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Erfolgreiche Kündigungsanfechtung: Sicherung des nachzuzahlenden Entgelts durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds

MARGITMADER (WIEN)
  1. Die Kündigung des AG ist auch dann wirksam, wenn sie angefochten wird. Wird der Anfechtungsklage stattgegeben, wird das Arbeitsverhältnis rückwirkend wiederhergestellt. In der Zeit zwischen dem Ende der Kündigungsfrist und dem Urteil bestehen keine wechselseitigen Leistungs- bzw Entgeltpflichten. Das Synallagma ist aufgehoben.

  2. Der Anspruch des AN auf Nachzahlung des Entgelts entsteht erst mit dem stattgebenden Urteil über die Anfechtungsklage. Eine frühere gerichtliche Geltendmachung des Nachzahlungsanspruchs ist somit nicht möglich. Rechtsgrundlage für die Nachzahlung ist § 1155 ABGB.

  3. Wird während eines laufenden Anfechtungsverfahrens ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des AG eröffnet, ist der Nachzahlungsanspruch des AN nicht nach § 3a Abs 1 IESG, sondern nach den sonstigen Sicherungstatbeständen des IESG zu beurteilen.

Der Kl wurde am 27.12.2011 zum 15.2.2015 [richtig wohl: 15.2.2012] von seiner ehemaligen AG und der späteren Schuldnerin gekündigt. Am 3.1.2012 brachte er [...] eine Klage auf Anfechtung der Kündigung ein. Mit rechtskräftigem Urteil vom 9.12.2013 wurde der Klage stattgegeben und die Kündigung für rechtsunwirksam erklärt.

Zuvor, nämlich mit Beschluss vom 20.6.2013, wurde zu [...] über das Vermögen der ehemaligen AG des Kl das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kl meldete die hier zugrunde liegenden Entgeltansprüche im Insolvenzverfahren an, die vom Insolvenzverwalter schließlich anerkannt wurden. Am 28.6.2013 wurde der Betrieb der Schuldnerin geschlossen. Am 22.7.2013 erklärte der Kl gem § 25 IO seinen Austritt aus dem Arbeitsverhältnis. Am 6.8.2013 fand die Berichtstagsatzung statt.

Mit Bescheid vom 7.11.2014 lehnte die Bekl den Antrag des Kl auf Insolvenzentgelt für die hier zugrunde liegenden Ansprüche (laufendes Entgelt und Urlaubszuschuss für den Zeitraum 16.2.2012 bis 30.11.2012) ab. Das vom Kl für den Zeitraum ab 1.12.2012 sowie für die beendigungsabhängigen Ansprüche beantragte Insolvenzentgelt hat die Bekl hingegen anerkannt und ausbezahlt.

Der Kl begehrte Insolvenzentgelt in Höhe von 26.184 €. Auch die zugrunde liegenden Ansprüche seien gem § 3a Abs 1 IESG gesichert. Bei der Kündigungsanfechtungsklage handle es sich nämlich um eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche. Aus diesem Grund komme es auf den Sicherungszeitraum (Fälligkeit innerhalb von sechs Monaten vor dem Stichtag) nicht an.

§ 3a Abs 1 IESG verlange nicht die Einbringung einer Leistungsklage, sondern nur die Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Erst mit dem stattgebenden Anfechtungsurteil habe er einen Rechtsanspruch auf das laufende Entgelt ab 16.2.2012 erlangt. Bis zur Beendigung des Anfechtungsverfahrens hätte er diese Ansprüche nicht klagsweise geltend machen können. Die zugrunde liegenden Ansprüche seien daher erst nachträglich entstanden.

Die Bekl entgegnete, dass die zugrunde liegenden Ansprüche nicht gesichert seien, weil sie mehr als sechs Monate vor dem Stichtag (hier Insolvenzeröffnung) fällig geworden seien. Mit der Kündigungsanfechtungsklage seien keine offenen Entgeltansprüche geltend gemacht worden; diese Klage sei mit keinem Zahlungsbegehren verbunden gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Durch eine erfolgreiche Kündigungsanfechtung lebe das Arbeitsverhältnis mit all seinen Rechten und Pflichten rückwirkend wieder auf. Auch in Bezug auf die Fälligkeit sei so vorzugehen, als wäre eine Kündigung nie erfolgt. Die Fälligkeit sei daher jeweils monatlich im Nachhinein eingetreten. Die zugrunde liegenden Ansprüche seien daher außerhalb des sechsmonatigen Sicherungszeitraums gelegen. Die Kündigungsanfechtungsklage erfülle nicht das von § 3a Abs 1 IESG geforderte Kriterium der gerichtlichen Geltendmachung. Eine Leistungsklage habe der Kl nicht erhoben. [...] Für den Kl wäre es daher geboten gewesen, neben der Anfechtungsklage auch eine Leistungsklage auf Zahlung der hier offenen Entgelte zu erheben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren stattgab. Das Berufungsgericht schließe sich der Rechtsauffassung des Erstgerichts nicht an, wonach die Entgeltansprüche für die Zeit während des Anfechtungsverfahrens laufend entstanden bzw fällig geworden seien. Der Anspruch des AN auf laufendes Entgelt entstehe grundsätzlich mit der Leistungserbringung. Maßgebend sei das Synallagma zu den vom AN tatsächlich erbrachten Leistungen. Im Fall der erfolgreichen Kündigungsanfechtung entstehe der dem Kl gem § 1155 ABGB zustehende Entgeltanspruch nicht laufend mit jedem Tag der Arbeitsbereitschaft, sondern erst mit der dem Anfechtungsbegehren stattgebenden gerichtlichen Entscheidung. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kl seine Ansprüche mit der Kündigungsanfechtungsklage einerseits schon vor deren Entstehen und andererseits auch durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren gerichtlich geltend gemacht habe. Von einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Bekl sei nicht auszugehen. Die Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob die Einbringung einer Kündigungsanfechtungsklage einer gerichtlichen Geltendmachung iSd § 3a Abs 1 IESG entspreche, höchstgerichtliche Judikatur fehle.

Gegen diese E richtet sich die Revision der Bekl, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.

Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kl, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.254

Rechtliche Beurteilung:

Die Revision ist zulässig, weil die Frage, wann die Entgeltansprüche des AN für die Zeit während des Anfechtungsverfahrens im Fall einer erfolgreichen Kündigungsanfechtung entstehen und fällig werden, in der Rsp des OGH nicht geklärt ist. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

1.1 Das Arbeitsverhältnis des Kl wurde von der späteren Schuldnerin zum 15.2.2012 gekündigt. Der Klage liegen die Ansprüche auf laufendes Entgelt und Urlaubszuschuss für den Zeitraum vom 16.2.2012 bis 30.11.2012 zugrunde. Diese Ansprüche betreffen die Zeit während des Verfahrens auf Anfechtung der Kündigung nach § 105 ArbVG.

1.2 Der Kl sieht die Kündigungsanfechtungsklage als gerichtliche Geltendmachung der Entgeltansprüche iSd § 3a Abs 1 IESG. Die Bekl steht auf dem Standpunkt, dass die Entgeltansprüche für die Zeit während des Anfechtungsverfahrens im Fall der Klagsstattgebung zeitabschnittsbezogen „mit jedem Tag“ der Leistungsbereitschaft des AN fällig würden. Nach Ansicht der Bekl sind die zugrunde liegenden Ansprüche demnach nicht in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag (hier Insolvenzeröffnung) fällig geworden.

Das Berufungsgericht geht demgegenüber davon aus, dass es für das Entstehen des Anspruchs auf laufendes Entgelt auf das Synallagma zu den vom AN tatsächlich erbrachten Leistungen, also auf die tatsächliche Leistungserbringung, ankomme. Im Fall der erfolgreichen Kündigungsanfechtung entstehe der dem Kl gem § 1155 ABGB zustehende Entgeltanspruch daher nicht laufend mit jedem Tag der Arbeitsbereitschaft, sondern erst mit der dem Anfechtungsbegehren stattgebenden gerichtlichen Entscheidung.

2.1 Allgemein wird mit Wirksamwerden der Kündigung (zum Kündigungstermin) das Arbeitsverhältnis beendet. Wird der Anfechtungsklage (nach § 105 ArbVG) rechtskräftig stattgegeben, so wird die Kündigung für rechtsunwirksam erklärt. Sie wird ex tunc vernichtet. Das Arbeitsverhältnis lebt mit all seinen Rechten und Pflichten rückwirkend wieder auf. Dies bedeutet, dass die Zeit zwischen Ablauf der Kündigungsfrist und Rechtsunwirksamerklärung der Kündigung auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses anzurechnen ist und das Arbeitsverhältnis wieder aufrecht ist (Rebhahn, Die Rechtslage während eines arbeitsrechtlichen Kündigungsprozesses,

). Den Entgeltausfall für den Zeitraum während des Anfechtungsverfahrens hat der AG dem AN gem § 1155 ABGB zu ersetzen (Wolligger in ZellKomm2 § 105 ArbVG Rz 251).

2.2 § 1155 ABGB kommt somit auch bei erfolgreicher Anfechtung der Kündigung oder Entlassung nach §§ 105 f ArbVG zum Tragen. Gibt das Gericht der Anfechtungsklage statt, so muss der AG für die Dauer des Verfahrens das Entgelt nach § 1155 ABGB nachzahlen. Der AN hat Anspruch auf das Entgelt, das ihm gebühren würde, wenn er die Dienste verrichtet hätte (Rebhahn in ZellKomm2 § 1155 ABGB Rz 10, 36 und 44; Rebhahn/Ettmayer in

Kletečka/Schauer
, ABGB-ON1.01 § 1155 ABGB Rz 22 und 26).

Gibt schon das Erstgericht der Anfechtung statt, so hat der AN aufgrund der vorläufigen Wirksamkeit des Urteils gem § 61 ASGG sogar schon während des laufenden Verfahrens Anspruch auf das Entgelt nach § 1155 ABGB, allerdings nur vorläufig. Wird die Anfechtungsklage später endgültig abgewiesen, so muss der AN die für die Dauer des Prozesses erhaltenen Beträge zurückzahlen (Rebhahn in ZellKomm2 § 1155 ABGB Rz 10 und 36). Die Folge dieser vorläufigen Verbindlichkeitswirkung besteht darin, dass das Arbeitsverhältnis vorläufig als fortbestehend fingiert wird, was die vorläufige Anwendbarkeit des § 1155 ABGB ermöglicht, der ein Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraussetzt (9 ObA 283/99d =

[Rebhahn]
).

3.1 Die vorläufige Verbindlichkeitswirkung des erstinstanzlichen Urteils nach § 61 ASGG ist eine spezielle verfahrensrechtliche Anordnung (hier) in Bezug auf ein stattgebendes, noch nicht rechtskräftiges erstinstanzliches Anfechtungsurteil. Rebhahn weist im gegebenen Zusammenhang darauf hin, dass aufgrund dieser gesetzlichen Anordnung der AN sogar schon während des laufenden Anfechtungsverfahrens Anspruch auf das Entgelt nach § 1155 ABGB habe.

Die vorläufige Zahlungspflicht des AG ist an das stattgebende Ersturteil geknüpft. Daraus erhellt, das Rebhahn nicht von einer laufenden, zeitabschnittsbezogenen Fälligkeit der Entgeltansprüche während des laufenden Anfechtungsverfahrens, sondern davon ausgeht, dass die Fälligkeit erst mit Wirksamwerden des Anfechtungsurteils eintritt. Dementsprechend führt Rebhahn an anderer Stelle (

) aus, dass die rechtskräftige Aufhebung der Kündigung dem AN grundsätzlich den Anspruch auf Nachzahlung des Entgelts gebe, wobei Anspruchsgrundlage § 1155 ABGB sei. Die Anfechtung gebe dem AN weder einen Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung noch auf Zahlung des laufenden Entgelts. Letzteres stimme damit überein, dass die Aufhebung der Kündigung als rechtsgestaltende Entscheidung qualifiziert werde. Rechtsgestaltende Entscheidung bedeute, dass erst die Aufhebung (Rechtsunwirksamerklärung) die Rechtslage verändere, möge sie auch zurückwirken.

3.2 Diese Ansicht ist zutreffend: § 1155 ABGB begründet im Fall eines stattgebenden Anfechtungsurteils eine Nachzahlungsverpflichtung des AG. Die Nachzahlungsverpflichtung ist an das Wirksamwerden des stattgebenden Anfechtungsurteils geknüpft. Abgesehen von der Sonderregel des § 61 ASGG kommt es dafür auf die Rechtskraft des Anfechtungsurteils an. Das effektive, unwiderrufliche Wiederaufleben des Arbeitsverhältnisses erfolgt erst durch dieses Urteil. Weder § 61 ASGG noch § 1155 ABGB sprechen für eine zeitabschnittsbezogene (tägliche oder monatliche) Fälligkeit der laufenden Entgeltansprüche schon während des Anfechtungsverfahrens.

Richtig ist, dass der Anspruch auf laufendes Entgelt mit der Erfüllung der Dienstpflicht entsteht. Diese mag primär in der Erbringung der Arbeitsleistung liegen. Allerdings ist das funktionelle Synallagma im Arbeitsvertrag durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen (Rebhahn in

Kletečka/Schauer
,255ABGB-ON1.02 § 1152 ABGB Rz 43 und 44). Für den Erfüllungsanspruch nach § 1155 ABGB kommt es grundsätzlich darauf an, dass der Umstand für das Unterbleiben der Arbeitsleistung in der Sphäre des AG gelegen ist. Maßgebend ist daher im Allgemeinen die Leistungsbereitschaft des AN (Rebhahn in ZellKomm2 § 1155 ABGB Rz 30), die bei einer Anfechtungsklage grundsätzlich durch die Klagsführung zum Ausdruck gelangt. Umstände, warum dies hier nicht der Fall sein soll, sind nicht ersichtlich.

3.3 Als Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass im Fall einer erfolgreichen Kündigungsanfechtung die nach § 1155 ABGB nachzuzahlenden Entgeltansprüche (Erfüllungsansprüche) allgemein (ungeachtet des § 61 ASGG) mit der Rechtskraft des stattgebenden Anfechtungsurteils fällig werden. Für den Anlassfall bedeutet dies, dass die zugrunde liegenden Ansprüche an sich erst im Dezember 2013 fällig geworden wären. Da das Arbeitsverhältnis schon früher, nämlich am 22.7.2013, durch Austritt des Kl geendet hat, sind die in Rede stehenden Ansprüche mit diesen Zeitpunkt fällig geworden (§ 1154 Abs 3 ABGB; Rebhahn/Ettmayer in

Kletečka/Schauer
, ABGB-ON1.01 § 1154 ABGB Rz 13).

4. § 3a Abs 1 IESG betrifft sicherungsfähige Ansprüche aus der Zeit „vor der Insolvenz“. Einen solchen Anspruch hat der AN nur dann, wenn er bereits vor der Insolvenz eine fällige Geldforderung hatte (8 ObS 4/14t).

Das Berufungsgericht weist an sich richtig darauf hin, dass zwischen Entstehen eines Leistungsanspruchs und dessen Fälligkeit zu unterscheiden ist. Für die hier in Rede stehenden Ansprüche ergibt sich in dieser Hinsicht allerdings kein Unterschied. Außerdem ist die Möglichkeit zur (gerichtlichen) Geltendmachung regelmäßig von der Fälligkeit abhängig. Die zugrunde liegenden Ansprüche wären somit nach § 3a Abs 2 Z 1 IESG gesichert. Die Sicherungsfähigkeit der Ansprüche für den Fall der Unrichtigkeit ihres Rechtsstandpunkts (zeitabschnittsbezogene Fälligkeit auch während des Anfechtungsverfahrens) bestreitet die Bekl im Übrigen nicht.

Dies führt zur Bestätigung des angefochtenen Urteils des Berufungsgerichts.

5. Die weitere Frage, ob die Anfechtungsklage eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche nach § 3a Abs 1 IESG darstellt, muss nicht mehr geklärt werden. Dazu wird nur allgemein auf die Ausführungen von Rebhahn verwiesen, wonach die Anfechtungsklage und das stattgebende Anfechtungsurteil das Leistungsbegehren des AN auf Nachzahlung des laufenden Entgelts nicht umfassten. Der AN müsse zusätzlich eine Leistungsklage einbringen (

). Damit ist aber noch nichts über die Frage ausgesagt, ob durch die Anfechtungsklage außer den materiell-rechtlichen Verjährungs- und Ausschluss- bzw Verfallfristen (8 ObA 21/12i) allenfalls auch formelle Klagsfristen unterbrochen werden. Entgegen den Überlegungen der Bekl kommt der Rsp zu 8 Ob 21/12i vor allem bei einem abweisenden Anfechtungsurteil oder für Ansprüche, die schon vor der Kündigungsanfechtung fällig geworden sind, Bedeutung zu. [...]

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Der OGH hat sich in der vorliegenden E erstmals mit der Thematik der Sicherung des Nachzahlungsanspruchs des AN nach einer erfolgreichen Kündigungsanfechtung durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) auseinandergesetzt. Im hier zu beurteilenden Anlassfall wurde während des laufenden Anfechtungsverfahrens ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des AG eröffnet.

Die bekl IEF-Service GmbH vertrat den Standpunkt, es sei so vorzugehen, als sei die Kündigung des AG niemals ausgesprochen worden. Das Entgelt für den Zeitraum zwischen dem Ende der Kündigungsfrist und dem stattgebenden Urteil sei als laufendes Entgelt zu qualifizieren, das täglich entstehe und monatlich fällig werde. Die Sicherung des nachzuzahlenden Entgelts sei daher nach § 3a Abs 1 IESG zu beurteilen. Jenes Entgelt, das nicht innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Insolvenzstichtag fällig geworden ist, hätte innerhalb von sechs Monaten ab dem Entstehen gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Die Anfechtung der Kündigung sei nicht als gerichtliche Geltendmachung der Entgeltansprüche iSd § 3a Abs 1 IESG zu qualifizieren, da mit der Anfechtungsklage kein Zahlungsbegehren verbunden sei. Nach Ansicht der IEF-Service GmbH hätte der AN parallel zur Anfechtungsklage auch eine Leistungsklage auf das zwischenzeitig fällig gewordene Entgelt einbringen müssen, um eine Sicherung der Ansprüche durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds zu erwirken. Da keine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung erfolgt sei, seien jene Ansprüche, die nicht innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Stichtag fällig geworden sind, nicht gesichert.

Das Erstgericht folgte der Rechtsauffassung der IEF-Service GmbH. Das Berufungsgericht gab der Berufung des AN statt und hob die erstinstanzliche Entscheidung auf. Nach Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich bei den klagsgegenständlichen Ansprüchen um einen Nachzahlungsanspruch des AN nach § 1155 ABGB, der nicht täglich mit der Leistungsbereitschaft des AN, sondern erst mit dem stattgebenden Anfechtungsurteil entsteht. Der Nachzahlungsanspruch sei durch die Anfechtungsklage sowie die gerichtliche Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren hinreichend gerichtlich geltend gemacht worden. Die Revision wurde zugelassen.

Im Revisionsverfahren war daher zunächst der Entstehungszeitpunkt des Nachzahlungsanspruchs zu klären. Der OGH hatte zu prüfen, ob das durch den AG im Falle einer erfolgreichen Kündigungsanfechtung nachzuzahlende Entgelt als laufendes Entgelt, das täglich entsteht und mit Ende der Verrechnungsperiode fällig wird, oder als Erfüllungsanspruch iSd § 1155 ABGB zu qualifizieren ist. Die Rechtsnatur des Nachzahlungsanspruchs ist somit das ausschlaggebende Kriterium für die Beurteilung der Sicherung des Anspruchs nach dem IESG. Der OGH schloss sich der Rechtsauffassung der IEF-Service GmbH nicht an, sondern bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichtes.256

2.
Kündigungsanfechtungsverfahren: Rechtsgestaltungsklage und Rechtsgestaltungsurteil

Das österreichische Kündigungsschutzrecht basiert auf dem Prinzip der Kündigungsfreiheit. Kündigungen des AG sind daher grundsätzlich ohne Angabe von Gründen zulässig. Vom Grundsatz der freien Kündbarkeit sieht der Gesetzgeber nur in besonderen Fällen Ausnahmen vor (vgl Wolligger in ZellKomm2 § 105 ArbVG Rz 1). Spricht der AG eine Kündigung aus, wird das Arbeitsverhältnis damit zum angegebenen Kündigungstermin beendet.

Wird die Kündigung angefochten, ist die Anfechtung in Form einer Rechtsgestaltungsklage vorzunehmen (RIS-Justiz RS0052018). Die Klage ist auf rückwirkende Rechtsunwirksamerklärung der Kündigung zu richten. Die Anfechtung der Kündigung gewährt dem AN aber weder einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung noch auf Zahlung des laufenden Entgelts (Rebhahn, Die Rechtslage während eines arbeitsrechtlichen Kündigungsprozesses,

).

Ergeht die E des Gerichts noch vor Ablauf der Kündigungsfrist, erfolgt keine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses. Entscheidet das Gericht erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, wird das Arbeitsverhältnis zwischenzeitig beendet. Im Falle einer stattgebenden E des Gerichts wird die Kündigung durch das Urteil als rechtsunwirksam aufgehoben (§ 105 Abs 7 ArbVG). Die Kündigung wird dadurch ex tunc vernichtet. Das Arbeitsverhältnis lebt mit allen Rechten und Pflichten rückwirkend wieder auf. Die Zeit zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und der Rechtsunwirksamerklärung der Kündigung ist auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses anzurechnen.

3.
Nachzahlungsverpflichtung des AG gem § 1155 ABGB

Wird der Anfechtungsklage stattgegeben, hat der AG dem AN den Entgeltausfall für die Dauer des Anfechtungsverfahrens nach § 1155 ABGB zu ersetzen.

Gem § 1155 ABGB gebührt dem DN auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind, das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seiten des DG liegen, daran gehindert worden ist. Er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er sich infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. § 1155 ABGB kommt somit dann zur Anwendung, wenn der AN zur Leistung bereit ist und durch Umstände, die der Sphäre des AG zuzurechnen sind, an der Leistungserbringung gehindert wird. Der AG ist insb auch dann zur Entgeltzahlung verpflichtet, wenn er den AN nicht wirtschaftlich sinnvoll beschäftigen kann, da andernfalls das den AG treffende Betriebs- und Wirtschaftsrisiko auf den AN übergewälzt werden würde (Rebhahn in ZellKomm2 § 1155 ABGB Rz 4).

Der Begriff des Entgelts ist sehr weit gefasst und umfasst grundsätzlich alle Ansprüche des AN auf vermögenswerte Vorteile. Die Höhe des nachzuzahlenden Entgelts wird durch das Ausfallsprinzip bestimmt: Der AN hat demnach Anspruch auf jenes Entgelt, das ihm gebühren würde, wenn er seine Dienste ordnungsgemäß verrichten hätte können (Rebhahn in ZellKomm2 § 1155 ABGB Rz 44 und 45; siehe dazu ua auch OGH8 ObA 79/04gARD 5571/9/2005 zu Dienstfreistellung und Überstundenpauschale sowie OGH9 ObA 203/94

zum regelmäßigen Mehrarbeits- und Überstundenentgelt).

Ein auf Grund dieser Bestimmung zustehender Entgeltanspruch ist als Erfüllungsanspruch und nicht als Schadenersatzanspruch zu qualifizieren. Der Anspruch setzt daher – als Erfüllungsanspruch – einen aufrechten Arbeitsvertrag voraus (Rebhahn in ZellKomm2 § 1155 ABGB Rz 9; Krejci in

Rummel
ABGB3 § 1155 ABGB Rz 3; siehe auch OGH4 Ob 113/81Arb 10.061).

Nach hM ist dem AG auch das Unterbleiben der Dienstleistung in Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsvertrages und den damit in Verbindung stehenden arbeitsgerichtlichen Verfahren zuzurechnen. Daher kommt § 1155 ABGB auch im Falle einer erfolgreichen Kündigungs- oder Entlassungsanfechtung zum Tragen. Der AN kann die Nachzahlung des Entgelts unter Berücksichtigung der Anrechnungsbestimmungen für die Zeit zwischen dem Ende der Kündigungsfrist und der Fortsetzung der Arbeitsleistung verlangen (Rebhahn in ZellKomm2 § 1155 ABGB Rz 10, 36 und 44).

4.
Sicherung des nachzuzahlenden Entgelts durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds

Im vorliegenden Fall wurde während des laufenden Kündigungsanfechtungsverfahrens ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des AG eröffnet. Der AN hat daher das vom AG nachzuzahlende Entgelt als Insolvenz-Entgelt bei der IEF-Service GmbH beantragt. Die IEF-Service GmbH sprach jedoch für den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung nur das Entgelt für die letzten sechs Monate vor dem Insolvenzstichtag zu. Das nachzuzahlende Entgelt für die Monate davor wurde mit der Begründung, die Entgeltansprüche seien täglich mit der Leistungsbereitschaft des AN entstanden, aber nicht rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht worden, abgewiesen.

Gem § 3a Abs 1 IESG haben AN Anspruch auf Insolvenz-Entgelt für das laufende Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen, das in den letzten sechs Monaten vor dem Insolvenzstichtag, oder wenn das Arbeitsverhältnis vorher geendet hat, in den letzten sechs Monaten vor dem arbeitsrechtlichen Ende fällig geworden ist. Ansprüche aus früheren Lohnperioden sind nur dann gesichert, wenn sie binnen sechs Monaten ab ihrem Entstehen gerichtlich bzw im Schlichtungsverfahren oder vor der Gleichbehandlungskommission geltend gemacht wurden und dieses Verfahren gehörig fortgesetzt wurde und soweit257 eine Differenz zwischen kollektivvertraglicher und unterkollektivvertraglicher Entlohnung vorliegt.

Die mit der Novelle BGBl I 1997/107 eingeführte Bestimmung des § 3a Abs 1 IESG hat den Zweck, eine missbräuchliche Inanspruchnahme des IEF hintanzuhalten. Davor konnten Ansprüche bis zur Grenze der Verjährung, soweit sie nicht bereits verfallen waren, als Insolvenz-Entgelt beantragt werden. Nach der Intention des Gesetzgebers sollen Ansprüche nur begrenzt gesichert sein, wenn der betroffene AN keinerlei Maßnahmen zu deren Rechtsdurchsetzung gesetzt hat.

Vom Anwendungsbereich des § 3a Abs 1 IESG können nur solche Ansprüche umfasst sein, die schon vor Insolvenzeröffnung fällig geworden oder zumindest entstanden sind. Nach herrschender Auffassung entsteht der Entgeltanspruch des AN täglich mit der Leistungserbringung, auch wenn die Fälligkeit des Anspruchs erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt. Der AN kreditiert dem AG das laufende Entgelt bis zum jeweiligen Fälligkeitstermin (Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4 [1999] 234 f). Auch der OGH hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass bei Anwendung des § 3a Abs 1 erster und zweiter Satz IESG zwischen dem Entstehen eines Leistungsanspruchs und dessen Fälligkeit zu unterscheiden ist (siehe zuletzt OGH 25.11.15, 8 ObS 3/15x ebenso OGH 19.12.2002, 8 ObS 206/02f).

Beim Anspruch des AN auf Nachzahlung des Entgelts für den Zeitraum zwischen dem Ende der Kündigungsfrist und dem stattgebenden Anfechtungsurteil handelt es sich jedoch nicht um einen Anspruch auf laufendes Entgelt, sondern um einen Entgeltanspruch iSd § 1155 ABGB. Entgeltansprüche nach § 1155 ABGB können auf Grund der nicht vorhandenen laufenden Leistungserbringung nicht täglich entstehen, da der synallagmatische Zusammenhang zwischen Arbeitsleistung und Entgelt nicht gegeben ist. Mangels täglicher Leistungserbringung besteht somit auch kein täglicher Entgeltanspruch.

Gibt bereits das Erstgericht der Anfechtung statt, hat der AN auf Grund der vorläufigen Wirksamkeit des Urteils gem § 61 ASGG schon während des noch laufenden Verfahrens Anspruch auf Entgelt nach § 1155 ABGB (OGH9 ObA 283/99d

= ZAS 2000/19, 180 [Schrank]). Dieser Entgeltanspruch ist jedoch nur vorläufiger Natur. Das Arbeitsverhältnis selbst wird zunächst ebenfalls als vorläufig fortbestehend fingiert. Dadurch wird auch die vorläufige Anwendbarkeit des § 1155 ABGB ermöglicht, der das Bestehen eines aufrechten Arbeitsverhältnisses voraussetzt (vgl OGH9 ObA 283/99d = ZAS 2000/19, 180 [Schrank]). Wird die Kündigungsanfechtung später endgültig abgewiesen, muss der AN das für die Dauer des Prozesses erhaltene Entgelt zurückzahlen (Rebhahn in Zell-Komm2 § 1155 ABGB Rz 10 und 36).

Im hier zu beurteilenden Anlassfall erging das stattgebende Anfechtungsurteil erst nach Insolvenzeröffnung. Somit ist der Nachzahlungsanspruch des AN eindeutig erst nach Insolvenzeröffnung entstanden. Da der AN auf Grund der konkursgerichtlichen Schließung des Unternehmens kurz nach Insolvenzeröffnung den vorzeitigen Austritt gem § 25 IO erklärt hat, ist in diesem besonderen Fall nach Ansicht des OGH die Fälligkeit des Nachzahlungsanspruchs auf Grund der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses ausnahmsweise bereits mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 1154 Abs 3 ABGB) und nicht erst mit dem später ergangenen Anfechtungsurteil eingetreten. Die Sicherung des Nachzahlungsanspruchs durch den IEF ist daher im vorliegenden Fall nicht nach § 3a Abs 1, sondern nach § 3a Abs 2 Z 1 IESG zu beurteilen. Nach dieser Bestimmung ist der Nachzahlungsanspruch des AN zur Gänze gesichert.

Die Frage, ob eine Anfechtungsklage als gerichtliche Geltendmachung iSd § 3a Abs 1 IESG zu qualifizieren ist, kann laut OGH folglich dahingestellt bleiben. Er verweist jedoch ausdrücklich auf die Ausführungen von Rebhahn (Die Rechtslage während eines arbeitsrechtlichen Kündigungsprozesses,

), wonach weder die Anfechtungsklage noch das stattgebende Anfechtungsurteil ein Leistungsbegehren auf Nachzahlung des laufenden Entgelts umfassen. Ist der AG nach Vorliegen des stattgebenden Anfechtungsurteils nicht zur Zahlung bereit, ist daher zur Geltendmachung des Entgeltanspruches zusätzlich eine Leistungsklage einzubringen.

5.
Zusammenfassung

Der vorliegenden E ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung uneingeschränkt zuzustimmen.

Der OGH hatte bereits in zahlreichen früheren Entscheidungen Gelegenheit, zu den verschiedensten Fragen der Entgeltnachzahlung nach einem erfolgreichen Kündigungsanfechtungsverfahren Stellung zu nehmen. Lediglich zur Frage des Entstehungszeitpunkts bzw der Fälligkeit des Nachzahlungsanspruchs lag noch keine oberstgerichtliche Judikatur vor. Dass der Anspruch des AN auf Nachzahlung des Entgelts auf Grund der Aufhebung des synallagmatischen Zusammenhanges zwischen Leistungserbringung und Entgeltverpflichtung während des Kündigungsanfechtungsverfahrens als Erfüllungsanspruch iSd § 1155 ABGB zu qualifizieren ist, ist sowohl in der Lehre als auch nach den bisher ergangenen Urteilen des OGH unstrittig. Die E steht daher im Einklang mit der bisherigen Entscheidungspraxis. Davon ausgehend konnte der OGH bei der Beurteilung der Insolvenz-Entgeltsicherung des Nachzahlungsanspruchs konsequenterweise nur zum vorliegenden Ergebnis kommen.

Die in diesem Fall von der IEF-Service GmbH vertretene Rechtsauffassung steht hingegen im diametralen Widerspruch zur herrschenden Lehre sowie zur ständigen höchstgerichtlichen Judikatur und wurde vom OGH daher zu Recht verworfen.258