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Entlassung wegen eines einseitigen Urlaubsantritts gem § 4 Abs 4 UrlG

MARTAJ.GLOWACKA (WIEN)
  1. Die allgemeinen Voraussetzungen einer Entlassung, wie die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung und die Rechtzeitigkeit des Ausspruchs der Entlassung, haben auch im Fall einer Entlassung im Zusammenhang mit einem Feststellungsverfahren nach § 4 Abs 4 UrlG zu gelten.

  2. Die Ungewissheit des Prozessausgangs im Zusammenhang mit einem Verfahren nach § 4 Abs 4 UrlG als solche rechtfertigt das Zuwarten mit dem Entlassungsausspruch nicht.

  3. Die Rsp, dass einem AG bei vorerst zweifelhaftem Sachverhalt das Recht zugebilligt werden muss, mit der Entlassung bis zur Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände durch die hiefür zuständige Behörde zuzuwarten, kann hier nicht herangezogen werden.

[...] Die Kl war seit 3.5.1999 bei der Bekl als Flugbegleiterin tätig. Da die Streitteile über das Begehren der Kl, nicht nur vom 26.12.2012 bis 8.1.2013, sondern auch vom 23. bis 25.12.2012 Urlaub nehmen zu wollen, keine Einigung erzielten, brachte die Bekl beim Erstgericht in einem Vorprozess zu ASG Wien9 Cga 106/12d eine Klage auf Feststellung ein, dass die Kl nicht berechtigt sei, im Zeitraum vom 23.12.2012 bis 8.1.2013 mit Ausnahme des bereits bewilligten Zeitraumes von 26.12.2012 bis 8.1.2013 Urlaub zu konsumieren. Am 22.12.2012 forderte der Leiter der Personalabteilung die Kl auf, vom 23. bis 25.12.2012 ordnungsgemäß ihren Dienst anzutreten und behielt sich für den Fall des unberechtigten Nichtantritts zum Dienst arbeitsrechtliche Konsequenzen vor. Die Kl trat dennoch am 23.12.2012 ihren Urlaub an.

Mit Urteil des Erstgerichts vom 31.10.2013 wurde jenes Klagebegehren abgewiesen. Mit Urteil des OLG Wien vom 25.2.2014, 8 Ra 5/14k, wurde der Berufung der Bekl (als dortiger Kl) Folge gegeben und dem Feststellungsbegehren stattgegeben. Das Berufungsurteil wurde den Parteienvertretern am 1.4.2014 zugestellt. Mit Schreiben desselben Tages sprach die Bekl die Entlassung der Kl aus, weil sie in der Zeit vom 23.12. bis 25.12.2012 unberechtigt dem Dienst ferngeblieben sei. Die gegen das Berufungsurteil von der Kl (als dortiger Bekl) erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des OGH vom 25.9.2014, 9 ObA 79/14d, zurückgewiesen.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Kl, die Entlassung für rechtsunwirksam zu erklären. Die Entlassung sei verspätet. Es treffe die Kl auch kein Verschulden, weil es sich bei ihrem einseitigen Urlaubsantritt um eine vertretbare Rechtsansicht gehandelt habe. Da die Verantwortliche für das Kabinenpersonal ihr großes Verständnis entgegengebracht habe, sei auch von einer Verzeihung der Bekl auszugehen. Es liege zudem ein rechtmäßiger Hinderungsgrund vor, weil die Kl vom 23. bis 25.12.2012 keine zumutbare Betreuung für ihre Kinder (7 und 8 Jahre) gefunden habe. Der BR habe der Entlassung widersprochen. Es lägen die Anfechtungsgründe des verpönten Motivs iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG und der Sozialwidrigkeit vor.

Die Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, zur Entlassung berechtigt gewesen zu sein. Die Entlassung sei erst dann auszusprechen, wenn das Gericht die fehlende Berechtigung des Urlaubsantritts festgestellt habe. Dies sei mit der Zustellung des Urteils des OLG Wien erfolgt. Bei einem anhängigen Urlaubsverfahren gem § 4 Abs 4 UrlG trage der AN das Risiko eines ungerechtfertigten einseitigen Urlaubsantritts. Es handle sich daher auch um keine „vertretbare Rechtsansicht“ der Kl. Eine Verzeihung der Bekl liege nicht vor, zumal die Personalverantwortliche dazu auch nicht berechtigt gewesen wäre. Die Diensteinteilung für Weihnachten 2012 sei der Kl bereits seit November 2011 bekannt gewesen. Dass es ihr innerhalb eines ganzen Kalenderjahres nicht möglich gewesen wäre, für ihre Kinder eine Betreuung zu organisieren, sei unglaubwürdig. Es liege daher auch kein rechtmäßiger Hinderungsgrund vor. Die Anfechtungsgründe eines verpönten Motivs oder der Sozialwidrigkeit seien nicht gegeben.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Kl habe für den nach dem Vorverfahren feststehenden eigenmächtigen Urlaubsantritt alle arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu tragen. Sie habe für den Fall eines für sie ungünstigen Prozessausgangs die berechtigte Entlassung riskiert.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl keine Folge. Zur Frage, ob die Kl zum Urlaubsantritt berechtigt gewesen sei, entfalte das Urteil des Vorverfahrens – einschließlich der Frage einer möglichen Kinderbetreuung und der Frage, ob der Kl der Urlaubsantritt vorwerfbar sei – Bindungswirkung. Zur Frage der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung und allfälligen anderen Hinderungsgründen habe die Kl kein näheres Vorbringen erstattet. Habe der AG fristgerecht wegen des Zeitpunkts des Urlaubsantritts Klage eingebracht und trete der AN den vorgeschlagenen Urlaub dennoch und somit eigenmächtig an, habe er alle arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu tragen, wenn in der Folge das Ergebnis der Interessenabwägung zu seinen Ungunsten ausfalle. Die Bekl habe die Entlassung der Kl umgehend ausgesprochen, nachdem die Rechtmäßigkeit des Urlaubsantritts durch die E des Berufungsgerichts zu 8 Ra 5/14k geklärt worden sei. Die Entlassung sei daher auch nicht verspätet. [...]

[Rechtliche Beurteilung des OGH:]

1. Um eine Entlassung zu rechtfertigen, setzt jeder Entlassungsgrund voraus, dass dem DG infolge des im Übrigen tatbestandsmäßigen Verhaltens des DN nach der Lage der Umstände die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum nächsten Kündigungstermin oder bis zum Ablauf der Vertragszeit für die264 restliche Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0028475).

Die Gründe für eine vorzeitige Beendigung eines Dienstverhältnisses müssen bei sonstigem Verlust des bestehenden Auflösungsrechts unverzüglich nach ihrem Bekanntwerden geltend gemacht werden (siehe RIS-Justiz RS0031799; Kuderna, Entlassungsrecht2, 13 f; Tarmann-Prentner in

Reissner
, AngG2 § 25 Rz 40 mwN; Friedrich in
Marhold/Burgstaller/Preyer
, AngG § 25 Rz 29). Der Grundsatz, dass die Entlassung unverzüglich auszusprechen ist, beruht auf dem Gedanken, dass ein AG, der eine Verfehlung seines AN nicht sofort mit der Entlassung beantwortet, dessen Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar ansieht und auf die Ausübung des Entlassungsrechts im konkreten Fall verzichtet (RIS-Justiz RS0029249). Objektiv betrachtet kann ein grundloses Zuwarten trotz Kenntnis des Auflösungsgrundes den Schluss zulassen, dass der Anlass nicht als so schwerwiegend empfunden wurde und dem Erklärenden eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar gewesen wäre. Subjektiv gesehen soll ein DN, der einen Entlassungsgrund gesetzt hat, nicht unnötig lange im Unklaren darüber gelassen werden, ob sein Verhalten tatsächlich diese schwerwiegende Rechtsfolge nach sich ziehen wird. Wenn der AG ohne beachtlichen Grund längere Zeit mit einer E zuwartet, soll der DN in einem begründeten Vertrauen auf einen Fortbestand des Dienstverhältnisses geschützt sein (RIS-Justiz RS0031799; Tarmann-Prentner, aaO, Rz 43 f).

Entscheidend ist dabei vor allem der Verständnishorizont des betroffenen DN. Für diesen muss das Verhalten des DG gerechtfertigten Grund zur Annahme geben, dieser verzichte auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe, was regelmäßig dann nicht zutrifft, wenn das Zögern sachlich begründet ist und der DG durch sein Verhalten nicht den Eindruck erweckt, er werde den Entlassungsgrund nicht wahrnehmen (RIS-Justiz RS0031799 [T25; T27]).

Nach der Rsp muss aber auch überall dort, wo ein vorerst undurchsichtiger, zweifelhafter Sachverhalt vorliegt, den der AG mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zunächst gar nicht aufklären kann, diesem das Recht zugebilligt werden, bis zur einwandfreien Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch die hiefür zuständige Behörde mit der Entlassung zuzuwarten. Diese Voraussetzungen werden vor allem dann anzunehmen sein, wenn gegen einen AN der Vorwurf einer strafbaren Handlung erhoben worden ist (RIS-Justiz RS0029297).

2. Im Hinblick auf die hier ausgesprochene Entlassung infolge eines eigenmächtigen Urlaubsantritts ist auch auf das Verfahren gem § 4 UrlG Bedacht zu nehmen:

Der Zeitpunkt des Urlaubsantritts bedarf einer Vereinbarung zwischen dem AG und dem AN (§ 4 Abs 1 S 1 UrlG).

Hat der AN in Betrieben, in denen ein für ihn zuständiger BR eingerichtet ist, den von ihm gewünschten Zeitpunkt für den Antritt seines Urlaubs oder eines Urlaubsteiles in der Dauer von mindestens zwölf Werktagen dem AG mindestens drei Monate vorher bekannt gegeben und kommt eine Einigung zwischen dem AG und dem AN nicht zustande, so sind die Verhandlungen unter Beiziehung des BR fortzusetzen. Kommt auch dann keine Einigung zustande, so kann der AN den Urlaub zu dem von ihm vorgeschlagenen Zeitpunkt antreten, es sei denn, der AG hat während des Zeitraums, der nicht mehr als acht und nicht weniger als sechs Wochen vor dem vom AN vorgeschlagenen Zeitpunkt des Urlaubsantritts liegen darf, wegen des Zeitpunkts des Urlaubsantritts die Klage beim zuständigen Arbeitsgericht eingebracht (§ 4 Abs 4 UrlG).

Nach dieser Bestimmung trägt bei betriebsratspflichtigen Betrieben der AG die Prozesslast für das Recht des AN, seinen Urlaub zum gewünschten Termin antreten zu können. Der AG darf sein Klagerecht dabei nicht willkürlich ausüben, um den AN am Urlaubsantritt zu hindern. Er muss im Verfahren die Gründe beweisen, die einem Urlaubsantritt zu dem vom AN vorgeschlagenen Zeitpunkt entgegenstehen, sodass im Rahmen des Verfahrens nach § 4 Abs 4 UrlG eine entsprechende Interessenabwägung vorzunehmen ist (4 Ob 66/79 = Arb 9815; 9 ObA 79/14d). Die Feststellungsklage des AG hat daher auch nicht die Wirkung eines absoluten Ausschlusses des AN von einem eigenmächtigen Urlaubsantritt iS einer „Sperrwirkung“ (4 Ob 66/79; Kuderna, Das Verfahren bei Nichtzustandekommen einer Einigung über den Urlaubsantritt, ZAS 1977, 83, 88; Cerny, Urlaubsrecht, § 4 UrlG Anm 25; Reissner in ZellKomm2 § 4 UrlG Rz 44). Dazu wurde schon in den Materialien (AB 276 BlgNR 14. GP 3) festgehalten: „Bringt der AG die Klage innerhalb des vom Gesetz vorgeschriebenen Zeitraumes ein, so hat der AN, der trotz fristgerechter Klagsführung den Urlaub eigenmächtig antritt, alle arbeitsrechtlichen Konsequenzen (einschließlich der Gefahr der fristlosen Entlassung) zu tragen, wenn der Rechtsstreit zu seinen Ungunsten endet. Dies selbst dann, wenn die E des Arbeitsgerichtes erst nach Urlaubsantritt ergeht.“ Auf eben diese Gefahren weist auch die Literatur hin (Reissner in ZellKomm2 § 4 UrlG Rz 44 mwN; Cerny, Urlaubsrecht, § 4 UrlG Anm 25).

In § 4 Abs 4 UrlG ist demnach eine Risikoverteilung angelegt: Gibt der AG dem AN durch Einbringung der Klage zu verstehen, mit dem vom AN beabsichtigten Urlaubsantritt nicht einverstanden zu sein und tritt der AN den Urlaub – während des idR dann laufenden Verfahrens – dennoch an, so geschieht dies auf sein Risiko. Im Fall eines Prozessverlusts des AG steht nachträglich fest, dass der AN zum Urlaubsantritt berechtigt war; im Fall des Obsiegens des AG, dass der AN dazu nicht berechtigt war, sodass sein Fernbleiben vom Dienst nicht mit dem Urlaubsantritt zu rechtfertigen ist.

3. Von der Frage, ob ein AN durch einen eigenmächtigen Urlaubsantritt einen Entlassungsgrund iSd § 27 Z 4 AngG gesetzt hat, ist die Frage zu unterscheiden, ob der AG eine damit begründete Entlassung auch „unverzüglich“ ausgesprochen hat. Weder dem Gesetzestext des § 4 UrlG noch den Erläuterungen ist zu entnehmen, dass die dargestellte Risikoverteilung den AG schon265 per se berechtigt, vor dem Ausspruch der Entlassung den Ausgang des Feststellungsverfahrens abzuwarten. Wenn die Erläuterungen davon sprechen, dass der AN im Falle eines eigenmächtigen Urlaubsantritts die arbeitsrechtlichen Konsequenzen daraus zu tragen hat, „wenn der Rechtsstreit zu seinen Ungunsten endet“, so wird damit nur die Bedingung („wenn“ iSv „falls“) der Rechtsfolgen beschrieben. Dass damit auch der Unverzüglichkeitsgrundsatz aufgegeben werden sollte, ist dieser Formulierung – selbst im Kontext der Gesamtregelung – nicht zu entnehmen. Zurecht wies daher schon Kuderna, ZAS 1977, 89 f, darauf hin, dass neben der Frage des rechtswidrigen Fernbleibens von der Arbeit auch die allgemeinen Voraussetzungen einer Entlassung wie Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, Verschulden, Verzicht und Rechtzeitigkeit geprüft werden müssen. Soweit er im Anschluss daran davon ausgeht, dass es für die Rechtzeitigkeit der Entlassung „grundsätzlich“ genüge, diese sofort nach Eintritt der Rechtskraft des Feststellungsurteils auszusprechen, bleibt er allerdings eine Begründung schuldig. Diese Annahme überzeugt gerade im Regelfall nicht, läuft sie doch der genannten Erwägung zuwider, dass die allgemeinen Voraussetzungen einer Entlassung, wie die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung und die Rechtzeitigkeit des Ausspruchs der Entlassung, selbstverständlich auch im Fall einer Entlassung im Zusammenhang mit einem Verfahren nach § 4 Abs 4 UrlG zu gelten haben.

Es ist nicht zu übersehen, dass auch der AG im Zeitpunkt des eigenmächtigen Urlaubsantritts des AN über den Prozessausgang idR noch keine Gewissheit haben wird. Dennoch kann die zitierte Rsp, dass einem AG bei vorerst zweifelhaftem Sachverhalt das Recht zugebilligt werden muss, mit der Entlassung bis zur Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände durch die hiefür zuständige Behörde zuzuwarten (RIS-Justiz RS0029207) [gemeint wohl: RS0029297], hier nicht herangezogen werden. Denn im Unterschied zu den dort definierten Voraussetzungen liegt in Fällen wie dem vorliegenden kein unklarer Sachverhalt vor, den der AG nicht mit eigenen Mitteln aufklären könnte. Die für die Entlassung maßgeblichen Umstände – Fernbleiben des AN vom Dienst infolge Urlaubsantritts – liegen vielmehr klar zutage. Ob ein AG ausreichende Gründe hat, dem AN den Urlaubsantritt zum vorgeschlagenen Zeitpunkt zu verwehren, ist eine Frage ihrer Bewertung, nicht aber der Sachlage. Daraus folgt aber, dass § 4 Abs 4 UrlG die Verteilung des Risikos für die Rechtzeitigkeit einer Entlassung nicht ändert. Genauso wie der AN bei eigenmächtigem Urlaubsantritt trotz Feststellungsklage des AG eine die sofortige Entlassung rechtfertigende Dienstverfehlung riskiert, muss danach der AG die Folgen der Einschätzung tragen, ob eine Entlassung, die erst nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens ausgesprochen wird, noch dem Unverzüglichkeitsgrundsatz entspricht. Dafür ist auf die dargelegten allgemeinen Grundsätze zurückzugreifen.

4. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies: Der Kl musste schon aufgrund der Klagsführung der Bekl bewusst sein, dass letztere den gewünschten Urlaubs antrittstermin zum 23.12.2012 nicht akzeptierte, wofür sich die Bekl auch „dienstrechtliche Konsequenzen“ vorbehalten hatte. Dennoch wurde die Kl in der Folge unbeanstandet über einen Zeitraum von mehr als 15 Monaten bis 1.4.2014 weiterbeschäftigt. Der eigenmächtige vorzeitige Urlaubsantritt der Kl blieb dadurch ein zeitlich abgeschlossenes Ereignis, das keine Auswirkungen auf ihre weiteren Dienstverrichtungen hatte. Nach dem Vorbringen der Bekl nahm die Kl im Folgejahr auch von ihrem neuerlichen Wunsch, zu den Weihnachtsfeiertagen Urlaub nehmen zu können, Abstand, um in der Folge im Zeitraum vom 24. bis 26.12.2013 Kurzstreckenflüge zu übernehmen. Das Argument der Bekl, gerade durch die Fortführung des (Feststellungs-)Verfahrens sei offenkundig gewesen, dass die Kl nur so lange weiter beschäftigt werde, bis die Berechtigung des Urlaubsantritts geklärt sei, verfängt hier nicht: Das Feststellungsverfahren hat die Berechtigung eines AN zum Urlaubsantritt zum Gegenstand. Das Interesse des AG, das Fehlen einer solchen Berechtigung gerichtlich feststellen zu lassen, ist aber keineswegs zwingend mit einem Interesse an der unverzüglichen Auflösung des Dienstverhältnisses des AN verknüpft, weil ein AG mit der Klagsführung auch nur die Aufrechterhaltung der disziplinären Ordnung im Betrieb – hier: der Beachtung der Urlaubseinteilung – verfolgen kann. Wie dargelegt, rechtfertigt auch die Ungewissheit des Prozessausgangs als solche das Zuwarten mit dem Entlassungsausspruch nicht. Danach ist aber ungeachtet des Umstands, dass die Bekl der Kl zunächst „dienstrechtliche Konsequenzen“ angedroht hatte, vor dem Hintergrund der langen und unbeanstandeten Weiterbeschäftigung der Kl nicht ersichtlich, warum der Bekl auch noch im Zeitpunkt des Ausspruchs der Entlassung am 1.4.2014 eine Weiterbeschäftigung der Kl bis zu einem Kündigungstermin nicht zumutbar gewesen sein sollte. Objektiv betrachtet lässt dies nur den Schluss zu, dass sich die Bekl ihres Entlassungsrechts begeben hat.

Da der Ausspruch der Entlassung hier daher nicht mehr als „unverzüglich“ angesehen werden kann, ist die Revision der Kl schon aus diesem Grund berechtigt, ohne dass es noch auf ihre weiteren Ausführungen zur Entlassung ankäme.

5. Mangels eines von der Bekl rechtzeitig aufgegriffenen Entlassungsgrundes wird in der Folge iSd § 106 Abs 2 Satz 1 ArbVG zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen eines Anfechtungsgrundes iSd § 105 Abs 3 ArbVG vorliegen. [...]

ANMERKUNG

Dass der AN bei einseitigem bzw eigenmächtigem Urlaubsantritt trotz vom AG nach § 4 Abs 4 UrlG eingebrachter Feststellungsklage die Entlassung riskiert, entspricht der hM (OGH4 Ob 66/79Arb 9815; Cerny, Urlaubsrecht10 [2011] § 4 UrlG Erl 25; Friedrich in

Marhold/Burgstaller/Preyer
, AngG § 27 Rz 298; Kuderna, UrlG2 [1995] § 4 Rz 43; Mayr, Arbeitsrecht § 4 UrlG E 62; Reissner in ZellKomm2 § 4 UrlG Rz 44; vor allem unter Verweis auf den AB 276 BlgNR 14. GP 3). In der266 vorliegenden E gelangt der OGH zu dem Ergebnis, dass der Ausspruch der Entlassung nicht mehr als unverzüglich angesehen werden kann, wenn der AG den Ausgang des Feststellungsverfahrens nach § 4 Abs 4 UrlG zuwartet. Diese E löst Verständnisbzw Folgefragen aus:

  • Bedeutet das, dass der AG die Entlassung jedenfalls im zeitlich engen Naheverhältnis zum Zeitpunkt des einseitigen Urlaubsantritts aussprechen muss, um dem Unverzüglichkeitsgrundsatz Genüge zu tun?

  • Wenn ja, welche praktischen Konsequenzen hat das für den einseitigen Urlaubsantritt gem § 4 Abs 4 UrlG und wird er dadurch seiner Bedeutung beraubt?

1.
Unverzüglichkeitsgrundsatz

Eine vorzeitige Beendigung aus wichtigem Grund muss grundsätzlich unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen (Burger-Ehrnhofer/Drs, Beendigung von Arbeitsverhältnissen [2014] 45 mwN). Der Unverzüglichkeitsgrundsatz ist auch damit begründbar, dass eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur dann legitim ist, wenn eine Weiterbeschäftigung für den AG unzumutbar ist (vgl Friedrich in

Marhold/Burgstaller/Preyer
, AngG § 25 Rz 29; Pfeil in ZellKomm2 § 25 AngG Rz 23 ff; Trattner, ASoK 1999, 105). Daher wird das Zuwarten als Verzicht auf das vorzeitige Beendigungsrecht gewertet (vgl Kuderna, Entlassungsrecht2 [1994] 13 f; Pfeil in ZellKomm2 § 25 AngG Rz 31 ff; Rauch, Arbeitsrecht für Arbeitgeber14 [2015] 623). Wenn der AG den AN, der seinen Urlaub einseitig angetreten ist, nicht unverzüglich entlässt, sondern ihn bis zum Ausgang des Feststellungsverfahrens weiterbeschäftigt, erscheint sohin fraglich, ob eine Weiterbeschäftigung auch für die Dauer der Kündigungsfrist zumutbar gewesen wäre und der Unverzüglichkeitsgrundsatz daher missachtet wurde.

Im gegenständlichen Fall hätte der AG nach Ansicht des OGH zum Zeitpunkt der E im Feststellungsverfahren nach § 4 Abs 4 UrlG keine Entlassung mehr aussprechen dürfen. Denn die Ungewissheit des Prozessausgangs als solche rechtfertige das Zuwarten mit dem Entlassungsausspruch nicht. Der OGH scheint dadurch eine gleichmäßigere Risikoverteilung anzustreben und derart eine gewisse Waffengleichheit schaffen zu wollen. Denn so wie der AN im Zeitpunkt des einseitigen Urlaubsantritts das Risiko eines Entlassungsgrundes (aufgrund des unberechtigten Fernbleibens vom Dienst) trägt, hat auch der AG zur selben Zeit das Risiko des Ausspruches einer unberechtigten Entlassung zu tragen. Alternativ bleibt dem AG immerhin die Möglichkeit zuzuwarten und dann eine Kündigung auszusprechen, die zumindest nicht mehr wegen verpönten Motivs angefochten werden kann (siehe dazu sogleich), wenn ihm die Aussicht einer unberechtigten Entlassung zu riskant erscheint.

Der Grundsatz, wonach AG bei vorerst zweifelhaftem Sachverhalt das Recht zugebilligt werden muss, mit der Entlassung bis zur Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände durch die hierfür zuständige Behörde zuzuwarten (siehe zB OGH9 ObA 35/12fDRdA 2012, 620; vgl auch OGH8 ObA 40/08bARD 5895/9/2008), könne nach Ansicht des OGH im vorliegenden Fall nicht angewandt werden. Hierbei handle es sich nämlich um keinen unklaren Sachverhalt, den der AG nicht mit eigenen Mitteln aufklären könnte. Der OGH scheint somit davon auszugehen, dass der AG im Falle eines einseitigen Urlaubsantritts auch ohne Einleitung eines Feststellungsverfahrens gem § 4 Abs 4 UrlG sehr wohl abwägen kann, ob die Interessen des AN am Urlaubsantritt zum fraglichen Zeitpunkt gegenüber den dagegen vorgebrachten betriebsbedingten Gründen überwiegen. Im gegenständlichen Fall erscheint aber das Zögern des AG mE weder sachlich unbegründet, noch erweckt dieser den Eindruck, er verzichte auf die Geltendmachung des Entlassungsgrundes (vgl OGH9 ObA 99/05gARD 5656/10/2006).

Wenn man dem OGH dennoch darin folgt, dass der Unverzüglichkeitsgrundsatz durch die Einleitung des Feststellungsverfahrens gem § 4 Abs 4 UrlG nicht in Anlehnung an die Konsequenzen zum Verdacht einer strafbaren Handlung „ausgesetzt“ wird, muss vom AG der Ausspruch einer Entlassung im zeitlich engen Naheverhältnis zum Zeitpunkt des einseitigen Urlaubsantritts verlangt werden. Eine derartige Auslegung scheint immerhin der Begründung der Unverzüglichkeit mit der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zu entsprechen. Dafür spricht auch, dass sich ansonsten die Frage stellt, ob der unzulässig einseitig angetretene „Urlaub“ bei Berechnung der Urlaubsersatzleistung im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen ist. Nichtsdestotrotz ist zu hinterfragen, ob § 4 Abs 4 UrlG dadurch seiner Bedeutung beraubt wird.

2.
Einseitiger Urlaubsantritt

Allgemein wird § 4 Abs 4 UrlG derart ausgelegt, dass sich ein AN, der einseitig einen Urlaub antritt, obwohl sein AG eine Feststellungsklage iSd § 4 Abs 4 UrlG eingebracht hat, einer möglichen Entlassung aussetzt, wenn die E in der Folge zugunsten des AG ausfällt (AB 276 BlgNR 14. GP 3; OGH4 Ob 66/79Arb 9815; Cerny, Urlaubsrecht10 § 4 UrlG Erl 25; Kuderna, UrlG2 § 4 Rz 43; Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht2 [2012] 225; Mayr, Arbeitsrecht § 4 UrlG E 62; Reissner in ZellKomm2 § 4 UrlG Rz 44). Der OGH konkretisiert nun, dass dieses „wenn“ als Bedingung („falls“) zu verstehen ist und somit nicht als Festsetzung des Zeitpunktes („wann“). Dahingegen vertritt Kuderna (ZAS 1977, 83 [90]) explizit die Ansicht, dass es für die Rechtzeitigkeit des Entlassungausspruches genügt, die Entlassung sofort nach Eintritt der Rechtskraft auszusprechen. Mit dieser Auslegung wäre dem Zweck der Durchsetzung des Urlaubsanspruches gedient, ohne dem AN ein absolutes Recht auf unberechtigtes Fernbleiben vom Dienst einzuräumen. In diesem Fall würde sich der AN durch den einseitigen Urlaubsantritt „lediglich“ dem Damoklesschwert in Form des Risikos der zeitlich verzögerten Entlassung – je nach Ausgang267 des Feststellungsverfahrens – aussetzen. Der AG müsste dann im Anschluss an die Feststellung, dass der Urlaubsantritt unzulässig war, unverzüglich entscheiden, ob er eine Entlassung ausspricht oder nicht. Diese Auslegung entsprach auch der Auffassung des Erst- und des Berufungsgerichtes.

Wenn alternativ aber verlangt wird, dass der AG die Entlassung im zeitlich engen Naheverhältnis zum einseitigen Urlaubsantritt des AN aussprechen muss, um dem Unverzüglichkeitsgrundsatz Genüge zu tun, wird das zusätzliche Risiko des sofortigen Entlassungsausspruchs erhöht. Denn das in § 4 Abs 4 UrlG vorgesehene Verfahren schützt den AN zwar nicht vor einer Entlassung, die Auslegung durch den OGH im gegenständlichen Fall zwingt den AG aber, die Entlassung unabhängig vom Feststellungsverfahren unverzüglich auszusprechen, quasi nach dem Motto „Wenn, dann jetzt“.

Da auch eine unberechtigte Entlassung das Arbeitsverhältnis beendet, wird der betroffene AN, der überzeugt ist, keinen Entlassungsgrund gesetzt zu haben, gezwungen, die Entlassung gem § 106 ArbVG anzufechten (vgl Reissner in ZellKomm2 § 4 UrlG Rz 44). Die Anfechtung hat längstens innerhalb von drei Wochen und somit idR während des Urlaubes zu erfolgen. Die durch § 4 Abs 4 UrlG intendierte Prozesslastumkehrung zulasten des AG läuft damit ins Leere (vgl Cerny, Urlaubsrecht10 § 4 UrlG Erl 25).

Das für die Anfechtung einer solchen Entlassung geltend zu machende verpönte Motiv gem § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG (iVm § 106 Abs 2 ArbVG) setzt voraus, dass der AN wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung der vom AG in Frage gestellten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gekündigt bzw entlassen wird. Hierfür ist es ausreichend, dass Unklarheiten oder unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Burger-Ehrnhofer/Drs, Beendigung von Arbeitsverhältnissen 288 mwN). Ebensolche bestehen mE im Zusammenhang mit dem einseitigen Urlaubsantritt trotz Feststellungsklage. Im Rahmen des Rechtsstreits über die Entlassungsanfechtung gem § 106 iVm § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG muss sohin ermittelt werden, ob der AN einen Entlassungsgrund gesetzt hat, indem er den Urlaub einseitig angetreten ist.

Alternativ kann der betroffene AN die Entlassung gegen sich wirken lassen und einen Schadenersatzanspruch geltend machen, wenn sich herausstellt, dass der einseitige Urlaubsantritt zulässig war und die Entlassung daher unberechtigt. In diesem Fall hat § 4 Abs 4 UrlG de facto keinen Einfluss auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Dahingegen bleibt das Arbeitsverhältnis für die Dauer des „Schwebezustandes“ (in Anlehnung an den Verdacht einer strafbaren Handlung) aufrecht, der AN hat durch seine Zurverfügungstellung der Arbeitsleistung die Gelegenheit, den AG davon zu überzeugen, auch bei allfälliger Feststellung, dass der Urlaubsantritt unzulässig war, das Arbeitsverhältnis nicht zu beenden. Dadurch wird dem AN-Interesse sowohl am Urlaubsantritt zum gewünschten Zeitpunkt als auch an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses Rechnung getragen.

3.
Mögliche Reaktionen auf den einseitigen Urlaubsantritt

Für die Praxis stellt sich nun die Frage, wie ein AG auf den einseitigen Urlaubsantritt seines AN trotz erhobener Feststellungsklage nach § 4 Abs 4 UrlG reagieren kann bzw soll, wenn man der Auffassung des OGH folgt, dass der AG eine Entlassung im zeitlich engen Naheverhältnis zum Zeitpunkt des einseitigen Urlaubsantritts aussprechen muss:

a) Der AG, der einen Entlassungsgrund geltend machen will, sollte die Entlassung unverzüglich, dh grundsätzlich zum Zeitpunkt des aus seiner Sicht unzulässigen einseitigen Urlaubsantritts seines AN, aussprechen. Da zu diesem Zeitpunkt idR noch kein Ergebnis des Feststellungsverfahrens nach § 4 Abs 4 UrlG vorliegt, läuft der AG Gefahr die „teuerste“ Beendigungsart zu setzen: die unberechtigte Entlassung. Denn in diesem Fall hat der AN Anspruch auf die beendigungsabhängigen Ansprüche wie bei ordnungsgemäßer Kündigung, obwohl er für die fiktive Kündigungsfrist keine Arbeitsleistung zur Verfügung stellen muss. Dh der AG wird de facto gezwungen, eine anfechtbare Entlassung zu riskieren, obwohl er bereits eine Feststellungsklage eingebracht hat.

b) Alternativ kann der AG die Kündigung aussprechen. Aber auch diese Beendigungsform ist mit dem Risiko behaftet, dass im Falle der Feststellung der Zulässigkeit des einseitigen Urlaubsverbrauchs durch den AN dieser die Kündigung gem § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG anfechten und uU einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 1155 ABGB geltend machen kann. Um diesem Risiko zu entgehen, könnte der AG das Ergebnis des Feststellungsverfahrens nach § 4 Abs 4 UrlG abwarten und die Kündigung dann aussprechen. Diese Beendigungsform hat aber im Vergleich zur berechtigten Entlassung zum Teil gravierende Nachteile: Der Anspruch auf Abfertigung alt, Postensuchtage sowie eine allfällige direkte Pensionszusage bleiben aufrecht und der AN muss das Urlaubsentgelt für einen über das aliquote Ausmaß hinaus verbrauchten Jahresurlaub nicht zurückerstatten. Dh der AG kann bei dieser Beendigungsform nur verlieren.

c) Als weitere Alternative kommt die Möglichkeit einer bedingten Entlassung in Frage. Der AG könnte nämlich den Ausspruch der unverzüglichen Entlassung unter die Bedingung stellen, dass das Feststellungsverfahren nach § 4 Abs 4 UrlG zu seinen Gunsten ausgeht. Allerdings ist der Ausspruch einer bedingten Entlassung beschränkt zulässig (siehe Friedrich in

Marhold/Burgstaller/Preyer
, AngG § 25 Rz 54 ff; Pfeil in ZellKomm2 § 25 AngG Rz 21), zumal sich dabei genauso die Frage nach der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung stellt, die den OGH im gegenständlichen Fall dazu veranlasste, daran zu zweifeln, ob der AG den Unverzüglichkeitsgrundsatz eingehalten hat.

d) Um der für eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangten Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zu genügen, müsste der AG den AN für die Dauer des Verfahrens unter Fortzahlung der Bezüge suspendieren (vgl Kuderna, Entlassungsrecht2 16 mwN; Kuras, Handbuch268 Arbeitsrecht25, Kap 11.1.9.2.). Eine Suspendierung unter Entfall der Bezüge für die Dauer des Feststellungsverfahrens würde hingegen eine unzumutbare Beschränkung des AN darstellen. Durch die aufrechte Vertragsbeziehung würde der AN für eine unverhältnismäßig lange Zeit vom Eingehen eines neuen die Deckung der Lebenserfordernisse ermöglichenden Arbeitsverhältnisses abgehalten bzw gezwungen werden, das Arbeitsverhältnis aus eigener Initiative zu beenden. Umgekehrt erscheint eine Suspendierung unter Fortzahlung der Bezüge vom Standpunkt des AG dann ökonomisch unsinnig, wenn er das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist, die kürzer ist als die voraussichtliche Dauer eines Feststellungsverfahrens nach § 4 Abs 4 UrlG, beenden könnte; im Einzelfall hängt das natürlich vom Ausmaß der zu zahlenden beendigungsabhängigen Ansprüche ab (insb Abfertigung alt, direkte Pensionszusage).

In Anbetracht der damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen würde ein verständigter AG von einer (gegebenenfalls sogar berechtigten vorzeitigen) Beendigung des Arbeitsverhältnisses daher idR Abstand nehmen. Von einem derartigen Regelzustand könnten gewiefte AN profitieren, indem sie die arbeitgeberseitige Unsicherheit als „Freibrief“ für einen einseitigen Urlaubsantritt iSd § 4 Abs 4 UrlG beanspruchen. Dies könnte allerdings auch komplett ins Gegenteil umschlagen. Vorsichtige AN, für die das Risiko der sofortigen Entlassung, die sie dann mittels allgemeinem Entlassungsschutz bekämpfen müssten, steigt, würden sich wahrscheinlich hüten, den Urlaub einseitig anzutreten. Zwar kritisierte bereits Kuderna (UrlG2 § 4 Rz 38) § 4 Abs 4 UrlG als „kaum gelungenen Versuch“ der Durchsetzung von Urlaubsansprüchen. Die jüngste Auslegung des OGH wirft aber vor allem praktische Folgefragen auf.

4.
Conclusio

Im Ergebnis erscheint die Argumentation des OGH dafür, dass der AG die Entlassung im zeitlich engen Naheverhältnis zum einseitigen Urlaubsantritt des AN aussprechen muss, um dem Unverzüglichkeitsgrundsatz Genüge zu tun, schlüssig. Eine derartige Auslegung entspricht nämlich der Begründung der Unverzüglichkeit mit der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung. Andererseits „zwingt“ sie den AG zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Daher ist zu bezweifeln, ob AN bereit wären, das Risiko der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Umkehr der Prozesslast zu tragen. Nach näherer Auseinandersetzung mit den praktischen Konsequenzen ist allerdings vielmehr davon auszugehen, dass AG nach Abwägung der Risiken einer unwirtschaftlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Ungewissheit über die Zulässigkeit des einseitigen Urlaubsantritts eben davon Abstand nehmen werden. Denn dem AG bleibt in diesem Fall lediglich eine Wahl zwischen „entlassen und riskieren oder kündigen und verlieren“.