23Berücksichtigung der Wohnbeihilfe in der Mindestsicherung
Berücksichtigung der Wohnbeihilfe in der Mindestsicherung
Der Aufwand zur Deckung des Wohnbedarfes iSd § 11 Abs 3 NÖ MSG ist dahin zu verstehen, dass es sich um den Aufwand zur Deckung des angemessenen Wohnbedarfes handelt, dh um jenen, der zur „Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation“ erforderlich ist.
Übersteigt der Aufwand für eine angemessene Wohnsituation den 25 %- bzw 12,5 %-Anteil des Mindeststandards, so kommt eine Anrechnung der von dritter Seite für den Wohnbedarf erbrachten Leistungen (zB Wohnbauförderung) nur insoweit in Betracht, als diese den angemessenen Wohnungsaufwand abzüglich des 25 %- bzw 12,5 %-Anteil des Mindeststandards übersteigen.
1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 13.11.2014 wurde der Revisionswerberin zur Deckung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs ein Betrag von monatlich € 573,41 ab 1.10.2014 bis 30.9.2015 gem §§ 8, 9 Abs 2 und 4, 10 Abs 1 und 3 sowie 11 NÖ MSG zuerkannt.
Begründend führte die Bezirkshauptmannschaft im Wesentlichen aus, der Richtsatz der Mindestsicherung für Alleinstehende betrage € 610,49. Die Revisionswerberin lebe allein und beziehe kein Einkommen. [...] Wohnungskosten von € 509,58 und ein Wohnzuschuss von € 250,– seien belegt worden. Da der Wohnzuschuss von € 250,– über dem Richtsatz für den Wohnbedarf von € 203,50 liege, sei kein weiterer Aufwand für Wohnbedarf zu berücksichtigen. [...]
2. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wurde mit dem nunmehr angefochtenen Erk des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 21.1.2015 abgewiesen. Darüber hinaus sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die ordentliche Revision an den VwGH nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig sei.
Begründend führte das Verwaltungsgericht – soweit hier von Interesse – im Wesentlichen aus, dass hinsichtlich der Anrechnung der Wohnbeihilfe im gegenständlichen Zeitraum auf die zitierten Gesetzesbestimmungen zu verweisen sei. Demnach sehe § 8 NÖ MSG vor, dass Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nur soweit zu erbringen seien, als der jeweilige Bedarf nicht durch Geld- oder Sachleistungen Dritter gedeckt sei. Bei der Wohnbeihilfe handle es sich zweifellos um eine Geldleistung von dritter Seite, die dazu bestimmt sei, den Wohnbedarf zumindest teilweise abde cken zu können. Die Anrechnung der Wohnbeihilfe sei daher als erster Schritt vorweg vorzunehmen. Lediglich jener Wohnbedarf, der durch die Leistungen eines Dritten – im gegenständlichen Fall eben von der Wohnbeihilfe – nicht gedeckt sei, sei im Wege der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu gewähren. Wenn diese Berechnungsmethode in der Beschwerde angezweifelt und diesbezüglich auf die Rsp des VwGH (zum Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetz – StMSG) hingewiesen werde, so sei dem zu entgegnen, dass es sich bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung um Landesgesetzgebung handle und das NÖ MSG keineswegs dem StMSG „hinsichtlich der Anrechnung des Wohnbedarfes“ gleiche.
Im vorliegenden Fall beliefen sich die Mietkosten auf monatlich € 509,58 und der Wohnzuschuss auf monatlich € 250,–. Der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 % des Mindeststandards (vgl § 11 Abs 3 NÖ MSG) betrage € 203,50. Da der Wohnzuschuss aber den Richtsatz für den Wohnbedarf von € 203,50 übersteige, sei darüber hinaus kein weiterer Aufwand für den Wohnbedarf zu berücksichtigen. Die Anrechnung des Wohnzuschusses in der Höhe von € 250,– durch die belangte Behörde sei somit rechtmäßig erfolgt. Zum Ausspruch der Unzulässigkeit der ordentlichen Revision führte das Verwaltungsgericht aus, dass im Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, der iSd Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme.
3. Gegen dieses Erk richtet sich die vorliegende Revision. [...]
II. Der VwGH hat erwogen:
1. [...]
2. [...] Die Revisionswerberin macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, dass entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes eine „erhebliche Rechtsfrage“ vorliege, weil die angefochtene E von der Rsp des VwGH (Hinweis auf die hg Erkenntnisse vom 3.7.2012, 2011/10/0133, und vom 28.5.2013, 2011/10/0184) abweiche. Nach stRsp schmälere die gewährte Wohnbeihilfe den Mindestsicherungsanspruch nur insoweit, als sie die Differenz zwischen dem als Grundbetrag für den Wohnbedarf 25 %-igen Anteil des Mindeststandards und dem tatsächlichen Wohnbedarf (bis zur Grenze des höchstzulässigen Wohnungsaufwandes) übersteige. Das angefochtene Erk weiche aber davon ab, weil es die Berechnung durch die belangte Behörde, wonach der Wohnzuschuss zur Gänze angerechnet werde, obwohl der Wohnungsaufwand erheblich höher sei, nicht beanstandet habe.
3. Die Revision erweist sich (mangels insofern zum NÖ MSG ergangener Rsp) als zulässig.
4.1. Die Revisionswerberin erachtet sich ua in ihrem subjektiven Recht auf „Gewährung der Mindestsicherung zur Deckung des Wohnbedarfs bzw Nichtanrechnung des gesamten Wohnzuschusses auf die Mindestsicherung“ verletzt.
Dazu wird im Wesentlichen vorgebracht, dass in den Erläuterungen zu § 11 Abs 3 NÖ MSG, wonach der Mindeststandard zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts grundsätzlich einen Geld-231betrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 % beinhalte, ausgeführt worden sei, dass aufgrund der Art 15a B-VG-Vereinbarung über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung die Länder, wenn mit dem Mindeststandard der angemessene Wohnbedarf nicht vollständig gedeckt werden könne, zusätzliche Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfs gewährleisteten. Das Land Niederösterreich könne zusätzliche, über die 25 %-igen Wohnkostenanteile der Bedarfsorientierten Mindestsicherung hinausgehende Leistungen zur Deckung der angemessenen Wohnkosten einerseits durch die NÖ Wohnförderung und andererseits in Sonderbedarfsfällen durch Zusatzleistungen nach § 13 NÖ MSG im Rahmen des Privatrechts gewähren. Wenn im Einzelfall der Wohnbedarf bereits gedeckt sei – etwa, weil diese in Hinblick auf die Bedarfsdeckung zur Verfügung stehende Leistung von Dritten zur Verfügung gestellt werde –, sei die Höhe der gewährten Mindestsicherung um den genannten „Selbstbehalt“ zu reduzieren. So sei eine durch die NÖ Wohnungsförderung geleistete Subjektförderung (Wohnbeihilfe etc) – insofern Einsatz des Einkommens iSd § 6 NÖ MSG – auf den 25 %-igen Wohnkostenanteil anzurechnen. Unzulässig wäre es allerdings, die Wohnbeihilfe auf den Mindeststandard in einem Ausmaß anzurechnen, das über die Höhe des Selbstbehaltes – zulasten des Anteiles für den Lebensunterhalt – hinausgehe.
Die Auslegung des Verwaltungsgerichtes stehe im Widerspruch zu diesen Erläuterungen, wonach das Land NÖ durch die Wohnungsförderung zusätzliche Leistungen zur Deckung der angemessenen Wohnkosten gewähren könne. Darüber hinaus führe diese Auslegung bei der Revisionswerberin zu dem – nach den Erläuterungen unerwünschten – Ergebnis, dass sie die Geldleistung zur Deckung des Lebensunterhalts teilweise zur Deckung des Wohnbedarfs verwenden müsse.
4.2. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Revision im Ergebnis, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erk darzutun.
Nach dem im NÖ MSG geltenden Grundsatz der Subsidiarität ist die Bedarfsorientierte Mindestsicherung Hilfe suchenden Personen nur so weit zu gewähren, als Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft besteht und der jeweilige Bedarf nicht durch eigene Mittel oder durch Geld- oder Sachleistungen Dritter tatsächlich gedeckt wird (vgl § 2 Abs 1 und § 8 Abs 1 NÖ MSG).
Gem § 10 Abs 3 NÖ MSG umfassen Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfes den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und wohnbezogene Abgaben.
Gem § 11 Abs 3 NÖ MSG beinhalten Mindeststandards zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes nach § 11 Abs 1 NÖ MSG grundsätzlich einen Geldbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes im Ausmaß von 25 % bzw bei hilfsbedürftigen Personen, die eine Eigentumswohnung oder ein Eigenheim bewohnen, einen Geldbetrag im Ausmaß von 12,5 %. Besteht kein oder ein geringerer Aufwand zur Deckung des Wohnbedarfes oder ist dieser Aufwand anderweitig gedeckt, sind die jeweiligen Mindeststandards um diese Anteile entsprechend zu reduzieren, höchstens jedoch um 25 % bzw 12,5 %.
Der Aufwand zur Deckung des Wohnbedarfes iSd § 11 Abs 3 NÖ MSG ist dahin zu verstehen, dass es sich um den Aufwand zur Deckung des angemessenen Wohnbedarfes handelt, dh um jenen, der zur „Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation“ erforderlich ist (vgl § 10 Abs 3 NÖ MSG). Dieses Ergebnis wird auch durch die – in der Revision ins Treffen geführten – Materialien zum NÖ MSG gestützt, wo von der Abgeltung des über den Mindeststandard hinausgehenden angemessenen Wohnbedarfes die Rede ist (vgl den dem Gesetzesbeschluss zugrunde liegenden Antrag von Abgeordneten des NÖ Landtages vom 23.3.2010, Ltg.-515/A-1/32-2010, S. 30).
Dem gegenüber liegt dem angefochtenen Erk die Auffassung zugrunde, dass der Wohnbedarf eines Hilfebedürftigen in keinem Fall höher als 25 % des Mindeststandards sein könne.
Damit hat allerdings das Verwaltungsgericht die Rechtslage verkannt: Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, dass durch den Mindeststandard zur Deckung des Wohnbedarfes iSd § 11 Abs 3 NÖ MSG (in Höhe von 25 % bzw 12,5 % des Mindeststandards) der Wohnbedarf des Hilfebedürftigen im Allgemeinen sichergestellt ist; eine Anrechnung von Leistungen von dritter Seite für den Wohnbedarf auf diesen 25 %- bzw 12,5 %-Anteil hat aber jedenfalls zur Voraussetzung, dass Feststellungen über den für eine angemessene Wohnsituation des Hilfebedürftigen notwendigen Aufwand getroffen werden. Übersteigt nämlich der Aufwand für eine angemessene Wohnsituation den 25 %- bzw 12,5 %-Anteil des Mindeststandards, so kommt eine Anrechnung der von dritter Seite für den Wohnbedarf erbrachten Leistungen (zB Wohnbauförderung) nur insoweit in Betracht, als diese den angemessenen Wohnungsaufwand abzüglich des 25 %- bzw 12,5 %-Anteil des Mindeststandards übersteigen.
Das Verwaltungsgericht hat sich allerdings – ausgehend von seiner Rechtsauffassung – gar nicht damit befasst, wie hoch der für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation der Revisionswerberin notwendige Aufwand ist (und ob die von ihr belegten Wohnungskosten von € 509,58 diesen notwendigen Aufwand allenfalls übersteigen).
5. [...]
6. Nach dem Gesagten hat das Verwaltungsgericht das angefochtene Erk mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodass dieses gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wie ist die Wohnbeihilfe in der Mindestsicherung zu berücksichtigen? Diese Frage hat den VwGH seit Inkrafttreten der Mindestsicherungsgesetze bereits mehrmals beschäftigt, jedoch ergingen bisher sämtliche Entscheidungen zum StMSG (vgl232 erstmals VwGH 3.7.2012, 2011/10/0133, und jüngst VwGH 22.4.2015, 2012/10/0145). Mit dem vorliegenden Erk bezog der Gerichtshof erstmals zur niederösterreichischen Rechtslage Stellung, und er erachtete ihren Vollzug für rechtswidrig.
Die Begründung ist denkbar kurz: Aus § 10 Abs 3 und § 11 Abs 3 NÖ MSG folge, dass unter „Aufwand zur Deckung des Wohnbedarfes“ der zur Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderliche Aufwand zu verstehen sei – so schon die Materialien. Überschreite dieser Aufwand den Wohnkostenanteil, dürfe die Wohnbeihilfe nur insoweit berücksichtigt werden, als sie selbst die Differenz zwischen diesem Aufwand und dem Mindeststandard übersteige. Das Landesverwaltungsgericht (LVwG) hatte diesen Aufwand jedoch im konkreten Verfahren nicht festgestellt, weshalb der VwGH das Erk aufhob.
Die Verwaltung sowie das LVwG (Erk vom 10.2.2015, LVwG-AB-14-0999, sowie vom 21.4.2015, LVwGAV-116/001-2015, ua) hatten das ganz anders gesehen: Aus § 8 Abs 1 NÖ MSG sowie dem Subsidiaritätsprinzip – mitunter auch unter Berufung auf die Materialien – leitete man ab, dass jeder Hilfe suchenden Person höchstens der 25 %-ige Wohnkostenanteil zustehe. Werde dieser Wohnkostenanteil von dritter Seite bereits gedeckt, gebühre insoweit keine Mindestsicherung. Die Wohnbeihilfe sei daher unmittelbar auf den Betrag zur Deckung des Wohnbedarfes anzurechnen. Übersteige dieser jene und kann noch ein von der Wohnbeihilfe ungedeckter Wohnaufwand nachgewiesen werden, gebühre Mindestsicherung höchstens im Ausmaß der Differenz zwischen Wohnbeihilfe und Wohnkostenanteil. Der Zweck ist klar: Doppelförderungen sind zu vermeiden. Bekommt man vom Land bereits Geld zum Wohnen, soll nicht auch noch die Mindestsicherung etwas beisteuern.
Die Antwort auf die Frage, ob der VwGH die Rsp des LVwG zu Recht verworfen hat, hängt daher nicht zuletzt davon ab, ob der Gesetzgeber tatsächlich Doppelförderungen vermeiden wollte.
Am Anfang der Diskussion steht ein Gesetzesvorschlag, der scheinbar nicht weiß, was er will. Nicht dass der Motivenbericht zum Verhältnis von Wohnbeihilfe und Mindestsicherung nichts zu sagen hätte, die Ausführungen sind aber alles andere als schlüssig: Zu Beginn des relevanten Abschnittes wird erklärt, das Land könne über den 25 %-igen Wohnkostenanteil hinaus zusätzliche Leistungen zur Deckung der angemessenen Wohnkosten gewähren: einerseits Wohnungsförderung, andererseits in Sonderbedarfsfällen Zusatzleistungen nach § 13 NÖ MSG. Schon zwei Absätze weiter ist zu lesen, dass eine geleistete Subjektförderung, wozu die Wohnbeihilfe zählt, als Einsatz des Einkommens auf den 25 %-igen Wohnkostenanteil anzurechnen sei. Unzulässig wäre bloß eine Anrechnung zu Lasten des Lebensunterhaltes (MB zu Ltg.-515/A-1/32-2010 vom 15.7.2010, S 35 f; der vom VwGH zitierte MB vom 23.3.2010 bezog sich auf einen veralteten Entwurf). Dass beides gleichzeitig nicht richtig sein kann, ist offensichtlich: Ist die Wohnbeihilfe unmittelbar auf den Wohnkostenanteil anzurechnen, stellt sie keine Zusatz-, sondern eine Alternativleistung dar; ist sie demgegenüber eine Zusatzleistung, kommt eine Anrechnung nicht in Frage. Dieser Widerspruch lässt sich in beide Richtungen auflösen: Entweder man geht davon aus, der Verweis auf die Anrechnung der Wohnbeihilfe sollte deren Charakter als Alternativleistung zum Ausdruck bringen, oder man nimmt an, der Hinweis auf eine Anrechnung habe sich nur auf Fälle bezogen, in denen Wohnbeihilfe und Mindeststandard in Summe über dem Aufwand zur Sicherstellung einer angemessenen Wohnsituation liegen. Vielleicht hatten die den Gesetzesantrag einbringenden Abgeordneten eine dieser beiden Deutungen vor Augen, vielleicht auch nicht. Wie man es dreht und wendet – verwertbar sind diese Ausführungen nicht. War eine Vermeidung von Doppelförderungen gewollt, muss dieser Zweck daher im Gesetzestext zum Ausdruck gebracht sein.
Das stärkste Argument gegen Doppelförderungen ist das Subsidiaritätsprinzip: Mindestsicherung ist nur soweit zu gewähren, als der jeweilige Bedarf nicht gedeckt ist (§ 2 Abs 1 NÖ MSG). In näherer Ausgestaltung dieses Prinzips ordnet § 8 Abs 1 NÖ MSG an, dass als bedarfsdeckende Leistungen Dritter sowohl Geld- als auch Sachleistungen zu berücksichtigen sind. Aufgrund dieser Bestimmung wird etwa eine regelmäßige Verpflegung im Ausmaß der Bedarfsdeckung angerechnet (VwGH 21.1.2015, Ro 2014/10/0115). § 8 Abs 1 NÖ MSG dient auch dem LVwG als normative Grundlage dafür, die Wohnbeihilfe unmittelbar vom Wohnkostenanteil abzuziehen. Eine unmittelbare Anwendung der Norm auf den Wohnkostenanteil scheitert jedoch an § 11 Abs 3 NÖ MSG. Dieser sieht vor, dass die Mindestsicherung um den Anteil zur Deckung des Wohnbedarfes zu reduzieren ist, sofern kein oder ein geringerer Aufwand besteht oder dieser anderweitig gedeckt ist. Das Subsidiaritätsprinzip findet daher unmittelbar in § 11 Abs 3 NÖ MSG Ausdruck – eines Umwegs über § 8 Abs 1 NÖ MSG bedarf es nicht. Was daraus in concreto folgt, hängt zuvorderst davon ab, was unter „Aufwand“ iSd § 11 Abs 3 NÖ MSG zu verstehen ist.
Für den VwGH ist klar, dass damit der zur Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderliche Aufwand gemeint sein muss. Das überzeugt nicht: Unter Aufwand kann hier nur der konkret nachgewiesene, nicht aber ein zur Sicherstellung einer angemessenen Wohnsituation notwendiger Aufwand zu verstehen sein. Denn mit der Wendung „kein oder ein geringerer Aufwand“ will der Gesetzgeber erreichen, dass die Hilfe suchende Person höchstens jenen Betrag erhält, der ihren aktuellen Ausgaben fürs Wohnen entspricht. Ob eine besonders preiswerte Wohnung dabei unangemessen ist, ist unerheblich. Im Ergebnis hat der VwGH allerdings recht: § 11 Abs 3 NÖ MSG kennt eine Begrenzung nach oben – nicht jeder Aufwand wird akzeptiert, sondern nur jener, der eine adäquate Wohnung sichert. Dies ergibt sich aus § 10 Abs 3 NÖ MSG; die Mindestsicherung will nicht weniger, aber auch nicht mehr als den Grundbedarf decken. Ein überhöhter Aufwand bleibt außer Ansatz.
Alles steht und fällt daher mit der Bedeutung des zur Gewährleistung einer angemessenen Wohnsi-233tuation erforderlichen Aufwands. Das Gesetz selbst bietet dafür nur einen Anhaltspunkt: die Mindeststandards. Diese vom Ausgleichszulagenrichtsatz abgeleiteten Fixbeträge dienen zu 75 % der Deckung des Lebensunterhaltes und zu 25 % der Deckung des Wohnbedarfs. Auf einen Sonderbedarf oder die konkrete Situation kommt es nicht an, auch nicht darauf, ob diese Beträge in allen Regionen des Landes zur Bestreitung des Lebens ausreichen. Das Gesetz nimmt schlicht an, dass durch die Mindestsicherung die Ausgaben für die regelmäßig gegebenen Grundbedürfnisse gedeckt sind. Ein über den Wohnkostenanteil hinausgehender Wohnbedarf interessiert dabei ebenso wenig wie ein über den regelmäßigen Aufwand für Nahrung hinausgehender Lebensmittelverbrauch. Und im Umfang der Wohnbeihilfe ist dieser relevante Aufwand bereits von Seiten Dritter gedeckt. Im Ergebnis ist man wieder bei der vom LVwG vertretenen Lösung angekommen – ob man die Wohnbeihilfe vom Mindeststandard abzieht oder von den Wohnkosten in der maximalen Höhe des Mindeststandards, ist rechnerisch gleichwertig.
Der VwGH hat diese Anschauung freilich verworfen. Er geht dabei von der Annahme aus, dass dem Gesetzgeber bei der Ermittlung des notwendigen Aufwandes zur Sicherstellung einer angemessenen Wohnsituation ein eigener, vom Mindeststandard unabhängiger Maßstab vor Augen geschwebt sei. Dafür die inkonsistenten Materialien ins Treffen zu führen, verfängt zwar nicht, unvertretbar ist diese Auslegung aber keineswegs. Die Gleichsetzung von Wohnkostenanteil und Aufwand iSd § 10 Abs 3 NÖ MSG korrespondiert zwar mit der Gleichsetzung von Lebensunterhaltsanteil und Aufwand iSd § 10 Abs 1 NÖ MSG; sie überhöht allerdings das Subsidiaritätsprinzip. Für den VwGH spricht demgegenüber das Integrationsprinzip, wonach die soziale Stellung der Hilfe suchenden Person zu erhalten und zu festigen ist: Die Subjektförderung im Wohnbereich wird hier zum Lückenfüller – sie gibt, was die Mindestsicherung nicht leisten kann. Andernfalls wird die vorhandene Wohnung oft nicht zu halten sein und daher die Hilfe suchende Person aus ihrem sozialen Umfeld gezwungen. Leer gehen nur jene Personen aus, die keine Subjektförderung erhalten können, weil das Wohnobjekt nicht förderungswürdig ist. Gleichheitswidrig ist das nicht; ob es ein gewünschtes Ergebnis ist, steht auf einem anderen Blatt. Daneben kann zugunsten des Gerichtshofes noch ins Treffen geführt werden, dass er – ohne es anzusprechen – die Regelungen des NÖ MSG so ausgelegt hat, dass sie in ihrer Bedeutung der Begriffsverwendung in der zu Grunde liegenden Art 15a-Vereinbarung über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung entsprechen. Denn diese geht unzweideutig davon aus, dass der angemessene Wohnbedarf nicht den Mindeststandards entspricht (vgl Art 11 leg cit sowie die ErläutRV 677 BlgNR 24. GP 15). Das Ziel, Doppelförderungen zu vermeiden, lässt sich demnach zwar aus dem Gesetz ableiten, es bleibt aber durchaus Raum für andere Erwägungen. Beide Zugänge, sowohl jener des LVwG als auch jener des VwGH, sind deshalb legitim.
Wer allerdings wie der VwGH postuliert, dass es einen Maßstab gibt, den Aufwand iSd § 10 Abs 3 NÖ MSG zu ermitteln, sollte auch einen Hinweis geben, wo besagter Maßstab zu suchen ist. Genau diese Frage lässt der Gerichtshof allerdings offen. Anknüpfungspunkte für das LVwG im fortgesetzten Verfahren gibt es zwar – man denke nur an die Wohnungsförderungsrichtlinien der NÖ Landesregierung, aber auch in den Mindestsicherungsgesetzen finden sich Beispiele (§ 6 Abs 2 TMSG) –, sie helfen nur nicht weiter. Denn ableiten lässt sich lediglich, was eine „angemessene Wohnsituation“ ist. Wie aber in concreto der notwendige Aufwand als Grenze zu ermitteln ist, bleibt im Dunkeln. Darunter ist jener Aufwand zu verstehen, der notwendig ist, um eine angemessene Wohnung zu mieten. Ist die Wohnung adäquat, kann dies nur der konkrete Wohnungsaufwand sein, denn zur Anmietung der Unterkunft müssen exakt diese Auslagen getätigt werden.
Und was tun, wenn die konkrete Wohnung nicht angemessen ist? Ist zu ermitteln, was es kosten würde, eine gebührliche Wohnung zu mieten, und wenn ja, wo ist eine solche zu suchen? In derselben Stadt, im selben Bezirk, im ganzen Bundesland? Was, wenn gerade keine angemessene Wohnung verfügbar ist? Fraglos kann man sich zur Lösung dieses Problems statistischer Durchschnittswerte bedienen, wie sie sich etwa aus dem Mietpreisspiegel der WKO ablesen lassen. Dieser enthält zwar keine Daten auf Gemeinde-, zumindest aber auf Bezirksebene. Mehr als einen Näherungswert erhält man aber auch auf diesem Weg nicht, gibt ein Mietpreisspiegel doch nur jene Preise wieder, die in einem vergangenen Zeitraum im Schnitt für eine Wohnung bestimmter Qualität je Quadratmeter erzielt wurden. Entscheidungsrelevant ist demgegenüber, welche Ausgaben im Entscheidungszeitpunkt getätigt werden müssen, um eine angemessene Wohnung anzumieten. Gegen die Heranziehung eines Mietpreisspiegels spricht daher nur solange nichts, als keine Anhaltspunkte dafür zu finden sind, dass der durchschnittliche vom notwendigen Wohnaufwand abweicht. All dies untergräbt die Richtigkeit der Lösung des VwGH nicht; praxisorientiert ist sie allerdings nicht unbedingt. Denn zur Umsetzung der vom Gerichtshof vertretenen Lösung vermag ein allgemeiner Maßstab der Wohnkostenbemessung, etwa in Form von regionalen Höchstgrenzen, eher zu überzeugen. Entsprechende Vorschriften finden sich sodann auch in Salzburg und der Steiermark (vgl § 11 Abs 2 Sbg MSG sowie § 2 Sbg Mindestsicherungsverordnung-Wohnbedarfshilfe; § 10 Abs 6 StMSG sowie § 5 StMSG-DVO), in Niederösterreich aber fehlen sie.
Hat man einmal den zur Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation notwendigen Aufwand gefunden, ist der Rest einfach: Übersteigen die konkreten Auslagen den notwendigen Aufwand, ist die Wohnbeihilfe von diesem abzuziehen, sonst von jenen – in diesem Ausmaß ist der Wohnaufwand ja gedeckt. Übersteigt die sich daraus ergebende Differenz den Wohnkostenanteil, gebührt dieser als Mindestsicherungsleistung, sonst jene. Das deckt sich im Ergebnis mit der Berechnung234 des VwGH. Der VwGH nimmt jedoch an, dass die Wohnbeihilfe anzurechnen ist, insoweit sie die Differenz zwischen Mindeststandard und notwendigem Wohnaufwand übersteigt. Am Wortlaut des § 11 Abs 3 NÖ MSG geht das vorbei: Dort kommt es nur auf den ungedeckten Wohnaufwand an (arg: „geringer Aufwand“; „Aufwand anderweitig gedeckt“), also auf die Differenz zwischen Ausgaben und Subjektförderung.
Fazit: Mit dem vorliegenden Erk hat das Höchstgericht einen langjährigen Streit zu Wohnbeihilfe und Mindestsicherung in NÖ entschieden, und es hat dabei eine von zwei vertretbaren Auslegungsvarianten der anderen vorgezogen. Rechtspolitisch kann man das ohne Zweifel bemängeln, rechtsdogmatisch steht man mit der Kritik jedoch auf verlorenem Posten. Der VwGH hat seine Lösung allerdings nicht zu Ende gedacht: So bleibt offen, wie die Wendung „angemessene Wohnsituation“ auszulegen und der erforderliche Aufwand zu ermitteln ist. Hier hätte man sich für den zweiten Rechtsgang mehr an Hinweisen erwarten dürfen.