Die Vollziehung der Ausgleichszulage unter der Lupe des Rechnungshofes
Die Vollziehung der Ausgleichszulage unter der Lupe des Rechnungshofes
Einleitung
Übersicht über den Rechnungshofbericht
Anrechnung von Unterhalt
Zusammentreffen von ausländischen Pensionsleistungen und Ausgleichszulagen
Ausgleichszulage und Auslandsaufenthalte
Inhalt und Aussagekraft von Ausgleichszulagenbescheiden
Ausblick
Die Ausgleichszulage verschafft BezieherInnen einer niedrigen Leistung aus der gesetzlichen PV durch die Aufzahlung auf den Ausgleichzulagenrichtsatz ein Mindesteinkommen. Es ist unerheblich, welche Art von Leistung aus der PV bezogen wird, auch Personen, die (noch) nie eigene Beiträge in die österreichische Pflichtversicherung eingezahlt haben, haben Anspruch auf die Ausgleichszulage; dies betrifft vor allem BezieherInnen von Witwen-/Witwer-Pensionen und Waisenpensionen.* Auch EU-BürgerInnen, die Pensionen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz aus dem Leistungsstaat nach den Regeln der Sozialrechtskoordinierung der VO 883/2004 nach Österreich importieren und sich auf Dauer rechtmäßig in Österreich aufhalten, haben Anspruch auf die Ausgleichszulage.* In allen Fällen ist die Zahlung der Ausgleichszulage von einer eingeschränkten Bedarfsprüfung abhängig. Eigenes Nettoeinkommen und Unterhaltsansprüche sind auf die Ausgleichszulage ebenso anzurechnen wie die „freie Station“, nicht aber vorhandenes Vermögen, welches, anders als bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung,179 nicht vorrangig verbraucht werden und auch nicht „gewinnbringend“ angelegt werden muss.* Die Ausgleichszulage ist mit einem Leistungsumfang von rund 1,017 Mrd € und rund 230.000 BezieherInnen im Jahr 2014 (dem letzten Jahr, für das dem Rechnungshof entsprechende Daten vorlagen) die bedeutendste einkommensabhängige Geldleistung im österreichischen Sozialsystem.* Obwohl in § 299 ASVG und § 147 ASVG eine Finanzierung der Ausgleichszulagen durch die Länder normiert wäre, trägt tatsächlich der Bund den Aufwand, und zwar auf der Basis des Finanzausgleichs.* Der Bund ersetzte den Trägern der PV an Aufwand für die Ausgleichszulage im Jahr 2014 insgesamt rund 1,017 Mrd € an die Pensionsversicherungsträger.* Darin nicht enthalten sind die Aufwendungen für die Ergänzungszulagen, die in den Beamtenpensionssystemen des Bundes und der Länder dieselbe Aufgabe erfüllen wie die Ausgleichszulage in den gesetzlichen Pensionssystemen.
Der Prüfungsauftrag des Rechnungshofes umfasste die Gebarungskontrolle zum Thema „Gewährung von Ausgleichszulagen in der Pensionsversicherung“ bei der PVA für den Bereich des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) und bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) für das Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG) sowie beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) und beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger.
Als Ziel definierte der Rechnungshof „die Beurteilung
der Einheitlichkeit, Geschwindigkeit und Transparenz der Vollziehung,
der Effizienz der Steuerung der Vollziehung und der Internen Kontrollsysteme (IKS),
der Einordnung der Ausgleichszulage im System der einkommensabhängigen Geldleistungen im Sozialsystem Österreichs,
der Wirkungen der Gewährung der Ausgleichszulage insbesondere in Relation zu den gesetzten Wirkungszielen.“*
Für den Bericht wurden Daten aus den Verwaltungsapplikationen der beiden Träger sowie Aktenstichproben ausgewertet (dazu wurde eine Zufallsstichprobe gezogen sowie Akten herangezogen, die aufgrund der Datenanalyse als auffällig beurteilt wurden, zB wegen langer Verfahrensdauern oder besonders häufiger Zugriffe). Der Rechnungshof führte außerdem Gespräche mit ExpertInnen der Träger des BMASK und des Hauptverbandes sowie externer Interessenvertretungen.
Aus den Ergebnissen ergaben sich für den Rechnungshof ua Analysen, die sich auf Probleme der Vollziehung für die Betroffenen sowie auf die Steuerung der Vollziehung seitens der Behörden beziehen und auf die in diesem Beitrag der Schwerpunkt gelegt wird. Der Rechnungshof beschäftigte sich außerdem eingehend mit der Entwicklung des Gebarungsvolumens, der Entwicklung der Anzahl der AusgleichszulagenbezieherInnen und der Richtsätze, mit dem Vergleich der Ausgleichszulage zu anderen einkommensabhängigen Geldleistungen und mit Auswirkungen der Ausgleichszulage auf unterschiedliche Gruppen, ua im Kontext der Europäischen Integration (vgl unten 5.).
Jene Teile des Berichts, in denen der Rechnungshof über interne Verwaltungsabläufe und Kontrollen der Träger berichtet und Empfehlungen abgibt sowie die Ausführungen zur Gebarungskontrolle sind zwar von großem Interesse und Inhaltsreichtum, können aber in diesem Beitrag aus Platzgründen nur gestreift werden.
De lege ferenda von erheblichem Interesse ist das vom Rechnungshof untersuchte Verhältnis der Ausgleichszulage mit anderen einkommensabhängigen Leistungen aus dem Sozialsystem; dies umfasst im Bericht das Rehabilitationsgeld (das durch Aufzahlungen auf den Ausgleichszulagenrichtsatz ergänzt wird, vgl § 143a Abs 2 ASVG), die Notstandshilfe, die bedarfsorientierte Mindestsicherung sowie die Kriegsopferversorgung als Beispiele einer Versorgungsleistung, die vom BMASK in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen wird. Alle genannten Leistungen dienen der Absicherung des Lebensunterhalts in gesetzlich unterschiedlich definierten Notlagen und ergänzen einander, sie werden aber von verschiedenen Behörden vollzogen, unterschiedlich finanziert und sind in Höhe und Voraussetzungen nur unzureichend aufeinander abgestimmt. Dies führt nach Einschätzung des Rechnungshofes (der hier unbedingt gefolgt werden kann) zu erheblichen Ungleichgewichten, vor allem bei den Anrechnungen von eigenen Einkünften und bei der Berücksichtigung von Abzügen (wie „freie Station“, Wohnrechte, Zinseinkünfte etc), die nicht nur zu kaum zu rechtfertigenden Unterschieden für die betroffenen LeistungsbezieherInnen, sondern auch zu erheblichem Verwaltungsaufwand führen.*
Interessante Ergebnisse des Rechnungshofes beruhen auf dem direkten Vergleich der Vollziehung durch die beiden Träger, da die Regelungen über die Ausgleichszulage in den beiden anzuwendenden Gesetzen (§§ 292 bis 299 ASVG und §§ 140 bis 147 BSVG) gleichlautend sind. Beide Träger vollziehen die Gesetze als Selbstverwaltungskörper im eigenen Wirkungsbereich, daher ohne Weisungsbefugnis des ressortzuständigen BMASK, aber in dessen Aufsichtsbereich. Der Rechnungshof stellt in seinem Bericht wiederholt fest, dass es zwischen den beiden Trägern keine einheitliche Vollziehung gibt, dass die praktisch gleichlautenden gesetzlichen Bestimmungen in vielen Fällen völlig unterschiedlich interpretiert werden und dass von der Aufsichtsbehörde BMASK hierzu nur unbefriedigende Stellungnahmen abgegeben wurden. Weder die Aufsichtsbehörde noch der Hauptverband der Sozialversicherungsträger führen systematische180 Überprüfungen der Einheitlichkeit der Vollziehung durch. Der Rechnungshof beanstandete dies ebenso wie den Umstand, dass es trotz der vollständigen Tragung des Aufwandes für die Ausgleichszulage kein inhaltliches Weisungsrecht zur Vollzugspraxis für den Bund gibt, dass es weder in der PVA noch in der Sozialversicherungsanstalt der Bauern eine transparente Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung für die Ausgleichszulage gibt und dass die internen Kennzahlen Widersprüchliches zeigen.*
Der Rechnungshof fand zwar, dass die Träger die Vollziehung der Ausgleichszulage in einer großen Zahl der Fälle ohne Probleme durchführten. Wo aber komplexere Sachverhalte wie die Anrechnung von Unterhaltsleistungen und der „freien Station“ (siehe 3.) oder die Feststellung der Höhe von anzurechnenden ausländischen Leistungen (siehe 4.) erhoben und beurteilt werden mussten, kam es aber immer wieder zu teilweise erheblichen Verzögerungen und Problemen bei der Vollziehung, die letztlich zu Lasten der AntragstellerInnen gehen, die, was man nie vergessen sollte, zur Deckung ihrer Basisbedürfnisse auf die Ausgleichszulage angewiesen sind.
Der Rechnungshof weist auch darauf hin, dass die Bescheide der Träger in Problemfällen „(es) den Betroffenen nicht (ermöglichen), die maßgeblichen Überlegungen, z.B. für die Verzögerung der endgültigen Entscheidung oder und die Leistungshöhe nachzuvollziehen
“.* Dies trifft aus der Sicht der Praxis in besonderem Ausmaß auf Bescheide über Rückforderungen und Anrechnungen der Ausgleichszulage zu. In der Praxis sieht man Bescheide über Rückforderungen oder über die Anrechnung von geleisteten Vorschüssen, deren Inhalt ohne zusätzliche (nicht im Bescheid enthaltene) Informationen der Träger nicht nachvollziehbar ist. Es muss den Rechtssuchenden in diesen Fällen zur Klage bei den Arbeits- und Sozialgerichten geraten werden, da sich oft erst aus der detaillierteren Klagebeantwortung von der PVA (bzw Sozialversicherungsanstalt der Bauern) ergibt, wie die Beträge errechnet wurden. Dies wiederum führt zu einer – bei besserer inhaltlicher Qualität der Bescheide in vielen Fällen vermeidbaren – höheren Belastung der Sozialgerichtsbarkeit.
Der Rechnungshof beanstandete neben Schwächen im internen Ablauf und in der internen Kontrolle bei beiden Trägern auch, dass weder in der PVA noch in der Sozialversicherungsanstalt der Bauern die Kontrollversammlung und der Vorstand in die Agenden der Ausgleichszulage eingebunden sind. Der einzige Berührungspunkt der beiden Selbstverwaltungsgremien mit der Ausgleichszulage lag bei der Kontrolle und Genehmigung der Richtigkeit des Jahresabschlusses vor.*
Die Freiheit der Selbstverwaltung zur Anwendung und Auslegung „ihrer“ Gesetze und der Judikatur führt dazu, dass die Höhe der gesetzlichen Anspruchsleistung je nach Träger unterschiedlich ausfällt (vgl dazu 2. Anrechnung von Unterhalt).
Weder die PVA noch die Sozialversicherungsanstalt der Bauern konnten Auswertungen über die Dauer von Ausgleichszulagenverfahren zur Verfügung stellen. Der Rechnungshof bewertet dies als besonders problematisch, weil die Ausgleichszulage als existenzsichernde Mindestleistung für arme Menschen eine besondere Wichtigkeit hat und zeitnah zum Antrag gewährt werden sollte.*
Insgesamt ergibt sich aus dem Rechnungshofbericht zur Vollziehung der Ausgleichszulage das Bild einer Sozialverwaltung, die es sich bei der „Fürsorgeleistung“ Ausgleichszulage leistet, paternalistisch zu agieren – das Bild, das der Rechnungshof von der Vollziehung der Ausgleichszulage durch die beiden Träger zeichnet, lässt bei aller Nüchternheit der Formulierungen doch darauf schließen, dass die AntragstellerInnen und BezieherInnen der Ausgleichszulage nicht den Status von vollwertigen KundInnen einer modernen Sozialadministration, sondern von BittstellerInnen oder jedenfalls von Bedürftigen haben.
Auch Unterhaltsleistungen stellen „übrige Einkünfte“ (§ 292 Abs 1 ASVG, § 140 Abs 1 BSVG) von AusgleichszulagenbezieherInnen dar, die auf die Höhe der Ausgleichszulage angerechnet werden. Nach der Aufhebung von § 294 Abs 1 Z 1 und Z 2 ASVG durch den VfGH* kommt eine pauschalierte Anrechnung des Unterhalts von geschiedenen Ehegatten nicht mehr in Frage, und die Sozialversicherungsanstalt der Bauern wendet die Bestimmung auch entsprechend an. Es werden nur tatsächlich realisierte Unterhaltsansprüche berücksichtigt, da für die Sozialversicherungsanstalt der Bauern „keine Veranlassung besteht, zivilrechtliche Ansprüche zu konstruieren.
“*
Die PVA geht laut Rechnungshofbericht bei der Anrechnung von Unterhalt von ehemaligen EhepartnerInnen bzw eingetragenen PartnerInnen wesentlich strenger vor. „Die PVA rechnete bei getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten [erg: und eingetragenen PartnerInnen] den gebührenden Unterhalt an, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, ob dieser auch tatsächlich geleistet wurde.
“* Die PVA ermittelt den „gebührenden Unterhalt“ nicht mehr pauschal,* sondern aus Gerichtsakten und vorliegenden Vereinbarungen; wenn diese fehlen, errechnet die PVA selber den nach bürgerlichem Recht theoretisch zustehenden Unterhalt und wendet dieses Ergebnis für die Ermittlung des Anrechnungsbetrages an. Die PVA scheint damit zu unterstellen, dass die Nicht-Realisierung von zivilrechtlichen Ansprüchen auf Ehegattenunterhalt grundsätzlich rechtsmissbräuchlich ist; es würde also in solchen Fällen den AntragstellerInnen in den Verfahren in Umkehrung des gesetzlichen Grundsatzes obliegen, den (zumeist wohl schwierigen) Beweis zu führen, dass181 zB ein Verzicht auf Unterhalt oder eine Befristung des Unterhaltsanspruchs nicht zum Zweck der – in vielen Fällen erst Jahrzehnte später erfolgenden – Realisierung von Ausgleichszulagenansprüchen geschehen ist.* Die PVA lässt hier eine jüngere Judikatur des OGH* außer Acht und beruft sich – zu Lasten der AntragstellerInnen – auf die ältere Rsp, der sich „eine gewisse Pflicht zur Rechtsverfolgung
“ entnehmen ließ.*
Der OGH hat darüber hinaus deutlich gemacht, dass es eine Voraussetzung für die Anrechnung ist, dass die Einkünfte „tatsächlich zufließen“ und dass Ansprüche (auch gesetzliche Ansprüche) nicht ausreichen.* Die Vorgangsweise der PVA lässt sich in diesen Fällen nicht mit einem generellen Rückgriff auf die Judikatur erklären.
Die strengere Rechtsansicht der PVA zur Unterhaltsanrechnung zeigte sich auch bei BezieherInnen von Halbwaisenpensionen, und zwar bei der pauschalen Anrechnung der Unterhaltsansprüche an Elternteile, die im gleichen Haushalt leben.* Bei PVA-Waisenrenten wird die pauschale Anrechnung jedenfalls durchgeführt, unabhängig davon, ob überhaupt ein Unterhaltsanspruch des Kindes bestand. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern geht dagegen davon aus, dass die pauschale Anrechnung nur zur Anwendung kommt, wenn ein tatsächlicher Unterhaltsanspruch des Kindes festgestellt werden kann, was nur der Fall ist, wenn das eigene Einkommen des Kindes nicht 22 % (bzw bei mehreren Unterhaltsberechtigten anteilsmäßig weniger) vom Einkommen des Unterhaltsverpflichteten beträgt.
Grundsätzlich sind Vorteile, die sich als Naturalleistungen aus der Teilung eines Haushalts mit anderen Personen ergeben, mit dem „Wert der vollen freien Station“ als Sachbezug zu berücksichtigen (§ 292 Abs 3 ASVG, § 140 Abs 3 BSVG; der Wert der freien Station beträgt im Jahr 2016 € 282,06), der nach den Regeln der Sachbezugswerte-VO anteilig auf Wohnung, Heizung, Beleuchtung und Mahlzeiten aufzuteilen ist.* Dies gilt insb auch für Lebensgemeinschaften, in denen mangels gesetzlicher Grundlage nicht der Ehegattenrichtsatz (§ 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG, § 141 Abs 1 lit a sublit aa BSVG, im Jahr 2016: € 1.323,58) zur Anwendung kommt; zwei in Lebensgemeinschaft lebende AusgleichszulagenbezieherInnen erhalten demnach jeweils den Einzelrichtsatz und sind vordergründig finanziell etwas besser gestellt als Ehepaare (eingetragene PartnerInnen). Grundsätzlich wäre in jedem Einzelfall und mit erheblichem Verwaltungsaufwand festzustellen, wie hoch der jeweilige Beitrag der LebensgefährtInnen zum gemeinsamen Wirtschaften zu bewerten wäre. Die PVA berücksichtigt in Fällen, in denen keine konkreten Ergebnisse erlangt werden können, die „freie Station“ in Lebensgemeinschaften pauschal mit der Hälfte der Differenz zwischen Einzel- und Ehegattenrichtsatz (2016: € 220,55). Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern führt solche Anrechnungen nicht durch.* Auch in diesem Punkt muss der Rechnungshof anmerken, wie sehr sich die Vollzugspraktiken der beiden Träger unterscheiden. Durch die unterschiedliche Beurteilung gleich gelagerter Sachverhalte durch Sozialversicherungsanstalt der Bauern und PVA ergeben sich für die betroffenen LeistungsbezieherInnen erhebliche sachliche Unterschiede.
Die erhöhte Mobilität, die die europäische Freizügigkeit AN eröffnet hat, führt dazu, dass ImmigrantInnen und RemigrantInnen österreichische und ausländische Teilleistungen erhalten. Die unionsrechtliche Koordinierung von Ansprüchen und Leistungen aus den Systemen der sozialen Sicherheit nach der VO (EG) 883/2004 und die zunehmende Dichte an bilateralen Abkommen über die soziale Sicherheit, die ebenfalls den Import ausländischer Leistungen zulassen, führt in immer höherem Maß zum Zusammentreffen von inländischen und ausländischen Pensionen. Für die Zwecke der Ausgleichszulage sind ausländische Leistungen eigene, anzurechnende Einkünfte und reduzieren das Ausmaß der Ausgleichszulage. Die Träger als vollziehende Behörden müssen das Ausmaß der ausländischen Leistung ermitteln und in der Folge die Höhe der Ausgleichszulage festsetzen. Die Träger können Vorschüsse leisten, wenn sie innerhalb von sechs Monaten keinen Bescheid erlassen können, etwa weil der Anspruch zwar dem Grunde nach feststeht und nur die endgültige Höhe noch nicht ermittelt werden konnte (§ 368 ASVG).
In der Praxis werden in Fällen, in denen die Höhe der ausländischen Leistung und damit die Höhe der Ausgleichszulage noch nicht feststehen, mit einer Mitteilung von der Höhe des Vorschusses in Kenntnis gesetzt. Vorschüsse auf die Ausgleichszulage werden grundsätzlich niedriger angesetzt als die zu erwartende Leistung, um Überzahlungen von vornherein zu vermeiden. Das hat für die Betroffenen folgende Nachteile: Sie werden nicht in nachvollziehbarer Weise darüber informiert, warum ein Vorschuss gewährt wird und wie die Höhe des Vorschusses ermittelt wurde. Die Anspruchsberechtigten haben auch kein Rechtsmittel gegen die Mitteilung, so dass keine externe Überprüfung stattfinden kann, ob der Träger bei der Bemessung des Vorschusses angemessen vorgegangen ist. In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass sich die Voraussetzungen für anzurechnende ausländische Leistungen im laufenden Verfahren mehrfach ändern. In diesen Fällen kann es zu Situationen kommen, in denen sich die Gewährung der endgültigen Ausgleichszulage um Jahre verzögert. Die Betroffenen erhalten in diesen Fällen über lange Zeiträume eine Leistung, die unter dem Existenzminimum liegt und können keine Rechtssicherheit erlangen. Es steht ihnen zwar frei, die Erlassung182 eines Bescheides zu beantragen und bei Verstreichen der Entscheidungsfrist von sechs Monaten (§ 86 Abs 3 Z 1 ASVG) einen Antrag auf Übertragung der Entscheidungszuständigkeit an das Arbeits- und Sozialgericht zu stellen (§ 67 Abs 1 Z 2 ASGG).* Aber das Arbeits- und Sozialgericht kann in solchen Fällen auch nur zuwarten, bis ausreichende Unterlagen und Beweismittel über die Höhe der anzurechnenden Leistungen vorliegen, so dass damit für die Betroffenen keine Verbesserung ihrer Situation erreicht werden kann.
Der Rechnungshof empfahl der PVA und der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, für die Vorschussgewährung ein Controlling einzuführen, um „eine konsistente Anwendung der Möglichkeiten der Vorschussgewährung sicherzustellen
“.
Wichtiger ist aber die Rechnungshofempfehlung an das BMASK, „den Anwendungsbereich und die verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen der vorläufigen Gewährung der Leistungen gesetzlich klarzustellen.
“* De lege ferenda sollte darüber diskutiert werden, ob tatsächlich aus Gründen des „sparsamen Umgangs mit öffentlichen Geldern
“ Vorschüsse auf ein möglichst niedriges Maß begrenzt werden. Mit dem Zweck der Ausgleichszulage als existenzsichernde Mindestleistung könnte auch eine Regelung begründet werden, nach der die Ausgleichszulage bis zur Klärung unklarer Umstände grundsätzlich in voller Höhe geleistet werden soll. In jenen Fällen, in denen sich nachträglich eine zu hohe Ausgleichszulage ergibt, kann die Rückzahlung durch – im Ausmaß möglichst schonende – Anrechnungen auf laufende Leistungen sichergestellt werden.
In § 292 Abs 1 ASVG und § 140 Abs 1 BSVG wird der „rechtmäßige, gewöhnliche Aufenthalt im Inland“ als Anspruchsvoraussetzung für die Ausgleichszulage normiert. Der Rechnungshof zeigt im Bericht auf, dass auch dies von den beiden geprüften Trägern vollkommen unterschiedlich interpretiert und vollzogen wird. Beide Träger sehen zwar einheitlich unter Berufung auf OGH-Judikatur* bis zu 60 Kalendertage dauernde Auslandsaufenthalten als unschädlich für den Bezug der Ausgleichszulage an, erst bei längeren Auslandsaufenthalten wird der Anspruch für die Dauer des Aufenthalts eingestellt und bei laufendem Bezug mit der später weiter gewährten Ausgleichszulage gegengerechnet. Allerdings wendet die PVA eine deutlich strengere Auslegung an als die Sozialversicherungsanstalt der Bauern. Die PVA rechnet alle Auslandsaufenthalte, auch einzelne Tage, zusammen und stellt ab dem 61. Tag die Ausgleichszulage ein. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern dagegen nimmt nur Auslandsaufenthalte von fortlaufend mehr als 60 Kalendertagen als Unterbrechung des gewöhnlichen Aufenthalts an, während kürzere Auslandsaufenthalte nicht beachtet oder gar eingerechnet werden. Leistungsbezieher der PVA sind also deutlich schlechter gestellt als solche der Sozialversicherungsanstalt der Bauern. Wie der Rechnungshof anführt, sind beide Träger von der Richtigkeit ihres Vorgehens überzeugt und gaben an, an der jeweiligen Vollzugspraxis festhalten zu wollen.
Die von beiden Trägern angenommene zulässige Dauer eines Auslandsaufenthalts von 60 Kalendertagen beruht auf Rsp des OGH, der zum Pflegegeld und zur Ausgleichszulage zu prüfen hatte, wie lange der gewöhnliche Aufenthalt (definiert als dauerhafte und beständige physische Anwesenheit im Inland in Kombination mit dauerhaften Beziehungen persönlicher und wirtschaftlicher Art zum Inland) unterbrochen werden kann, ohne dass es zur Einstellung der Leistung kommen muss. Wegen des engen Zusammenhangs zwischen dem Pflegegeld und der Grundleistung sind die Kriterien in beiden Fällen als gleich zu werten.* Unter Verweis auf § 89 Abs 2 ASVG,* der das Ruhen von Leistungsansprüchen bei Auslandsaufenthalt regelte, ging der OGH davon aus, dass nach zwei Monaten Auslandsaufenthalt kein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland mehr vorliegt, machte aber keine Angaben dazu, ob die schädlichen Abwesenheiten in einem Stück vorliegen müssen oder ob auch mehrere zusammengerechnete, im Einzelnen aber kürzere Auslandsaufenthalte in einem Jahr zum Anspruchsverlust führen können. Der OGH sprach in einer Folgeentscheidung aus, dass die Zwei-Monatsgrenze nicht starr anzuwenden sei; geringfügige Überschreitungen, die zB im Zusammenhang mit der Beschaffung notwendiger Dokumente aus dem Ausland stehen, seien gerechtfertigt und könnten nicht zum Anspruchsverlust führen.* Im Anschluss an Pfeil* sprach der OGH in dieser E auch aus, dass mehrere kürzere Auslandsaufenthalte, die in Summe die Zwei-Monatsgrenze überschreiten, ausreichen, um den Ausgleichszulagenanspruch für deren Dauer zu unterbrechen. Die großzügigere Auslegung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern ist also von der Rsp, auf die beide Träger sich berufen, eher nicht gedeckt. Allerdings hielt der OGH, wieder in Anlehnung an Pfeil, in derselben E auch fest, dass die Ausgleichszulage durch zu lange Aufenthalte außerhalb Österreichs nur unterbrochen wird und für die restlichen Zeiträume weiter zu gewähren ist. In einer weiteren E spricht sich der OGH für eine differenzierte Beobachtung des Verhaltens von AusgleichszulagenempfängerInnen aus („Gesamtschau“), um die Rechtfertigung einer Ausgleichszulageneinstellung differenziert beurteilen zu können.* Die Zwei-Monatsgrenze bleibt aber jedenfalls der Referenzpunkt für die Beurteilung der Dauer eines schädlichen Auslandsaufenthalts.183
Der OGH sprach kürzlich nochmals aus, dass ein dauernder Aufenthalt in einem Land, mit dem kein bilaterales Abkommen über die soziale Sicherheit besteht (in diesem Fall Thailand), jedenfalls dem Anspruch auf Pflegegeld entgegensteht.*
Die Berufung auf die Rsp des OGH ist in Fällen einer Unterbrechung des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland für die Träger argumentativ bequem und vordergründig nicht falsch. Sie lässt aber spätere Rechtsentwicklungen völlig außer Acht. Im Zusammenhang mit der vom Rechnungshof deutlich geforderten Modernisierung der Ausgleichszulagenvollziehung muss die Frage gestellt werden, ob es sich noch rechtfertigen lässt, bei der Beurteilung des Anspruchs auf Ausgleichszulage allein auf diese Rsp zurückzugreifen.
§ 89 Abs 2 ASVG betraf das Ruhen von Renten aus der gesetzlichen PV und UV bei Auslandsaufenthalten von mehr als zwei Monaten; die Bestimmung wurde mit 1.1.2015 geändert – das Ruhen der Leistungen tritt gem § 89 Abs 2 ASVG jetzt nur noch bei Freiheitsstrafen von mehr als einem Monat Dauer ein.* Obwohl sich den EB zur RV nichts Näheres entnehmen lässt, ist davon auszugehen, dass sich diese Änderung aus den Entwicklungen der Sozialrechtskoordinierung ableiten lässt. Renten (Pensionen) ua Geldleistungen können unionsrechtlich nicht vom ständigen Aufenthalt im Inland abhängig gemacht werden, und entgegen der ursprünglichen Intention des österreichischen Gesetzgebers qualifizierte der EuGH das Pflegegeld unionsrechtlich als exportierbare Leistung bei Krankheit.* Auch die aktuellen bilateralen Abkommen über die Soziale Sicherheit anerkennen, dass Geldleistungen aus der KV und der PV aufgrund des Gebotes der wechselseitigen Gleichbehandlung im- bzw exportierbar sein müssen. Die Ruhensbestimmung in § 89 Abs 2 ASVG alt war daher im überwiegenden Teil der Anwendungsfälle als überholt anzusehen.
Die Ausgleichszulage ist als besondere beitragsunabhängige Sonderleistung iSd Art 70 VO (EG) 883/2004 vom unionsrechtlichen Leistungsexport ausgenommen und darf zulässigerweise auch bei Vorliegen grenzüberschreitender Sachverhaltselemente vom ständigen Wohnsitz in Österreich abhängig gemacht werden.* Unionsrechtlich ausschlaggebend für die Beurteilung, ob nach Ausübung des Unionsbürgerrechts der Niederlassungsfreiheit (Art 49 AEUV) ein rechtmäßiger Aufenthalt im Inland vorliegt, ist die Beurteilung des rechtmäßigen Aufenthaltsrechts durch die zuständigen Behörden.* Aber daraus lässt sich nichts für die rechtlich einwandfreie Beurteilung der erforderlichen zeitlichen Intensität des gewöhnlichen Aufenthalts gewinnen.
Es erscheint jedenfalls nicht mehr haltbar, starr an der Zwei-Monatsgrenze für die zulässige Dauer der Unterbrechung des gewöhnlichen Aufenthalts in Österreich anzuknüpfen. Wie sich aus den Anhaltspunkten aus der Judikatur des OGH und den gesetzlichen Änderungen ableiten lässt, spricht Einiges dafür, darauf abzustellen, ob der Lebensmittelpunkt in Österreich durch AusgleichszulagenbezieherInnen trotz eines Auslandsaufenthalts aufrecht erhalten wird. Dies gäbe den zuständigen Trägern und in Streitfällen auch den Gerichten die Möglichkeit, zu überprüfen, welche Gründe für länger als zwei Monate andauernde Auslandsaufenthalte vorliegen. In aus der Praxis bekannten Fällen erfordern die Beschaffung von erforderlichen Dokumenten oder familiäre Verpflichtungen persönliche Anwesenheit für längere Perioden im Ausland. Eine flexiblere (und juristisch richtigere) Handhabung des für den Bezug der Ausgleichszulage erforderlichen gewöhnlichen Aufenthalts im Inland könne in solchen Fällen angemessenere und weniger bürokratische Lösungen ermöglichen.
Der Rechnungshof machte auch Anmerkungen zum Thema Inhalt und „Aussagekraft“ der Bescheide. In der Praxis zeigt sich, dass schon Bescheide über die Höhe der Ausgleichszulage in unstrittigen Fällen für die Betroffenen nicht verständlich und nachvollziehbar sind. Dies trifft in noch höherem Grad auf Bescheide in Fällen von Rückforderungen und Anrechnungen zu. Es ist bei Bescheiden der PVA nicht üblich, eine Begründung anzuführen. Stattdessen werden Gesetzesstellen wörtlich zitiert, auch wenn sie für das konkrete Ergebnis keine unmittelbare Relevanz haben. Gerade bei Rückforderungs- und Anrechnungsbescheiden lassen sich weder aus dem Bescheidinhalt noch aus dem Spruch Anhaltspunkte für die Grundlagen der Erledigung durch den Träger gewinnen. In solchen Fällen muss den Betroffenen in der Praxis dazu geraten werden, den Bescheid mit einer Klage beim Arbeits- und Sozialgericht zu bekämpfen, da sich meist erst auf Basis der ausführlicheren Klagebeantwortungen ermitteln lässt, wie Beträge errechnet wurden und ob sie korrekt sind. Wie die Erhebungen des Rechnungshofes zeigen, rechnen die Träger geradezu damit, erst im Gerichtsverfahren ausführliche Begründungen beibringen zu müssen – da der Bescheid bei einer Klage in der sukzessiven Kompetenz ohnedies wegfalle und ein komplettes Beweisverfahren durchzuführen sei, seien die Beschreibung des Sachverhalts und die rechtliche Würdigung weniger wichtig als in anderen Verwaltungsverfahren.*
Der Rechnungshof wendet hier völlig zu Recht ein, dass ein verständlicher und nachvollziehbarer Bescheid die Grundlage für die Entscheidung über ein Rechtsmittel sein sollte und nicht der Anlass dafür. Hier sei auch ergänzend angemerkt, dass eine bessere inhaltliche Gestaltung der Bescheide zu einer gewissen Entlastung der Arbeits- und Sozialgerichte führen könnte, da sie bei unklaren und fehlenden Begründungen nicht mehr als Erhebungsbehörde einspringen müssten.184
Vieles aus dem Rechnungshofbericht kann im Zusammenhang dieses Beitrags nicht aufgegriffen werden. Insgesamt zeigt sich im Bericht das nicht unproblematische Bild einer Sozialverwaltung, die es sich leistet, bei der Vollziehung der „Fürsorgeleistung Ausgleichszulage“ die Kriterien der Effizienz, Transparenz und Kundenorientierung nicht in demselben Umfang anzuwenden wie bei den anderen Leistungen, die sie im eigenen Wirkungsbereich zu vollziehen hat. Bei aller gebotenen Zurückhaltung in den Formulierungen lässt sich dem Rechnungshofbericht eine nicht unbeträchtliche Frustration darüber entnehmen, wie unbekümmert sich die Selbstverwaltungsträger PVA und Sozialversicherungsanstalt der Bauern, die Aufsichtsbehörde BMASK und der für „die Wahrnehmung der allgemeinen und gesamtwirtschaftlichen Interessen im Vollzugsbereich der Sozialverwaltung
“ (§ 31 Abs 2 Z 1 ASVG) zuständige Hauptverband der Sozialversicherungsträger die Bälle der Verantwortlichkeit für festgestellte Probleme zuspielten. Die „Sozialverwaltung“ und der Gesetzgeber sind aufgerufen, im Bereich der wichtigsten Grundsicherungsleistung Österreichs eine Modernisierung und hoffentlich auch Versachlichung in Angriff zu nehmen.