Fütterer/Pötters/Stiebert/Traut (Hrsg)Arbeitsrecht – für wen und wofür?

Nomos Verlag, Baden-Baden 2015 294 Seiten, broschiert, € 75,–

KARINBURGER-EHRNHOFER (WIEN)

„Arbeitsrecht – für wen und wofür?“ so lautete das Generalthema der im Juli 2014 in Bonn stattgefundenen vierten Assistententagung im Arbeitsrecht. Der vorliegende Sammelband enthält die Schriftfassungen der auf dieser Tagung gehaltenen Vorträge.

Das Motto der Tagung wurde von den zwölf Autorinnen und Autoren aus sehr unterschiedlichen Richtungen beleuchtet. So behandelt Klaus Bepler im ersten Beitrag ausgewählte arbeitsrechtliche Sonderprobleme der Berufsfußballer und geht dabei ua auf die im Profifußball gängige Befristungspraxis sowie auf die auch für andere Erwerbssparten praxisrelevante Frage ein, inwieweit AN die Ausübung ihrer Glaubensfreiheit gewährt werden muss (zB Einhaltung des leistungsschwächenden Ramadan während der Wettkampfsaison).

Laura Schmitt befasst sich in ihrem Beitrag mit der bestehenden und künftig wünschenswerten Rechtsstellung der Praktikanten im Arbeitsrecht und hält – ausgehend von der Annahme, dass Praktika entgegen ihrer eigentlichen Intention heutzutage oft als Instrument der Einsparung von Lohnkosten missbraucht werden – fest, dass dieser Missbrauch in Deutschland bereits mit den bestehenden rechtlichen Werkzeugen wirksam bekämpft werden kann. Hilfreich wäre nach ihrer Ansicht die Schaffung einer gesetzlichen Definition des Praktikantenverhältnisses; eine Forderung, die mE auch für Österreich erhoben werden kann.

Mit dem arbeitsrechtlichen Beschäftigungsschutz für Beamte und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes setzt sich Marcus Bieder in seinem Beitrag auseinander. Darin arbeitet er heraus, dass vor allem bei den für die Arbeitstätigkeit zentralen Faktoren Vergütung und Arbeitszeit die Beschäftigungsbedingungen im öffentlichen Dienst in Deutschland nicht mehr mit denen der Privatwirtschaft mithalten können. Aus österreichischer Sicht sei aus aktuellem Anlass an das Erk des VwGH (Ra 2015/12/0051) erinnert, mit dem erneut klargestellt wurde, dass § 48b BDG so zu verstehen ist, dass (anders als nach § 11 AZG) die halbstündige Mittagspause Teil der täglichen Arbeitszeit ist, weshalb für Bundesbeamte eine geltende 40-Stunden-Woche auf eine 37,5-Stunden-Woche schrumpft. Der von Bieder verortete Grund für die Benachteiligung von öffentlich Bediensteten in Deutschland, die einseitige Festlegung der Arbeitsbedingungen durch den Dienstgeber (also den Gesetzgeber), fällt demnach vor allem dort ins Gewicht, wo der Interessenvertretung der öffentlich Bediensteten wenig Einfluss auf die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen zukommt. Ein Umstand, der für Österreich eher zu verneinen ist.

Lena Rudkowski zeigt in ihrem Beitrag auf, dass die in Deutschland bisher als nahezu unüberwindbar angesehenen Hürden bei der gesetzlichen Regelung des Streiks im Bereich der Daseinsvorsorge durchaus überwindbar sind, wenn auch bereits die Definition des Begriffs der „Daseinsvorsorge“ für den Gesetzgeber eine Herausforderung darstellt. Die von ihr genannten Parameter, nach denen sich eine gesetzliche Einschränkung des Streikrechts in diesem Bereich richten müsste (vor allem die Einrichtung eines Notdienstes sowie die Pflicht, das Streikgeschehen im Voraus anzukündigen), sind auch nach österreichischer Rechtsansicht notwendige Voraussetzungen, damit etwa ein Ärztestreik eine rechtmäßige Gesamtaktion darstellt.

Den von ihm mit „Zurechnungsfragen im Diskriminierungsrecht“ betitelten Beitrag nützt Felix Schörghofer für eine genauere Untersuchung des AG-Begriffs. Er zeigt dabei anhand des Gleichbehandlungsrechts auf, dass sich AG aufgrund der Zurechnungskriterien Verhalten (zB Vorgesetzte mit Weisungsbefugnissen) und Wissen (zB Vorgesetzte mit Personalbefugnissen) auch Handlungen ihrer, dann als Erfüllungsgehilfen agierenden, AN zuordnen lassen müssen. So können trotz fehlender aktiver Diskriminierung durch den eigentlichen AG Diskriminierungstatbestände verwirklicht sein, für die dieser dann einzustehen hat.

Simone Kreis stellt in ihrem Beitrag fest, dass die Funktion arbeitsrechtlicher Normen neben dem AN-Schutzaspekt auch darin liegt, öffentliche Interessen zu wahren. Aus diesem Grund ist die Annahme eines bedingungslosen Anzeigerechts der AN hinsichtlich betrieblicher Missstände (Stichwort Whistleblowing) ihres Erachtens nicht systemfremd, sofern durch die Anzeige wirklich das öffentliche Interesse geschützt werden soll und diese nicht missbräuchlich als eine Art Vergeltungsmaßnahme gegen den AG eingesetzt wird.

Maximilian Schmidt setzt sich in seinem Beitrag mit dem Spannungsfeld von AN-Schutz-, Datenschutz- und Diskriminierungsrecht auseinander und zeigt darin die sich vor allem aus dem Datenschutzrecht ergebenden Grenzen im Rahmen des heutigen AN-Schutzes auf.

Mit dem in Deutschland zum 1.1.2015 eingeführten gesetzlichen Mindestlohn beschäftigt sich der Beitrag von Daniel Ulber. Der Autor geht darin auf die unterschiedlichen Regelungsziele ein, die der Gesetzgeber mit der Ausnahme bestimmter Personengruppen aus dem deutschen MiloG verfolgt. Diese verortet er vor allem im Bereich der Arbeitsmarktpolitik (zB Sicherung der Nachfrage nach Praktika, Wiedereingliederung von ehemals Langzeitarbeitslosen, Schaffung von Ausbildungsanreizen für Jugendliche ohne Berufsausbildung) und bezeichnet das Vorgehen des Gesetzgebers mE zu Recht als „Schutz durch Diskriminierung“.288

Andrea Potz thematisiert in ihrem Beitrag quantitative und qualitative Arbeitsverhinderungen, die sich aus der Ausübung religiöser Lebensrhythmen und Verhaltensregeln ergeben können. Vor allem bei den gesetzlichen Ruhezeiten in Österreich fällt auf, dass diese sehr stark auf die traditionellen Religionen abstellen. Kollektivvertragliche, betriebliche oder arbeitsvertragliche Regelungen, die diesen Umstand für Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften abfedern wollen, sind allerdings von den sich aus dem GlBG und dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ableitbaren Diskriminierungsverboten in ihrer Gestaltungsfreiheit eingeschränkt. Zu Recht vertritt die Autorin daher die Ansicht, dass aufgrund der geänderten Umstände (Österreich wird immer mehr zum Einwanderungsland) der Gesetzgeber gefordert ist, im Arbeitsruherecht und/oder im Urlaubsrecht zweckmäßige Anpassungen vorzunehmen.

Stephan Seiwerth geht in seinem Beitrag auf die Ursachen und Folgen der Schwäche der Tarifautonomie in Deutschland ein und sucht nach Möglichkeiten für deren Stärkung. Anders als in Österreich, wo auf AG-Seite zumeist eine mit Pflichtmitgliedschaft ausgestattete gesetzliche Interessenvertretung die Kollektivverträge abschließt und eine in § 12 ArbVG normierte Außenseiterwirkung auch nicht gewerkschaftlich organisierte AN in den Geltungsbereich des für den AG bindenden KollV aufnimmt, unterliegt ein Arbeitsverhältnis in Deutschland grundsätzlich nur dann einem Tarifvertrag, wenn sowohl auf AG- als auch auf AN-Seite eine Mitgliedschaft bei einem der abschließenden Verbände besteht oder eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung ausgesprochen wurde. Mit dem seit einigen Jahren zu verzeichnenden Absinken des Organisationsgrades auf beiden Seiten des Arbeitsverhältnisses ist nach Ansicht des Autors zu erwarten, dass es im deutschen Arbeitsrecht bald „mehr Staat statt Privat“ heißen wird, wenn es der Gesetzgeber nicht schafft, etwa durch das Setzen von Anreizen, die Tarifautonomie zu stärken.

Benjamin Bruchmann arbeitet in seinem Beitrag heraus, dass das kirchliche Arbeitsrecht zwar kein rechtsfreier Raum ist, dass aber Kirchen auch keine „normalen“ AG sind, weil ihnen beim Abschluss von Arbeitsverhältnissen ein (auch verfassungsrechtlich legitimierter) größerer Gestaltungsspielraum zukommt. Dieser ergibt sich nicht nur aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht, sondern auch aus unionsrechtlichen Regelungen, die es den Kirchen ermöglichen, selbst zu bestimmen, für welche Berufe und Tätigkeiten eine Zugehörigkeit zur jeweiligen Religion notwendige Voraussetzung ist. Dabei bleibt es nach Ansicht des Autors auch, wenn durch kirchliche Institutionen staatlich finanzierte Aufgaben der Daseinsvorsorge übernommen werden (zB Betreiben eines Krankenhauses oder einer Kindertagesstätte).

Ob AN-Überlassungen – so wie vom deutschen Gesetzgeber ursprünglich intendiert – auch nach der Hartz-I-Reform tatsächlich wie normale Arbeitsverhältnisse behandelt werden, stellt Eva Albers in ihrem Beitrag in Frage. So weist die Autorin darauf hin, dass das deutsche Kündigungsschutzgesetz aufgrund des oft nur kurzfristigen Bestands der Leiharbeitsverhältnisse auf gut die Hälfte der überlassenen AN keine Anwendung findet und schlägt daher für AN-Überlassungen eine Verkürzung der ebendort vorgesehenen sechsmonatigen Wartezeit vor. Im Rahmen des Befristungsrechts führt die Anwendung allgemeiner Bestimmungen (§ 14 dt TzBfG) dazu, dass auch bei überlassenen AN Befristungen ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes möglich sind. Aufgrund der damit verbundenen Missbrauchsgefahr sieht die Autorin auch hier den Gesetzgeber gefordert. Für Österreich ist diesbezüglich festzuhalten, dass jedenfalls bei gewerbsmäßiger Arbeitskräfteüberlassung Befristungen ohne sachliche Rechtfertigung grundsätzlich unzulässig sind (OGH9 ObA 209/93infas 1994 A 80).

Hat man die letzte Seite dieses Tagungsbandes erreicht, bleibt die Erkenntnis, dass es sich – vielleicht gerade, weil viele Aufsätze deutscher Kollegen und Kolleginnen enthalten sind – hierbei um eine auch für österreichische Leser sehr empfehlenswerte Lektüre handelt.