16Ruhen einer Überstundenpauschale während der Elternteilzeit
Ruhen einer Überstundenpauschale während der Elternteilzeit
Es ist in Lehre und Rsp unbestritten, dass der Vorbehalt des einseitigen Widerrufs einer vereinbarten Überstundenpauschale vereinbart werden kann.
Die bloße „Einstellung der Auszahlung“ der Überstundenpauschale konnte für einen objektiven Erklärungsempfänger nicht ohne jeden Zweifel (§ 863 ABGB) dahin verstanden werden, dass die AG damit ihre Absicht erklärte, zu widerrufen.
Nicht umfasst von der Weiterzahlungspflicht des Entgelts während bestimmter Beschäftigungsverbote und -beschränkungen nach § 14 MSchG ist allerdings das Entgelt für die Leistung von Überstunden. Auch bei Weiterbeschäftigung der schwangeren DN können daher die Verdiensteinbußen, welche dadurch eintreten, dass sie keine Überstunden mehr leisten darf, selbst wenn zulässigerweise eine Überstundenpauschale vereinbart war, nicht abgegolten werden.
Da die Vereinbarung der Überstundenpauschale, wie schon der vereinbarte Widerrufsvorbehalt erkennen lässt, in der beiderseitigen Annahme der Parteien lag, dass solche Überstunden von der AN auch tatsächlich geleistet werden, wäre das von den Parteien dem Arbeitsvertrag zugrunde gelegte Synallagma zwischen Arbeitsleistung und Entgelt erheblich gestört, wäre die AG verpflichtet, der AN die Überstundenpauschale weiter zu bezahlen, obwohl sie von ihr nicht einmal die Leistung von Mehrstunden fordern kann. Es ist daher nur konsequent und sachgemäß, wenn auch für die Dauer der Elternteilzeit der Anspruch auf die Überstundenentlohnung grundsätzlich ruht.
Die Kl ist bei der Bekl seit 2.11.2005, seit 1.1.2007 unbefristet, als Angestellte beschäftigt. Für ihre ab 1.7.2008 ausgeübte Tätigkeit als Museumsmanagerin vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien, dass die Kl 150 Überstunden pro Jahr in Form einer Überstundenpauschale finanziell und 60 Überstunden in Form von Zeitausgleich abgegolten erhält und die Überstundenpauschale jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen oder gemindert werden kann.
Im Anschluss an die Karenz nach der Geburt ihres Kindes am 12.3.2012 nahm die Kl ab dem 12.3.2013 Elternteilzeit gem § 15h MSchG in Anspruch. Sie reduzierte ihre wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 auf 30 Stunden. Seit der Rückkehr aus der Karenz leistet die Kl keine Überstunden mehr. Bis einschließlich September 2013 bezahlte ihr die Bekl die Überstundenpauschale aliquot ihrem reduzierten Beschäftigungsausmaß von 30 Stunden. Danach stellte die Bekl die Zahlung der Überstundenpauschale ohne Angabe von Gründen ein. Ein ausdrücklicher Widerruf der Überstundenpauschale erfolgte nicht.
Die Kl begehrt die Zahlung von 1.265,48 € sA an anteiliger Überstundenpauschale für die Monate Oktober 2013 bis Jänner 2014. Die Überstundenpauschale von aliquot 316,37 € brutto monatlich sei regelmäßiger Entgeltbestandteil und von der Bekl weiter zu bezahlen. Ein Widerruf sei nicht erfolgt.
Die Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte – soweit für das Revisionsverfahren noch relevant – ein, dass der Widerruf der Überstundenpauschale durch die Einstellung der Auszahlung der Pauschale erfolgt sei. Da die Kl keine Überstunden mehr leiste, gebühre ihr auch die Überstundenpauschale nicht mehr.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die kommentarlose Einstellung der Zahlung durch die Bekl sei nicht als konkludenter Widerruf iSd § 863 ABGB zu werten. Die Überstundenpauschale sei von der Bekl daher auch während der Elternteilzeit weiter zu zahlen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und wies das Klagebegehren ab. Die Kl sei aufgrund der in Anspruch genommenen Elternteilzeit nicht zur Leistung von Mehr- oder Überstunden verpflichtet. Da somit die Grundlage für die Zahlung der Überstundenpauschale weggefallen185sei, ruhe während der Dauer der Elternteilzeit der Anspruch auf die Überstundenpauschale. [...]
1. Es ist in Lehre und Rsp unbestritten, dass der Vorbehalt des einseitigen Widerrufs einer vereinbarten Überstundenpauschale vereinbart werden kann (9 ObA 61/11b ua; RIS-Justiz RS0051758; Schrank, Arbeitszeitgesetze Kommentar3 § 10 AZG Rz 27; Wolf in
Die Parteien haben zwar einen derartigen Widerrufsvorbehalt vereinbart, ein Widerruf der vereinbarten Überstundenpauschale durch die Bekl erfolgte jedoch weder ausdrücklich noch konkludent. Die bloße „Einstellung der Auszahlung“ der Überstundenpauschale konnte für einen objektiven Erklärungsempfänger nicht ohne jeden Zweifel (§ 863 ABGB; vgl RIS-Justiz RS0013947 ua) dahin verstanden werden, dass die Bekl damit ihre Absicht erklärte, die zunächst auch nach Beginn der Elternteilzeit (12.3.2013) weiter (aliquot) bezahlte Überstundenpauschale plötzlich mit Beginn des Monats Oktober 2013 zu widerrufen. Entgegen der Annahme der Kl und des Erstgerichts geht es hier aber ohnehin nicht um den dauernden Widerruf der Überstundenpauschale.
2. Nach § 15h Abs 1 Satz 1 MSchG hat die DN einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung längstens bis zum Ablauf des siebenten Lebensjahres oder einem späteren Schuleintritt des Kindes, wenn das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung ununterbrochen drei Jahre gedauert hat und die DN zu diesem Zeitpunkt in einem Betrieb mit mehr als 20 DN beschäftigt ist. Für männliche AN findet sich eine inhaltsgleiche Regelung in § 8 Abs 1 VKG. Zweck dieser Bestimmungen ist es, der DN ausreichende Zeit zur Kinderbetreuung zu gewähren und damit die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern sowie positive Impulse für das Erwerbsleben der Frauen und für eine partnerschaftliche Beteiligung des Vaters an der Betreuung des Kindes zu schaffen (ErlRV 399 BlgNR 22. GP 2; vgl 8 ObA 15/12g; auch Ercher/Stech in
3. Die Teilzeitarbeit in Abgrenzung zur gesetzlichen Normalarbeitszeit bzw zur niedrigeren kollektivrechtlichen Normalarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten regelt § 19d AZG. § 19d Abs 3 Z 1 bis 3 AZG normiert die Voraussetzungen, unter denen ein Teilzeitbeschäftigter zur Arbeitsleistung über das vereinbarte Arbeitszeitausmaß (Mehrarbeit) verpflichtet ist. Von dieser Verpflichtung sind nach § 19d Abs 8 AZG DN ausgenommen, die von der Möglichkeit der Elternteilzeit nach dem MSchG bzw dem VKG oder vergleichbarer österreichischer Rechtsvorschriften Gebrauch gemacht haben. Diese Ausnahme wird in den Gesetzesmaterialien damit begründet, dass Mehrarbeit mit der Notwendigkeit der Kindesbetreuung und uU mit finanziellen Leistungen der öffentlichen Hand (Karenzurlaubsgeld bei Teilzeitbeschäftigung) nicht im Einklang stünden (ErlRV 735 BlgNR 18. GP 44). Verpflichtende Mehrarbeit für Elternteilzeitbeschäftigte würde somit dem Sinn und Zweck der Elternteilzeit widersprechen (Schrank, Arbeitszeitgesetze Kommentar3 § 19d AZG Rz 119). Die Nichtanwendbarkeit des § 19d Abs 3 AZG bei Elternteilzeitbeschäftigung bedeutet zwar einen klaren Vorrang der Betreuungsinteressen vor etwaigen Mehrarbeitsverpflichtungen, jedoch kein Verbot von Mehrarbeit (Schrank, Arbeitszeitgesetze Kommentar3 § 19d AZG Rz 56). Erbringen Elternteilzeitbeschäftigte einvernehmlich Mehrarbeit, dann steht ihnen auch das entsprechende Entgelt zu (Heilegger/Schwarz in
4. § 8 MSchG sieht ein Verbot der Leistung von Überstunden für werdende und stillende Mütter vor. Der Grundgedanke dieses Verbots liegt in der notwendigen Rücksichtnahme auf den biologischen Tag-Nacht-Rhythmus von werdenden und stillenden Müttern (ErlRV 735 BlgNR 18. GP 22). Bei dieser Bestimmung handelt es sich um zwingendes Recht (Wolfsgruber in ZellKomm2 § 8 MSchG Rz 2). Werden entgegen diesem Verbot dennoch Überstunden geleistet, so steht der DN auch eine Überstundenvergütung zu (Ercher/Stech in
5.1. § 14 MSchG normiert einen Anspruch auf Weiterzahlung des Arbeitsentgelts für bestimmte im MSchG normierte Beschäftigungsverbote und -beschränkungen. Zweck dieser Bestimmung ist es, Entgelteinbußen, die sich aus der Anwendung der Beschäftigungsverbote und -beschränkungen ergeben, hintanzuhalten. Die DN soll jenes Entgelt erhalten, das sie ohne Beschäftigungsverbote bisher hatte (Burger-Ehrnhofer in
5.2. Nicht umfasst von der Weiterzahlungspflicht des DG ist allerdings das Entgelt für die Leistung von Überstunden, weil die taxative Aufzählung des § 14 MSchG keinen Hinweis auf § 8 MSchG enthält. Auch bei Weiterbeschäftigung der schwangeren DN können daher die Verdiensteinbußen, welche dadurch eintreten, dass sie keine Überstunden mehr leisten darf, selbst wenn zulässigerweise ein Überstundenpauschale vereinbart war, nicht abgegolten werden (4 Ob 81/74 = Arb 9348 =
6. Obwohl eine Überstundenpauschale dem DN jedenfalls auch dann zusteht, wenn die Zahl der tatsächlich geleisteten Überstunden in einzelnen Verrechnungsperioden geringer ist oder er in einzelnen Verrechnungsperioden gar keine Überstundenleistung erbringt (9 ObA 98/95 ua; vgl RISJustiz RS0051648), führt ein gänzlicher Wegfall der Überstundenleistung durch längere Zeit hindurch aufgrund eines gesetzlichen Verbots zum Ruhen des Anspruchs während der Zeit des Verbots. Dies deshalb, da die Grundlage für die Vereinbarung einer Überstundenpauschale in der beiderseitigen Annahme liegt, dass solche Überstunden auch tatsächlich geleistet werden „dürfen“ (4 Ob 81/74). Aus einer Pauschalierungsvereinbarung ist aber zumindest konkludent auf eine vertragliche Verpflichtung des DN zur Leistung von Überstunden zu schließen (vgl Pfeil in ZellKomm2 § 10 Rz 19; Schrank, Arbeitszeitgesetze Kommentar3 § 10 Rz 25). Eine Pauschalabgeltung wird regelmäßig in der Erwartung vereinbart, dass auch Überstunden zu leisten sein werden (Pfeil in ZellKomm2 § 10 Rz 22).
7. Auch im vorliegenden Fall ist – schon mangels anderer Behauptungen der Kl – davon auszugehen, dass die Kl während der in Anspruch genommenen Elternteilzeit durch längere Zeit hindurch keine Überstunden leisten wird. Da die Vereinbarung der Überstundenpauschale, wie schon der vereinbarte Widerrufsvorbehalt erkennen lässt, auch hier in der beiderseitigen Annahme der Parteien lag, dass solche Überstunden von der Kl auch tatsächlich geleistet werden, wäre das von den Parteien dem Arbeitsvertrag zugrunde gelegte Synallagma zwischen Arbeitsleistung und Entgelt erheblich gestört, wäre die Bekl verpflichtet, der Kl das Überstundenpauschale weiter zu bezahlen, obwohl sie von der Kl nicht einmal die Leistung von Mehrstunden fordern kann. Es ist daher nur konsequent und sachgemäß, wenn auch für die Dauer der Elternteilzeit der Anspruch auf die Überstundenentlohnung grundsätzlich ruht. Eine ähnliche Rechtsansicht vertreten Peschek (Anpassung von All-in-Vereinbarungen in der Eltern-Teilzeit, ecolex 2014, 985 f) und Morgenstern (All-in-Vereinbarungen und Elternteilzeit, PV-Info 3/2015, 9) im Zusammenhang mit All-in-Vereinbarungen in der Eltern-Teilzeit. Sollte die Kl Mehr- und Überstunden leisten, sind ihr diese, wie auch anderen DN, zu vergüten.
8. Diesem Ergebnis steht – entgegen der Ansicht der Revisionswerberin – auch nicht die E 8 ObA 124/03y entgegen. Da die dort von der DN bezogene Turnuszulage zumindest teilweise die im Turnusdienst zu leistende Nachtarbeit abgelten sollte, das Nachtarbeitsverbot des § 6 MSchG aber von der taxativen Weiterzahlungspflicht des § 14 MSchG umfasst ist, stand der DN die Zulage weiterhin zu. Die Turnusdienstzulage zielte aber in erster Linie auf die Entlohnung von Normalarbeitszeit ab und nicht auf die sich allfällig daraus ergebenden Überstunden.
9. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Anspruch von DN auf eine vereinbarte Überstundenpauschale für die Zeit ruht, für die sie von der Möglichkeit der Elternteilzeit nach dem MSchG bzw dem VKG oder vergleichbarer österreichischer Rechtsvorschriften Gebrauch gemacht haben. Leisten DN während der Elternteilzeit jedoch Mehr- und Überstunden, haben sie dafür auch das entsprechende Entgelt zu erhalten. [...]
Die vorliegende E ist von nicht zu unterschätzender praktischer Relevanz und wird wohl vor allem für AG erfreulich sein. Ohne weiteres Zutun ihrerseits können sie nunmehr die Zahlung einer Überstundenpauschale während einer Elternteilzeit einstellen und diese danach wieder aufnehmen. Begründet wird dies damit, dass die beiden Arbeitsvertragsparteien bei einer Überstundenpauschale idR davon ausgehen, dass die Überstunden auch tatsächlich eingefordert werden können – ist dies nicht der Fall, dann ruht die Pauschale. Dies unterscheidet sich wesentlich von der Ausübung eines Widerrufsrechtes (Pkt 1). Auch wenn diese Argumentation überzeugt, so ist doch an der Anwendbarkeit für die konkrete Sachverhaltskonstellation zu zweifeln (Pkt 2).
Hinsichtlich der Übertragbarkeit der Ergebnisse der E ist zu fragen, ob das vom OGH judizierte Ruhen bei allen Überstundenpauschalen zur Anwendung kommt. Das Höchstgericht weist nämlich in seiner Begründung darauf hin, dass eine Widerrufsmöglichkeit ein wichtiger Hinweis für eine derartige Interpretation einer Pauschalentgeltvereinbarung ist (dazu Pkt 3). Weiters ist fraglich, ob die Ergebnisse auch auf All-In-Vereinbarungen übertragen werden können und ob die durch das ArbeitsrechtsÄnderungsgesetz 2015 BGBl I 2015/152 bewirkten Änderungen (Ausweispflicht für den Grundlohn bzw das Grundgehalt) eine andere Einschätzung bewirken (Pkt 4).
In der Praxis werden Überstundenpauschalen zumeist mit einem sogenannten „Widerrufsvorbehalt“ kombiniert – AG sollen durch einseitige Erklärung von der Bezahlung der Überstunden und sonstigen Mehrleistungen im Wege einer pauschalierten Abgeltung auf eine Einzelverrechnung umstellen können. Richtigerweise kommt es daher eigentlich zu keinem Widerruf, sondern einer Umstellung der Verrechnungsmodalität, weshalb mE die Bezeichnung „Umstellungsvorbehalt“ aus-187sagekräftiger ist (so auch Risak in
Die Lösung des OGH vermeidet derartige (Interpretations-)Probleme, indem sie einfach annimmt, dass eine Pauschale automatisch für den Fall ruht, dass AN keine Überstunden bzw Mehrarbeitsstunden leisten müssen (so während der Elternteilzeit gem § 19d Abs 8 AZG). Dies hat für AG einen doppelten Vorteil: Einerseits muss kein Vorbehalt ausgeübt werden, sondern es kann die Auszahlung der Pauschale schlicht eingestellt werden und andererseits lebt die Pauschale nach der Elternteilzeit automatisch wieder auf.
Dogmatisch wird dieses Ergebnis letztlich durch eine stillschweigend vereinbarte Bedingung für die Leistung der Pauschale begründet. Der OGH verweist in diesem Sinne auf die „beiderseitigen Annahme der Parteien ..., dass solche Überstunden von der Kl auch tatsächlich geleistet werden
“ – solange diese von beiden Parteien als Grundlage für die Pauschale angenommene Bedingung nicht erfüllt ist, so lange muss diese auch nicht gezahlt werden.
Diese soeben nachgezeichnete Begründung ist grundsätzlich nachvollziehbar und im Ergebnis korrekt. Unterstützt wird sie mit dem vom OGH ausführlich dargelegten systematischen Argument, dass während der Verwendungseinschränkung schwangerer AN ebenfalls keine Überstundenentlohnung zusteht. Dennoch kann sie zur Lösung des konkreten Sachverhaltes nicht herangezogen werden, da dieser zusätzliche Elemente aufweist: Nach den Feststellungen hat die AN nämlich für mehr als ein halbes Jahr (März bis September 2013) die aliquote Pauschale ausbezahlt bekommen. Die AG ging offensichtlich während dieses Zeitraumes gar nicht von einem Ruhen wegen der Nichterfüllung einer wesentlichen Bedingung für deren Leistung aus, sondern vielmehr von einem Anspruch in einem aliquot gekürzten Ausmaß. Diese Kürzung ist wohl ebenfalls nicht ausdrücklich im Vertrag vereinbart, sondern ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung nach hypothetischem Parteiwillen. Auch hat die AG in der ersten Instanz noch damit argumentiert, dass erst später ein konkludenter Widerruf durch die Zahlungseinstellung ausgeübt worden sei. Nichts weist also darauf hin, dass die AG ursprünglich ein Ruhen der Pauschale angenommen hat – ganz im Gegenteil: Nach den etablierten Regeln über die Betriebsübung (dazu zB Rebhahn in ZellKomm2 §§ 861-864a ABGB Rz 82 ff) ist vielmehr davon auszugehen, dass die fortgesetzte Zahlung der aliquoten Pauschale ohne Gegenleistung während der Elternteilzeit einen Anspruch der AN auch dann begründet, wenn diese eigentlich kraft implizit vereinbarter Bedingung ruhen würde. Im konkreten Fall ist daher richtigerweise wegen des gelebten Vertragsverhältnisses von einem Anspruch der AN auf Fortleistung der aliquoten Pauschale auszugehen, die wohl auch nicht mehr für die Dauer der Elternteilzeit widerrufen werden kann.
Auf ein weiteres Detail der Entscheidungsbegründung ist an dieser Stelle hinzuweisen: Der OGH argumentiert, dass „schon der vereinbarte Widerrufsvorbehalt erkennen
“ lasse, dass der Vereinbarung der Pauschale die beiderseitige Annahme der Parteien zu Grunde lag, dass die damit abgegoltenen Überstunden von der AN auch tatsächlich geleistet werden. Daraus könnte der Gegenschluss gezogen werden, dass eine fehlende Widerrufsmöglichkeit ein gewichtiger Hinweis auf eine davon abweichende Risikoverteilung ist: Die AG soll die Pauschale auch dann zahlen, wenn die davon abgedeckten Mehrleistungen nicht erbracht werden. Dies ist mE jedenfalls für den Fall gut argumentierbar, dass der Grund für die Nichterbringung in der Sphäre der AG liegt (wie insb mangender Arbeitsbedarf). Anderes muss wohl dann gelten, wenn die AG zwar Mehrleistungen anordnen möchte, ihr dies aber zB wegen eines gesetzlichen Verbotes nicht möglich ist. Dieses Risiko ist anders gelagert und kann nicht ohne Weiteres der AG zugeordnet werden – es ist auch bei fehlendem Widerrufsvorbehalt nach meinem Verständnis davon auszugehen, dass wegen einer in der Sphäre der AN liegenden dauernden Nichterbringung von Mehrleistungen für deren Dauer ein Ruhen der Pauschale eintritt. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn zB wegen intensiver Betreuung schwer, uU sogar letal kranker Angehöriger jegliche Leistung von Mehr- und/oder Überstunden wegen entgegenstehender berücksichtungswürdiger Interessen der AN nach §§ 6 Abs 2, 19d Abs 3 Z 3 AZG abgelehnt wird.
Schrittwieser (Elternteilzeit: Kein Anspruch auf Weitergewährung einer Überstundenpauschale, DRdA-infas 2015, 310 [311]) weist zu Recht darauf hin, dass der Fall bei einer All-In-Vereinbarung anders zu beurteilen gewesen wäre, da dabei idR kein Entgeltteil definiert ist, der den früher erbrachten Überstundenleistungen klar zuordenbar wäre. Dies sehen die vom OGH zitierten AutorInnen (Peschek, ecolex 2014, 985; Morgenstern, PV-Info 3/2015, 9) freilich anders, die aus dem durchschnittlichen Volumen der bisher erbrachten Mehrleistungen einen Grundlohn ermitteln und so ein Ruhen des All-In-Teils des Entgelts argumentieren. Der Hinweis in der E, dass diese AutorInnen188eine „ähnliche Ansicht im Zusammenhang mit Allin-Vereinbarungen in der Eltern-Teilzeit
“ vertreten ist mE aber nicht als Hinweis für die Richtung einer zukünftigen E in dieser Frage zu verstehen. Vielmehr spricht die (bisherige) mangelnde Transparenz von All-In-Entlohnungen eindeutig gegen eine derartige Auslegung von solchen Klauseln; AN ist es idR nur auf Basis komplizierter Berechnungen möglich, ihr Einkommen während einer Elternteilzeit zu errechnen. Naheliegender ist eine Reduktion des All-In-Entgelts entsprechend der Arbeitszeitreduktion und eine Tragung des Risikos der Weiterzahlung ohne Gegenleistung durch den AG, der sich derartiger intransparenter Entlohnungsmodelle bedient. Der üblicherweise bei All-In-Klauseln fehlende Widerrufsvorbehalt ist ein zusätzliches Argument in diese Richtung.
Für ab 2016 abgeschlossene All-In-Vereinbarungen hat sich jedoch mit BGBl I 2016/152 die Rechtslage grundlegend geändert (dazu Risak, Arbeitsvertragsklauseln 2016, ZAS 2016, 57): Nunmehr ist, um die Transparenz von All-In-Verträgen zu erhöhen, der Grundlohn oder das Grundgehalt, dh das Entgelt für die Normalarbeitszeit (ErläutRV 903 BlgNR 25. GP 1), betragsmäßig schriftlich im Dienstzettel bzw im Dienstvertrag auszuweisen (§ 2 Abs 2 Z 9 AVRAG). Ist dies nicht erfolgt, gilt das angemessene Ist-Grundgehalt/der Ist-Grundlohn – iSd orts- oder branchenüblichen Ist-Gehalts/Ist-Lohns – als Grundgehalt bzw Grundlohn vereinbart (§ 2g AVRAG, idF wird aus Gründen leichterer Lesbarkeit nur noch der Begriff des Grundgehalts verwendet). Damit ist AN nunmehr auch bei einem All-In-Entgelt verhältnismäßig klar, wie hoch das Grundgehalt ist und damit welcher Teil des Pauschalentgelts der Normalarbeitszeit und welcher der Mehrleistung gewidmet ist. „Neue“ All-In-Klauseln werden sich daher in Zukunft weniger von Überstunden- und Mehrleistungspauschalen unterscheiden als bisher, da sie das Grundgehalt ausweisen müssen. Damit spricht mE nichts mehr dagegen die Aussagen der vorliegenden E auf „neue“ All-In-Klauseln zu übertragen.
Der wesentliche Unterschied zwischen All-In-Vereinbarungen und Überstunden- und Mehrleistungspauschalen wird aber weiterhin die Höhe des Grundgehalts sein: Bei ersteren wird dieser möglichst niedrig angesetzt und sich nahe dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt bewegen. Nur damit ist nämlich gewährleistet, dass – dem Zweck einer Gesamtentlohnung entsprechend – möglichst viele Leistungen inkludiert und AG mit möglichst wenigen Nachzahlungsansprüchen konfrontiert sind. Im Falle des Ruhens des „All-In-Entgeltteils“ führt dies dann dazu, dass die betroffenen AN dann auf das idR recht niedrig angesetzte Grundentgelt für die Normalarbeitszeit verwiesen werden und so häufig substanzielle Einkommensverluste zu gewärtigen haben. Es ist fraglich, ob ein derartiger Entgeltabfall von den Parteien tatsächlich beabsichtigt war oder ob das möglichst niedrige Grundgehalt nur zur Vermeidung von Entgeltnachforderungen vereinbart wurde. Diesfalls läge eine Vertragslücke für den Fall des Ruhens vor, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden kann. In Anlehnung an Peschek (ecolex 2014, 988) ist mE darauf abzustellen, in welchem Ausmaß in der Vergangenheit (in der Regel in den letzten voll gearbeiteten zwölf Monaten) Mehrleistungen erbracht wurden. Aus diesem Ausmaß ist dann ein durchschnittlicher Stundenlohn zu ermitteln, der dem monatlichen Gesamtentgelt geteilt durch die durchschnittliche monatliche Stundenanzahl unter Berücksichtigung der Über- und/oder Mehrstundenzuschläge entspricht. Dass die Parteien ein Absinken des Entgelts unter dieses in der Vergangenheit gepflogene Entgeltniveau für die Normalarbeitszeit bei einem Ruhen der Mehrleistungsabgeltung beabsichtigt haben, ist mE nicht anzunehmen. Damit kann unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der AN und der AG eine dem hypothetischen Parteiwillen entsprechende Lösung entwickelt werden, die einen jedenfalls von der AN in diesem Ausmaß niemals intendierten Entgeltabfall während einer Elternteilzeit vermeidet.189