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Unklare Stellungnahme des Betriebsrats – im Zweifel Stillschweigen

BARBARATROST (LINZ)
  1. Die Beurteilung des Inhalts der Stellungnahme des BR richtet sich danach, wie die Erklärung objektiv unter Würdigung der dem Betriebsinhaber bekannten Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte aufgefasst werden muss. Stellungnahmen, die keinen eindeutigen Erklärungsinhalt wiedergeben, sind dem Stillschweigen gleichzusetzen.

  2. Da der objektive Erklärungswert der Stellungnahme entscheidend ist, kommt es auf die Motive des BR grundsätzlich nicht an. Der AG ist auch weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die interne Willensbildung des BR anzustellen und kann daher, soweit ihm nichts Gegenteiliges bekannt ist oder bekannt sein muss, auf die Erklärungen des Betriebsratsvorsitzenden vertrauen.

[...] Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass der Kl seit 1.4.1991 bei der Bekl als Bauingenieur beschäftigt war und daher die von der Tochtergesellschaft der Bekl am 19.2.2013 ausgesprochene Kündigung des Kl zum 30.6.2013 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendete. Strittig ist nur mehr, ob (auch) die Kündigung der Bekl mit Schreiben vom 25.4.2013 zum 30.9.2013 rechtsunwirksam ist.

Mit Schreiben vom 18.4.2013 verständigte die Bekl den Angestelltenbetriebsrat der Bekl von der beabsichtigten Kündigung des Kl zum 30.9.2013. In seiner Beratung kam der BR zum Schluss, dass der Kl nicht AN der Bekl und der BR der Bekl für den Kl nicht zuständig sei, weil der Kl nicht im Wählerverzeichnis zum BR der Bekl aufschien und auch nicht für diesen BR die Betriebsratsumlage zahlte. Aus diesen Gründen beschloss der BR, der Kündigung zuzustimmen. In seiner Beratung diskutierte der BR nicht, ob soziale Gründe gegen eine Kündigung des Kl sprechen würden.

Der Betriebsratsvorsitzende teilte dem Personalbüro den Betriebsratsbeschluss mit E-Mail vom 25.4.2013 wie folgt mit:

Aufgrund der Tatsache, dass mit ... [dem Kl] ein Arbeitsvertrag zwischen der ‚... (Tochtergesellschaft) und deren Beteiligungsgesellschaften ...‘ [Adresse] (im Folgenden ‚Arbeitgeber‘ genannt), geschlossen wurde und ... [der Kl] seine Tätigkeiten in der Beteiligungsgesellschaft ... [Tochtergesellschaft] verrichtet hat, fällt ... [der Kl] nicht in den Geltungsbereich des Angestelltenbetriebsrates der ... [Bekl]. Der Betriebsrat der ... [Bekl] stimmt somit, wie in der heutigen Sitzung einstimmig beschlossen, der Kündigung von ... [Kl] zu.

Die Personalabteilung der Bekl fragte nicht nach, wie diese E-Mail zu verstehen sei.

Mit Schreiben vom 25.4.2013 kündigte die Bekl das Arbeitsverhältnis zum Kl (eventualiter) zum 30.9.2013 auf.

Die Vorinstanzen wiesen das noch revisionsgegenständliche Anfechtungsbegehren des Kl wegen Sozialwidrigkeit der Kündigung vom 25.4.2013 zum 30.9.2013 ab. [...]

[...] Die Revision des Kl ist zulässig und iSd hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Der Betriebsinhaber hat vor jeder Kündigung eines AN den BR zu verständigen, der innerhalb einer Woche hierzu Stellung nehmen kann (§ 105 Abs 1 ArbVG). Hat der BR der beabsichtigten Kündigung innerhalb einer Woche ausdrücklich zugestimmt (§ 105 Abs 4 ArbVG), so kann die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit gem § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG nicht angefochten werden (§ 105 Abs 6 ArbVG).

2. Die Stellungnahme des BR ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die an keine bestimmte Form gebunden und gegenüber dem Betriebsinhaber abzugeben ist. Die Beurteilung des Inhalts einer solchen Erklärung richtet sich danach, wie die Erklärung objektiv unter Würdigung der dem Betriebsinhaber bekannten Umstände nach Treu und Glauben unter Würdigung der Verkehrssitte aufgefasst werden muss. Klar und eindeutig muss die Stellungnahme zum Ausdruck bringen, ob der Kündigung widersprochen oder zugestimmt wird. Auf die Wortwahl kommt es nicht an. Stellungnahmen, die keinen eindeutigen Erklärungsinhalt wiedergeben, sind dem Stillschweigen gleichzusetzen (RIS-Justiz RS0101805; Wolliger in ZellKomm2 § 105 ArbVG Rz 50). Da der objektive Erklärungswert der Stellungnahme entscheidend ist, kommt es auf die Motive des BR grundsätzlich nicht an (vgl 9 ObA 148/99a; 8 ObA 177/01i). Der AG ist auch weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die interne Willensbildung des BR anzustellen und kann daher, soweit ihm nichts Gegenteiliges bekannt ist oder bekannt sein muss, auf die Erklärungen des Betriebsratsvorsitzenden vertrauen (RIS-Justiz RS0051490; RS0051485).

3. Die hier in Rede stehende Erklärung des BR bringt nicht klar und eindeutig zum Ausdruck, dass er der Kündigung des Kl zustimmen wollte. Die vorstehend wörtlich wiedergegebene Erklärung des BR besteht aus zwei Sätzen: Im 1. Satz hält der BR fest, dass er für den Kl nicht zuständig ist. Im 2. Satz stimmt der BR der Kündigung des Kl zu. Betrachtet man die beiden Sätze isoliert, ist jeder Satz für sich klar und eindeutig. Der BR verhinderte aber schon durch den im 2. Satz verwendeten Ausdruck „somit“ eine isolierte Betrachtung des 2. Satzes unter Ausblendung des 1. Satzes. Zur Vermeidung von Missverständnissen sei klargestellt, dass es hier nicht darum geht, die Motive des BR bei der Zustimmung zur Kündigung zu hinterfragen (9 ObA 38/13y). Die eigene Unzuständigkeit taugt auch nicht zum Motiv, wenn man von konstruierten Situationen absieht. Geprüft werden muss aber in jedem Fall, ob überhaupt eine klare und eindeutige Zustimmung des BR zur Kündigung vorliegt. Dieser Prüfung muss die gesamte190 Erklärung des BR zugrunde gelegt werden. Eine vordergründige Zustimmung kann nämlich durch weitere Beifügungen in der Erklärung des BR wieder in Frage stehen.

Der BR der Bekl stellte hier mit der gebrauchten Wortwahl („somit“) eine enge inhaltliche Koppelung des 2. Satzes (Zustimmung zur Kündigung) mit dem 1. Satz (Feststellung mangelnder Zuständigkeit für den Kl) her. Diese Verknüpfung ergibt aber in der vorliegenden Form für den objektiven Betrachter der gesamten Erklärung keinen nachvollziehbaren Sinn. Dass der Zustimmungserklärung des unzuständigen BR zur Kündigungsabsicht des Betriebsinhabers keine Bedeutung zukommen kann, bedarf keiner besonderen Erörterung (vgl RIS-Justiz RS0051555; RS0051619 ua). Der BR ließ auch bezüglich der eigenen Überzeugung, für den Kl nicht zuständig zu sein, gar keinen Spielraum offen („Aufgrund der Tatsache ... fällt ... nicht in den Geltungsbereich“). Ob eine bedingte Zustimmung für den Fall, dass der BR entgegen seiner Annahme doch zuständig sein sollte, die Voraussetzungen einer ausdrücklichen Zustimmung iSd § 105 Abs 4 ArbVG erfüllt, braucht mangels Vorliegens nicht erörtert werden.

4. Da die Stellungnahme des BR im Ergebnis keinen klaren und eindeutigen Erklärungsinhalt wiedergibt, ist sie einem Stillschweigen des BR gleichzusetzen (Gahleitner in

Gahleitner/Mosler
, Arbeitsverfassungsrecht Bd 35 § 105 ArbVG Rz 49 mwN). Damit wurde dem Kl aber das Recht, die Kündigung gem § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG anzufechten, nicht genommen. Für die Bekl lag keine verwertbare Zustimmung des BR vor.

5. Die Rechtssache ist aber noch nicht spruchreif. Zunächst wird das Erstgericht – allenfalls nach weiteren Beweisaufnahmen und Feststellungen – über die Behauptung der Bekl zu entscheiden haben, der Kl sei als leitender Angestellter iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG anzusehen und damit vom II. Teil des ArbVG ausgenommen. Verneinendenfalls wird es die Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG zu prüfen haben.

6. In Stattgebung der Revision des Kl waren die Entscheidungen der Vorinstanzen daher im angefochtenen Umfang aufzuheben. [...]

ANMERKUNG

Betriebsratskollegien tragen eine hohe Verantwortung für sachgerechte Entscheidungen im gemeinschaftlichen Interesse der Belegschaft und sind sich derselben in der Regel auch bewusst. Zu den wichtigsten Aufgaben gehört zweifellos die Ausübung der Mitbestimmungsrechte bei Kündigungen. Trotz des grundsätzlich verantwortungsbewussten Umgangs mit diesen Befugnissen sind doch verhältnismäßig oft Stellungnahmen von Betriebsräten im Rahmen des betriebsverfassungsrechtlichen Vorverfahrens Gegenstand von Auseinandersetzungen. Von den zahlreichen, dabei auftretenden Fragestellungen werden dann – so wie auch hier – jeweils nur einzelne Details zum Gegenstand eines Verfahrens. Trotz der im Ergebnis richtigen E bleiben auch im gegenständlichen Fall wichtige Fragen offen. Wenn auch im begrenzten Rahmen einer Anmerkung bei weitem nicht alle offenen Probleme gelöst werden können, soll doch wenigstens versucht werden, die knappen und in der Begründung lückenhaften Aussagen des OGH im Kontext der Gesamtproblematik verständlicher zu machen.

1.
Zur Bedeutung der Stellungnahme des BR im betriebsverfassungsrechtlichen Vorverfahren
1.1.
Die fristverkürzende Wirkung

Ob sich der BR überhaupt zu einer Kündigung äußert oder nicht, ist nur dann von Bedeutung, wenn der Betriebsinhaber innerhalb der einwöchigen Frist gem § 105 Abs 1 ArbVG die Kündigung ausspricht. Die inhaltliche Aussage der Stellungnahme ist in diesem Kontext irrelevant. Wichtig ist hier nur, dass aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers die Aussage des Betriebsratsvorsitzenden als endgültiges Statement zur Kündigung betrachtet werden durfte (vgl Trost in

Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz [2012] § 105 Rz 157). So ist etwa nach mittlerweile anerkannter Auffassung auch die Aussage, der BR werde „keine Stellungnahme“ abgeben, als fristverkürzende Stellungnahme anzusehen (vgl OGH 9 ObA 193/00yDRdA 2001, 180 = ASoK 2001, 163 = RdW 2001, 400; OGH9 ObA 8/04yRdW 2005, 37). Liegt allerdings überhaupt keine wirksame Stellungnahme vor, zB weil der Stellungnahmebeschluss bereits im Vorhinein („auf Vorrat“) gefasst wurde und die Stellungnahme durch den Betriebsratsvorsitzenden spontan nach Mitteilung der Kündigungsabsicht abgegeben wurde (vgl OGH9 ObA 92/87infas 1988 A 49) oder weil der Betriebsinhaber im Vertrauen darauf, dass der BR ohnehin grundsätzlich noch nie einer Kündigung widersprochen habe, die sofortige Äußerung des Betriebsratsvorsitzenden zur Grundlage seines Handelns macht (vgl OGH9 ObA 5/99xArb 11.858 = = infas 1999 A 88 = RdW 2000/664), so sind die Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung gem § 105 Abs 2 ArbVG nicht gegeben. Die innerhalb der Frist ausgesprochene Kündigung ist bei unwirksamer Stellungnahme ebenso a priori rechtsunwirksam, wie in jenen Fällen, in welchen die Kündigung überhaupt vor Kontaktnahme mit dem BR bzw vor einer Reaktion desselben ausgesprochen wurde.

Wann immer also eine Kündigung innerhalb der einwöchigen Stellungnahmefrist ausgesprochen wird, ist daher zur Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung nicht nur zu fragen, ob der BR verständigt wurde und ob eine Reaktion des BR auf die mitgeteilte Kündigungsabsicht vorgelegen war. Es ist auch zu prüfen, ob die allenfalls erfolgte Stellungnahme des BR rechtswirksam war. Im gegenständlichen Fall scheint diese Problematik relevant: Die Kündigungsabsicht wurde dem Betriebsratsvorsitzenden am 18.4.2013, einem Donnerstag,191 mitgeteilt. Mit Schreiben vom 25.4.2013, einem Donnerstag, und damit dem letzten Tag der einwöchigen Frist (vgl zur Berechnung ausführlich Trost in

Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz § 105 Rz 164), wurde das Arbeitsverhältnis aufgekündigt (wobei dem im Urteil referierten Sachverhalt nicht zu entnehmen ist, ob an diesem Tag das Schreiben auch zugegangen ist).

Dem ersten Anschein nach sieht der OGH die Problematik der Wirksamkeit der Stellungnahme wie dargelegt. Anders lässt sich die Aussage nicht erklären, es sei „strittig ..., ob (auch) die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 25.4.2013 zum 30.9.2013 rechtsunwirksam ...“ sei. Bedauerlicherweise geht der OGH in der Folge auf diese „strittige“ Frage mit keinem Wort mehr ein. Das vom Höchstgericht Versäumte soll hier unter Pkt 2. nachgeholt werden.

1.2.
Der Inhalt der Stellungnahme

Der Inhalt der Stellungnahme des BR ist ausschließlich im Zusammenhang mit einer nachfolgenden Anfechtung der Kündigung relevant. Vorwegzuschicken ist aber, dass eine Anfechtung nach absolut unbestrittener ständiger Judikatur (vgl zB bereits VwGH1280/77

[Spielbüchler]
= = ZAS 1979, 184 [Schrammel] = ÖJZ 1979/272 A = ZfVB 1979/1199; VwGH2300/75Arb 9599 = ZAS 1978, 188 [Floretta], sodann OGH9 ObA 29/90ARD 4171/23/90; OGH9 ObA 142/94Arb 11.248 = ecolex 1994, 834; OGH9 ObA 90-92/95ARD 4731/7/96) das Vorliegen einer rechtswirksamen Kündigung voraussetzt. Ob also eine Stellungnahme wirksam ist – zu den möglichen Ursachen einer Unwirksamkeit vgl sogleich unter 2.) –, ist daher als Vorfrage zu prüfen, weil bei rechtsunwirksamer (oder nicht wirksam zugegangener, oder verspätet zugegangener und aus diesem Grunde unwirksamer) Stellungnahme die Kündigung ohnehin gem § 105 Abs 2 ArbVG rechtsunwirksam und daher einer Anfechtung entzogen wäre.

Erst wenn feststeht, dass eine wirksame Stellungnahme fristgerecht zugegangen ist, wird deren Inhalt für das nachfolgende Anfechtungsverfahren relevant. Da Stellungnahmen des BR nicht immer klar als ausdrücklicher Widerspruch, ausdrückliche Zustimmung oder als Erklärung, keine Stellungnahme abgeben zu wollen, erkennbar sind, der wahre Inhalt aber für das weitere Procedere von großer Tragweite sind, kommt der Auslegung der Aussagen des BR besondere Bedeutung zu. Insb hinsichtlich der Frage, ob eine ausdrückliche Zustimmung vorliegt, ist hier wegen der Auswirkungen des partiellen Sperrrechts äußerste Vorsicht geboten (vgl problematisch insofern zB OGH9 ObA 2139/96sArb 11.533 = RdW 1997, 33 = ASoK 1997, 30, wo bereits die Aussage, dass gegen die Kündigung „keinerlei Einwände bestehen“ als ausdrückliche Zustimmung gesehen wurde). Umgekehrt kann die Wichtigkeit und Notwendigkeit einer eindeutigen Zustimmungserklärung des BR dort, wo eine solche sachlich dringend geboten erscheint, nicht genug betont werden (vgl nur zB OGH8 ObA 4/15vARD 6458/13/2015; wo der BR mit der ausdrücklichen Zustimmung zur Kündigung einer Vorgesetzten auf deren untragbares Verhalten gegenüber Untergebenen reagiert hat; vgl dazu Lindmayr, Rechtzeitige Geltendmachung eines Kündigungsgrundes, ARD 2015, 12). Im Sperrrecht und dessen sachgerechter Ausübung spiegelt sich der unumstößliche Grundsatz, dass der BR als Belegschaftsvertretungsorgan die kollektiven AN-Interessen wahrzunehmen hat, welche das Individualinteresse des einzelnen AN in den Hintergrund treten lassen (vgl bereits Strasser im ArbVG-HK [1975] 236, 599 f; Floretta im ArbVG-HK 619 ff; vgl insb ausführlich Trost in

Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz § 105 Rz 15 ff; weiters zB M. Binder zu OGH9 ObA 351/89
[144]
).

Genau in diesem Sinne will der Gesetzgeber das Sperrrecht verstanden wissen. Eine Sanktion freilich für eine „unkorrekte“ Ausübung ist im Gesetz lediglich in § 42 Abs 1 Z 4 ArbVG, nämlich in der Möglichkeit der Belegschaft, den unrechtmäßig handelnden BR zu entheben, verankert (vgl bereits in eben solchem Kontext M. Binder,

). Mit Recht weist daher der OGH in der vorliegenden E auch auf die herrschende Rsp hin, wonach es auf die Motive des BR bei der Ausübung des Sperrechtes „grundsätzlich“ nicht ankomme. Ob es von diesem „Grundsatz“ Ausnahmen geben kann, lässt der OGH offen (vgl aber dazu unten 2.).

Schließlich ist zur wirksamen Stellungnahme selbst noch zu bemerken, dass eben nur unmissverständlichen Stellungnahmen prozessbestimmende Wirkung zukommen kann. Dies gilt sowohl für den ausdrücklichen Widerspruch als auch – noch viel mehr – für die ausdrückliche Zustimmung. Während am ausdrücklichen Widerspruch die Entscheidung hängt, wer primär zur Anfechtung berechtigt ist (§ 105 Abs 4 ArbVG), wird durch die ausdrückliche Zustimmung der Weg des AN zur Anfechtung einer (vielleicht faktisch zweifelsfrei) sozial ungerechtfertigten Kündigung versperrt. Richtig betont der OGH daher, dass einer nicht eindeutigen Erklärung weder ausdrücklich zustimmender noch ausdrücklich widersprechender Inhalt unterstellt werden kann. Eine solche Erklärung sei einem Stillschweigen gleichzusetzen.

Ergänzend dazu ist anzumerken, dass bei dieser (richtigen) Beurteilung zwischen den beiden Wirkungen des betriebsrätlichen Verhaltens im Vorverfahren zu differenzieren ist. Es ist nämlich im allgemeinen „Stillschweigen“ nur jener Vorgang, welcher erst nach Ablauf der Wochenfrist festgestellt werden kann. Liegt aber eben eine Stellungnahme vor, und ist diese wegen ihrer Undeutlichkeit weder als ausdrücklicher Widerspruch noch als ausdrückliche Zustimmung zu werten, so wirkt diese Stellungnahme zwar „fristverkürzend“, aber nicht prozessbestimmend. Eine unklare Stellungnahme ist daher einer solchen Stellungnahme gleichzusetzen, in welcher etwa ein BR ausdrücklich erklärt, er werde sich zur Kündigungsabsicht nicht äußern. Keinesfalls kann eine unklare Stellungnahme schlicht als „Nicht-Stellungnahme“192 (iS einer unwirksamen Stellungnahme) bezeichnet oder betrachtet werden, und es tritt daher durch eine solche keine rückwirkende Rechtsunwirksamkeit der Kündigung gem § 105 Abs 2 ArbVG ein.

2.
Mängel der Stellungnahme und deren mögliche Folgen

Dessen ungeachtet muss aber allgemein die Frage erörtert werden – und es hätte dies, weil doch der OGH selbst die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung prüfen wollte, auch im vorliegenden Fall getan werden müssen –, ob eine tatsächlich abgegebene Stellungnahme eines BR einem Mangel unterliegen kann, welcher diese rechtsunwirksam machen könnte. Anders gefragt: Gibt es abgegebene Stellungnahmen des BR, welche die Voraussetzungen des § 105 Abs 2 ArbVG in der Weise nicht erfüllen, dass trotz Stellungnahme die danach innerhalb der Wochenfrist ausgesprochene Kündigung rechtsunwirksam wäre?

Ja, in der Tat kann es diese Fälle geben – nämlich, wie bereits ausgeführt, wenn es für den Betriebsinhaber erkennbar an einem zugrundeliegenden Beschluss des BR mangelt, er sich also nicht auf den Gutglaubensschutz, wie er sich aus § 71 ArbVG ergibt, verlassen konnte. Aber gibt es darüber hinaus auch Varianten, in welchen der Betriebsinhaber auf die beschlussmäßige Deckung vertrauen durfte, der Stellungnahme aber dennoch keine Wirkung zukommt?

Erörtert wurde in diesem Zusammenhang zB die Frage, ob die Stellungnahme dann unwirksam sein könne, wenn der Betriebsratsvorsitzende bewusst den Beschluss des BR unrichtig weitergibt. Hierzu ist zunächst ein Blick auf die hL zu § 875f ABGB zu werfen, wonach eine Zurechnung einer Erklärung zum Geschäftsherrn dann nicht möglich ist, wenn sie der Erklärungsbote vorsätzlich verfälscht (vgl zB Rummel in

Lukas/Rummel
, ABGB4 [2014] § 871 Rz 8; Riedler in
Schwimann/Kodek
, ABGB-Praxiskommentar Bd 44 [2014] § 871 Rz 11 FN 58). Allerdings wurde früh schon mit guten Argumenten belegt, dass der Betriebsratsvorsitzende im strengen Rechtssinne weder Bote noch Vertreter, sondern allenfalls „botenähnliches Organ eigener Art“ ist (Spielbüchler zu OGH4 Ob 35/67
[92]
; Keinert, Die Vertretung des Betriebsratsfonds als Sonderfall der Vertretung des Betriebsrats I,
[127]
) und daher nicht alles, was zum Boten iSd ABGB vertreten wird, uneingeschränkt übernommen werden kann. Einzuräumen ist aber, dass der hinter der Wertung zu § 875 ABGB stehende Grundgedanke auch für das Verhalten des Betriebsratsvorsitzenden nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Genau betrachtet bedeutet allerdings selbst die Übernahme dieser Überlegungen aus den Ausführungen zum ABGB nicht die absolute Nichtigkeit der Erklärung des Vorsitzenden. Immerhin stünde danach gem § 875 ABGB nur die Zurechnung zum „Geschäftsherrn“ (in diesem Fall das Kollegialorgan BR) zur Disposition, sodass sich wohl auch nur dieser (also der BR als Ganzes) auf eine allfällige Unwirksamkeit einer solchen Stellungnahme berufen könnte. Nach dieser Auffassung (vgl zB Geroldinger, Die Zurechnung Dritter nach § 875 ABGB – Zugleich ein Beitrag zum Übermittlungsfehler des Erklärungsboten [2. Teil], JBl 2012, 94; ähnlich im Übrigen auch zum deutschen Recht Armbrüster, Münchener Kommentar zum BGB Bd 17 [2015] § 120 Rz 4) muss sich allerdings der Geschäftsherr die Aussage des die Erklärung vorsätzlich entstellenden Boten zurechnen lassen und kann allenfalls einen Erklärungsirrtum geltend machen.

Noch weniger als in dem dargestellten Fall der absichtlichen Verfälschung eines Beschlussinhaltes kann man bei Mängeln geringerer Intensität zu einer (absoluten) Unwirksamkeit der Stellungnahme gelangen. So bleibt insb die Stellungnahme bei Verletzungen interner Vorschriften über die Willensbildung bzw Verfahrensmängeln nach richtiger stRsp aufrecht (vgl bereits zB OGH4 Ob 173/53JBl 1954, 233; EA LeobenRe 24/77Arb 9632; VwGH207/77ZAS 1980, 106 [Jabornegg]). Allenfalls kann zB wegen Täuschung der BR selbst (vgl OGH9 ObA 351/89

[M. Binder]
) oder ein einzelnes Betriebsratsmitglied den Beschluss anfechten, wobei sich aber eine inhaltliche gerichtliche Nachprüfung des Entschlusses verbietet, soweit es um die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens oder um die Anwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe geht (vgl OGH9 ObA 262/89ZAS 1991, 14 ff [Rebhahn]).

Gerade der zuletzt erwähnte Grundsatz ist in jüngerer Zeit verstärkt ins Gespräch gekommen. Als Auslöser hierfür darf wohl vor allem die E des OGH vom 25.6.2013, 9 ObA 38/13y, genannt werden, in deren Folge unterstellt wurde, der OGH hätte nicht ausreichend berücksichtigt, dass hier ein Zustimmungsbeschluss aus dem Motiv der Rache getroffen worden wäre (vgl Schima, Sperrrecht, Vertrauens- und Rechtsschutz im betrieblichen Vorverfahren und Ermessenskontrolle bei Betriebsratsentscheidungen, JBl 2014, 80 ff). Mit ausgereiften Argumenten widerlegt Schneller (in

Gahleitner/Mosler
[Hrsg], ArbVR Bd 35 § 115 Rz 24 ff) die Forderungen von Schima (JBl 2014, 80 ff) und liefert gute Gründe, warum eine Übertragung der Corporate Governance- und Business-Judgement-Rule-Grundsätze auf Ermessensentscheidungen von Betriebsratskollegien keinesfalls Anwendung finden kann.

Die schon bisherige hA, wonach das ArbVG dem BR inhaltlich fast unbeschränktes Ermessen einräumt (vgl nur Mosler in

Tomandl
, ArbVG [1. Lfg 2005] § 68 Rz 15; ders, Der praktische Fall – Ein mangelhafter Betriebsratsbeschluss und eine problematische Kündigung, DRdA 2005, 74 ff; Schneller in
Gahleitner/Mosler
[Hrsg], ArbVG Bd 35 § 115 Rz 24 ff; und bereits früher zB Adamovic, Die Geschäftsführung des Betriebsrates, in
Tomandl
[Hrsg], Offene Fragen des Betriebsverfassungsrechtes [1989] 1 ff [9] uvm) wurde also nicht widerlegt und darf nach wie vor als Grundsatz bestehen bleiben. Als Ausnahme von diesem Grundsatz lässt Mosler (in
Tomandl
, ArbVG [1. Lfg] § 68 Rz 15, unter Berufung auf Rebhahn, ZAS 1991, 17 f) die Variante zu, der Beschluss könne gegen die guten Sitten verstoßen (so übrigens bereits grundlegend193 zum seinerzeit noch beide Anfechtungstatbestände umfassenden Sperrrecht Trost, Die rechts- oder sittenwidrige Kündigung,
[4 ff]
, sowie Firlei, Motivkündigungen von Arbeitnehmern und kollektivrechtliche Konstruktion des allgemeinen Kündigungsschutzes, in FS Rabofsky [1976] 139 ff). Als Beispiel dafür führt er ua an, es sei eine Zustimmung zu einer Kündigung nur deshalb erfolgt, um einen politischen Gegner loszuwerden. Es sei in diesem Fall nicht nur Schadenersatz die Folge, sondern auch die Ungültigkeit des Beschlusses. Dem tritt materiell mit guten Argumenten Weiß entgegen (Probleme bei der Stellungnahme zur Kündigung, DRdA 2011, 569 ff), indem er etwa zu bedenken gibt, dass sich eine solche Sittenwidrigkeit allenfalls aus dem Motiv ergeben könne, welches sich aber wiederum aufgrund der Nichtüberprüfbarkeit der demokratischen Willensbildung des Organs in der Praxis nicht ergründen ließe. Die Problematik der Nichtüberprüfbarkeit des Motivs – die auch in der gegenständlichen E des OGH relevant ist – sieht übrigens auch Mosler (in
Tomandl
, ArbVG [1. Lfg] § 68 Rz 15), indem er darauf hinweist, dass der Beschluss des BR eben grundsätzlich keiner Begründung bedürfe.

Selbst wenn man also davon ausginge, das Motiv des BR wäre ein sittenwidriges, es wäre dieses auch (im Nachhinein) feststellbar und es könne auch zur Ungültigkeit (Rechtsunwirksamkeit) des Beschlusses führen, wäre aber noch die Frage zu klären, wer sich tatsächlich auf eine solche Unwirksamkeit des Beschlusses berufen könnte. Selbst im Falle der Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB ist nämlich die Rechtsfolge im Regelfall nur die relative Nichtigkeit. Eine absolute Nichtigkeit beschränkt sich nach hA auf Verstöße gegen Gesetze, die dem Schutz von Allgemeininteressen, der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienen (vgl nur zB Krejci in

Rummel/Lukas
, ABGB4 § 879 Rz 511; vgl aber schon im Kontext mit dem absolut zwingenden Charakter des Betriebsverfassungsrechts und hier wiederum auch mit Bezug auf das dem BR eingeräumte Ermessen Jabornegg, Absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht 367 ff [375] in FS Strasser [1983]). Das geschützte Allgemeininteresse könnte hier allenfalls eines auf Wahrung der (nicht gerichtlich überprüfbaren) inhaltlichen Ermessensfreiheit des BR sein. Da aber die Befugnisausübung kraft Gesetzes im Interesse der Betriebsbelegschaft und nicht des einzelnen AN steht, wird selbst beim Verdacht der Sittenwidrigkeit ein Recht zur Geltendmachung der relativen Nichtigkeit durch den AN schwer begründbar sein (vgl in diesem Sinne wohl auch Weiß, DRdA 2011, 569 ff), es sei denn, man argumentierte, der AN mache mit der Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit, so wie mit der Anfechtung eben auch, nicht sein Individualinteresse, sondern das Interesse der Belegschaft geltend – ein Ansatz, der aber im Rahmen dieser Besprechung nicht weiter vertieft werden kann.

Bleibt also festzuhalten, dass die Möglichkeiten, eine Rechtsunwirksamkeit einer Stellungnahme des BR feststellen zu lassen (oder sich auf eine solche zu berufen), äußerst begrenzt, wenn auch nicht völlig ausgeschlossen sind.

Dass aber eine absolut unsinnige, weil durch und durch unschlüssige Stellungnahme, die als solche beschlossen wurde, rechtsunwirksam sein könnte, wurde indes, soweit ersichtlich, noch nie behauptet. Genau um einen solchen Fall könnte es sich aber hier handeln. Tatsächlich ist dem OGH aber im Ergebnis vollkommen zuzustimmen, dass hier eben höchstens eine unverständliche, keinesfalls aber eine rechtsunwirksame Stellungnahme vorliegt.

3.
Ergebnis

Fest steht nach all dem, dass von den ohnehin praktisch kaum jemals in Betracht kommenden Varianten rechtsunwirksamer Stellungnahmen des BR hier nicht einmal ein vager Verdacht auf das Vorliegen einer solchen angezeigt ist. Dem OGH ist demgemäß lediglich vorzuwerfen, dass er kryptisch die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung (welche in diesem Sachverhalt nur eine gem § 105 Abs 2 ArbVG eintretende Folge einer unwirksamen Stellungnahme sein hätte können) als Frage von Relevanz an den Beginn stellt. Er lässt auf diese Weise zu, dass sich im Auge des Betrachters automatisch die „Stellungnahme ohne nachvollziehbaren Inhalt“ mit der „unwirksamen Stellungnahme“ vermischt. Gerade weil zu diesem Thema schon viel – und nicht immer hinreichend Begründetes und Nachvollziehbares (vgl insb Schima, JBl 2014, 80 ff) – vertreten wurde, war diese Vermischung fahrlässig und durchaus entbehrlich. Die schlichte Auslegung der Stellungnahme im Hinblick auf ein allfälliges Anfechtungsverfahren hätte durchaus genügt.194