Eberhard/Zellenberg (Hrsg)
Kammern in einem sich wandelnden Umfeld

Jan Sramek Verlag, Wien 2014 XXI, 252 Seiten, broschiert, € 48,–

ROBERTREBHAHN (WIEN)

Die Wirtschaftskammer Österreich und das Institut für Öffentliches Recht der Wirtschaftsuniversität haben 2013 eine Tagung zum im Buchtitel genannten Thema veranstaltet. Hintergrund war und ist, dass sich das rechtliche Umfeld für Kammern in den letzten Jahren verändert hat, auch aufgrund des Unionsrechts. Die behandelten Themen haben primär die Kammern zur Vertretung der Unternehmen im Fokus, viele sind aber auch für andere Kammern von Interesse. Mehrere Autoren wirken im Ausland, insb in Deutschland.

Der letzte Beitrag des Bandes von Sack widmet sich „Industrie- und Handelskammern im europäischen und deutschen Vergleich“. In den damaligen 27 Mitgliedstaaten gab es in acht Wirtschaftskammern mit Pflichtmitgliedschaft (ua Deutschland, Frankreich, Estland, Niederlande), in neun solche mit freiwilliger Mitgliedschaft auf gesetzlicher Grundlage (darunter Schweden), und in zehn nur freiwillige Verbände (zB Großbritannien). Vor allem in den ab 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten dominiert freiwillige Mitgliedschaft. Diese Verteilung mag die Beurteilung auf europäischer Ebene beeinflussen. Der Beitrag zur Lage in Ungarn von Zacher/Strauss schildert den Weg von der Pflichtmitgliedschaft zur freiwilligen Mitgliedschaft und – seit 2010 – wieder zurück zur Registrierungs- und Zahlungspflicht bei der Kammer, aber ohne echte Mitgliedschaft.

Von den Beiträgen zur Lage in Österreich geht der von Stolzlechner/Aufreiter insb auf die Bedeutung des Lobbying- und InteressenvertretungstransparenzG (LobbyG) aus 2013 ein. Dieses verpflichtet Kammern zwar zur Registrierung, nimmt sie aber – als „Sozialpartner“ – im Übrigen von den Pflichten des Gesetzes aus, soweit es sich um „Interessenvertretung“ handelt. Stolzlechner/Aufreiter legen dar, dass diese Ausnahme eine Einflussnahme auf Funktionsträger „im gemeinsamen Interesse der Mitglieder“ voraussetzt. Bei Intervention einer Kammer, um für ein bestimmtes Unternehmen eine Förderung zu erreichen, ist das LobbyG daher voll anzuwenden. Stolzlechner/Aufreiter halten die partielle, gestufte Anwendung des LobbyG auf Kammern für sachlich gerechtfertigt.

Der Beitrag „Mitgliederrepräsentation und Wahlrecht“ von Zellenberg behandelt Grundsatzfragen der demokratischen Legitimation von Kammerorganen. Das frühere Spannungsverhältnis der Selbstverwaltung zur Bundesverfassung in Bezug auf diese Legitimation sieht Zellenberg nun durch Art 120c B-VG als bereinigt. In der Folge behandelt er Spezialfragen des Wahlrechts, die vor allem für die Wirtschaftskammer relevant sind. Die auch für andere Kammern relevante Frage, ob die Verfassung nun für ausländische Staatsbürger das passive Wahlrecht verlangt, verneint Zellenberg wegen Art 3 Abs 2 StGG auch nach Inkrafttreten von Art 120c Abs 1 B-VG.

Der Beitrag von Eberhard zu „Freiheit und Gebundenheit der Kammern“ behandelt ua die Reichweite der Satzungsautonomie und die Grenzen der staatlichen Aufsicht über Kammern. Die erste Frage ist nach Eberhard weiter „eine echte Zukunftsfrage“ (107). Zur Aufsicht wird etwa vertreten, dass sie in Fragen der Organisationsautonomie, etwa der Personalhoheit, nur eine „bloße Vertretbarkeitskontrolle“ ausüben dürfe. Eine Maßnahme, welche das Zweckmäßigkeitsverständnis der Aufsichtsbehörde an jenes der Selbstverwaltung setzen wollte, wäre verfassungswidrig (120 f).

Eisenmenger behandelt Fragen zur Transparenz bei Kammern insb aus internationaler, deutscher und verwaltungswissenschaftlicher Sicht.

Jaeger geht ausführlich auf „Anforderungen des europäischen Beihilfenrechts an das wirtschaftliche Kammerhandeln“ ein. Kammern und ihre – auch selbständigen – Einrichtungen sind daraufhin zu prüfen, ob sie als Beihilfenempfänger oder als Beihilfengeber iSd Unionsrechts auftreten; Jaeger nimmt als Beispiel wiederholt Maßnahmen zur Weiterbildung wie das WIFI oder BFI. Die hoheitlich vorgeschriebenen Umlagen werden als „öffentliche Mittel“ eingeordnet, was die Grundvoraussetzung für das Eingreifen des Beihilfenrechts222 schafft. Als Beihilfengeber kommen die Kammern nach Jaeger allenfalls gegenüber Nichtmitgliedern in Betracht, aber auch dies nur wenn sie diesen für Leistungen keine Vollkosten verrechnen; bei Leistungen an AN (zB des BFI) fehlt überdies schon die Unternehmereigenschaft der Empfänger. Wirtschaftliche Aktivitäten der Kammer kommen als Beihilfeempfänger in Betracht, wenn sie an Nichtmitglieder erfolgen und aus Umlagen querfinanziert werden. Die – oft umverteilenden – Leistungen an Mitglieder seien hingegen beihilfefrei. Eingegangen wird ferner auf die Frage, ob die Transparenz-RL auf Kammern anwendbar ist. Der Beitrag zeigt gekonnt, wie diffizil das Beihilferecht der EU ist.

Der Sammelband belegt, dass die Kammern vor allem aufgrund der Entwicklungen und Einflüsse auf europäischer Ebene vor neuen rechtlichen Herausforderungen stehen, die aber – wie die Beiträge zeigen – zu bewältigen sind.