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Kein Abfindungsanspruch gem § 5 Abs 2 AVRAG bei Selbstkündigung des Arbeitnehmers gem § 3 Abs 5 AVRAG

MICHAELREINER (WIEN)
  1. Der Abfindungsanspruch nach § 5 Abs 2 AVRAG setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis des AN auf den Erwerber übergeht und dass deshalb die Pensionszusage wegfällt. Dies gilt auch bei Wegfall einer kollektivvertraglichen Pensionszusage.

  2. Bei Selbstkündigung des AN gem § 3 Abs 5 AVRAG steht diesem kein Abfindungsanspruch nach § 5 Abs 2 AVRAG zu. Die Betriebsübergangs-RL 2001/23/EG steht dem nicht entgegen.

Der Kl war [...] als Pilot [...] beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis war der KollV für das Bordpersonal [...] anzuwenden.

Die Bekl verfügte mit Wirksamkeit 30.6./1.7.2012 einen Betriebsübergang des Flugbetriebs auf die T GmbH. Zwischen den Parteien herrscht Einigkeit darüber, dass die Fragen, ob dieser Übergang rechtswirksam ist und ob allfällige Nachwirkungen des KollV bestehen, für das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung sind. Die Bekl kam im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang ihrer Informationspflicht nach § 3a AVRAG dadurch nach, dass sie mit dem Informationsschreiben „Betriebsübergang“ vom 1.5.2012 die Belegschaft schriftlich darüber informierte, dass der geplante Betriebsübergang mit einer wesentlichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verbunden sein werde. Ua wurde darauf hingewiesen, dass die Bedingungen der Pensionskassenzusage sich künftig nach der T BV „BV BOI Pensionskasse“ richten werden. Nach Erhalt dieser Information erklärte der Kl gem § 3 Abs 5 AVRAG seine Kündigung zum 30.6.2012.

Der Kl erhob zunächst ein Zahlungsbegehren, das auf die Anwartschaftsabfindung nach § 5 Abs 2 AVRAG gerichtet ist. [...]

Dazu brachte der Kl vor, dass er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber nicht widersprochen habe. Die begünstigte Selbstkündigung und damit der Umstand, dass er den Betriebsübergang nicht mitgemacht habe, sei für den geltend gemachten Anspruch ohne Bedeutung. Der Begriff „Wegfall“ iSd § 5 Abs 2 AVRAG sei so auszulegen, dass auch eine wesentliche Verschlechterung oder eine pensionsmindernde Neuregelung der Betriebspensionszusage infolge Betriebsübergangs erfasst sei. [...]

Die Bekl entgegnete, dass die Anwartschaftsabfindung nach § 5 Abs 2 AVRAG voraussetze, dass der AN den Betriebsübergang mitgemacht habe. Das Dienstverhältnis des Kl sei jedoch infolge Selbstkündigung schon vor dem Betriebsübergang beendet worden. Weitere Voraussetzung für diesen Unverfallbarkeitsbetrag sei, dass durch den Betriebsübergang die betriebliche Pensionszusage wegfalle. Auch diese Voraussetzung sei im Anlassfall nicht gegeben. Dem Kl verbliebe nur der Unverfallbarkeitsbetrag nach § 5 Betriebspensionsgesetz (BPG). Dieser Anspruch richte sich jedoch gegen die Pensionskasse. [...]

Das Erstgericht wies sowohl das Hauptbegehren als auch die Eventualbegehren ab. [...] Nicht der Betriebsübergang, sondern die Selbstkündigung sei Ursache für den Wegfall der betrieblichen Pensionszusage gewesen. [...]

Das Berufungsgericht bestätigte diese E. Die Anspruchsgrundlage des § 5 Abs 2 AVRAG beziehe sich nur auf Fälle, in denen der AN den Betriebsübergang mitmache. Außerdem gebühre die in Rede stehende Anwartschaftsabfindung nur bei Wegfall einer Pensionszusage infolge Betriebsübergangs. Auch diese Voraussetzung sei nicht gegeben. Werde bei Kollektivvertragswechsel eine für den AN bessere durch eine schlechtere Pensionszusage ersetzt,198so gebühre nach dem Wortlaut keine Differenzabfindung. Der Gesetzgeber habe eine mögliche Verschlechterung der Pensionszusage bei einem Kollektivvertragswechsel kaum übersehen können. [...] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob eine Pensionsabfindung nach § 5 Abs 2 AVRAG auch DN zustehe, die den Betriebsübergang nicht mitgemacht haben, und gegebenenfalls dazu, ob dafür der Wegfall oder auch eine Minderung der betrieblichen Pensionszusage vorausgesetzt sei, höchstgerichtliche Rsp fehle.

Gegen diese E richtet sich die Revision des Kl, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Bekl, der Revision den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zum Anspruch auf begünstigte Anwartschaftsabfindung nach § 5 Abs 2 AVRAG eine Klarstellung durch den OGH geboten erscheint. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

1.1 Der Kl steht im Revisionsverfahren weiterhin auf dem Standpunkt, § 5 Abs 2 AVRAG verlange nach seinem Wortlaut nicht, dass der DN den Betriebsübergang mitmache und das Dienstverhältnis auf den Erwerber übergehe. Zweck der Bestimmung sei, alle vom AN bis zum Betriebsübergang erworbenen Ansprüche zu sichern und abzufinden. Dies gelte auch dann, wenn der AN privilegiert gekündigt habe (§ 3 Abs 5 AVRAG), um einer Verschlechterung der bisherigen Pensionsregelung zu entgehen. Auch nach § 5 Abs 4 AVRAG werde der Betriebsübergang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gleichgestellt. Die Betriebsübergangs-RL (RL 2001/23/EG) bezwecke den Schutz und den Erhalt von Rechten und Ansprüchen der AN.

1.2 Im Anlassfall ist unstrittig, dass der Kl den Betriebsübergang nicht „mitgemacht“ hat, weiters dass für übernommene AN die kollektivvertragliche (leistungsorientierte) Pensionskassenzusage durch ein schlechteres (beitragsorientiertes) Pensionskassenmodell auf Basis einer BV ersetzt wurde, es also nicht zu einem Wegfall der betrieblichen Pensionszusage, sondern zu einer Verschlechterung der Bedingungen kam.

2.1Gahleitner (in ZellKomm2 § 5 AVRAG Rz 9) führt im gegebenen Zusammenhang – ohne nähere Begründung, gleichsam als selbstverständlich – aus, dass die Anwartschaftsabfindung gem § 5 Abs 2 AVRAG in allen Fällen gebühre, die zu einem Wegfall der bisherigen betrieblichen Pensionszusage führten, unabhängig davon, ob diese im Einzelvertrag, in einer BV oder im KollV geregelt gewesen seien. In dieser Hinsicht hat die Autorin die Gesetzesmaterialien (RV 1077 BlgNR 18. GP 13) für sich. Dort wird Folgendes ausgeführt:

„Diese Abfindungsregelung gilt auch für andere Fälle des Wegfalls einer betrieblichen Pensionszusage infolge Betriebsübergangs, insbesondere infolge Kollektivvertragswechsels oder -wegfalls oder durch Wegfall der Betriebsvereinbarung. Nach § 5 Abs 2 ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abfindung der bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs erworbenen Anwartschaften als Unverfallbarkeitsbetrag im Sinn des Betriebspensionsgesetzes definiert. ...“

2.2Binder (AVRAG2 § 5 Rz 2 ff) hebt allerdings zutreffend hervor, dass § 5 AVRAG an sich nur die individualrechtliche Pensionszusage betrifft. Im Fall des „Wegfalls“ der betrieblichen Pensionszusage etwa durch einen Kollektivvertragswechsel stellt sich daher die Frage, ob dem AN überhaupt eine Widerspruchsmöglichkeit nach § 3 Abs 4 AVRAG zusteht, zumal diese Bestimmung ausdrücklich auf die Nichtübernahme der betrieblichen Pensionszusagen nach § 5 AVRAG abstellt. Binder tritt für eine solche Ausdehnung des Widerspruchsrechts ein (Rz 54). Sollte der vom Wegfall des kollektivvertraglichen Versorgungssystems betroffene AN dem Vertragsübergang nicht widersprechen, so würden ihm § 5 Abs 2 und 3 AVRAG einen (vom BPG abgehobenen) Abfindungsanspruch bezüglich der beim Veräußerer erworbenen Pensionsanwartschaften gewähren (Rz 55).

3.1 § 5 Abs 2 AVRAG lautet:

„Hat der Betriebsübergang den Wegfall der betrieblichen Pensionszusage zur Folge und hat der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses im Falle des Abs 1 Satz 2 nicht widersprochen, so endet mit dem Zeitpunkt des Betriebsüberganges der Erwerb neuer Pensionsanwartschaften. Der Arbeitnehmer hat gegen den Veräußerer Anspruch auf Abfindung der bisher erworbenen Anwartschaften als Unverfallbarkeitsbetrag im Sinn des Betriebspensionsgesetzes (BPG), Art I des Bundesgesetzes BGBl Nr 282/1990. ...“

3.2 Diese Regelung ist schon nach dem Wortlaut eindeutig.

Abs 2 nimmt (bei einzelvertraglicher Pensionszusage) ausdrücklich auf den Fall des Abs 1 Satz 2 Bezug. Daraus folgt, dass der Erwerber die Übernahme der betrieblichen Pensionszusage ablehnt, also sie nicht übernimmt. Dementsprechend knüpft Abs 2 an den Wegfall der betrieblichen Pensionszusage an.

Als weitere kumulative Voraussetzung für den Anspruch auf Abfindung der bisher erworbenen Anwartschaften als Unverfallbarkeitsbetrag (privilegierte Anwartschaftsabfindung) normiert Abs 2, dass deshalb (aufgrund der Nichtübernahme der Pensionszusage) der Erwerb neuer Pensionsanwartschaften endet, weil der AN dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht widersprochen hat.

Abs 2 knüpft somit systematisch folgerichtig am (nicht erfolgten) Widerspruch des AN nach § 3 Abs 4 an. Nach dieser Bestimmung ist ein Widerspruch im gegebenen Zusammenhang nur dann zulässig, wenn der Erwerber die betrieblichen Pensionszusagen nicht übernimmt.

3.3 Die klare Konzeption dieser Regelung setzt den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber (mangels Widerspruchs des AN) bei gleichzeitiger Nichtübernahme der betrieblichen Pensionszusage durch den Erwerber voraus.

Auch dann, wenn der Wegfall der Pensionszusage etwa durch einen Kollektivvertragswechsel erfolgt, ist zwingend der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber vorausgesetzt. Ein Kollektivvertrags-„ Wechsel“ bedingt nämlich das Wirksamwerden des Erwerber-KollV. Dies ist nur bei Übergang des Arbeitsverhältnisses denkbar.199

Bei privilegierter Kündigung durch den AN nach § 3 Abs 5 AVRAG geht das Arbeitsverhältnis von vornherein nicht auf den Erwerber über, sodass es eines Widerspruchs des AN dafür nicht bedarf; ebenso wenig würde in einem solchen Fall ein Kollektivvertragswechsel vorliegen. Im Fall einer privilegierten Kündigung bleibt zudem für die tatbestandsmäßig geforderte Nichtübernahme der betrieblichen Pensionszusage durch den Erwerber kein Raum.

Widerspricht der AN dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nach § 3 Abs 4 AVRAG, so bleibt sein Arbeitsverhältnis zum Veräußerer unverändert aufrecht. Damit endet der Erwerb neuer Pensionsanwartschaften gerade nicht. Auch in einem solchen Fall gelangt § 5 Abs 2 AVRAG nicht zur Anwendung.

3.4 In der Literatur wird dieses Ergebnis nicht in Zweifel gezogen.

Binder (AVRAG2 § 5 Rz 2 und Rz 17) führt aus, dass der AN die Abfindung der bereits beim Veräußerer angesparten Anwartschaft nach § 5 Abs 2 AVRAG verlangen kann, wenn er überwechselt und der Erwerber die fortgesetzte Einlösung der Pensionszusage ablehnt (siehe auch Holzer/Reissner, AVRAG2 Rz 13 ff). Für den Eintritt der Unverfallbarkeit ist demnach der Übergang des Arbeitsverhältnisses erforderlich. Nur dann, wenn der vom Erwerber ohne Pensionseintritt übernommene AN (eigeninitiativ) sein Arbeitsverhältnis nachträglich (also nach Übergang des Arbeitsverhältnisses) beendet, bleibt nach Binder der Anspruch auf die bereits eingetretene Pensionsabfindung bestehen (Rz 25).

Nach Gahleitner (in ZellKomm2 § 5 AVRAG Rz 1 und 3) gebührt die Pensionsabfindung gem § 5 Abs 2 gegenüber dem Veräußerer, wenn der AN den Arbeitsvertragsübergang ohne Pensionseintritt akzeptiert.

4. Zusammenfassend kann nach der gesetzlichen Regelung somit kein Zweifel daran bestehen, dass der AN den Betriebsübergang „mitmachen“ muss, um in den Genuss der privilegierten Anwartschaftsabfindung nach § 5 Abs 2 AVRAG zu gelangen. Im Fall der privilegierten Kündigung gebührt dem AN die Anwartschaftsabfindung nach § 5 Abs 2 AVRAG nicht.

Auf die Frage, ob der Begriff „Wegfall“ der betrieblichen Pensionszusage, der zur Beendigung des Erwerbs neuer Pensionsanwartschaften führt, den gänzlichen Verlust der Pensionszusage meint, oder aber auch eine wesentliche Verschlechterung bzw einen Ersatz der bisherigen Pensionszusage durch eine schlechtere Zusage für die bisherigen Anwartschaften erfasst, sodass auch eine Differenzabfindung denkbar ist, kommt es nicht mehr an [...].

5. Der Kl kann auch die Betriebsübergangs-RL (RL 2001/23/EG) nicht für sich ins Treffen führen. Nach Art 3 Abs 4 lit a der RL gelten die Regelungen über den Übergang der Rechte und Pflichten des Veräußerers einschließlich der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen (sofern der jeweilige Mitgliedstaat nichts anderes vorsieht) nicht für die Rechte der AN auf betriebliche oder überbetriebliche Pensionsleistungen außerhalb der gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit. Nach Art 3 Abs 4 lit b der RL haben die Mitgliedstaaten aber die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der AN (sofern der Erwerber die Rechte und Anwartschaften nicht aufrechterhält) sowie der Personen zu treffen, die zum Zeitpunkt des Übergangs bereits aus dem Betrieb des Veräußerers ausgeschieden sind, damit die bereits erworbenen Rechte und Anwartschaften aus betrieblichen oder überbetrieblichen Pensionsleistungen gewahrt bleiben. Das Unionsrecht erlegt den Mitgliedstaaten also auf, für die Erhaltung des bereits erworbenen sozialen Besitzstands von AN und Ausgeschiedenen Sorge zu tragen (Binder, AVRAG2 § 5 Rz 26).

Die in Rede stehenden Richtlinienbestimmungen sind allgemein gehalten und inhaltlich nicht näher determiniert. Es ist daher Sache der Mitgliedstaaten, einen angemessenen Schutz vorzusehen, wobei ihnen dafür ein weiter Gestaltungsspielraum überlassen bleibt. Dem ist im Anlassfall dadurch Genüge getan, dass das BPG bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – nach § 5 Abs 4 AVRAG gleichermaßen bei Betriebsübergang – bestimmte Unverfallbarkeitsbeträge für die beim Veräußerer erlangten Anwartschaften vorsieht [...].

Die Betriebsübergangs-RL steht dem hier erzielten Ergebnis somit nicht entgegen. Da sich die Auslegung des Unionsrechts als eindeutig erweist und sich der Kl zudem nicht unmittelbar auf die angeführten Richtlinienbestimmungen berufen könnte, war der Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht näher zu treten.

6.1 Wie schon angedeutet, stehen dem AN für die beim Veräußerer erworbenen Anwartschaften, sollte sie der Erwerber nicht aufrechterhalten, die Unverfallbarkeitsbeträge nach dem BPG zur Verfügung (vgl § 5 Abs 4 AVRAG; Binder, AVRAG2 § 5 Rz 20 und 55; Gahleitner in ZellKomm2 § 5 AVRAG Rz 1). Diese Möglichkeiten stehen dem Kl schon deshalb offen, weil das Arbeitsverhältnis beendet wurde. [...]

ANMERKUNG
1.
Worum geht es?

Ein Betrieb A (Veräußerer) geht auf einen Betrieb B (Erwerber) über. In beiden Betrieben gibt es ein Pensionskassenmodell. Im Betrieb A beruht das Pensionskassenmodell auf einem KollV und ist leistungsorientiert; im Betrieb B beruht das Pensionskassenmodell auf einer BV und ist beitragsorientiert. Der Betrieb A informiert die AN nach § 3a AVRAG darüber, dass sich durch den Betriebsübergang die Arbeitsbedingungen wesentlich verschlechtern werden. Daraufhin wählt der AN die begünstigte Kündigung nach § 3 Abs 5 AVRAG, womit sein Arbeitsverhältnis nicht auf den Erwerber übergeht. Der AN begehrt vom Veräußerer für die Betriebspension eine Abfindungszahlung nach § 5 Abs 2 AVRAG. Die E betrifft daher vor allem die Frage: Unter welchen Voraussetzungen gebührt der Abfindungsanspruch nach § 5 Abs 2 AVRAG? Wie die Vorinstanzen verneint der OGH den Abfindungsanspruch. Als200Grund führt er an, dass der AN den Betriebsübergang nicht mitgemacht habe, wie dies § 5 Abs 2 AVRAG als Abfindungsvoraussetzung aber verlange. Die Frage, ob der Abfindungsanspruch nicht bloß bei Wegfall, sondern (wie hier) auch bei bloßen Verschlechterungen der Pensionszusage gebührt, ließ der OGH explizit offen. Das Urteil erscheint auf den ersten Blick relativ klar. Tatsächlich wirft es aber einige Fragen auf. Der 9. Senat hat sich den hier zu diskutierenden Ausführungen des 8. Senats in OGH vom 27.8.2015, 9 ObA 69/15k, angeschlossen. Jüngst hat der 8. Senat sein Urteil in OGH vom 29.9.2015, 8 ObA 49/15m, bestätigt. Damit ist von einer gefestigten Rsp auszugehen. Das Urteil ist vor allem nur für leistungsorientierte Pensionskassenzusagen relevant, weil bei beitragsorientierten Pensionskassenzusagen der Abfindungsanspruch ohnehin null ist, also der Höhe nach leer läuft (Reiner in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 97 Rz 472). Für beitragsorientierte Zusagen ist das Urteil bloß für die Frage relevant, ob der AN die Verfügungsmöglichkeiten nach § 5 Abs 4 AVRAG iVm § 5 BPG erhält; diese richten sich allerdings ausschließlich gegen die Pensionskasse. Die Verfügungsmöglichkeiten gegenüber der Pensionskasse stehen nur zu, wenn der AN nach § 5 Abs 2 AVRAG (dem Grunde nach) einen Abfindungsanspruch hat. Eine etwaige Abfindung der Anwartschaft in der Pensionskasse richtet sich nach den herkömmlichen Regeln (§ 5 Abs 4 AVRAG iVm § 5 Abs 3 BPG iVm § 1 Abs 2 PKG) und nicht nach § 5 Abs 3 AVRAG (diese Bestimmung gilt nämlich nur für den Abfindungsanspruch gem § 5 Abs 2 AVRAG gegen den AG); vgl dazu auch unten Kapitel 3.

2.
Abfindung auch bei Wegfall einer kollektivvertraglichen Pensionszusage?

Zunächst diskutiert der OGH die Frage, ob der Abfindungsanspruch auch für den Wegfall einer kollektivvertraglichen Pensionszusage gilt. Da § 5 Abs 1 AVRAG von einzelvertraglichen Zusagen handelt, konnte daher fraglich sein, ob der Abfindungsanspruch nach § 5 Abs 2 AVRAG auch für den Wegfall einer Zusage gilt, die auf KollV beruht. Der OGH hat das im Ergebnis offenbar bejaht, ansonsten hätte er seine Fallprüfung schon vorher abbrechen können. Der OGH beruft sich zum einen auf die Materialien, die eine Abfindung ausdrücklich auch bei Wegfall einer Kollektivvertrags- oder Betriebsvereinbarungszusage vorsehen (RV 1077 BlgNR 18. GP 13). Weiters beruft sich der OGH auf Binder (AVRAG2 § 5 Rz 54), der das Widerspruchsrecht nach § 3 Abs 4 AVRAG auch bei Wegfall einer Kollektivvertragszusage gewährt. Der OGH hält das Widerspruchsrecht offenbar deshalb für erforderlich, weil der Abfindungsanspruch nach § 5 Abs 2 AVRAG dessen Nichtausübung voraussetzt. Zutreffend daran ist, dass das Widerspruchsrecht gem § 3 Abs 4 AVRAG und § 5 AVRAG eng verzahnt sind. So knüpft § 5 Abs 2 AVRAG den Abfindungsanspruch an die Nichtausübung des Widerspruchsrechts nach § 3 Abs 4 AVRAG. Dieser wiederum knüpft das Widerspruchsrecht an die Nichtübernahme der Pensionszusage nach § 5 ARVAG. Es scheint daher nahezuliegen, diese beiden Bestimmungen parallel zu sehen. Dies ist aber nicht zwingend. So spricht sich die wohl hL gegen eine Ausdehnung des Widerspruchsrechts aus, die auf KollV oder BV beruhen (darauf weist auch Binder hin: AVRAG § 5 Rz 54 mwN; der OGH geht auf diese Gegenstimmen überhaupt nicht ein). Eine solche Beschränkung wurde für § 5 Abs 2 AVRAG aber bisher zumindest nicht so vehement gefordert (wohl allein schon wegen der Gesetzesmaterialien; vgl gegen eine Anwendung von § 5 Abs 2 AVRAG auf Kollektivvertragszusagen Hainz in

Schrammel
, Betriebspensionsrecht [2015] 60). Dieses Problem könnte sich für Pensionskassenzusagen freilich erübrigen, wenn man bei Wegfall des KollV stets einen Eingang der Zusage in den Einzelvertrag gem § 3 Abs 1b BPG annimmt. Dann würde nämlich ohnehin eine einzelvertragliche Zusage vorliegen (die der Erwerber nach § 5 Abs 1 AVRAG ablehnen könnte; so Hainz in
Schrammel
, Betriebspensionsrecht 61). Jüngst hat der OGH auch die Ablehnung einer – in Folge einer Kündigung gem § 31 Abs 7 ArbVG – nachwirkenden BV gem § 5 Abs 1 AVRAG zugelassen (OGH 25.2.2015, 9 ObA 80/14a; krit Friedrich, ASoK 2015, 372). Im Übrigen ist die Bemühung des Widerspruchsrechts für die Anwendbarkeit des Abfindungsanspruchs mE zu formal, weil sie am Kern des Abfindungsanspruchs vorbeigeht. Entscheidend für den Anspruch ist wohl, dass die Zusage wegen des Betriebsübergangs wegfällt. Ob der AN den Wegfall durch Widerspruch im Rahmen des § 3 Abs 4 AVRAG verhindern hätte können, erscheint nicht wesentlich. Ganz im Gegenteil: Ein AN, der dieses Widerspruchsrecht nicht hat, ist nicht weniger, sondern wohl mehr schutzbedürftig.

3.
Abfindung nur bei Übergang des Arbeitsverhältnisses?

Überhaupt erscheint die Betrachtungsweise des OGH sehr formal. Zwar verlangt der OGH für den Abfindungsanspruch zu Recht, dass die Zusage wegfällt und damit der Anwartschaftserwerb endet. Warum die Zusage aber gerade wegen des Übergangs des Arbeitsverhältnisses wegfallen muss, ist weniger klar. Warum sollte es nicht reichen, wenn die Zusage „bloß“ wegen des Betriebsübergangs wegfällt? Das entspräche dem Wortlaut von § 5 Abs 2 AVRAG: „Hat der Betriebsübergang den Wegfall der Pensionszusage zur Folge...“ Dies wäre insofern schlüssig, als der Abfindungsanspruch an ein Ereignis anknüpft, das nicht dem AN, sondern den beteiligten AG zuzurechnen ist. Diese haben ja den Betriebsübergang und damit den Wegfall der Zusage verursacht. Das AVRAG behandelt die privilegierte Selbstkündigung des AN gem § 3 Abs 5 AVRAG wertungsmäßig wie eine AG-Kündigung, rechnet die Kündigung daher nicht dem AN, sondern dem AG zu. So wäre es denkbar, dass § 3 Abs 4 und 5 AVRAG parallel anwendbar sind und der AN die Selbstkündigung wählt. Hier ginge das Arbeitsverhältnis zwar nicht über, die Zusage fiele aber trotzdem wegen des Betriebsübergangs weg. Dass daher gerade der Übergang des AN den Wegfall bewirken muss, ist mE nicht zwingend zu fordern.201

4.
Warum überhaupt eine Abfindung?

Letztlich kommt es auf die Funktion und den Zweck des Abfindungsanspruchs nach § 5 Abs 2 AVRAG an. Was will dieser vergelten und warum? Dies ist bei Pensionskassenzusagen unklar, weil das Netz zur Gewährleistung der Zahlungen laut Leistungsplan ohnehin sehr dicht geknüpft ist. Abgesehen vom (schwerwiegenden!) enttäuschten Kontinuitätsinteresse des AN ist für den AN kein sonstiger Nachteil aufgrund des Betriebsübergangs in Sicht, insb keine Einbuße oder Verringerung der Anwartschaft laut Leistungsplan. Freilich ist dieser Schutz daran zu messen, was § 5 Abs 2 AVRAG eigentlich genau „schützen“ will. Die Antwort darauf ist auch maßgeblich für die vom OGH offengelassene Frage, ob der Abfindungsanspruch auch bei bloßer Verschlechterung der Zusage gebührt.

Worin besteht der Schutzmechanismus des leistungsorientierten Pensionskassenmodells? Für leistungs orientiere Pensionskassenzusagen haben sich in der Aufsichtspraxis der Finanzmarktaufsicht Methoden herauskristallisiert, wie die Zusage zu finanzieren ist (Teilwertverfahren oder Projected Unit Credit Method), so dass von einer laufenden Ausfinanzierung des Leistungsplans auszugehen ist. Die in der Rechnungsparameter-VO der Finanzmarktaufsicht (BGBl II 2016/15) festgelegten Höchstzinssätze (Rechnungszins und rechnungsmäßiger Überschuss) sorgen für eine vorsichtige Kalkulation und gewährleisten damit ebenfalls eine ausreichende Finanzierung. Weiters führt eine (vorübergehende) Unterdeckung im leistungsorientierten Pensionskassenmodell keineswegs zu einer Leistungskürzung, auch nicht beim Unverfallbarkeitsbetrag. Vielmehr besteht dann eine Nachschusspflicht des AG in der Höhe der Unterdeckung. Zwar kann der Nachschuss uU auf bis zu zehn Jahre verteilt werden (§ 5 Z 3 lit a PKG). In dieser Phase ist die Zusage zwar grundsätzlich unterdeckt, allerdings werden die Leistungen weiterhin entsprechend dem Leistungsplan erbracht. Erst wenn feststeht, dass der AG seiner Leistungspflicht endgültig nicht nachkommt bzw nachkommen kann, wird die Zusage wie eine beitragsorientierte Zusage behandelt. Erst dann werden die Leistungen nicht mehr entsprechend dem Leistungsplan, sondern entsprechend dem vorhandenen Kapital ausbezahlt. Erst dann kommt es zu einer Leistungskürzung: Da das Kapital aufgrund der Unterdeckung nicht hinreicht, die Leistungen laut Leistungsplan zu finanzieren, kommt es zu geringeren Leistungen. Hinsichtlich der Erfüllung der Nachschusspflicht des AG stellen sich auch keine anderen Probleme als beim Abfindungsanspruch: Will der AG nicht leisten, muss der Rechtsweg beschritten werden. Kann der AG nicht leisten (Insolvenz), ist der Nachschuss (OGH 6.10.2005, 8 ObS 14/05z) wie der Abfindungsanspruch (§ 3d Abs 1 Z 3 AVRAG) jeweils für 24 Monate gesichert.

ME hat der Abfindungsanspruch jedenfalls für das Pensionskassenmodell seine Funktion und Rechtfertigung verloren. Er ist unverständlich und unnötig kompliziert. Er erklärt sich wohl durch die zum Teil massiven Unterdeckungen der Direktzusagen Ende der 80er-Jahre, die dann auch zur Schaffung des PKG und BPG geführt haben. Auch waren die Übertragungen der Direktzusagen auf die Pensionskasse bei Erlass von § 5 AVRAG im Jahr 1993 (BGBl 1993/459) erst am Anfang. Heute ist die ständige Ausfinanzierung von Betriebspensionszusagen und deren Bedeckung durch geeignete Vermögenswerte wesentlich strenger geregelt. Weiters haben sich die Regeln zur Berechnung des Unverfallbarkeitsbetrages verändert und mehr Rechtssicherheit hinsichtlich der Mitgabe der Schwankungsrückstellung gebracht (vgl BGBl 1996/754). Einseitige Abänderungen dieser Berechnungsmodalitäten durch die Pensionskasse sind mittlerweile ebenfalls ausgeschlossen (§ 5 Abs 1b BPG). Die in § 5 Abs 3 AVRAG vorgesehene Auszahlung des Abfindungsanspruchs unabhängig von dessen Höhe steht auch quer zum Abfindungsverbot der Pensionsanwartschaft (§ 1 Abs 2 PKG; Reiner in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 97 Rz 449). De lege lata ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass sich die höhenmäßige Entgrenzung der Abfindung nur für den Abfindungsbetrag des AG gem § 5 Abs 2 AVRAG gilt, nicht jedoch für die Abfindung der Anwartschaft in der Pensionskasse (§ 5 Abs 3 AVRAG, arg: „dieses Betrages“); für diese ist – wie auch sonst – stets die Bagatellgrenze zu beachten (§ 5 Abs 4 BPG iVm § 1 Abs 2 PKG). Wie herkömmliche Nachschüsse sollte auch eine etwaige Abfindungszahlung gem § 5 Abs 2 AVRAG in die Pensionskasse überwiesen werden. Dies ist übrigens auch bei der Sicherung des Nachschusses in der Insolvenz der Fall (§ 7 Abs 8 IESG; OGH 6.10.2005, 8 ObS 14/05z). Erst wenn die dort bereits bestehende Anwartschaft und der Abfindungsanspruch zusammen die Abfindungsgrenze überschreiten, sollte de lege ferenda eine Abfindung durch die Pensionskasse (und nicht durch den AG) möglich sein. Es ist kein Grund ersichtlich, von diesen allgemeinen Regeln abzuweichen.

Möchte man die AN für die mangelnde Kontinuität der betrieblichen Altersvorsorge entschädigen (wofür es gute Gründe gibt), sollten andere Instrumente eingesetzt werden. Am besten wäre es aber, das Pensionskassenmodell stärker der Eintrittsautomatik zu unterwerfen (dazu Kietaibl/Reiner, ZAS 2012, 353 f). Gerade im beitragsorientieren Pensionskassenmodell ist der Erwerber kaum mehr belastet als durch laufendes Entgelt. Bedenkt man, dass Pensionskassenmodelle in der Regel auf BV beruhen (§ 3 Abs 1 BPG), ist die jüngste Entscheidung des OGH zum Ablehnungsrecht des Erwerbers einer – in Folge einer Kündigung gem § 31 Abs 7 ArbVG – nachwirkenden BV gem § 5 Abs 1 AVRAG wenig hilfreich. Diese Fälle zeigen darüber hinaus, dass die Ausnahme von der Eintrittsautomatik die AG zu Gestaltungen verlockt, die (ausschließlich) auf diese Ausnahmen abzielen. Finanzielle Probleme des AG bei der Finanzierung leistungsorientierter Zusagen sind ernst zu nehmen. Dafür steht derzeit etwa § 6 BPG zur Verfügung, der wohl auch für die Nachschusspflicht gilt, die nach § 5 Z 3 lit PKG auf bis zu zehn Jahre verteilt werden kann. Sicherlich kann man die Frage stellen, ob diese Instrumente ausreichen. Der Betriebsübergang ist aber jedenfalls ein unpassendes Instrument, um mit Finanzierungsproblemen sinnvoll umzugehen.202