FeltenKoalitionsfreiheit und Arbeitsverfassungsgesetz
Manz Verlag, Wien 2015 XXXVI, 462 Seiten, gebunden, € 99,–
FeltenKoalitionsfreiheit und Arbeitsverfassungsgesetz
Hohe Erwartungen weckt das Werk in der österreichischen Arbeitsrechtsgemeinschaft, das den Bogen von der kollektiven Rechtsgestaltung unter Sozialautonomie bis zum Einfluss des verfassungsmäßig gewährleisteten Rechts auf Koalitionsfreiheit zu spannen sucht. Diesem hehren Anspruch wird die dem Rezensenten vorliegende Monographie durchwegs gerecht. Mit einer Fassung dieses 462 Seiten starken Manuskripts hat sich Elias Felten an der Universität Salzburg im Bereich des Arbeitsrechts habilitiert. Der Autor übersetzt in der rechtsdogmatischen Arbeit die Auswirkungen neuester Judikatur in klare Antworten zu essentiellen Grundfragen des kollektiven Arbeitsrechts. Im Mittelpunkt steht dabei stets das Spannungsfeld des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit und die Ausgestaltung der österreichischen Arbeitsverfassung.
Im ersten Kapitel wird das österreichische System kollektiver Arbeitsbeziehungen beleuchtet, wobei ua Fragen der Zutrittsrechte zum Betrieb sowie das Kooperationsgebot nach § 39 Abs 2 ArbVG einer eingehenderen Untersuchung unterzogen werden. In beeindruckender Weise wird weiters die Rolle und Stellung der Sozialpartner vorgezeichnet. Nur das Verständnis über die Natur von Kollektivverträgen muss an dieser Stelle kurz hinterfragt werden. Das Argument (S 129), dass diese im Kern lediglich als Instrumente zur Beschränkung von AG-Interessen dienten und es daher zweifelhaft erscheine, ob die Rechtsordnung AG ein Recht zur Durchsetzung zuerkenne, scheint fragwürdig. Dagegen spricht einerseits die diesen zwar vom Autor konzedierte, aber nicht als ausreichend befundene Kartellierungsfunktion sowie die Friedensfunktion. Des Weiteren kann gerade in deflationären Zeiten oder im Zusammenhang mit der Einführung von Kurzarbeit ein beträchtliches Interesse der AG-Seite am Abschluss von Kollektivverträgen bestehen. Der ins Treffen geführten, fehlenden Zwangsschlichtung kann der Gesetzgeber in Situationen eines nicht zustande kommenden KollV (mangels Einigung oder abschlussfähiger Körperschaft)290 behelfsmäßig durch Satzungen und Mindestlohntarife bzw Lehrlingsentschädigungen entgegenwirken.
An anderer Stelle widerspricht der an programmatischen Gesetzesstellen orientierte Schluss, dass zwar die Arbeiterkammern streiken dürften, die Wirtschaftskammern dagegen einem absoluten Arbeitskampfverbot unterlägen, vorschnell dem Grundsatz der Arbeitskampfparität. Davon abgesehen haben sich diese als Körperschaften des öffentlichen Rechts in ihrem Wirken an die Gesetze zu halten. Das Grundrecht auf Arbeitskampf lässt sich aus Art 11 EMRK bzw Art 28 EGSC nur für freiwillige Koalitionen ableiten – nicht aber, wenn solche als staatliche Institutionen ausgestaltet sind. Folglich genießen diese kein Grundrecht auf Arbeitskampf. Diesen geziemt ein von der Streikneutralität geprägtes Handeln. Art 120a B-VG gesteht den Sozialpartnern dabei weitgehende Autonomie zu, die aber bei gesetzlichen Zwangsvertretungskörpern nicht so weit gehen kann, als dass sich diese auf die durch Art 11 EMRK bzw Art 28 EGSC verliehenen Rechte stützen können.
Das zweite Kapitel ist dem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit gewidmet. Darin bekräftigt der Autor die weiterentwickelte Lesart der Bestimmungen der EMRK, der EGSC sowie des Völkerrechts, welche ein Grundrecht auf Arbeitskampf zur Folge haben. Eine intensive Auseinandersetzung findet in der Frage deren Anwendung im Bereich der kollektiven Arbeitsbeziehungen statt. Dabei wird der Aktionsradius der involvierten Parteien zu bestimmen versucht, und das Recht auf Teilhabe an sowie den Abschluss von Kollektivvertragsverhandlungen untersucht. Besonders wertvoll erscheint die Auseinandersetzung mit der Systematik des Ineinandergreifens von 1. und 2. Buch des ArbVG.
Das Kernstück für die wissbegierigen LeserInnen bildet der dritte Teil, in welchem Felten die konkreten Auswirkungen der (neu verstandenen) Koalitionsfreiheit für das ArbVG erläutert. Ausgehend von der Analyse gegenseitiger Wechselwirkungen kommt Felten in Bezug auf die absolut zwingende Wirkung des ArbVG zu dem Ergebnis, dass diese eine Beschränkung des Art 11 EMRK manifestiere. Die Ausformung eines absolut zwingenden Regelungssystems sei mit der Koalitionsfreiheit nicht zu vereinen, weshalb eine einschränkende Lesart angebracht sei. Schuldrechtliche Vereinbarung an KollV statt seien zuzulassen und eine partielle Beschränkung freiwilliger Koalitionen auszugsweise nur in Fragen betreffend Materien der §§ 96, 96a, 97 Abs 1 Z 1-6a, § 101 oder § 105 zulässig. Aus Art 11 Abs 1 EMRK leitet der Autor für überbetriebliche Koalitionen weiters ein verfassungsunmittelbares Recht auf Zutritt zu den Betrieben ab.
Das Werk behandelt Grundpfeiler der österreichischen Arbeitsrechtsordnung unter Zuhilfenahme raffinierter Thesen. Es besticht insgesamt durch Übersicht, leichte Lesbarkeit und nachvollziehbare Thesen. Durch den klaren Argumentationsstil werden den LeserInnen komplexe Zusammenhänge und Problemfelder in außerordentlicher Weise vermittelt.
Kleine Unachtsamkeiten in Bezug auf Formalitäten (Stichwortverzeichnis F statt E oder „Kohlbacher, Arbeitskampf und Europarecht“ statt richtig „Kohlbacher, Streikrecht und Europarecht“) darf man dem Autor angesichts des Werkumfangs nachsehen.