unterliegen, lässt sich nämlich nicht etwa einheitlich für alle Ausbildungsverhältnisse und auch nicht durchwegs nach allgemeinen Kriterien beantworten; sie unterliegt vielmehr einer eher kasuistischen gesetzlichen Regelung und wirft zum Teil erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten auf. Die AlV muss ich in diesem Beitrag überhaupt ausklammern, weil sie nicht in allen Fällen parallel zur Vollversicherung nach dem ASVG besteht* und eine gesonderte Darstellung den hier zur Verfügung stehenden Rahmen sprengen würde.

2.
Allgemeines zur Pflichtversicherung auf Grund von Ausbildungsverhältnissen

Auszugehen ist vom Grundsatz, dass die SV nach dem ASVG die SV der DN ist. Das wird in § 1 ASVG programmatisch zum Ausdruck gebracht, wenn es heißt: „Dieses Bundesgesetz regelt die Allgemeine Sozialversicherung im Inland beschäftigter Personen einschließlich der den Dienstnehmern nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes gleichgestellten selbständig Erwerbstätigen und die KV der Pensionisten aus der Allgemeinen Sozialversicherung.“ Dementsprechend bestimmt § 4 Abs 1 Z 1 ASVG, dass „die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer“ in der KV, UV und PV (pflicht)versichert – also vollversichert – sind.

Das ASVG hat aber seit jeher auch Personen in vergleichbarer sozialer Situation erfasst. Das hat von Anfang an zur Einbeziehung bestimmter Ausbildungsverhältnisse geführt, etwa der postgraduellen Ausbildungsverhältnisse und der Ausbildungsverhältnisse im Gesundheitsbereich, auf die ich später noch näher eingehen werde. Dahinter steht wohl die Annahme, dass praktische Ausbildungsverhältnisse, bei denen Personen in einem Betrieb tätig werden, ohnedies Sonderformen von Dienstverhältnissen sind. Sie können sogar alle wesentlichen Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweisen: Dann sind sie auch sozialversicherungsrechtlich als Dienstverhältnisse zu behandeln und begründen die Pflichtversicherung gem § 4 Abs 1 Z 1 ASVG.

Die Frage, ob ein Dienstverhältnis vorliegt, ist im Allgemeinen auch die erste, die bei der Prüfung der Pflichtversicherung in Bezug auf ein Ausbildungsverhältnis zu stellen ist. Ist sie zu verneinen, so ist in weiterer Folge zu prüfen, ob die Pflichtversicherung auf Grund eines Spezialtatbestandes für das betreffende Ausbildungsverhältnis eintritt. Wenn kein solcher Spezialtatbestand erfüllt ist, bleibt zu beurteilen, inwieweit die betreffende Praktikantin bzw Volontärin dennoch der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterliegt. Der Aufbau des vorliegenden Beitrags orientiert sich an diesem Fallprüfungsschema: Ich werde also zuerst auf die Abgrenzung zwischen bloßen Ausbildungsverhältnissen und Dienstverhältnissen eingehen, danach werde ich die wichtigsten der speziell für bestimmte Ausbildungsverhältnisse geltenden Pflichtversicherungstatbestände behandeln, und schließlich werde ich mich mit der sozialversicherungsrechtlichen Stellung von Praktikanten und Volontären befassen, die weder DN sind noch unter einen der Spezialtatbestände fallen.

3.
Abgrenzung Dienstverhältnisse – Praktika/Volontariate
3.1.
Abgrenzung nach dem ASVG
3.3.1.
Allgemeines

Gem § 4 Abs 2 ASVG ist DN, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängig-160keit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Der VwGH hat in seiner Rsp zur Abgrenzung zwischen Dienst- und bloßen Ausbildungsverhältnissen betont, dass auch dabei – wie sonst bei der Beurteilung der DN-Eigenschaft – in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob nach dem Gesamtbild der konkreten tatsächlichen (und nicht bloß vereinbarten) Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit der Beschäftigten in zeitlicher, örtlicher und vor allem in inhaltlicher Hinsicht weitgehend ausgeschaltet oder – wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung – nur beschränkt ist. Dh, dass man ein Dienstverhältnis nicht schon deswegen verneinen kann, weil etwa das Motiv der Beschäftigung (zB eines Hotelfachschülers in einem Tourismusbetrieb) die Absolvierung eines Pflichtpraktikums ist.

3.3.2.
Zu den Praktika

In einem Leiterkenntnis aus dem Jahr 1990* wurden maßgebliche Kriterien für die Abgrenzung zwischen Dienstverhältnissen und Praktika genannt: Ausschlaggebend ist demnach, dass die konkrete Beschäftigung nach ihrer tatsächlichen Gestaltung in erster Linie vom Ausbildungszweck geprägt und nicht primär an betrieblichen Zwecken und Erfordernissen orientiert ist. Auch im Fall einer maßgeblichen Prägung durch den Ausbildungszweck werden sich die Beschäftigten in ihrer Tätigkeit zwar schon aus Gründen der Betriebssicherheit, der notwendigen Anpassung an das Betriebsgeschehen oder aus ähnlichen Sachgründen idR auch an Arbeitsabläufe sowie an die Arbeitszeiten und die Arbeitsorte der Belegschaft halten und diesen Umständen entsprechende Weisungen befolgen müssen; sie werden auch, schon um ihr Ausbildungsziel zu erreichen, unter Umständen während der gesamten betrieblichen Arbeitszeit tätig sein und sich aus diesen Gründen auch allfälligen Anordnungen betreffend das Arbeitsverfahren und das arbeitsbezogene Verhalten fügen müssen; es wird daher insofern auch eine Bindung an Ordnungsvorschriften hinsichtlich Arbeitsort, Arbeitszeit, Arbeitsverfahren und arbeitsbezogenes Verhalten bestehen; im Unterschied zu den sonstigen Beschäftigten des Betriebes wird aber im Fall einer primär vom Ausbildungszweck geprägten Beschäftigung von „Ferialpraktikanten“ deren Bestimmungsfreiheit gegenüber der Betriebsinhaberin nicht weitgehend ausgeschaltet sein, es wird die Betriebsinhaberin daher über ihre Arbeitskraft nicht so wie über jene der sonstigen Beschäftigten zur Erreichung der Betriebszwecke verfügen können. Als Kriterien für das Überwiegen des Ausbildungszweckes im dargelegten Sinn kommen insb in Betracht:

  • dass der Beschäftigte Arbeiten, die nicht dem Ausbildungszweck dienen (wie zB gänzlich ausbildungsfremde oder – wenn auch dem Ausbildungszweck dienende – reine Hilfsarbeiten einfacher Art), nur in einem zeitlich vernachlässigbaren Ausmaß verrichtet;

  • dass die von ihm verrichteten Tätigkeiten ihrer Art nach wechseln und sich auf mehrere Betriebsbereiche erstrecken, und zwar tunlichst nach Wahl des Auszubildenden und nicht nach Maßgabe der am jeweiligen Arbeitsanfall orientierten Betriebserfordernisse;

  • dass der Beschäftigte häufig auch die Arbeitsabläufe insoweit mitbestimmen kann, als er sich je nach seinem Interesse oder den Ausbildungsanforderungen bei einzelnen Tätigkeiten länger, als dies unter dem Gesichtspunkt der Betriebserfordernisse nötig wäre, aufhalten darf;

  • dass er über größere Freiheiten bei der zeitlichen Gestaltung seiner Anwesenheit im Betrieb verfügt.*

Gegen die Annahme eines vorrangig vom Ausbildungszweck geprägten Beschäftigungsverhältnisses wird es hingegen insb sprechen, wenn die Beschäftigte auf Anordnung des Betriebsinhabers zu Überstundenleistungen herangezogen wird.

Der VwGH hat aber auch eingeräumt, dass die Abgrenzung im Einzelfall dann schwierig sein kann, wenn sich die zu beurteilende Beschäftigung ihrem äußeren Erscheinungsbild nach nicht von den Beschäftigungen der nicht zu Ausbildungszwecken im Betrieb tätigen Personen unterscheidet. In solchen Fällen ist im Zweifel ein Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG anzunehmen. Wenn Motiv für die Aufnahme der Ferialpraktikantinnen auch die Urlaubsvertretung von fixem Personal war, so spricht auch dies gegen Freiheiten bei der zeitlichen und inhaltlichen Gestaltung der Tätigkeit und somit für ein Dienstverhältnis.*

3.3.3.
Zu den Volontariaten

Von Praktika werden noch Volontariate unterschieden: Im Unterschied zu Praktika erfolgen sie nicht innerhalb eines geregelten Ausbildungsverhältnisses. Wie bei Praktika muss es sich um Beschäftigungen handeln, die nicht in erster Linie Betriebsinteressen dienen, sondern im Wesentlichen Zwecken der Ausbildung der Beschäftigten. Darüber hinaus hat der VwGH folgende Merkmale herausgearbeitet:

  • Fehlen der Arbeitspflicht;

  • Ungebundenheit auch des Betriebsinhabers;

  • Unentgeltlichkeit, wobei aber die Gewährung einer freiwilligen Gratifikation oder freien Station nicht schadet;

  • die Initiative zur Beschäftigung geht idR vom Volontär aus;

  • (ausschließlicher) Lernzweck: Volontär ist, wer in einem Betrieb mit Erlaubnis des Betriebsinhabers die dort bestehenden maschinellen oder sonstigen Einrichtungen kennen lernen will und sich gewisse praktische Kenntnisse 161und Fertigkeiten durch Handanlegen aneignen darf.*

Dass der VwGH für Praktika und Volontariate jeweils eigene Kriterien entwickelt hat, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass für die Abgrenzung von Dienstverhältnissen dieselbe Frage entscheidend ist: ob nämlich der Ausbildungszweck im Vordergrund steht, woraus eine weitgehende Ungebundenheit der auszubildenden Person gegenüber dem Betriebsinhaber folgt, oder ob es primär um die Verfolgung von Betriebsinteressen geht, woraus eine die DN-Eigenschaft begründende Gebundenheit der auszubildenden Person resultiert.

Anhand der demnach anzulegenden Maßstäbe konnte etwa bei den ungarischen Fassadenarbeitern aus dem zweiten Eingangsbeispiel kein Volontariat angenommen werden: Eine maßgebliche Prägung durch den Ausbildungszweck wurde deswegen verneint, weil die Beschäftigten eine fixe Arbeitszeit hatten (montags bis freitags von 7 oder 8 Uhr in der Früh bis 16:30 Uhr nachmittags), kontinuierlich arbeiten mussten und vorgeschriebene Leistungszeiten einzuhalten hatten; es lagen daher Dienstverhältnisse iSd § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG vor (und zwar im konkreten Fall auf Grund einer Überlassung nach dem AÜG).

3.2.
Abgrenzung nach dem ASVG iVm dem EStG

Seit dem ASRÄG 1997* ist gem § 4 Abs 2 letzter Satz ASVG die DN-Eigenschaft jedenfalls auch dann zu bejahen, wenn gem § 47 Abs 1 iVm Abs 2 EStG 1988 Lohnsteuerpflicht besteht. Ein lohnsteuerpflichtiges Dienstverhältnis liegt gem § 47 Abs 2 EStG 1988 vor, wenn der AN dem AG seine Arbeitskraft schuldet; dies ist – so der Wortlaut des § 47 Abs 2 EStG 1988 weiter – der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des AG steht oder im geschäftlichen Organismus des AG dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Auch diese Definition setzt also jedenfalls eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung voraus: Bei Leistungen, die gegenüber dem Betriebsinhaber freiwillig erbracht werden, kann daher weder im sozialversicherungsrechtlichen noch im steuerrechtlichen Sinn ein Dienstverhältnis vorliegen.* Das Abstellen auf die „Leitungsbefugnisse“ des AG bzw die Weisungsunterworfenheit des DN in § 47 Abs 2 EStG 1988 läuft letztlich ebenfalls ganz ähnlich wie bei der Beurteilung nach § 4 Abs 2 ASVG auf das Kriterium der persönlichen Abhängigkeit hinaus, also eine Form der Gebundenheit, die durch weitgehende Unterordnung gekennzeichnet ist und zu einer weitreichenden Ausschaltung der eigenen Bestimmungsfreiheit führt.* Man kann also auch aus steuerrechtlicher Sicht nicht etwa folgern, dass Praktika – im Unterschied zu Volontariaten – wegen der Leitungsbefugnisse der Betriebsinhaberin bzw wegen der fachlichen „Anleitung“ jedenfalls als Dienstverhältnisse anzusehen sind; vielmehr ist auch hier in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Bestimmungsfreiheit des Praktikanten auf Grund der konkreten Gestaltung der Beschäftigung weitreichend oder eben nur in einem geringeren Ausmaß ausgeschaltet ist.* Allerdings ist in der steuerrechtlichen im Vergleich zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung in der Praxis mitunter eine stärkere Tendenz zugunsten der Annahme von Dienstverhältnissen zu beobachten.* Wird die Lohnsteuerpflicht mit Bescheid oder mit Erk des Bundesfinanzgerichtes – als Hauptfrage – rechtskräftig bejaht, ist das auch für die Sozialversicherungsträger und das Bundesverwaltungsgericht bindend;* die bloße Abfuhr bzw Einhebung von Lohnsteuer reicht für eine solche Bindungswirkung jedoch nicht aus – in diesen Fällen haben die Sozialversicherungsträger und das Bundesverwaltungsgericht eigenständig zu beurteilen, ob die DN-Eigenschaft nach dem ASVG zu bejahen ist.*

3.3.
Bedeutung von Taschengeld?

Nicht entscheidend ist, ob für die Tätigkeit ein Taschengeld bezogen wird.* Ist iZm einem Beschäftigungsverhältnis von Taschengeld die Rede, so wird damit im Allgemeinen zum Ausdruck gebracht, dass entweder dieses „Entgelt“ den Marktwert der (aus welchem Motiv immer) erbrachten Arbeitsleistung unterschreitet oder dass die erbrachte Arbeitsleistung nicht den üblichen Marktwert hat (wie dies etwa bei erst Auszubildenden der Fall sein kann).* Ob eine Geldleistung aber tatsächlich „Taschengeld“ oder vielmehr „Entgelt“ für die Arbeitsleistung ist, kann weder nach 162ihrer Bezeichnung noch nach ihrer Höhe differenziert werden, weil dieser Frage jene nach der Art des Beschäftigungsverhältnisses vorgelagert ist.* Sofern ein Dienstverhältnis vorliegt, ist auch ein als „Taschengeld“ bezeichnetes Entgelt (zB neben Sachbezügen wie freies Quartier und Mahlzeiten) in der SV beitragspflichtig,* und es besteht über die tatsächlich gewährte Bezahlung hinaus Anspruch auf das in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgelegte Mindestentgelt, das dann gem § 49 Abs 1 ASVG* auch der Beitragsbemessung zugrunde zu legen ist; nur dann, wenn solche Normen nicht gelten, ist das Entgelt – bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit – frei vereinbar.* Selbst, wenn überhaupt keine Bezahlung geleistet wird, lässt sich im Übrigen die Pflichtversicherung nach § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG noch nicht verneinen: Unentgeltlichkeit müsste nämlich erwiesenermaßen ausdrücklich oder konkludent vereinbart sein, wofür der VwGH auch ein glaubhaftes Motiv verlangt; andernfalls gilt gem § 1152 ABGB ein angemessenes Entgelt als bedungen.* Wenn aber kein Dienstverhältnis vorliegt, weil es an wesentlichen Merkmalen wie etwa der Arbeitspflicht fehlt, dann ändert daran auch ein Taschengeld nichts: Es ist in einem solchen Fall nicht als Entgelt, sondern als freiwillige Gratifikation anzusehen.

4.
Vollversicherung auf Grund von (bloßen) Ausbildungsverhältnissen
4.1.
Überblick

Liegt ein Dienstverhältnis iSd § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG nach all den genannten Kriterien nicht vor, dann kann die Vollversicherung für das betreffende Ausbildungsverhältnis nur nach Maßgabe eines speziellen Tatbestandes bestehen.

Derartige Pflichtversicherungstatbestände für Ausbildungsverhältnisse waren schon in der Stammfassung des ASVG enthalten. Die wichtigsten von ihnen sind bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben. Es handelt sich um:

  • § 4 Abs 1 Z 2 (Lehrverhältnisse);

  • § 4 Abs 1 Z 4 (postgraduelle Ausbildungsverhältnisse);

  • § 4 Abs 1 Z 5 (Ausbildungsverhältnisse im Gesundheitsbereich).

Im Lauf der Zeit sind folgende weitere, noch heute geltende Vollversicherungstatbestände dazugekommen:

  • § 4 Abs 1 Z 8 (berufliche Ausbildung nach den §§ 198 und 303 ASVG: berufliche Rehabilitation in der UV und PV);

  • § 4 Abs 1 Z 10 (Eignungsausbildung nach dem VBG; heute: Verwaltungspraktikum);*

  • § 4 Abs 1 Z 12 (Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung nach dem MilitärberufsförderungsG).*

Dazu kommen mehrere fugitive Pflichtversicherungstatbestände außerhalb des ASVG,* die Ausbildungsverhältnisse betreffen.

Im Folgenden werde ich auf die Tatbestände des § 4 Abs 1 Z 2, 4 und 5 ASVG – die mE nach wie vor die interessantesten Fragen aufwerfen – näher eingehen.

4.2.
Zu den Lehrverhältnissen

§ 4 Abs 1 Z 2 ASVG erfasst die „in einem Lehrverhältnis stehenden Personen (Lehrlinge)“.

Mit Lehrverhältnissen sind Lehrverhältnisse nach dem BerufsausbildungsgesetzBAG (früher nach der GewerbeordnungGewO 1859) und nach den §§ 125 ff Landarbeitsgesetz* gemeint.*) Lehrlinge iSd BAG sind Personen, die auf Grund eines Lehrvertrages zur Erlernung eines in der Lehrberufsliste angeführten Lehrberufes bei einem Lehrberechtigten fachlich ausgebildet und im Rahmen dieser Ausbildung verwendet werden.* Ausbildungsverhältnisse, denen eines dieser Merkmale fehlt – etwa, weil sie nicht einen anerkannten und als solchen geregelten Lehrberuf betreffen –, sind jedenfalls nicht als Lehrverhältnisse iSd BAG und des § 4 Abs 1 Z 2 ASVG zu qualifizieren. Das gilt etwa auch hinsichtlich der Ausbildungen von bloßen „Anlernlingen“, die im Betrieb eingeschult werden.* Anlernlinge sind aber DN iSd § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG und unterlie-163gen als solche der Pflichtversicherung. Auch Lehrlinge sind im Übrigen nach heute einhelliger Meinung als AN iSd Arbeitsvertragsrechts anzusehen* und wären folglich schon auf Grund des § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG pflichtversichert.* Für Lehrlinge gilt die Pflichtversicherung in der Vollversicherung allerdings – anders als für DN iSd § 4 Abs 1 Z 1 ASVG* – auch dann, wenn die Lehrlingsentschädigung die Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs 2 ASVG nicht überschreitet.*

Was den Heimbewohner aus dem dritten Eingangsbeispiel betrifft, so war er mangels Freiwilligkeit der Arbeit nicht DN,* aber auch nicht Lehrling iSd BAG (bzw der damals noch maßgeblichen GewO 1859) und des § 4 Abs 1 Z 2 ASVG: Bei ihm scheitert diese Qualifikation schon daran, dass die Ausbildung als Teil der gesetzlich vorgeschriebenen Erziehungsmaßnahmen und nicht auf Grund eines Lehrvertrages absolviert wurde. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch § 29 BAG bzw die Vorgängerbestimmung des § 14b Abs 3 GewO 1859, wonach Zeiten der Ausbildung in einem Lehrberuf, die in einer Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige* absolviert wurden, unter bestimmten Voraussetzungen auf die Lehrzeit anzurechnen sind; dieser Bestimmung hätte es nicht bedurft, wenn durch die genannten Ausbildungen ohnedies Lehrverhältnisse begründet würden.*

Auch der Biotrainer in Ausbildung aus dem ersten Eingangsbeispiel stand in keinem Lehrverhältnis iSd § 4 Abs 1 Z 2 ASVG: Er wurde zwar ua zum gewerblichen Masseur ausgebildet, ein Beruf, der in der Lehrberufsliste* enthalten ist; nach dem BAG ist Voraussetzung für ein Lehrverhältnis aber auch die Verwendung des Lehrlings im Rahmen der Ausbildung.* Eine solche kontinuierliche praktische Verwendung in einem Betrieb, die über die bloßen Zeiten praktischer Ausbildung hinausgeht, lag im Fall des Biotrainers nicht vor.

4.3.
Zu den postgraduellen Ausbildungsverhältnissen

Gem § 4 Abs 1 Z 4 ASVG unterliegen der Vollversicherung „die zum Zwecke der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf nach Abschluss dieser Hochschulbildung beschäftigten Personen, wenn die Ausbildung nicht im Rahmen eines Dienst- oder Lehrverhältnisses erfolgt, jedoch mit Ausnahme der Volontäre“. Auch dieser Tatbestand war – wie erwähnt – schon in der Stammfassung des ASVG enthalten, und er hat inhaltlich keinerlei Änderung erfahren, sondern wurde lediglich von der Z 3 in die Z 4 verschoben.

Interessant ist zunächst die ausdrückliche Ausnahme für Volontäre. Sie wurde in der Regierungsvorlage (RV)* damit begründet, dass sich die Tätigkeit der Volontäre „nicht im Rahmen eines geregelten Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses abspielt und sich als Grundlage für eine Vollversicherung nicht eignet“. Es scheint hier also auf eine gewisse Reglementierung anzukommen. Diese Abgrenzung wird aber im Gesetz insofern nicht durchgehalten, als es auch geregelte – also etwa durch die Einhaltung von Ausbildungsplänen, wechselseitige Pflichten von Auszubildenden und Ausbildern etc geprägte – Ausbildungsverhältnisse gibt, die (wie noch zu zeigen sein wird) dennoch keine Vollversicherung nach dem ASVG begründen.

§ 4 Abs 1 Z 4 ASVG bestimmt weiters ausdrücklich, dass ihm Ausbildungsverhältnisse dann nicht unterliegen, wenn es sich ohnedies um Dienstverhältnisse (oder Lehrverhältnisse) handelt. Dieser Tatbestand ist also nachrangig gegenüber § 4 Abs 1 Z 1 und Z 2 ASVG.

Tatsächlich gilt für einige wichtige postgraduelle Ausbildungsverhältnisse, dass sie jedenfalls als Dienstverhältnisse zu qualifizieren sind: So etwa für jene der in der RV zur Stammfassung* noch als Anwendungsbeispiel des § 4 Abs 1 Z 3 (jetzt: Z 4) ASVG genannten „Turnusärzte“, aber mittlerweile auch der klinischen Psychologen und Gesundheitspsychologen: Hier sehen die Berufsgesetze ausdrücklich vor, dass die praktische Ausbildung im Rahmen von Arbeitsverhältnissen zu erfolgen hat.*

Dagegen stehen die Rechtspraktikanten kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 2 Abs 4 des Rechtspraktikantengesetzes (RPG)* in keinem Dienstverhältnis; eine entsprechende Regelung enthält § 1 Abs 3 des Unterrichtspraktikumsgesetzes 164(UPG)* für die Unterrichtspraktikantinnen (früher „Probelehrerinnen“). Für diese Personen kommt daher an sich § 4 Abs 1 Z 4 ASVG als Grundlage für die Vollversicherung in Betracht. Allerdings wird für die steuerrechtliche Beurteilung – gestützt auf ein älteres Erk des VwGH* – die Auffassung vertreten, dass ungeachtet der jeweiligen gesetzlichen Anordnungen lohnsteuerpflichtige Dienstverhältnisse vorliegen;* ausgehend davon wären auch die Rechtspraktikantinnen und Unterrichtspraktikanten gem § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 letzer Satz ASVG pflichtversichert* und es bedürfte nicht der besonderen Grundlage in § 4 Abs 1 Z 4 ASVG.*

Insgesamt ist der Anwendungsbereich dieser Bestimmung auch deswegen nicht allzu groß, weil sie nur Ausbildungsverhältnisse nach Hochschulabschluss und nur für solche Berufe erfasst, die eine Hochschulbildung erfordern. Das bedeutet, dass zB das „klinisch-praktische Jahr“ im dritten Abschnitt des Medizinstudiums nicht darunter fällt, weil es noch während des Studiums absolviert wird; auch Praktika von angehenden Psychotherapeutinnen sind von § 4 Abs 1 Z 4 ASVG nicht erfasst, weil dieser Beruf nicht notwendigerweise eine Hochschulbildung voraussetzt.* Während der Absolvierung des klinisch-praktischen Jahres und der im Psychotherapiegesetz* vorgeschriebenen Praxiszeiten besteht Vollversicherung nach dem ASVG daher nur unter der Voraussetzung, dass es sich um (nicht nur geringfügig entlohnte) Dienstverhältnisse handelt (was jedenfalls im Fall des klinisch-praktischen Jahres idR zu verneinen sein wird). Ob dieser Unterschied gegenüber letztlich ganz ähnlichen Ausbildungsverhältnissen sinnvoll ist, muss zumindest fraglich erscheinen.

4.4.
Zu den Ausbildungsverhältnissen im Gesundheitsbereich
4.4.1.
Allgemeines

Ein eigener Vollversicherungstatbestand für Ausbildungen im Gesundheitsbereich war ebenfalls bereits in der Stammfassung des ASVG vorgesehen. In der geltenden Fassung erfasst dieser Tatbestand (§ 4 Abs 1 Z 5 ASVG) folgende Personen: „Schüler (Schülerinnen), die in Ausbildung zum gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege nach dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, BGBl. I Nr. 108/1997, oder zu einem medizinischen Assistenzberuf im Sinne des Medizinische Assistenzberufe-Gesetzes (MABG), BGBl. I Nr. 89/2012, stehen, bzw. Studierende an einer medizinisch-technischen Akademie nach dem MTD-Gesetz, BGBl. Nr. 460/1992, oder an einer Hebammenakademie nach dem Hebammengesetz, BGBl. Nr. 310/1994“.*

Eine Besonderheit dieses Tatbestandes besteht darin, dass zwischen Praxiszeiten und Zeiten der theoretischen Ausbildung nicht differenziert wird: Die betreffenden Schülerinnen und Schüler unterliegen während der gesamten Ausbildungszeit der Vollversicherung, ähnlich wie Lehrlinge.

Die hier wiedergegebene geltende Fassung ist das Ergebnis mehrerer Änderungen, die seit Inkrafttreten der Stammfassung erfolgt sind: Gleich mit der ersten Novelle aus dem Jahr 1962 wurde ua klargestellt, dass auch männliche Krankenpflegeschüler erfasst sind – davor hatte der Wortlaut der Bestimmung nur auf „Lernschwestern“ bzw „Krankenpflegeschülerinnen“ abgestellt.* Vor allem aber wurden neue Ausbildungen aufgenommen, etwa jene zu medizinisch-technischen Diensten;* auch der Wechsel von Ausbildungseinrichtungen wurde durch mehrere Novellen ausdrücklich berücksichtigt.

4.4.2.
Zu den erfassten Berufsbildern

Aber nicht alle Ausbildungen im Gesundheitsbereich wurden in den Tatbestand einbezogen. Ursprünglich war die Unterscheidung insoweit konsistent, als in Bezug auf Sanitätshilfsdienste, die im Wesentlichen Anlernberufe mit begleitenden Kursen waren, nicht die Vollversicherung nach § 4 Abs 1 Z 5 ASVG vorgesehen war; bei diesen Berufen wurden idR ohnedies sogleich Dienstverhältnisse abgeschlossen. Im Lauf der Zeit wurden diese Hilfsdienste aber einer nach dem anderen aufgewertet, indem zT eigene Berufsgesetze geschaffen und auch längere und aufwändigere Ausbildungen vorgesehen wurden: Für die Pflegehelferinnen ist nach dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz 165(GuKG)* nunmehr eine Ausbildung von insgesamt 1.600 Stunden – je zur Hälfte Theorie und Praxis – vorgesehen,* für die Sanitätsgehilfen wurde das Sanitätergesetz (SanG)* mit einer Ausbildung im Umfang von insgesamt 260 Stunden für den Rettungssanitäter und darauf aufbauend insgesamt 480 Stunden für den Notfallsanitäter geschaffen,* für die Masseure* das Medizinische Masseur- und Heilmasseurgesetz (MMHmG).* Darin ist eine geregelte Ausbildung mit 1.690 Stunden Theorie und Praxis allein für den medizinischen Masseur und einer darauf aufbauenden Ausbildung für den Heilmasseur vorgesehen.* Dennoch wurde keine dieser Ausbildungen für bisherige Sanitätshilfsdienste in den Tatbestand des § 4 Abs 1 Z 5 ASVG aufgenommen. Im Jahr 2012 wurde dann für die verbleibenden Sanitätshilfsdienste das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz (MABG)* geschaffen (zB für Operationsassistenz, Obduktionsassistenz, Ordinationsassistenz, Gipsassistenz); auch diese ursprünglichen Anlernberufe* wurden nun – ua durch erweiterte Ausbildungen – inhaltlich aufgewertet.* Diese Ausbildungen wurden in § 4 Abs 1 Z 5 ASVG aufgenommen, die Ausbildung zum medizinischen Masseur und Heilmasseur, zum Sanitäter und zum Pflegehelfer hingegen weiterhin nicht. Das ist für die Sanitäter angesichts der nach wie vor relativ kurzen Ausbildungszeiten noch zu rechtfertigen, für die Pflegehelferinnen und Masseurinnen hingegen schwer erklärlich. Dennoch kommt eine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende weite Auslegung oder Analogie wohl nicht in Betracht: Wenn der Gesetzgeber bestimmte Ausbildungen ausdrücklich einbezieht und in der Folge wiederholt auch bloß terminologische Änderungen und die Schaffung neuer Ausbildungseinrichtungen zum Anlass von Novellierungen macht,* dann kann ihm schwerlich unterstellt werden, andere Ausbildungen in Gesundheitsberufen eigentlich mitgemeint zu haben. Auch eine planwidrige Lücke kann kaum angenommen werden: In den Erläuterungen zum MABG* werden etwa andere ursprüngliche Anlernberufe – wie die Masseure – sogar ausdrücklich genannt, in die Vollversicherung einbezogen wurden dann aber nur die Ausbildungen nach dem MABG.

Die Konsequenz ist, dass ua die Ausbildung zur Pflegehelferin sowie jene zum medizinischen Masseur und Heilmasseur nicht von § 4 Abs 1 Z 5 ASVG erfasst ist. Das bedeutet auch für den angehenden Biotrainer aus dem ersten Eingangsbeispiel, der ja zum medizinischen Masseur und Heilmasseur ausgebildet wurde, dass er nicht der Vollversicherung gem § 4 Abs 1 Z 5 ASVG unterlegen ist.

4.4.3.
Zu den erfassten Ausbildungseinrichtungen

Ein weiteres Problem besteht darin, dass § 4 Abs 1 Z 5 ASVG seit jeher nicht nur auf bestimmte Berufsbilder, sondern immer auch auf konkrete Ausbildungseinrichtungen abgestellt hat. Das führt dazu, dass ua die Hebammenausbildung nicht mehr erfasst ist, weil sie mittlerweile* nicht an Hebammenakademien, sondern an Fachhochschulen erfolgt. Insoweit geht der Tatbestand daher ins Leere. Auch die medizinisch-technischen Akademien (zB für Ergotherapeutinnen) werden sukzessive durch Fachhochschulen ersetzt, mit dem Ergebnis, dass diese Ausbildungen nicht mehr per se der Vollversicherung unterliegen. Für die Praxiszeiten der an Fachhochschulen erfolgenden Ausbildungen muss nun gesondert geprüft werden, ob Dienstverhältnisse begründet werden oder nicht. Auch eine Vollversicherung nach § 4 Abs 1 Z 4 ASVG scheidet nämlich in der idR aus, weil die Praxiszeiten nicht nach, sondern während der akademischen Ausbildung stattfinden.

Fraglich ist, ob die Ausbildung zum gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege dann von § 4 Abs 1 Z 5 ASVG erfasst ist, wenn sie an Fachhochschulen erfolgt:* Für dieses Berufsbild stellt der Tatbestand nämlich nicht ausdrücklich auf die Schulen nach dem GuKG ab; der Umstand, dass von Schülern bzw Schülerinnen – und nicht von Studierenden – die Rede ist, spricht aber eher dafür, dass nicht auch Ausbildungen an Fachhochschulen gemeint sind. Andernfalls wäre auch die Ungleichbehandlung gegenüber zahlreichen anderen Fachhochschulstudien kaum zu rechtfertigen: Für die Studierenden entstünde durch die Vollversicherung ein Vorteil gegenüber anderen Studierenden, die Träger der Fachhochschulen wären hingegen – da sie gem § 35 Abs 2 ASVG als DG zu gelten hätten – mit der Beitragspflicht und insofern mit einem Nachteil gegenüber anderen Fachhochschulträgern belastet.

Der Tatbestand des § 4 Abs 1 Z 5 ASVG ist wohl auch dann nicht erfüllt, wenn die Ausbildung nach dem MABG nicht an einer Schule für medizinische Assistenzberufe, sondern im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgt, was nach § 25 leg cit für die 166Ordinationsassistenz zulässig ist; die Pflichtversicherung tritt in einem solchen Fall (nur) auf Grund des § 4 Abs 1 Z 1 ASVG ein.* Auch die Ausbildung an Lehrgängen nach § 23 MABG dürfte von § 4 Abs 1 Z 5 ASVG – da ausdrücklich von Schülern bzw Schülerinnen die Rede ist – nicht erfasst sein.

5.
Pflichtversicherung auf Grund von (sonstigen) Praktika und Volontariaten

Im Hinblick auf „sonstige“ Praktika – die unter keinen der unter Pkt 4. behandelten Spezialtatbestände fallen – und Volontariate sind im Lauf der Zeit einige Änderungen erfolgt.

In der Stammfassung war in § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG vorgesehen, dass (ua) Schüler und Studenten, die eine vorgeschriebene oder im Rahmen der Studien „übliche“ praktische Tätigkeit ausüben, Ferialpraktikanten und Volontärinnen der Teilversicherung in der UV unterliegen. Die ausdrückliche Erwähnung der Ferialpraktikanten ist schon mit der Novelle BGBl 1962/13entfallen: Es sollte nicht darauf ankommen, ob die praktische Tätigkeit in den Ferien ausgeübt wird; in den Materialien zu dieser Novelle wird aber auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber der Vollziehung die Abgrenzung zwischen den lediglich teilversicherten Praktikanten und den als DN Vollversicherten nicht abnehmen kann.* Mit der Novelle BGBl 1976/704wurde die Teilversicherung in der UV für Schüler und Studenten nach § 8 Abs 1 Z 3 lit h und i ASVG eingeführt, sodass für diese Personengruppe der Versicherungsschutz nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG entfallen konnte; in § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG verblieben – neben Teilnehmerinnen und Lehrenden bei Schulungen ua von Gebietskörperschaften und Arbeitsmarktservice* – die Volontäre.

Mit der Novelle BGBl 1990/294 kam es schließlich zu einer einschneidenden, wenn auch nicht ganz nachhaltigen Änderung: Mit § 4 Abs 1 Z 11 ASVG wurde ein neuer Vollversicherungstatbestand für Schüler und Studenten geschaffen, die eine im Rahmen des Lehrplanes bzw der Studienordnung vorgeschriebene oder übliche praktische Tätigkeit ausüben, wenn diese Tätigkeit nicht im Rahmen eines Dienst- oder Lehrverhältnisses ausgeübt wird.* Dies ging laut Erläuterungen* auf eine Anregung des Hauptverbandes zurück und wurde damit begründet, dass es sachlich nicht gerechtfertigt sei, „Ferialpraktikanten“ hinsichtlich der Versicherungspflicht unterschiedlich zu behandeln, je nachdem, ob sie während des Praktikums in einem Dienstverhältnis stünden oder nicht.

Fünfzehn Jahre später hat der Gesetzgeber das wieder anders gesehen: Mit BGBl 2005/132BGBl 2005/132 wurde § 4 Abs 1 Z 11 ASVG aufgehoben,* zum Ausgleich wurden im Leistungsrecht der UV die Unfälle beim „vorgeschriebenen oder üblichen“ Praktikum im Wesentlichen den Arbeitsunfällen gleichgestellt – Schülerinnen und Studentinnen sind ja gem § 8 Abs 1 Z 3 lit h bzw i ASVG jedenfalls unfallversichert. Die Änderung wurde damit begründet, dass durch die Beitragspflicht in der KV und PV das Anbieten von Praktikumsplätzen erschwert werde.*

Für Praktikanten gibt es also nach geltender Rechtslage keinen eigenen Pflichtversicherungstatbestand. Sie sind entweder als Schüler oder Studenten in der UV teilversichert, oder sie fallen unter einen der speziellen Tatbestände des § 4 Abs 1 Z 4 oder 5 ASVG (postgraduelle Ausbildungen, Ausbildungen im Gesundheitsbereich). Wenn beides nicht zutrifft, bleibt als Auffangtatbestand § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG, soweit er die Volontäre in die UV einbezieht.

Zwar wird die übliche Unterscheidung zwischen Praktika und Volontariaten dahingehend getroffen, dass ein Praktikum bestimmten, eine theoretische Ausbildung ergänzenden Lernzwecken dient, während ein Volontariat zwar auch dem Erwerb von praktischen Kenntnissen und Fertigkeiten dient, aber nicht im Rahmen eines geregelten Ausbildungsverhältnisses erfolgt.* Liegt nun aber eine praktische Tätigkeit im Rahmen einer Ausbildung vor, die unter keinen der Spezialtatbestände fällt und auch nicht von einem Schüler oder Studierenden absolviert wird, dann kann nicht angenommen werden, dass sie deswegen keinen Unfallversicherungsschutz begründet, weil es sich nach der gängigen Definition eigentlich um „mehr“ als ein bloßes Volontariat handelt.

Zu diesem Ergebnis ist der VwGH letztendlich auch im Fall des Biotrainers aus dem ersten Eingangsbeispiel gekommen: Seine praktische Tätigkeit ist zwar im Rahmen einer geregelten Ausbildung erfolgt – und war daher kein Volontariat –, konnte aber unter keinen der Spezialtatbestände subsumiert werden; die Biotrainer-Schule war auch nicht als Schule iSd § 8 Abs 1 Z 3 lit h ASVG zu qualifizieren. Der VwGH hat angenommen, dass der Biotrainer in Ausbildung als Volontär gem § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG unfallversichert war: Wenn schon eine Tätigkeit außerhalb eines geregelten Ausbildungsverhältnisses der UV unterliege, dann 167umso mehr auch eine gleichartige Tätigkeit, die im Rahmen eines geregelten Ausbildungsverhältnisses erfolge.

Das bedeutet, dass die Abgrenzung zwischen Praktika und Volontariaten für Zwecke des Sozialversicherungsrechts weitgehend obsolet ist: Für Praktikantinnen kann zwar der Spezialtatbestand des § 4 Abs 1 Z 4 oder allenfalls des § 4 Abs 1 Z 5 ASVG gelten; wenn das aber nicht zutrifft, sind sie entweder als Schülerinnen bzw Studentinnen nach § 8 Abs 1 Z 3 lit h und i ASVG oder eben als Volontärinnen nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG unfallversichert.* Auch der Umstand, dass § 4 Abs 1 Z 4 ASVG die Volontäre ausdrücklich ausnimmt, dürfte ohne praktische Bedeutung sein: Der Tatbestand bezieht sich nämlich von vornherein nur auf „vorgeschriebene“ Ausbildungen, wofür Volontariate schon definitionsgemäß nicht in Betracht kommen werden.

6.
Zusammenfassung und Kritik

Die drei Eingangsbeispiele lassen sich anhand der dargestellten Rechtslage relativ eindeutig lösen (auch wenn in keinem dieser Fälle alle Instanzen zum gleichen Ergebnis gekommen sind): Der Biotrainer in Ausbildung ist als Volontär der Teilversicherung in der UV nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG unterlegen,* die ungarischen Fassadenarbeiter waren DN iSd § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG,* und der Heimbewohner ist auf Grund seiner Ausbildung in der Lehrwerkstätte nicht der Vollversicherung (insb als Lehrling nach § 4 Abs 1 Z 2 ASVG) unterlegen.*

Befriedigend ist die Rechtslage aber keineswegs. Es sollte deutlich geworden sein, dass sie vor allem durch eine starke Zersplitterung gekennzeichnet ist und einige Unterscheidungen enthält, die sachlich nur schwer zu rechtfertigen sind.

Besondere Schwierigkeiten sehe ich insofern in Bezug auf § 4 Abs 1 Z 5 ASVG betreffend die Ausbildungen im Gesundheitsbereich. Dieser Tatbestand weist ja die Besonderheit auf, dass die betreffenden Schülerinnen und Schüler nicht nur während der Praxiszeiten, sondern auch während der nur theoretischen Teile ihrer Ausbildung der Vollversicherung unterliegen. Hier müsste man herausarbeiten, auf Grund welcher tatsächlichen Gegebenheiten das gerechtfertigt ist,* und dann möglichst diese Umstände zu gesetzlichen Kriterien für die Vollversicherung machen, statt kasuistisch auf bestimmte Berufe und Ausbildungseinrichtungen abzustellen; ich erinnere nur daran, dass nach der geltenden Rechtslage etwa Operationsassistentinnen in Ausbildung der Vollversicherung nach § 4 Abs 1 Z 5 ASVG unterliegen, medizinische Masseurinnen und Heilmasseurinnen in Ausbildung hingegen nicht, oder dass Hebammen allein wegen der nun in Fachhochschulen erfolgenden Ausbildung aus dem Pflichtversicherungstatbestand herausgefallen sind.

Die Sonderbehandlung von postgraduellen Ausbildungsverhältnissen scheint mir ebenfalls überholt zu sein. Hier erschiene es sachgerechter, entweder in den jeweiligen Berufsgesetzen Dienstverhältnisse vorzusehen, wie es ohnedies zum Teil schon geschehen ist, oder generell Pflichtpraktika der Vollversicherung zu unterwerfen – allenfalls unter zusätzlichen Voraussetzungen wie etwa einer Entschädigung über der Geringfügigkeitsgrenze.

Dass nach der geltenden Rechtslage weder Praktika noch Volontariate per se der Vollversicherung unterfallen, kann man dann rechtfertigen, wenn tatsächlich vorrangig ein Ausbildungszweck verfolgt wird: Denn unter dieser Voraussetzung werden wohl nur wenige Betriebsinhaber bereit sein, (zusätzlich zu einer allfälligen Entschädigung auch noch) die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Stehen aber in Wahrheit die Betriebsinteressen im Vordergrund, so muss von einem Dienstverhältnis ausgegangen werden, was der VwGH mE völlig zu Recht ohnedies im Zweifel annimmt.

Wesentlich erscheint mir zuletzt, dass jeder Person, die in einem Betrieb beschäftigt ist, zumindest die Teilversicherung in der UV gewährt wird. Das hat der Gesetzgeber im Ergebnis dadurch sichergestellt, dass für die niederschwelligsten Ausbildungsverhältnisse – nämlich die Volontariate – ein Unfallversicherungstatbestand geschaffen wurde, der in einem Größenschluss etwa auch auf sonst nicht versicherte Praktikantinnen angewendet werden kann.*