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Neue Beweislastverteilung bei Leistungsstreitverfahren aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit

FLORIANJ.BURGER (WIEN)
§§ 143a, 253f, 254, 255, 255a, 255b, 270b, 271, 273, 273a, 273b, 276f ASVG; § 39b AlVG; §§ 132, 133, 133a, 133b GSVG; §§ 123, 124, 124a, 124b BSVG
  1. Der Versicherte muss nicht beweisen, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist, sondern nur, dass sie nicht sehr wahrscheinlich ist.

  2. Der Gesetzgeber ist mit dem SRÄG 2012 vom Konzept der grundsätzlichen Befristung von Leistungen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit abgegangen.

  3. Für Versicherte bis 1963 geboren gilt weiterhin das „alte“ Recht, für Versicherte ab 1964 geboren gilt das „neue“ Recht; somit besteht eine unterschiedliche Rechtslage im Leistungsregime für Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit.

Die Bekl lehnte mit Bescheid vom 3.3.2014 den Antrag des 1975 geborenen Kl vom 16.12.2013 auf Weitergewährung der mit 28.2.2014 befristeten Berufsunfähigkeitspension ab. Zugleich wurde ausgesprochen, dass mit 1.3.2014 weiterhin vorübergehende Berufsunfähigkeit vorliege und daher als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Verlauf weiterer Therapien abzuwarten sei; Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation seien nicht zweckmäßig. Ab dem 1.3.2014 bestehe für die weitere Dauer der vorübergehenden Berufsunfähigkeit Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der KV.

Die vollständige Arbeitsunfähigkeit des Kl beruht auf einer bipolaren affektiven Störung mit häufigem Wechsel sowie auf einem Cluster-Kopfschmerz mit mäßiggradiger Frequenz. Der Kopfschmerz ist gut behandelbar. Im Vordergrund steht die psychische Erkrankung iS einer bipolaren affektiven Störung. Diese Erkrankung wird bereits länger medikamentös behandelt, die Krankheit selbst ist einer Psychotherapie und einer medizinischen Rehabilitation nicht zugänglich. Medikamentöse Therapieversuche bzw eine Umstellung der Medikamente erscheinen ebenso erfolglos, weil die derzeitige Einstellung im Vergleich zu den früheren Versuchen noch am besten zu sein scheint. Die Krankheit ist sowohl medikamentös als auch durch andere Therapien „austherapiert“. Zu hoffen ist lediglich auf eine spontane Verbesserung der Krankheitssituation, weil nicht auszuschließen ist,207 dass sich Verbesserungen durch Spontanereignisse im Laufe der Jahre ergeben könnten. Insofern muss also nicht von einem Dauerzustand gesprochen werden. Klammert man jedoch diese nicht absehbaren Spontanverläufe aus, so muss unter Berücksichtigung nur der therapeutischen Behandlungsmaßnahmen mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Verbesserung des Leistungskalküls ausgeschlossen werden.

Das Erstgericht gab dem auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.3.2014 gerichteten Klagebegehren dem Grunde nach statt und trug der Bekl eine vorläufige Zahlung von 700 € monatlich auf. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich führte es aus, dass beim Kl zwar ein Gesundheitszustand vorliege, der grundsätzlich einer Besserung zugänglich sei. Diese Besserung könne aber nicht durch Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation erreicht werden, sondern nur durch eine spontane Verbesserung im Laufe der Jahre. Dem Kl könne daher keine medizinische Rehabilitation angeboten werden. Das Warten auf eine spontane Verbesserung im Laufe der Jahre könne nicht als Rehabilitationsmaßnahme verstanden werden. Es sei daher von einer dauerhaften Berufsunfähigkeit auszugehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge. Für die Rechtslage vor dem SRÄG 2012 sei die befristete Pension der Regelfall gewesen. Da beim Kl die Befristung der zuletzt gewährten Berufsunfähigkeitspension mit 28.2.2014 abgelaufen sei, sei bei der Prüfung der Weitergewährung dieser Leistung § 271 Abs 1 ASVG idF SRÄG 2012 anzuwenden. Danach sei Voraussetzung für den Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension ua, dass die Berufsunfähigkeit aufgrund des körperlichen oder geistigen Zustands voraussichtlich dauerhaft vorliege. Diese Voraussetzung erfülle der Kl. Zum einen sei die Krankheit selbst einer Psychotherapie und einer medizinischen Rehabilitation nicht zugänglich. Die beim Kl bestehende Hoffnung auf eine spontane Verbesserung der Krankheitssituation stehe einer Beurteilung als „voraussichtlich dauerhaft“ nicht entgegen. Unter „voraussichtlich“ sei hier ein nach medizinischen bzw wissenschaftlichen Erfahrungssätzen zu prognostizierender üblicher Verlauf einer Krankheit zu verstehen. Der Umstand, dass es bloß nicht auszuschließen sei, dass sich Verbesserungen durch Spontanereignisse im Laufe der Jahre ergeben könnten, decke sich nicht mit diesem Verständnis. Stelle man auf den voraussichtlichen Verlauf ab, so seien Ereignisse, die weder durch eine Therapie noch durch ein Verhalten des Versicherten beeinflussbar seien (Spontanereignisse), sondern sich schicksalhaft ereigneten, auszuklammern. Das Wesen eines Spontanverlaufs liege in seiner Unvorsehbarkeit. Der Kl sei daher voraussichtlich dauerhaft berufsunfähig. Er erfülle auch die weiteren Voraussetzungen für diese Leistung.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Auslegung der durch das SRÄG 2012 geschaffenen Voraussetzungen der „voraussichtlich dauerhaft“ vorliegenden Invalidität bzw Berufsunfähigkeit noch keine Rsp des OGH vorliege.

Die vom Kl beantwortete Revision der Bekl ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin macht geltend, dass nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht davon ausgegangen werden könne, eine Besserung des Zustands des Kl sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht möglich. Die zum außer Kraft getretenen § 256 Abs 2 ASVG ergangene Rsp sei weiter anwendbar, könne doch bei der Auslegung des § 271 Abs 1 Z 1 ASVG idF SRÄG 2012 kein anderer Maßstab angelegt werden. Es bestehe nämlich kein signifikanter Unterschied zwischen den Begriffen „dauernde Invalidität anzunehmen“ und „voraussichtlich dauerhaft vorliegt“. Der Gesetzgeber habe durch die Gesetzesänderung den Zugang zu den Pensionsleistungen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit erschweren wollen. Dieses Ziel würde durch ein Abgehen von der Rsp zu § 256 Abs 2 ASVG konterkariert. Außerdem würde dadurch jüngeren Versicherten der Zugang zur unbefristeten Pensionsleistung erleichtert, während für ältere Versicherte § 256 Abs 2 ASVG weiter gelte. Der Umstand, dass eine Rehabilitationsmaßnahme nicht angeboten werde, weil (derzeit) nicht zielführend und zweckmäßig, könne alleine nicht zur Begründung einer Pensionsleistung nach neuer Rechtslage führen.

Hiezu wurde erwogen:

1. § 256 ASVG in der vor dem StrukturanpassungsG 1996 geltenden Fassung sah vor, dass die Invaliditätspension bei vorübergehender Invalidität für eine bestimmte Frist zuerkannt werden kann (Satz 1). Bestand nach Ablauf dieser Frist Invalidität weiter, so war die Pension – bei fristgerechtem Antrag – für die weitere Dauer der Invalidität zuzuerkennen (Satz 2). Der OGH sprach dazu aus, vorübergehende geminderte Arbeitsfähigkeit sei nicht erst dann anzunehmen, wenn ihr Wegfall in absehbarer Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei. Es genüge vielmehr, dass eine diesbezügliche hohe (große) Wahrscheinlichkeit bewiesen werde, die wesentliche Besserung des die geminderte Arbeitsfähigkeit verursachenden Zustands in absehbarer Zeit also sehr wahrscheinlich sei (RIS-Justiz RS0085150).

2. Nach § 256 Abs 1 ASVG idF des StrukturanpassungsG 1996 (iVm § 271 Abs 3, § 277 Abs 2 ASVG) ist vorgesehen, dass eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit längstens für die Dauer von 24 Monaten gebührt und für längstens 24 Monate weiter zu gewähren ist, wenn die geminderte Arbeitsfähigkeit nach Ablauf der Befristung weiterbesteht. Der Gesetzgeber schaffte damit die Möglichkeit der flexiblen Zuerkennung der Pension. Aufgrund von nicht vorhersehbaren Weiterentwicklungen medizinischer Behandlungsmethoden und der Unsicherheit von Langzeitprognosen auf diesem Gebiet bestand ein entsprechendes Bedürfnis. Zudem erwartete er, dass dadurch die Schwierigkeiten vermieden werden, die zuvor beim Entzug von Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit auftraten (vgl ErläutRV 72 BlgNR 20. GP208 248; 10 ObS 8/13v, SSV-NF 27/24). Ohne zeitliche Befristung ist die Pension aber zuzuerkennen, wenn „auf Grund des körperlichen oder geistigen Zustands dauernde Invalidität (Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit) anzunehmen ist“ (§ 256 Abs 2 ASVG). Die Materialien halten dazu fest, sinnvollerweise müsse vom Grundsatz der Befristung abgesehen werden, wenn auch unter Bedachtnahme auf die Weiterentwicklung der medizinischen Behandlungsmethoden infolge des körperlichen oder geistigen Zustands des Versicherten dauernde Invalidität (Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit) anzunehmen sei. Zugleich gab der Gesetzgeber die Unterscheidung von dauernder und vorübergehender Invalidität (Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit) bei den Anspruchsvoraussetzungen auf (vgl 10 ObS 242/03s).

3. Nach der Rsp des OGH zu dieser Bestimmung ist dauernde geminderte Arbeitsfähigkeit nicht anzunehmen, wenn – auch nur geringe – Chancen auf Besserung des Gesundheitszustands bestehen (vgl 10 ObS 130/01t, SSV-NF 15/63; RIS-Justiz RS0115354). Diese Rsp stützt sich auf den mit der Novellierung des § 256 ASVG vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, die grundsätzliche Befristung von Pensionen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit zu verankern (vgl 10 ObS 242/03s). Für den vom Versicherten zu erbringenden Beweis des Vorliegens dauernder Invalidität verlangt die Rsp des OGH, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass die Arbeitsfähigkeit des Versicherten nicht wiederhergestellt werden kann (vgl 10 ObS 88/10d, SSV-NF 24/60 = DRdA 2011/18, 153 [krit Panhölzl]; RIS-Justiz RS0115354). Dauernde geminderte Arbeitsfähigkeit wurde aber trotz Besserungsfähigkeit des Gesundheitszustands bejaht, wenn die dazu erforderlichen Maßnahmen dem Versicherten unzumutbar sind (10 ObS 8/13v, SSV-NF 27/24).

4. § 256 ASVG ist mit Ablauf des 31.12.2013 außer Kraft getreten (§ 669 Abs 2 ASVG) und auf den 1975 geborenen Kl nicht mehr anzuwenden (vgl § 669 Abs 5 und Abs 6 ASVG).

5. Nach der durch das SRÄG 2012, BGBl I 2013/3, geschaffenen Rechtslage gebührt anstelle einer befristeten Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit Versicherten, die das 50. Lebensjahr nicht vor dem 1.1.2014 vollendet haben (§ 669 Abs 5 ASVG idF 84. ASVG-Novelle, BGBl I 2015/2) grundsätzlich – als Leistung der KV – das Rehabilitationsgeld (§ 143a ASVG), wenn die Anspruchsvoraussetzungen für diese Leistung vorliegen und nicht Umschulungsgeld iVm beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation gebührt.

6. Eine Voraussetzung für den Anspruch auf Rehabilitationsgeld ist, dass vorübergehende geminderte Arbeitsfähigkeit im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliegt (§ 255b, § 273b ASVG idF 84. ASVG-Novelle, BGBl I 2015/2, rückwirkend mit 1.1.2014 in Kraft getreten [§ 688 Abs 1 Z 2 ASVG]).

7. Nach § 271 Abs 1 Z 1 ASVG in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung des SRÄG 2012 ist eine Voraussetzung für die Berufsunfähigkeitspension, dass die Berufsunfähigkeit (§ 273 ASVG) „auf Grund des körperlichen oder geistigen Zustandes voraussichtlich dauerhaft vorliegt“. Dies ist nach den ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 24 dann der Fall, wenn „eine Besserung des Gesundheitszustands des Versicherten nicht zu erwarten ist“ (in diesem Sinn auch Födermayr in SV-Komm § 254 ASVG Rz 14).

8. Der Gesetzgeber unterscheidet demnach (wieder) zwischen vorübergehender und dauerhafter (dauernder) geminderter Arbeitsfähigkeit bei den Anspruchsvoraussetzungen und ist vom Konzept der grundsätzlichen Befristung von Leistungen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit abgegangen.

9. Nach dem Wortlaut des § 271 Abs 1 Z 1 ASVG muss die Berufsunfähigkeit nicht dauerhaft, sondern nur voraussichtlich dauerhaft, also nicht mit Gewissheit, sondern nur wahrscheinlich vorliegen. Aus den referierten Gesetzesmaterialien des SRÄG 2012 erhellt, dass die bloß mögliche Besserung des die geminderte Arbeitsfähigkeit verursachenden Zustands nicht mehr genügt, um das Vorliegen dauerhaft geminderter Arbeitsfähigkeit verneinen zu können. Die Besserung des Gesundheitszustands des Versicherten erwarten, bedeutet nämlich mit ihr zu rechnen, sie für sehr wahrscheinlich zu halten (vgl die oben unter 1. referierte Rsp zum Begriff der vorübergehenden Invalidität). Was nur möglich ist, ist noch nicht wahrscheinlich. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist die zu § 256 Abs 2 ASVG ergangene Rsp nicht zur Auslegung des § 271 Abs 1 Z 1 ASVG (und der Parallelbestimmung des § 254 Abs 1 Z 1 ASVG) heranzuziehen.

10. Der Versicherte muss demnach nicht beweisen, dass eine Besserung des Gesundheitszustands (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) ausgeschlossen ist (eine Besserung unmöglich oder an Gewissheit grenzend unwahrscheinlich ist), sondern nur, dass sie nicht sehr wahrscheinlich ist, damit feststeht, dass Berufsunfähigkeit (Invalidität) „voraussichtlich dauerhaft“ vorliegt.

11. Dieser Beweis ist dem Kl gelungen. Es steht zwar fest, dass eine Besserung des Gesundheitszustands (durch Spontanereignisse im Laufe der Jahre) eintreten könnte, der Eintritt eines solchen Ereignisses ist aber „nicht absehbar“. [...]

ANMERKUNG

Mit Inkrafttreten des SRÄG 2012 (Invalidität Neu) wurde für ab 1964 Geborene die befristete Invaliditätspension abgeschafft. An ihre Stelle treten die von KV bzw Arbeitsmarktservice (AMS) gewährten Leistungen des Rehabilitationsgeldes (§ 143a ASVG) bzw Umschulungsgeldes (§ 39b AlVG). Dies führt zu der grundsätzlich zu begrüßenden Neuerung, dass – konzeptiv betrachtet – für das (praktisch bedeutsamere) Rehabilitationsgeld die Gesundheit und damit Erwerbsfähigkeit der Versicherten einmal jährlich durch die PV bewertet wird. Dies basiert einerseits auf der Diagnose von medizinischen (bzw sonstigen) Sachverständigen, andererseits auf den Akten der KV, die die Betreuung im Case Management dokumentieren (vgl zu209 alldem nur Pinggera, Die gesetzliche Pensionsversicherung – ein Ausblick, VR 2015 H 7-8, 55 ff).

Diese (nicht mehr so neue) Neuregelung stellt, wie der OGH in der vorliegenden E treffend feststellt, eine Rückkehr zur Rechtslage vor dem StrukturanpassungsG 1996 dar, denn der Gesetzgeber „ist vom Konzept der grundsätzlichen Befristung von Leistungen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit abgegangen“ (grundlegend Pöltner, Das Sozialrechtsänderungsgesetz 2012 [SRÄG 2012], 13 ff und zur Befristung 14; Panhölzl, Neuregelung des Bereichs Invalidität und Rehabilitation, DRdA 2011, 309 ff). Dies bestätigt das Höchstgericht nochmals in der Folgeentscheidung OGH vom 2.9.2015, 10 ObS 89/15h.

Insofern lohnt es sich zu unterstreichen, dass die neu geschaffenen Leistungen der „Invalidität Neu“ (Rehabilitationsgeld, Umschulungsgeld) nicht nur keine Pensionen sind, sondern auch ihre Berechnung nach der Logik der jeweiligen Systeme, denen diese Leistungen zugeordnet sind, erfolgt. Das Rehabilitationsgeld wird demgemäß wie Krankengeld berechnet (§ 143a Abs 2 verweist auf § 141 ASVG). Ausgenommen sind lediglich jene beiden Übergangsjahre, die durch direkten Übergang aus befristeten Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen (deren Befristungsende im Jahr 2014 oder 2015 liegt) ins Rehabilitationsgeld (mitunter erhebliche) Leistungshöhen-Veränderungen hinnehmen hätten müssen (nach oben wie nach unten). Für diese Personengruppe wird die Höhe der zuletzt bezogenen Pension, einschließlich der Ausgleichszulage und Kinderschüsse, herangezogen (§ 669 Abs 6a ASVG). Dies ist aber – im Lichte des gewünschten Übergangs auf das neue System – eng auszulegen.

Die PV wird daher im Lichte der vorliegenden E hinkünftig nicht nur (noch) genauer bei der Feststellung der Erwerbsunfähigkeit (konkret Invalidität bzw Berufsunfähigkeit) das Genesungspotential zu erheben haben, sondern auch für allfällige Entziehungen rechtsstaatlich haltbare Ermittlungsverfahren und daher Sachverhaltserhebungen benötigen.

Dies stellt schon im Verfahren nach einem Antrag aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit neue Herausforderungen an die Vollziehung erster Instanz. Eine Leistung der PV gebührt daher nur noch dann, wenn beispielsweise die Berufsunfähigkeit „auf Grund des körperlichen oder geistigen Zustands voraussichtlich dauerhaft vorliegt“. Alle anderen Fälle sind im Umkehrschluss abzulehnen und gegebenenfalls auf Umschulungsgeld oder falls nicht möglich auf Rehabilitationsgeld zu verweisen. Der OGH stellt unmissverständlich klar, dass die Interpretation durch das zusätzliche Wort „voraussichtlich“ im § 254 Abs 1 Z 1 ASVG anders als bei der Rechtslage vor dem SRÄG 2012 vorzunehmen ist. „... Berufsunfähigkeit (muss) nicht dauerhaft, sondern nur voraussichtlich dauerhaft, also nicht mit Gewissheit, sondern nur wahrscheinlich vorliegen“. Daher ist auch der Verweis auf die Intention des Gesetzgebers, nämlich dass die bloß mögliche Besserung des Gesundheitszustandes nicht mehr ausreichend ist, um einen tauglichen Beweis für das Nicht-Vorliegen einer dauerhaften Beeinträchtigung darzustellen, richtig.

Der OGH leitet (mitunter komplex, weil sich auf den Sachverhalt beziehend) ab, dass Voraussichtlichkeit eben nicht im Lichte der früheren Judikatur heißt, dass Besserung „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ ausgeschlossen sein muss (und die Kl Entsprechendes zu beweisen haben) und damit sehr wahrscheinlich und erwartbar ist; die bloße Möglichkeit einer Besserung liegt gerade nicht ihre Erwartbarkeit. „Voraussichtlich dauerhaft“ heißt also nicht mit Gewissheit, sondern nur wahrscheinlich vorliegend.

Mit dieser E dreht der OGH zwar die Beweislast nicht zugunsten der Versicherten um, das Gericht entschärft den Druck, den (praktisch kaum zu erbringenden) Beweis, dass sich der Gesundheitszustand nie mehr wird bessern können, vorzulegen. Dies entlastet freilich auch die Sachverständigen, die solche endgültige Prognosen selten zu leisten vermochten.

Diese E hat aber für die Feststellungsverfahren bzw vor dem Arbeits- und Sozialgericht im Rechtsmittelverfahren weitgehende Bedeutung. Der Zugang zur Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit wird erleichtert, die Intention des Gesetzgebers in Abgrenzung zu den Personen in Rehabilitationsmaßnahmen sogar akzentuiert. Damit schafft der OGH nämlich die – länger erwartete – Klarstellung, dass der Gesetzgeber zwar einerseits den Vorrang von Rehabilitation (sei es berufliche oder, falls nicht möglich, medizinische) in jenen Fällen, wo zumutbar und wirtschaftlich vertretbar, vorgesehen hat, gleichzeitig aber auch einen Fokus auf jene Versicherten mit entsprechender Eignung gesetzt hat.

Daher kann gerade nicht mehr die alte Rechtslage gelten, wonach ein sehr strenger Maßstab zum Zugang zur unbefristeten Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension angelegt wurde, da der Sinn der gesamten Neuregelung gerade darin liegt, die Arbeitsfähigkeit und damit Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt wiederherzustellen. Damit verbunden sind aber auch konkrete Aktivierungsmaßnahmen (Case Management), die an die Versicherten deutlich mehr Ansprüche stellen, als in der alten Rechtslage das unbetreute Abwarten in der befristeten Pension (zur Ausgestaltung der Rehabilitation Burger/Ivansits, Medizinische und berufliche Rehabilitation in der Sozialversicherung, DRdA 2013, 106 ff).

Jene Personen, die aber diesen Ansprüchen nicht mehr genügen, müssen umgekehrt in die dauerhafte Pension zugelassen werden. Die PV hat freilich weiterhin das Interesse, auch diesen Personen entsprechende Rehabilitation, sofern angezeigt, zukommen zu lassen, und allenfalls – auch die Option stand und steht weiterhin offen – die Leistung zu entziehen. Dies ist im Übrigen auch für die von KV und AMS betreuten Leistungen (Rehabilitationsgeld, Umschulungsgeld) der Fall, womit das System der Befristung endgültig Geschichte ist.210