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Materieller und immaterieller Schadenersatz bei diskriminierender Beendigung in der Probezeit

KLAUSMAYR (LINZ)
  1. Die Beendigung eines Lehrverhältnisses während der Probezeit wegen Schwangerschaft stellt eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar.

  2. Lässt die AN die Beendigung gegen sich gelten und wählt den Vermögensschaden, so ist der hier geltend gemachte Schadenersatz im Ausmaß der entgangenen Lehrlingsentschädigung bis zum Beginn des Mutterschutzes jedenfalls berechtigt.

  3. Bei der Ermittlung des immateriellen Schadens bilden Dauer und Intensität des erlittenen Ungemachs einen bestimmenden Faktor. Bei der Ausmessung dieser Genugtuungsleistung (Geldersatz) wird die psychophysische Situation des Betroffenen, die Beschaffenheit seiner Gefühlswelt, seine Empfindsamkeit, die Schwankungsbreite seiner Psyche gleichfalls zu berücksichtigen und überdies zu beachten sein, dass diese dem in seinem Recht Verletzten nicht nur einen Ausgleich für die beeinträchtigte Lebensfreude bringen, sondern ihm auch das Gefühl der Verletzung nehmen und damit das gestörte Gleichgewicht in seiner Persönlichkeit wiederherstellen soll.

  4. Der Entschädigung für den immateriellen Schaden hat nach dem expliziten gesetzlichen Auftrag des § 12 Abs 14 GlBG auch präventive Funktion zuzukommen.

Die Kl war bei der Bekl vom 2.9. bis 30.10.2013 als Lehrling im Lehrberuf Einzelhandelskauffrau, Schwerpunkt Lebensmittelhandel, beschäftigt. Das Lehrverhältnis wurde von der Bekl während der Probezeit aufgelöst. [...] Das Arbeitsumfeld bei der Bekl war für die Kl angenehm, da ihr die Arbeit gefiel, sie sich mit den Mitarbeitern gut verstand und sie von diesen sowie den Geschäftsführern der Bekl zunächst auch nicht schlecht behandelt wurde. In den ersten Wochen des Lehrverhältnisses war die Kl auch bemüht und verrichtete ihre Arbeit ordnungsgemäß. In der Folge ließ die Arbeitsmotivation und das Interesse der Kl jedoch etwas nach. [...] Einmal vergaß sie, den gezuckerten Kaffee eines Gastes umzurühren, woraufhin dieser sich bei einem anderen Mitarbeiter der Bekl beschwerte. Der Mitarbeiter fragte die Kl daraufhin, ob sie „innerlich blond“ sei. Die Haarfarbe der Kl ist tatsächlich hellbraun/braun. Die Kl bezog diese Äußerung auf ihre Intelligenz. [...] Im Zeitraum von 7. bis 24.10.2013 befanden sich die Geschäftsführer der Bekl auf Urlaub. Vor deren Urlaubsantritt erkundigte sich der Lebensgefährte der Mutter der Kl beim Geschäftsführer, ob hinsichtlich der Kl „alles in Ordnung sei“. Dieser antwortete, dass „alles passe“. Das Verhalten, das zu Beschwerden der Mitarbeiter führte, wurde – auch gegenüber der Kl selbst – nicht angesprochen. Am 11.10.2013 erfuhr die Kl von ihrer Schwangerschaft und gab dies am 14.10.2013 der Tochter der Geschäftsführerin bekannt. Die Arbeitseinstellung und Leistung der Kl war nach Bekanntwerden der Schwangerschaft herabgesetzt. [...] Am 25.10.2013 kam es zu einem Gespräch, bei dem die Geschäftsführer, die Kl, der Lebensgefährte ihrer Mutter und zeitweise die Tochter der Geschäftsführerin anwesend waren, wobei die Kl während des Gesprächs zu weinen begann und wiederholt die Toilette aufsuchte. In der Annahme, dass es sich beim Lebensgefährten der Mutter um einen Erziehungsberechtigten der Kl handle, wurde von der Geschäftsführerin mitgeteilt, dass das Lehrverhältnis innerhalb der Probezeit aufgelöst werde. Zur Erklärung wurde ausgeführt, dass die Kl frech sei, zurückrede, die Arbeit teilweise nicht ordnungsgemäß verrichte und dass sich deshalb auch Mitarbeiter über die Kl beschwert hätten. Es wurde im Zuge des Gesprächs auch die Schwangerschaft der Kl thematisiert. Der Geschäftsführer meinte, „jetzt haben wir zwei Schwangere und zwei Behinderte und was soll ich jetzt machen“. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass es bessere Jobs für Schwangere gäbe und es besser sei, wenn die Kl etwas anderes machen würde. Der Lebensgefährte der Mutter der Kl fragte nach einer „zweiten Chance“ für die Kl. Der Geschäftsführer bemerkte, die Kl solle sich überlegen, ob sie die Lehre fortführen möchte, da für sie eine „Eiszeit“ anbrechen würde und niemand mehr mit ihr reden dürfe. Die Kl äußerte, dass sie weiter lernen und das Lehrverhältnis nicht beenden wolle. [...] Am 29.10.2013 wurde ein weiteres Gespräch von den Geschäftsführern mit der Mutter der Kl geführt; dies in Anwesenheit der Kl und im235 Beisein des Lebensgefährten sowie der zwischendurch auch arbeitsbedingt abwesenden Tochter der Geschäftsführerin. Die Geschäftsführer der Bekl sagten wiederum, dass sie das Lehrverhältnis in der Probezeit auflösen wollten, da sich die Kl Dinge herausnehme, die nicht möglich seien. Die Geschäftsführerin betonte dabei, dass es nicht um die Schwangerschaft der Kl gehe. [...] Er bemerkte wieder, zwei Schwangere und zwei Behinderte im Betrieb zu haben. [...] Letztendlich wurde ihr mitgeteilt, dass sie mit ihren Angehörigen nach Hause gehen könne. Die schriftliche Auflösungserklärung ging der Kl am 30.10.2013 zu.

Die Kl begehrte mit der vorliegenden Klage die Zahlung von (zuletzt) 6.148,78 € sA. Sie sei durch Äußerungen geschlechtsbezogen belästigt „bzw“ bei den sonstigen Arbeitsbedingungen diskriminiert sowie zusätzlich bei der Beendigung des Dienstverhältnisses aufgrund der gemeldeten Schwangerschaft diskriminiert worden. Sie habe daher Anspruch auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung, für die sie 3.000 € netto begehre. Aufgrund der diskriminierenden Beendigung des Lehrverhältnisses stehe ihr auch der Ersatz des Vermögensschadens von 3.148,78 € brutto in Form der entgangenen Lehrlingsentschädigung bis 1.4.2014 zu.

Die Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, die Kl sei weder während des Lehrverhältnisses noch bei der Beendigung desselben diskriminiert worden. [...]

Das Erstgericht verpflichtete die Bekl zur Zahlung von 4.148,78 € sA (3.148,78 € brutto Verdienstentgang, 1.000 € netto an immateriellem Schadenersatz) und wies das Mehrbegehren von 2.000 € netto sA ab. [...]

Das Berufungsgericht gab den gegen das Ersturteil erhobenen Berufungen der Streitteile nicht Folge. [...]

Die beiden Revisionen sind mangels ausreichender Rsp zu den schadenersatzrechtlichen Folgen der diskriminierenden Auflösung eines Lehrverhältnisses in der Probezeit zulässig. Die Revision der Kl ist teilweise berechtigt, jene der Bekl ist nicht berechtigt.

1. Zum Ersatz des Vermögensschadens

Die Bekl ist der Ansicht, dass der Ersatz des Vermögensschadens nur in Höhe des Entgeltentgangs bis zur nächstmöglichen rechtmäßigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen könne. Da die Bekl berechtigt gewesen wäre, die Auflösung des Lehrverhältnisses in der Probezeit jederzeit ohne Einhaltung von Fristen oder Terminen vorzunehmen, sei der Kl selbst bei Annahme einer diskriminierenden Beendigung überhaupt kein Vermögensschaden entstanden.

1.1. [...] Die diskriminierende Berücksichtigung einer Schwangerschaft wird vom EuGH in stRsp als unmittelbare Geschlechtsdiskriminierung qualifiziert (siehe die Entscheidungsnachweise bei Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 5 Rz 14 FN 35). Bereits in den Entscheidungen 9 ObA 4/05m (Schwangerschaft) und 9 ObA 81/05k (Zurückweisung einer sexuellen Belästigung) wurde zudem klargestellt, dass auch die Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses einen Diskriminierungstatbestand iSd GlBG verwirklichen kann, an den sich gesetzliche Sanktionen knüpfen. Erwägungen dahin, dass eine Einschränkung der unbeschränkten Lösungsfreiheit in der Probezeit wegen der Verletzung des GlBG dem Wesen einer Probezeit entgegenstünde, wurde damit schon dem Grunde nach eine Absage erteilt.

1.3. [...] Da diese Bestimmung – anders als noch § 12 Abs 7 GlBG idF vor der Novelle BGBl I 2008/98 – nunmehr (neben dem diskriminierenden Zeitablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses) drei Arten der Beendigung (Kündigung, vorzeitige Beendigung oder Auflösung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit) anspricht und § 12 Abs 7 letzter Satz GlBG ohne weitere Differenzierung nach der konkreten Art der Beendigung den Ersatz von Vermögensschäden vorsieht, bietet der insoweit klare Gesetzeswortlaut keinen Grund zur Annahme, dass bei Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses ein Vermögensschaden, der sich in der Regel im sofortigen Wegfall des Entgelts manifestiert, von vornherein ausgeschlossen wäre.

[...] In der Literatur wird zum Teil eine zeitliche Begrenzung der Ersatzpflicht mit dem nächsten regulären Kündigungstermin mit der Begründung vorgeschlagen, dass der AN bei rechtmäßigem Alternativverhalten des AG – das offenbar in einer diskriminierungsfreien Kündigung gesehen wird – den darüber hinausgehenden Gehaltsverlust ebenfalls erlitten hätte (Kletečka in

Rebhahn
, GlBG [2005] § 12 Rz 50, der sich jedoch noch auf die Fassung des § 12 Abs 7 GlBG vor der Novelle BGBl I 2008/98 bezieht; erst mit dieser wurde aber neben der Anfechtung der Beendigung auch die Wahlmöglichkeit von Schadenersatz eingeführt [RV 415 BlgNR 23. GP 6]).

1.5. Dieser Standpunkt würde bedeuten, dass nur eine diskriminierende vorzeitige Beendigung einen Anspruch auf einen Vermögensschaden begründen könnte, weil bei einer fristgerechten Kündigung oder bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit selbst bei diskriminierender Beendigung eine solche zum „regulären“ Termin vorläge. Das stünde jedoch im Widerspruch zu den genannten Intentionen von Art 18 der Gleichbehandlungs- RL 2006/54/EG und § 12 Abs 7 GlBG.

Es wird dabei aber auch nicht berücksichtigt, dass die Beendigung des Dienstverhältnisses tatsächlich aus einem diskriminierenden Grund erfolgt ist und ein AG ohne diesen Grund uU keinen (ausreichenden) Anlass zu einer Beendigung des Dienstverhältnisses gehabt hätte. Die naheliegende Handlungsalternative des AG ist danach zunächst nicht in einer diskriminierungsfreien Beendigung, sondern in der Weiterbeschäftigung des AN zu sehen. Dementsprechend wird in der Literatur in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, ob bei einer bereits diskriminierungsbelasteten Fallkonstellation realistischerweise so bald mit einer diskriminierungsfreien AG-Kündigung gerechnet werden könne. Die Behauptung und der entkräftende Beweis bleiben dem AG freilich unbe-236nommen (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 87 mwN).

Zu bedenken ist schließlich, dass eine Schadenersatzlösung, bei der die diskriminierte Person lediglich eine geringe Kündigungsentschädigung zu gewärtigen hätte, als Alternative zur Anfechtung der Beendigung für einen AN auch kaum von Interesse wäre und insofern keine effektive Maßnahme iSd Art 18 der Gleichbehandlungs-RL 2006/54/EG darstellte. Diese Gefahr bestünde insb, wenn man den Vermögensschaden nur danach bemessen würde, dass der AG das Dienstverhältnis in der Probezeit ohnedies jederzeit beenden könnte (siehe Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 90).

1.7. [...] Nach all dem scheidet im vorliegenden Fall eine der Bekl vorschwebende Reduktion der Ersatzpflicht auf Null oder eine Begrenzung mit dem Verdienstentgang bis zum „nächstmöglichen Beendigungstermin“ – hier also in der Probezeit – aus. Die Höhe des der Kl als Ersatz des Vermögensschadens zugesprochenen Betrags wurde von der Bekl sonst nicht in Frage gestellt.

2. Zum Ersatz der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung

Die Revisionen beider Streitteile richten sich auch gegen die Bemessung des immateriellen Schadenersatzes mit 1.000 €, der von der Kl als zu niedrig, von der Bekl als zu hoch erachtet wird.

[...] Anders als bei einer Einstellungsdiskriminierung (§ 12 Abs 1 Z 1 und 2 GlBG), einer Beförderungsdiskriminierung (§ 12 Abs 5 Z 1 und 2 GlBG) und bei einer sexuellen Belästigung oder einer geschlechtsbezogenen Belästigung (§ 12 Abs 11 GlBG) hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, bei der Beendigungsdiskriminierung nach § 12 Abs 7 GlBG keine Mindest-, Fix- oder Höchstbeträge für den Ausgleich des immateriellen Schadens festzulegen. Die Abgeltung der persönlichen Beeinträchtigung mit einer schon im Vorhinein feststehenden „Pauschale“ kommt damit nicht in Betracht. Bei Festsetzung der Höhe der Entschädigung sind die maßgeblichen Kriterien des § 12 Abs 14 GlBG vielmehr,

  • dass eine erlittene Beeinträchtigung tatsächlich und wirksam ausgeglichen wird,

  • dass die Entschädigung der erlittenen Beeinträchtigung angemessen ist und

  • dass die Entschädigung präventiv wirken muss (arg: „Diskriminierungen verhindert“). [...]

2.4. Nach allgemeinen Grundsätzen bilden bei der Ermittlung des Ausmaßes des eine Genugtuungsfunktion besitzenden Ersatzanspruchs für immateriellen Schaden Dauer und Intensität des erlittenen Ungemachs einen bestimmenden Faktor. Bei der Ausmessung dieser Genugtuungsleistung (Geldersatz) wird die psychophysische Situation des Betroffenen, die Beschaffenheit seiner Gefühlswelt, seine Empfindsamkeit, die Schwankungsbreite seiner Psyche gleichfalls zu berücksichtigen und überdies zu beachten sein, dass diese dem in seinem Recht Verletzten nicht nur einen Ausgleich für die beeinträchtigte Lebensfreude bringen, sondern ihm auch das Gefühl der Verletzung nehmen und damit das gestörte Gleichgewicht in seiner Persönlichkeit wiederherstellen soll (RIS-Justiz RS0022442).

Ähnlich wird in der Lehre zum immateriellen Schaden bei Diskriminierung festgehalten, dass die betroffene Person in die Lage versetzt werden soll, sich als Ersatz für ihre Leiden, anstelle der ihr entzogenen Lebensfreude und als Ausgleich für die durch die Beeinträchtigung entstandenen Unlustgefühle auf eine andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen verschaffen zu können (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 38 mwN).

2.5. Erste Anhaltspunkte für die Festlegung der Höhe der Entschädigung bieten die im Gesetz für die Fälle einer Einstellungs- oder Beförderungsdiskriminierung und einer Belästigung vorgesehenen Beträge sowie die dazu ergangene Rsp:

2.5.1. § 12 Abs 1 GlBG sieht als Rechtsfolge für eine Einstellungsdiskriminierung den Ersatz des Vermögensschadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung vor. Der Ersatzanspruch beträgt

  1. mindestens zwei Monatsentgelte, wenn der/die Stellenwerber/in bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte, oder

  2. bis 500 €, wenn der/die AG nachweisen kann, dass der einem/einer Stellenwerber/in durch die Diskriminierung entstandene Schaden nur darin besteht, dass die Berücksichtigung seiner/ihrer Bewerbung verweigert wird.

Als Rechtsfolge für eine Beförderungsdiskriminierung sieht § 12 Abs 5 GlBG als Ersatzanspruch

  1. die Entgeltdifferenz für mindestens drei Monate vor, wenn der/die AN bei diskriminierungsfreier Auswahl beruflich aufgestiegen wäre, oder

  2. bis 500 €, wenn der/die AG nachweisen kann, dass der einem/einer AN durch die Diskriminierung entstandene Schaden nur darin besteht, dass die Berücksichtigung seiner/ihrer Bewerbung verweigert wird.

Nach der Rsp kann in dem in § 12 Abs 1 Z 2 und Abs 5 Z 2 GlBG vorgesehenen Betrag von 500 € auch eine gewisse Orientierung für die Bewertung der Rechtsgutbeeinträchtigung in Fällen einer Beeinträchtigung des Rechts auf diskriminierungsfreie (Einstellungs- oder Beförderungs-)Bewerbung gesehen werden (RIS-Justiz RS0124660 = 8 ObA 11/09i). Dabei ist allerdings zu beachten, dass dies nur jene Diskriminierten betrifft, die eine Stelle auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätten. Im Fall der Beendigungsdiskriminierung ist eine Beeinträchtigung jedoch schon deshalb typischerweise massiver, weil sie mit dem Verlust einer Stelle einhergeht, die der diskriminierte AN bereits innehat.

2.5.2. Gem § 12 Abs 11 GlBG hat im Fall einer sexuellen Belästigung oder einer geschlechtsbezogenen Belästigung nach § 7 GlBG die betroffene Person gegenüber dem/r Belästiger/in und im Fall des § 6 Abs 1 Z 2 oder § 7 Abs 1 Z 2 auch gegenüber dem/der AG Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens. Soweit der Nachteil nicht nur in einer Vermögenseinbuße besteht, hat die betroffene Person zum Ausgleich der erlittenen237 persönlichen Beeinträchtigung Anspruch auf angemessenen, mindestens jedoch auf 1.000 € Schadenersatz. [...]

2.8. Im vorliegenden Fall ist zu bedenken, dass die Kl mit der diskriminierenden Auflösung des Lehrverhältnisses ihre Lehrstelle verlor. Die persönliche Beeinträchtigung aus der Beendigung während und wegen ihrer Schwangerschaft wird nicht schon mit dem Ersatz des Vermögensschadens (Verdienstentgang) abgegolten. Dass sich die Kl noch in der Probezeit befand, kann demgegenüber nicht schaden, weil gerade nicht feststeht, dass das Lehrverhältnis auch ohne ihre Schwangerschaft beendet worden wäre.

2.9. Die persönliche Betroffenheit der erst 17-jährigen Kl geht schon aus dem Umstand hervor, dass die Diskriminierung für sie plötzlich und unvorhersehbar kam, sie bei dem Gespräch mit dem Geschäftsführer zu weinen begann, mehrfach den Raum verlassen musste und beteuerte, die Lehre nicht beenden zu wollen, während der Geschäftsführer der Bekl sie mit der Bemerkung, dass für sie eine „Eiszeit“ anbrechen werde und niemand mehr mit ihr reden dürfe, weiter in unzumutbarer Weise unter Druck setzte, auch beim zweiten Gespräch die Schwangerschaft thematisierte und dadurch insgesamt den Eindruck bestärkte, die gesetzlich geschützte Position einer Schwangeren nicht zu akzeptieren und die Schwangerschaft einer AN als „Unglücksfall“ des AG wahrzunehmen. Damit trug er aber erheblich zur erlittenen persönlichen Beeinträchtigung der Kl bei.

2.10. Der Entschädigung hat nach dem expliziten gesetzlichen Auftrag des § 12 Abs 14 GlBG auch präventive Funktion zuzukommen.

2.11. Ausgehend davon, dass die Kl für die erlittene persönliche Beeinträchtigung ursprünglich 3.000 € für mehrere Diskriminierungen im Rahmen ihres Lehrverhältnisses geltend machte (geschlechtsbezogene Belästigung „bzw“ Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen; Beendigungsdiskriminierung), nach den Feststellungen dagegen „nur“ von einer als Einheit zu beurteilenden Beendigungsdiskriminierung auszugehen ist, erscheint im vorliegenden Fall bei einer Gesamtbetrachtung die Festlegung eines Entschädigungsbetrags in Höhe von 1.700 € angemessen. Die abfällige Bemerkung über die Kl in Gegenwart eines Gastes („innerlich blond“) ging von einem Kollegen der Kl aus, ohne dass sich insoweit tragfähige Anhaltspunkte für die Zurechnung einer geschlechtsbezogenen Belästigung gegenüber der bekl AG ergaben. Mit der zuerkannten Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung der Kl wird die Beeinträchtigung iSd § 12 Abs 14 GlBG einerseits tatsächlich und wirksam ausgeglichen; andererseits erscheint der Betrag geeignet, vergleichbare Diskriminierungen zu verhindern. [...]

ANMERKUNG

Der vorliegenden E des OGH, mit welcher jeder Form von Diskriminierung von schwangeren AN eine Abfuhr erteilt wurde, ist in jeder Hinsicht zuzustimmen. Im Folgenden soll aber noch auf die Besonderheiten des Falles und die Bemessung der Höhe des Schadenersatzes eingegangen werden.

1.
Diskriminierung bei der Beendigung und Vermögensschaden

§ 3 Z 7 GlBG verbietet in Umsetzung der Vorgaben der Gleichbehandlungs-RL 2006/54/EG die unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, insb unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Begriff der „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ enthält weder eine Beschränkung auf eine bestimmte Art des Arbeitsverhältnisses noch auf eine bestimmte Art der Beendigung. Er ist daher weit zu verstehen. Seit der Novelle 2008 ist klar, dass vom Schutz des GlBG auch die Beendigung in der Probezeit und die Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses erfasst sind. Diese „Klarstellung“ erfolgte in § 12 Abs 7 GlBG (ebenso in § 26 Abs 7). Der OGH hat auch zu Recht betont, dass nach Art 18 der Gleichbehandlungs-RL 2006/54/EG die Mitgliedstaaten Maßnahmen zu treffen haben, um sicherzustellen, dass der einer diskriminierten Person entstandene Schaden tatsächlich und wirksam ausgeglichen wird, wobei dies auf eine abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise geschehen muss. § 12 Abs 7 sieht zunächst als Rechtsfolge die gerichtliche Anfechtung der diskriminierenden Kündigung oder Entlassung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Probezeit vor. Das Anfechtungsrecht nach § 12 Abs 7 GlBG wurde – anders als jenes nach § 105 ArbVG – als von der Betriebsverfassung losgelöstes Individualrecht der betroffenen Person konzipiert. Der Gesetzgeber wollte ausdrücklich auch Frauen in „Kleinbetrieben“ mit weniger als fünf AN schützen. Die Anfechtung nach dieser Bestimmung ist daher unabhängig vom Vorhandensein oder Verhalten eines BR. Für die Anfechtung nach § 12 Abs 7 ist nicht der Geltungsbereich des II. Teils des ArbVG, sondern jener des GlBG maßgebend. Es besteht – wie schon nach dem GlBG 1979 – kein Anfechtungsrecht des BR nach dem GlBG. Die Anfechtung nach § 12 Abs 7 GlBG erfordert kein schuldhaftes Handeln der diskriminierenden Person, sie ist daher verschuldensunabhängig. Eine wesentliche Neuerung auf Grund der Novelle 2008 findet sich im § 12 Abs 7 letzter Satz. Darin wird AN ein Wahlrecht eingeräumt, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses entweder so wie bisher anzufechten oder gegen sich gelten zu lassen, dafür aber den Schaden – sowohl Vermögens- als auch immateriellen Schaden – aus der diskriminierenden Beendigung geltend zu machen.

Nach den Gesetzesmaterialien liegen bei der mit einer erfolgreichen Anfechtung verbundenen Wiederherstellung des Arbeitsverhältnisses die Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands und damit die Naturalrestitution vor. Doch kann diese Rechtsfolge im Einzelfall ungeeignet sein, sodass alternativ die Möglichkeit, die Beendigung gegen sich gelten zu lassen und Schadenersatz zu begeh-238ren, eröffnet wurde. Diese Neuregelung erschien dem Gesetzgeber im Anwendungsbereich des GlBG deswegen gerechtfertigt und notwendig, weil den AN bei einer diskriminierenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses dessen Fortsetzung unzumutbar sein könne. AN haben somit ein Wahlrecht zwischen der Anfechtung und der Geltendmachung von Schadenersatz. Die Wahlmöglichkeit ist zu begrüßen, da in vielen Fällen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der vorhergehenden Diskriminierung unzumutbar ist. § 12 Abs 7 letzter Satz beschränkt die Wahl jedoch nicht auf diese Fälle, sondern stellt nur darauf ab, ob der AN die Beendigung „gegen sich gelten lässt“.

Der OGH hat sich dann mit den unterschiedlichen in der Literatur dazu vertretenen Ansichten beschäftigt. Kletečka (in

Rebhahn
, GlBG [2005] § 12 Rz 50) meint, dass dieser Schadenersatzanspruch zeitlich mit dem nächsten regulären Kündigungstermin begrenzt sei, da der AN bei rechtmäßigem Alternativverhalten des AG – also einer diskriminierungsfreien Kündigung – diesen Gehaltsverlust ebenfalls erlitten hätte. Von einer Limitierung des zu ersetzenden Vermögensschadens ist aber weder im Gesetz noch in den Materialien die Rede. Die Materialien verweisen auch nicht auf die beim besonderen Kündigungsschutz (zB BelegschaftsvertreterInnen; Mutter-/Vaterschutz; Präsenz- und Zivildienst; Behindertenschutz etc) bejahte Wahlmöglichkeit zwischen der Unwirksamkeit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses und der Kündigungsentschädigung infolge rechtswidriger Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die dort diskutierte Limitierung des Schadenersatzes. Der Gesetzgeber hätte eine Begrenzung des Schadenersatzes zweifellos in das Gesetz aufgenommen, wenn eine solche beabsichtigt gewesen wäre (vgl § 12 Abs 1 Z 2, § 12 Abs 5 Z 2). Die gegenwärtige Regelung im § 12 Abs 7 enthält jedoch keine solche Beschränkung. Der OGH betont auch, dass eine solche Vorgangsweise kein wirksamer Schutz vor einer Diskriminierung sei (vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 87 ff).

Lassen AN die diskriminierende Beendigung gegen sich gelten, so haben sie – neben einem Anspruch auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung – einen Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens. Der Vermögensschaden manifestiert sich vor allem im Wegfall des Entgelts. In diesem Zusammenhang stellt sich jedoch – wie der OGH zu Recht betont – schon aus praktischen Gründen die Frage, ob bei einer bereits diskriminierungsbelasteten Fallkonstellation realistischerweise so bald mit einer „diskriminierungsfreien“ AG-Kündigung gerechnet werden kann. Angesichts schon der ersten Beendigung auf Grund eines verpönten Motivs (Geschlecht) besteht in vielen Fällen auch bei der neuerlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der ersten sich bietenden Gelegenheit der Anschein, dass auch diese Beendigung diskriminierenden Charakter haben könnte. Die Auffassung von der automatischen Begrenzung der Ersatzpflicht nach dem Vorbild einer „Kündigungsentschädigung“ muss sich auch entgegenhalten lassen, dass damit der bei einer Beendigungsdiskriminierung zu leistende Ersatzbetrag für den AG bereits im Voraus kalkulierbar wäre. Es käme damit zu einer Begrenzung des Geldersatzes. Dieser Aspekt wiegt umso schwerer, je kürzer die vom AG im Einzelfall einzuhaltende Kündigungsfrist wäre.

Art 18 letzter Satz der Gleichbehandlungs-RL 2006/54/EG normiert – wie auch schon zuvor Art 26 Abs 2 RL 76/207/EWG idF RL 2002/73/EG – ausdrücklich, dass ein Ausgleich oder eine Entschädigung nur in den (die Einstellungsdiskriminierung betreffenden) Fällen durch eine im Voraus festgelegte Höchstgrenze begrenzt werden darf, in denen der AG nachweisen kann, dass der einem Bewerber bzw einer Bewerberin durch die Diskriminierung iSd RL entstandene Schaden allein darin besteht, dass die Berücksichtigung der Bewerbung verweigert wurde. Für die Beendigungsdiskriminierung sieht die RL 2006/54/EG keine Höchstgrenze vor. Wie der EuGH schon in der Rs von Colson und Kamann erkannt hat, schreibt Art 6 RL 76/207/EWG – und nunmehr auch Art 18 RL 2006/54/EG – keine bestimmten Maßnahmen im Fall einer Verletzung des Diskriminierungsverbots vor, sondern belässt den Mitgliedstaaten nach Maßgabe der unterschiedlichen denkbaren Sachverhalte die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen, zur Verwirklichung des Ziels dieser RL geeigneten Lösungen. Deren Ziel ist die Schaffung tatsächlicher Chancengleichheit. Es würde nicht erreicht, wenn Maßnahmen fehlen, durch die diese Gleichheit wiederhergestellt werden kann. Die Maßnahmen müssen daher einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährleisten und eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem AG haben. Wird also vom Mitgliedstaat zur Erreichung des vorstehend beschriebenen Ziels die finanzielle Wiedergutmachung gewählt, dann muss sie angemessen in dem Sinn sein, dass sie es erlaubt, die durch die diskriminierende Entlassung tatsächlich entstandenen Schäden gemäß den anwendbaren staatlichen Regeln in vollem Umfang auszugleichen. Die Festlegung einer Obergrenze läuft dem zuwider, weil sie den Entschädigungsbetrag auf einem Niveau festsetzt, das nicht in jedem Fall eine angemessene Wiedergutmachung des durch die diskriminierende Entlassung entstandenen Schadens gewährleistet. Daraus folgt, dass bei jenen AN, denen eine Rückkehr in das Arbeitsverhältnis nicht mehr zumutbar ist, eine im Vorhinein limitierte Geldersatzlösung keinen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz iSd Art 18 RL 2006/54/EG und der einschlägigen Rsp des EuGH gewährleisten kann.

EuGH gewährleisten kann. Die finanzielle Wiedergutmachung muss vollständig sein und darf daher nicht von vornherein der Höhe nach begrenzt sein, wenn sie die einzige (bzw die einzige in Betracht kommende) Rechtsfolge im Diskriminierungsfall darstellt.

Eine allfällige Arbeitslosigkeit des diskriminierten AN ist nicht auszuschließen. Auch sie darf keine schematische Limitierung der Ansprüche nach sich ziehen. In derartigen Fällen steht als Korrektiv die im Schadenersatzrecht anerkannte Schadensminderungspflicht zur Verfügung. Danach ist von der239 ersatzberechtigten Person im Rahmen des Zumutbaren ein Verhalten zu verlangen, das den Umfang des Schadens und die Ersatzpflicht möglichst gering hält. Ihr obliegt daher die Suche nach einem neuen geeigneten Arbeitsplatz und die Anrechnung allfälliger Ersparnisse infolge Unterbleibens der Arbeitsleistung. Eine Schadenersatzlösung, bei der die diskriminierte Person lediglich eine geringe „Kündigungsentschädigung“ zu gewärtigen hätte, würde sich in der Praxis als Alternative zur Anfechtung der Beendigung auch kaum durchsetzen. Im vorliegenden Fall wurde von der Kl das offene Entgelt bis zum Beginn des Mutterschutzes gerichtlich geltend gemacht. Dies war jedenfalls angemessen. Da auch Mütter mit Kleinkindern große Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben, wird in ähnlichen Fällen der Vermögensschaden wohl auch die kündigungsgeschützten Zeiträume des § 10 Abs 1 MSchG bzw § 15 Abs 4 MSchG umfassen, um angemessen und effektiv zu sein.

2.
Diskriminierung bei der Beendigung und immaterieller Schaden

Der OGH hat die Frage nach der Angemessenheit des immateriellen Schadens mustergültig aufgearbeitet und gelöst. Er weist zuerst auf die zu berücksichtigenden Einzelumstände, zB die psychophysische Situation des Betroffenen, die Beschaffenheit seiner Gefühlswelt, seine Empfindsamkeit, die Schwankungsbreite seiner Psyche etc, hin. Sodann betont er zu Recht, dass die betroffene Person in die Lage versetzt werden soll, sich als Ersatz für ihre Leiden, anstelle der ihr entzogenen Lebensfreude und als Ausgleich für die durch die Beeinträchtigung entstandenen Unlustgefühle auf eine andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen verschaffen zu können (vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 38 mwN). Dies bedeutet, dass mE bei Schwangeren die persönliche Beeinträchtigung beim Verlust des Arbeitsplatzes wesentlich höher ist, da in diesem Fall die Aussicht auf einen anderen vergleichbaren Arbeitsplatz sehr gering und damit die persönliche Verzweiflung umso größer ist. Hinzu kommt auch der Verlust der Möglichkeit auf Elternteilzeit, welche im Vergleich zu einer vereinbarten Teilzeitbeschäftigung den AN wesentliche Vorteile bietet. Auch diese negativen Zukunftsaussichten erhöhen die persönliche Beeinträchtigung. Der OGH hat auch zu Recht betont, dass im Unterschied zur Einstellungsdiskriminierung und zur Beförderungsdiskriminierung bei der Beendigungsdiskriminierung die diskriminierte Person den Arbeitsplatz bereits hatte. Daher wird der Verlust einer Rechtsposition im Normalfall eine höhere persönliche Beeinträchtigung bewirken als die Nichterfüllung einer Erwartung bzw Hoffnung. Unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber für die Nichterfüllung einer Erwartung bzw Hoffnung festgesetzten Ersatzansprüche in § 12 Abs 1, 5 GlBG ist dem OGH daher beizupflichten, dass dieser Ersatzanspruch schon im Normalfall einer Beendigungsdiskriminierung höher sein muss. Die Sondersituation der Schwangerschaft ist dann ein zusätzlicher Umstand, der die persönliche Beeinträchtigung massiv erhöht. Wenn man im vorliegenden Fall die Lehrlingsentschädigung mit dem zugesprochenen immateriellen Schadenersatz von € 1.700,– vergleicht, so sind dies ca drei Monatsentgelte. ME ist ein solcher Wert ein grundsätzlich angemessener Ersatz des immateriellen Schadens, der durch den Verlust des Arbeitsplatzes infolge Diskriminierung entstanden ist. Im Einzelfall können zusätzliche Umstände hinzukommen, wodurch dieser Wert nach oben oder unten modifiziert werden kann.