Zumutbare Arbeit: Arbeitslosengeld – Notstandshilfe – Mindestsicherung

NORAMELZER-AZODANLOO (GRAZ)
Die Vorgaben zur Zumutbarkeit der Beschäftigung, die eine arbeitslose Person aufzunehmen hat, gehören zu den Angelpunkten der sozialen Ordnung.* Wollen sie ihre Leistungen aus der AlV nicht verlieren, müssen Arbeitslose entsprechende Arbeitswilligkeit zeigen. Die Kriterien einer zumutbaren Beschäftigung wurden in den letzten Jahren mehreren Änderungen unterworfen: So wurden der Berufs- und Entgeltschutz näher bestimmt bzw neu geregelt, weiters wurden die Zuweisungsmöglichkeiten auf den sogenannten zweiten Arbeitsmarkt erleichtert. Bemerkenswert ist zudem, dass die Frage der Zumutbarkeit einer Beschäftigung mittlerweile auch für die BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung vermehrt zu stellen ist.*
  1. Rechtsgrundlagen

  2. Rechtliche Einbettung und Inhalte der Voraussetzungen einer zumutbaren Beschäftigung

    1. Versicherungspflichtiges Dienstverhältnis iSd § 4 Abs 2 ASVG

    2. Zumutbarkeitskriterien ieS

      1. Eine den Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessene Beschäftigung

      2. Unzumutbarkeit bei Gefährdung der Gesundheit und der Sittlichkeit der arbeitslosen Person

      3. Angemessenes Entgelt

      4. Angemessene Erreichbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung

      5. Vereinbarkeit von Beschäftigung und Betreuungspflichten

  3. Die wesentlichen Unterschiede bezüglich der Zumutbarkeit einer Beschäftigung

    1. Berufs- und Entgeltschutz bei vorangehender Vollzeitbeschäftigung

    2. Entgeltschutz bei vorangehender Teilzeitbeschäftigung

    3. Berufs- und Entgeltschutz bei Notstandshilfe?

    4. Zumutbarkeit der Beschäftigung bei Mindestsicherung

1.
Rechtsgrundlagen

Was eine zumutbare Beschäftigung, die einer arbeitslosen Person zugewiesen werden kann, ausmacht, ist primär in § 9 AlVG festgelegt. Demnach muss die arbeitslose Person, um (weiterhin) Leistungen aus der AlV zu erhalten, ihre „Arbeitswilligkeit“ zeigen, indem sie vor allem bereit ist, eine vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Erfüllt die zugewiesene Beschäftigung nur eines der in § 9 Abs 2 AlVG angeführten Kriterien nicht, kann die arbeitslose Person im Ergebnis die Aufnahme der Beschäftigung sanktionslos verweigern.

§ 9 AlVG, insb die hier interessierenden Bestimmungen zur Zumutbarkeit, gilt dabei nicht nur für BezieherInnen von Arbeitslosengeld: Gem § 38 AlVG sind – soweit im Abschnitt 3 („Notstandshilfe“) nichts anderes bestimmt ist – auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des mit „Arbeitslosengeld“ betitelten Abschnittes 1, dh §§ 7 bis 25 AlVG, „sinngemäß“ anzuwenden. Gem § 33 Abs 2 AlVG ist die Notstandshilfe außerdem nur zu gewähren, wenn die arbeitslose Person „der Vermittlung zur Verfügung steht“. Dabei wird explizit auf § 7 Abs 2 AlVG verwiesen, der wiederum ausdrücklich festhält, dass eine Person der „Arbeitsvermittlung zur Verfügung“ steht, wenn sie (ua) „arbeitswillig“ gem § 9 AlVG ist. Zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung bestehen vergleichbare Verweisungen in der einschlägigen Art-15a-B-VG-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern:* In deren Art 14 wird unter dem Titel „Einsatz der Arbeitskraft“ angeordnet, dass die Leistungen der Mindestsicherung „bei arbeitsfähigen Personen von der Bereitschaft zum Einsatz ihrer Arbeitskraft abhängig gemacht295 werden“. Dabei ist „hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit sowie der Zumutbarkeit einer Beschäftigung grundsätzlich von denselben Kriterien wie bei der Notstandshilfe auszugehen“. Im Stmk Mindestsicherungsgesetz – ebenso in den Umsetzungsvorschriften anderer Bundesländer – wird diese Wendung und Verweisung auf die Zumutbarkeitsbestimmungen im AlVG wiederholt.* Zumindest partiell finden sich die Zumutbarkeitskriterien des § 9 Abs 2 AlVG überdies in den „Grundsätzen“ iSd § 3 AMFG wieder, die ganz allgemein für arbeitsvermittelnde Institutionen bezüglich der zugewiesenen Beschäftigungen gelten.

Schließlich erfolgt in § 10 Abs 1 AlVG eine explizite Referenz auf die zumutbare Beschäftigung, indem festgelegt wird, dass die Weigerung einer arbeitslosen Person, eine solche zumutbare Beschäftigung aufzunehmen, sowie die Vereitelung der Annahme für die Dauer der Verweigerung, mindestens jedoch für sechs Wochen, zum Verlust des Leistungsbezugs führen. Vergleichsweise milder sind die Sanktionen gem Art 14 Abs 4 Art-15a-B-VG-Vereinbarung für MindestsicherungsbezieherInnen, die „trotz schriftlicher Ermahnung keine Bereitschaft zu einem zumutbaren Einsatz der Arbeitskraft“ aufweisen. Denn deren Leistungen können zwar gekürzt werden, aber „(d)ies darf grundsätzlich nur stufenweise und maximal um bis zu 50 % erfolgen, eine weitergehende Kürzung oder ein völliger Entfall ist nur ausnahmsweise und in besonderen Fällen zulässig“. Nicht zuletzt führen diese unterschiedlichen Sanktionsmöglichkeiten im Übrigen dazu, dass bei Sperren nach § 10 AlVG der entstehende Bezugsentfall im Ergebnis immer wieder durch Leistungen aus der Mindestsicherung kompensiert wird. Der RV zur Novelle des Stmk MindestsicherungsG zufolge soll dies in Hinkunft unterbunden werden, indem die Auswirkungen einschlägiger Leistungssperren für nicht arbeitswillige BezieherInnen insofern spürbarer sein werden, als „für die Dauer des Anspruchsverlustes nur jene Leistung zu gewähren (ist), die ohne diesen Anspruchsverlust gebühren würde“.*

Durch die eben aufgezeigten (Weiter-)Verweisungen ergibt sich, dass die grundlegenden Vorschriften über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung für BezieherInnen von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Bedarfsorientierter Mindestsicherung im Wesentlichen übereinstimmen; insb sind dabei die Kriterien gem § 9 Abs 2 AlVG angesprochen. Untersucht werden soll nach einer inhaltlichen Darstellung der dort geregelten Zumutbarkeitskriterien, ob und wenn ja in welchen Bereichen Unterschiede bezüglich der Zumutbarkeit der von der arbeitslosen Person aufzunehmenden Beschäftigung auszumachen sind, abhängig davon, welche der genannten Leistungen sie aktuell gerade bezieht.

2.
Rechtliche Einbettung und Inhalte der Voraussetzungen einer zumutbaren Beschäftigung

Liegt eine zumutbare Beschäftigung vor, kann die arbeitslose Person die Aufnahme dieser Beschäftigung nicht verweigern. Tut sie dies doch oder vereitelt sie die Aufnahme der Beschäftigung, so riskiert sie eine Leistungssperre nach § 10 AlVG. Im Fall „evidenter“ Unzumutbarkeit* oder dem Fall, dass die arbeitsvermittelnde Stelle von vornherein Kenntnis von der Unzumutbarkeit hat, kann die arbeitslose Person die Aufnahme sanktionslos verweigern. Deren Vorliegen wird in der Judikatur jedoch kaum bejaht.* In der Regel liegt es vielmehr an den Arbeitslosen selbst, die näheren Arbeitsbedingungen im Rahmen ihrer Kontaktaufnahme mit den zukünftigen AG zu erörtern, wobei sie eventuelle Unklarheiten zu besprechen und durchaus auch Umstände, die die Unzumutbarkeit der Beschäftigung nahelegen, erst einmal abzuklären haben.*

2.1.
Versicherungspflichtiges Dienstverhältnis iSd § 4 Abs 2 ASVG

Gem § 9 Abs 1 AlVG zeigt sich die Arbeitswilligkeit einer Person dadurch, dass sie „bereit ist, eine ... vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen ...“. Trotz der Ausdehnung der AlV auf freie AN und sogar Selbständige durch BGBl I 2007/104BGBl I 2007/104 liegt eine zumutbare Beschäftigung somit ausdrücklich nur dann vor, wenn dabei die Kriterien des sozialversicherungsrechtlichen DN-Begriffs erfüllt sind, dh Dienstleistungen in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit sowie gegen Entgelt erbracht werden. Sogenannte atypische Beschäftigungsverhältnisse – zumindest jene, die wie die freien Dienstvertragsverhältnisse in den Kernbereichen keinen arbeitsrechtlichen Schutz gewähren – werden vom Gesetzgeber daher nicht einmal bei Personen, die vor ihrem Leistungsbezug durchaus (auch) solchen Tätigkeiten nachgegangen sind, als vermittlungsadäquat angesehen.

Aus der Verbindung der §§ 9 und 7 Abs 2 und 3 AlVG, wonach eine Person der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, „die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält ...“, ergeben sich weitere Anforderungen an die verwiesene Beschäftigung und ihre Zumutbarkeit. Insb ist daraus zu entnehmen, dass auch anlässlich der Vermittlung aus der Arbeitslosigkeit ins Erwerbs-296leben, selbst wenn diese schon länger gedauert haben sollte, keinesfalls eine Verringerung allgemeiner arbeitsrechtlicher Standards möglich ist. Alle gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften sind im vermittelten Beschäftigungsverhältnis einzuhalten; dies gilt – trotz fehlender ausdrücklicher Erwähnung – auch für die sonstigen kollektiven Rechtsgestaltungsmittel. Die Annahme eines Arbeitsverhältnisses, das diesen Vorgaben widerspricht, kann von der arbeitslosen Person nicht verlangt werden.* Des Weiteren ergibt sich aus dem Zusammenhalt, dass etwa bloß geringfügige Beschäftigungen, selbst wenn sie im Rahmen eines Dienstverhältnisses nach § 4 Abs 2 ASVG (zB gem Dienstleistungsscheckgesetz [DLSG]) erbracht werden, keine zumutbaren Beschäftigungen darstellen.

Allein die Befristung eines zugewiesenen Arbeitsverhältnisses vermag im Übrigen deren Zumutbarkeit nicht von vornherein auszuschließen;* für (kurz befristete) bloße „Arbeitserprobungen“ sind allerdings Besonderheiten zu beachten: Letztere sind nämlich lediglich im Zuge von Schulungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen, etwa als praktischer Teil, zulässig (vgl § 9 Abs 8 AlVG).*

Um ein Dienstverhältnis im hier interessierenden Sinne handelt es sich gem § 9 Abs 7 AlVG* weiters auch dann, wenn die arbeitslose Person einer Beschäftigung in einem sozialökonomischen Betrieb oder gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt zugewiesen wird. Erforderlich war die ausdrückliche Regelung dieser Beschäftigungen durch die zurückhaltende Judikatur zur Verweisungsmöglichkeit auf Arbeiten in solchen Betrieben geworden.* Skepsis verursachte vor allem, dass es bei diesen Arbeiten zu einer Vermischung zwischen Elementen einer (regulären) Beschäftigung und jener einer (bloßen) Wiedereingliederungsmaßnahme kommen kann.* Ausgehend von § 7 Abs 3 AlVG konnte eine arbeitslose Person zudem nicht in ein sogenanntes Transitarbeitsverhältnis vermittelt werden, weil solche Dienstverhältnisse nicht „üblicherweise auf dem Arbeitsmarkt“ angeboten werden, sondern vielmehr dem sogenannten zweiten Arbeitsmarkt zugerechnet werden müssen.*

Als ausdrückliche Voraussetzungen bezüglich der zumutbaren Beschäftigungen in sozialökonomischen Betrieben und gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten verlangt § 9 Abs 7 AlVG, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis* handelt, die arbeitsrechtlichen Bestimmungen (dh insb die Entgeltbedingungen) eingehalten werden und dass das Arbeitsverhältnis der Wiedereingliederung dient.*16) Außerdem sind die übrigen Zumutbarkeitskriterien einschließlich des Berufs- und Entgeltschutzes zu berücksichtigen. Eine Definition der beiden angesprochenen Betriebsformen oder AG sowie eine Klärung ihrer Unterschiede findet sich – rechtspolitisch bedenklich – nicht im Gesetz selbst, sondern nur in den Materialien.*

2.2.
Zumutbarkeitskriterien ieS

Gem § 9 Abs 2 AlVG ist eine Beschäftigung zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, deren Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik und Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft vorliegt „sowie“ gesetzliche Betreuungspflichten eingehalten werden können.

2.2.1.
Eine den Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessene Beschäftigung

Dass die zugewiesene Beschäftigung den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen zu sein hat, definiert die Judikatur als Abgleich zwischen den (verbliebenen) Fähigkeiten, dh dem individuellen subjektiven Arbeitsvermögen, der arbeitslosen Person und den Anforderungen der zugewiesenen Arbeitsmöglichkeit (Leistungsprofil).* Trotz der einschränkenden Formulierung297 des Gesetzgebers hat die zugewiesene Beschäftigung auch den geistigen und psychischen Fähigkeiten der arbeitslosen Person zu entsprechen,* sodass neben Gesundheitszustand und Alter auch Fähigkeiten wie Kreativität, Organisationstalent und Rhetorik oder Sprachkenntnisse und Ausbildung eine Rolle spielen. Fehlende Qualifikation der arbeitslosen Person in Bezug auf die zugewiesene Beschäftigung kann daher ebenfalls zu deren Unangemessenheit führen. Geht die Minder-/Unterqualifikation allerdings so weit, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten der arbeitslosen Person für die Vermittlung einer Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes überhaupt nicht ausreichend sind, so ist diese idR zunächst einer Schulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme zuzuweisen.* Überqualifikation als solches verhindert – ausgenommen in der Anfangszeit des Arbeitslosengeldbezugs (siehe dazu die Ausführungen zum Berufsschutz in Pkt 3.1.) – die Zumutbarkeit hingegen grundsätzlich nicht. Auch den AbsolventInnen oder vormaligen Lehrbeauftragten einer Hochschule können zB Reinigungs- oder Rezeptionsarbeiten zugewiesen werden.*

Allfällige Einschränkungen des subjektiven Arbeitsvermögens sind der arbeitsvermittelnden Stelle im Übrigen rechtzeitig bekannt zu geben, etwa im Rahmen der Ausformulierung der Betreuungsvereinbarung oder des Betreuungsplans gem § 38c AMSG; derartige Probleme erst beim Vorstellungsgespräch mit der zukünftigen AG näher zu erörtern, kann andernfalls als Vereitelung der Beschäftigungsaufnahme gem § 10 AlVG aufgefasst werden.*

2.2.2.
Unzumutbarkeit bei Gefährdung der Gesundheit und der Sittlichkeit der arbeitslosen Person

Eine zugewiesene Tätigkeit ist weiters nur zumutbar, wenn sie die Gesundheit und Sittlichkeit der arbeitslosen Person nicht gefährdet. Dieser Tatbestand bedeutet eine Verstärkung des oben erläuterten ersten Zumutbarkeitskriteriums, der Angemessenheit der Tätigkeit. Eine arbeitslose Person muss – körperlich und geistig – in der Lage sein, die zugewiesene Tätigkeit zu bewältigen, und die Tätigkeit darf zudem „ihre“ Gesundheit nicht gefährden, wobei unter systematischen Erwägungen auch hier sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit gemeint ist.

Zum einen kann sich eine Gesundheitsgefährdung für die arbeitslose Person schon aus der Beschäftigung an sich ergeben, sodass schwere Hebearbeiten für Menschen mit Bandscheibenproblemen oder stressgeneigte Tätigkeiten aufgrund permanenter Kundenkontakte, wie etwa im Service eines Gastgewerbeunternehmens, für Menschen mit bestimmten neurologischen Störungen unzumutbar sein können (siehe dazu auch schon Pkt 2.2.1.). Die Gesundheitsgefährdung kann aber auch von den örtlichen oder zeitlichen Umständen der Arbeitserbringung ausgehen, etwa von einem Arbeitsplatz, der nicht rauchfrei ausgestaltet ist. Unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Ziels, durch die Regelung im AlVG die konkrete Person vor einer gesundheitsgefährdenden Tätigkeit zu schützen (arg „ihre“ Gesundheit), sowie dem Ziel des § 20 ASchG, „Nichtraucher soweit dies ... möglich ist“ vor den Einwirkungen des Tabakrauchs am Arbeitsplatz zu schützen, und der allgemeinen gesetzgeberischen Tendenz, den Schutz vor Tabakrauch insgesamt immer weiter auszudehnen, wird die Verweisung von NichtraucherInnen* auf solche Arbeitsplätze als unzumutbar anzusehen sein.* Sonstige Umstände der Arbeitserbringung, die eine wesentliche Rolle für die Zumutbarkeit der Beschäftigung spielen, können auch die Arbeitszeiten sein: Bei entsprechender Indisponiertheit der arbeitslosen Person kann daher auch die Zuweisung zu Beschäftigung mit regelmäßiger Nacht- oder Schichtarbeit unzumutbar sein.*

Resultiert die Gefährdung hingegen nicht aus der Tätigkeit als solcher, sondern hängt sie mit den Arbeitswegen zusammen, vermag sie die Zumutbarkeit eher nicht einzuschränken. Dies gilt sowohl für eine Gefährdung der Gesundheit als auch für die im Anschluss zu besprechende Sittlichkeit. Risiken wie nächtliche Heimwege oder eine gefährliche Nachbarschaft sind der arbeitslosen Person zuzurechnen;* die Auswirkungen der Wahl des Wohnorts können nicht der Versichertengemeinschaft auferlegt werden (zu den Wegzeiten siehe jedoch auch noch Pkt 2.2.4.).

Abgesehen von der Gesundheit darf die zugewiesene Tätigkeit auch die Sittlichkeit der arbeitslosen Person nicht gefährden. Traditionellerweise werden darunter im Arbeits- und Sozialrecht* die der Geschlechts- oder der sexuellen Sphäre zuzurechnenden Aspekte der Persönlichkeitsrechte verstanden. Dabei kann die zugewiesene Tätigkeit entweder selbst in sexuellen Kontakten bestehen oder sie kann einen engen Zusammenhang mit sexuellen Aktivitäten aufweisen. In Zusammenschau mit einschlägigen Regulativen der Rechtsordnung bezüglich bestimmter Beschäftigungen oder Vertragsinhalte ist daher davon auszugehen, dass eine Gefährdung der Sittlichkeit zB bei Arbeit in Bordellen und Sexshops oder Mitwirkung in Pornovideos vorliegt, ebenso auch dann, wenn von einer Serviererin in einem Kaffeehaus verlangt wird, dass sie Getränke mit unbekleidetem298 Oberkörper serviert.* Verweisungen in derartige Etablissements werden – trotz gewisser gesellschaftlicher Öffnungstendenzen, die sich auch in der Rechtsordnung niedergeschlagen haben* – für die meisten Arbeitslosen daher nach wie vor nicht in Frage kommen. Abgesehen von den mit der Sexualsphäre verbundenen Tätigkeiten können auch mit der konkreten Person verbundene Umstände der zugewiesenen Arbeit eine Gefährdung der Sittlichkeit herbeiführen: Trat eine AN berechtigt aus, weil sie in einem Unternehmen sexueller Belästigung ausgesetzt worden war, so wäre eine Zuweisung in eben dieses Unternehmen oder in ein Unternehmen, in dem die belästigende Person nunmehr arbeitet, idR nicht zumutbar.

In der Literatur hat die Gefährdung der Sittlichkeit zu Recht insofern eine deutliche Erweiterung ihres Inhalts erfahren, als damit auch das „kulturelle“ und das „religiöse Umfeld“ der arbeitslosen Person erfasst, dh geschützt, sein soll.30) Ausgehend vom Verständnis der Sittlichkeit als Teil der Persönlichkeitsrechte eines Menschen gehe es demnach auch darum, „anerkannte ethische Ordnungen abzusichern, Freiheitsbeschränkungen abzuwehren, die Ausnützung von Machtpositionen hintanzuhalten und die Menschenwürde zu wahren“, sodass etwa die Zuweisung bestimmter Berufe auch aus religiösen Gründen unzumutbar sein kann.*

Wie oben dargelegt, ist die „Sittlichkeit“ zunächst vor allem als jener Teil der Persönlichkeit(srechte) anzusehen, der – in unterschiedlichsten Abstufungen – mit der sexuellen oder geschlechtlichen Sphäre eines Menschen zusammenhängt. Dabei hat nicht zuletzt auch die Religion den jeweils vorherrschenden Sittlichkeitsbegriff stark mitgeprägt, im Arbeits- und Sozialrecht zB insofern, als verschiedene mit der sexuellen Sphäre verbundene Tätigkeiten die Sittlichkeit verletzen können. Das Verständnis der „Sittlichkeit“ sowie jenes ihrer Verletzung ist ständigen Wandlungen unterworfen, und zwar sowohl in die eine als auch in die andere Richtung: Mittlerweile können Verträge über Sexarbeit abgeschlossen werden, sexuelle Belästigung wiederum kann schon bei Nachpfeifen oder Aufhängen entsprechender Poster vorliegen.

Ausgehend von einem bloß „sexuell“ geprägten Sittlichkeitsbegriff wären jedoch Zuweisungen zu Arbeiten, die (sonstige) religiöse, weltanschauliche oder ethnische Aspekte des Persönlichkeitsrechts gefährden, sehr wohl zumutbar, was mit Blick auf die Grundrechte, die Gleichbehandlungsvorschriften oder etwa arbeitsrechtliche Sonderregelungen für JournalistInnen zu einem eklatanten Wertungswiderspruch führen würde.* Nicht zuletzt der eng mit der „Sittlichkeit“ verbundenen „Sittenwidrigkeit“ ist aber ohnehin die Loslösung von einem bloß sexuellen Verständnis der Sittlichkeit zu entnehmen,* die zu einer Einbeziehung der Gesamtpersönlichkeit des Menschen hinführt, sodass im Ergebnis von einem weiten Inhalt des Sittlichkeitsbegriffs iSd § 9 Abs 2 AlVG ausgegangen werden muss.

Inwieweit eine „Gefährdung“ der Sittlichkeit iSd AlVG vorliegt, ist nach dem Umfang des Schutzes, den die Rechtsordnung insgesamt dem jeweiligen Gut zukommen lässt, zu bestimmen. So können insb nicht sämtliche religiöse Grundsätze oder Regeln bzw deren (Nicht-)Einhaltung bei der Frage der Zumutbarkeit der Arbeit eine entscheidende Rolle spielen. In diese Richtung geht auch die Judikatur des VwGH,* der zu einem ganz wesentlichen religiösem Gebot, der Sonntags-/Sabbatruhe, in Verbindung mit einer Verweisung auf eine Tätigkeit, bei der auch an diesen Tagen gearbeitet werden soll, entschieden hat. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber selbst in § 8 ARG die Kollision von (Sonn- oder Feiertags-)Arbeit und religiösen Pflichten bereits gelöst hat, und dabei „die berechtigten Interessen des Arbeitgebers und jene des Arbeitnehmers“ berücksichtigt werden. Nach Abs 1 leg cit haben AN, die während der Wochenend- oder Feiertagsruhe beschäftigt werden, auf Verlangen einen Anspruch auf die zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten notwendige Freizeit, wenn diese Pflichten nicht außerhalb der Arbeitszeit erfüllt werden können und die Freistellung mit den Erfordernissen des Betriebs vereinbar ist. Religiöse Pflichten würden die AN an der Erbringung der Arbeitsleistungen am Sonntag somit nicht schlechthin hindern und stellen kein Unzumutbarkeitskriterium dar.*

§ 7 AlVG zufolge muss eine Person der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen, indem sie sich zur Aufnahme und Ausübung einer „auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen ... Beschäftigung“ bereithält. Entscheidend für die Frage der (Un-)Zumutbarkeit einer Tätigkeit sowie der damit verbundenen Übertragung des Nicht-Beschäftigungsrisikos auf die Versichertengemeinschaft müssen daher auch die Gestaltung des österreichischen299 Arbeitsmarkts an sich und die Inhalte der marktüblichen Tätigkeiten sein: Sonn- und Feiertagsarbeit sind – innerhalb der gesetzlichen Vorgaben – am österreichischen Arbeitsmarkt jedenfalls als üblich anzusehen, und die arbeitslose Person muss sich entsprechend arbeitswillig zeigen. Gleiches gilt zB für Tätigkeiten im gastgewerblichen Servicebereich, der regelmäßig mit Alkoholausschank verbunden ist, oder im Küchenbereich, in dem Fleischzubereitung nach wie vor einen wesentlichen Bestandteil bildet.* Regelmäßig keine Gefährdung der „Sittlichkeit“ im eben erläuterten Sinne vermögen im Übrigen auch Tätigkeiten im Unterrichts-, Sozial-, Pflege- oder medizinischen Bereich darzustellen, selbst wenn diese gesellschaftliche oder körperliche Kontakte (wie Berührungen) zu KlientInnen des anderen Geschlechts umfassen. Zum einen handelt es sich dabei um auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotene und auch so gelebte Beschäftigungen, und zum anderen steht die sexuelle Aktivität nicht im Zentrum der Tätigkeit.

2.2.3.
Angemessenes Entgelt

Gem § 9 Abs 2 AlVG muss die zugewiesene Tätigkeit „angemessen entlohnt“ sein. Zum Verständnis des „angemessenen“ Entgelts ist zunächst einmal bemerkenswert, dass sich diese Anordnung von jener des § 7 Abs 3 Z 1 AlVG unterscheidet, wonach sich die arbeitslose Person (nur) für eine den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechende Beschäftigung bereit zu halten hat. Diese Abweichung wird noch verstärkt durch eine Legaldefinition des angemessenen Entgelts in § 9 Abs 2 Satz 2 leg cit: Als solches „gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung“.

Unbestritten ist, dass die Frage der Angemessenheit des Entgelts für die vermittelte Tätigkeit – abgesehen von den noch zu besprechenden Zeiten des Berufs- oder Entgeltschutzes – nicht von der vorangehenden oder aktuellen Verdienstsituation der arbeitslosen Person abhängt.* Obwohl dies zu gewissen „Härten“ führen kann, stellt die Angemessenheit weder auf die „individuelle Bedarfslage“ noch die Wunschvorstellung der arbeitslosen Person, sondern auf „objektive Gegebenheiten des Arbeitsmarktes“ ab.* Kritisch gesehen wird von Teilen des Schrifttums, dass es im Zusammenhang mit der angemessenen Entlohnung für die verwiesene Tätigkeit zu einem Abweichen bezüglich des Verständnisses der „angemessenen“ Entlohnung kommt, und nicht wie sonst auch im Arbeits- oder Sozialrecht explizit auf Betriebs-, Branchen oder Ortsüblichkeit* abgestellt wird.*

Die Mindestentgelte nach den entsprechenden Berufs- oder Verwendungsgruppen in Kollektivverträgen, Satzungen etc bilden in jedem Fall den Ausgangspunkt für die Ermittlung der Angemessenheit eines Entgelts.* Der gesetzlichen Anordnung zufolge gilt aber bloß „grundsätzlich“* eine „zumindest“* den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung als angemessen, sodass die Berücksichtigung von Überzahlungen auch mit der vorliegenden Formulierung keineswegs ausgeschlossen ist: Sind Überzahlungen in der Branche oder am Arbeitsort üblich, so sind sie von Wortlaut und Systematik her betrachtet zur Erfüllung des Kriteriums „Angemessenheit“ durchaus entsprechend miteinzubeziehen.* Die arbeitslose Person wird aber – in Ermangelung weitergehender Aufgriffs- bzw Nachweismöglichkeiten – trotzdem regelmäßig an der Durchsetzung scheitern.* Im Ergebnis ist einer arbeitslosen Person die Aufnahme einer Beschäftigung nämlich auch dann zumutbar, wenn – obwohl Überzahlungen in der Branche üblich und bekannt sind – aus dem jeweiligen Stellenangebot keine Überzahlung(sabsicht) ersichtlich ist. Schließlich könnte die konkrete AG, etwa aufgrund der schlechten aktuellen Wirtschafts- oder Auftragslage, später eintretende AN geringer entlohnen als die bisherigen.*

Keine von vornherein unzumutbare Beschäftigung liegt im Übrigen auch bei Nennung fehlerhafter Entgelte im Stellenangebot vor. Dies gilt insb dann, wenn es zusätzliche Erklärungen gibt, wonach das Entgelt ohnehin „verhandelbar“ sei.*

2.2.4.
Angemessene Erreichbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung

Ein weiteres Zumutbarkeitskriterium stellt die angemessene Erreichbarkeit der Beschäftigung dar. Zufolge der Konkretisierung in § 9 Abs 2 Satz 3 AlVG beträgt die „zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg ... jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden“. Was unter einer Vollzeitbeschäftigung zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht näher definiert. Sowohl systematischen Erwägungen als auch300 den Materialien* ist zu entnehmen, dass diese nach der im jeweiligen Wirtschaftszweig üblichen wöchentlichen Normalarbeitszeit zu bestimmen ist, und somit – unter Zugrundlegung der jeweiligen Arbeitszeitvorschriften, insb dem KollV – 40 oder 38,5 Stunden etc betragen kann. Bei (jeweils) darunter liegender wöchentlicher Normalarbeitszeit, dh bei Teilzeitbeschäftigung, sind „jedenfalls“ eineinhalb Stunden täglicher Wegzeit zumutbar. Differenziertere Abstufungen im Verhältnis zum wöchentlichen Arbeitszeitausmaß sowie unter Berücksichtigung unregelmäßiger Verteilung der täglichen Arbeitszeit sind im Gesetz nicht vorgesehen.* Lediglich den Materialien zufolge soll die Wegzeit (dh von der Wohnung zum Arbeitsplatz und zurück) im Allgemeinen ein Viertel der durchschnittlichen täglichen Normalarbeitszeit nicht wesentlich überschreiten.* Der VwGH rechtfertigt die nur geringfügig niedrigere Untergrenze damit, dass eine aliquote Berücksichtigung der Wegzeiten die Zumutbarkeit der Annahme von Teilzeitbeschäftigungen – vor allem in Pendlerregionen – unverhältnismäßig stark einschränken würde, und damit das Ziel des AlVG, Arbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, nicht erreicht werden könnte,* der Wohnort also wiederum dem Eigenrisiko der arbeitslosen Person zuzurechnen ist.

Geringfügige Überschreitungen der Wegzeiten ändern – sowohl bei Voll- als auch bei Teilzeitarbeit – nichts an der Zumutbarkeit der Beschäftigung; von einer solchen Geringfügigkeit ist etwa bei einer bloß 12 %-igen Überschreitung* der Wegzeiten auszugehen. Aber sogar „wesentlich darüber“ liegende Wegzeiten können noch zumutbar sein: Der Judikatur zufolge liegen diese ab einer Überschreitung von 50 % vor, was bei einer Vollzeitbeschäftigung eine tägliche Wegzeit von mindestens drei Stunden umfasst.* Zu derart hohen Überschreitungen müssen jedoch „besondere Umstände“ hinzutreten. Als Beispiele nennt der Gesetzgeber „besonders günstige Arbeitsbedingungen“ sowie einen Wohnort in einer PendlerInnenregion. Neben vergleichsweise höheren Entgelten* können somit zB betriebliche Kinderbetreuungsplätze eine entscheidende Rolle für die Zumutbarkeit der Zuweisung spielen. Auch eine entlegene Wohngegend rechtfertigt regelmäßig eine deutliche Überschreitung der gesetzlichen Wegzeituntergrenzen; die arbeitslose Person hat diesbezüglich ein erhöhtes Eigenrisiko zu tragen. Weitere besondere Umstände, die sogar die Strecke München-Salzburg als zukünftigen Arbeitsweg rechtfertigten, erkannte der VwGH im Übrigen bei einem Grenzgänger an, der die Vermittlung auf den österreichischen Arbeitsmarkt selbst gewählt hatte und dessen früherer Arbeitsweg ebenfalls diese Strecke umfasst hatte.*

Vorangehende Langzeitarbeitslosigkeit oder fortgeschrittenes Alter an sich stellen noch keine besonderen Umstände dar.* Zum einen handelt es sich bei den besonderen Umständen um einen Ausnahmetatbestand, der im Allgemeinen restriktiv zu interpretieren ist, zum anderen entsprechen die genannten Fälle wertungsmäßig auch nicht den vom Gesetzgeber genannten Beispielen.*

Würden bei einer Beschäftigung die täglichen Wegzeiten, wie sie in § 9 Abs 2 AlVG vorgegeben sind, (wesentlich) überschritten, so kann die Beschäftigung dennoch zumutbar sein, wenn eine „entsprechende Unterkunft am Arbeitsort“ zur Verfügung steht. Welche Anforderungen an eine „entsprechende“ Unterkunft zu stellen sind, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht näher bestimmt. Als Untergrenze für deren Angemessenheit sind jedenfalls verschiedene einschlägige AN-Schutzbestimmungen zu sehen. Diese legen im Wesentlichen das Zur-Verfügung-Stellen von (Gemeinschafts-)Unterkünften, Wasch- und Kochgelegenheiten, Toiletten, Umkleideräumen etc „im gebotenen Umfang“ sowie Vorgaben zum Brandschutz fest (§ 37 Arbeitsstätten-VO, § 25 Abs 9, § 29 ASchG). Der Gesetzgeber hat allerdings immerhin ausdrücklich klargestellt, dass eine Beschäftigung trotz Unterkunft am Arbeitsort dann unzumutbar ist, wenn die gesetzlichen Betreuungspflichten nicht eingehalten werden können, wovon etwa bei AlleinerzieherInnen mit minderjährigen Kindern ohne sonstige ortsansässige Familie regelmäßig ausgegangen werden kann.

2.2.5.
Vereinbarkeit von Beschäftigung und Betreuungspflichten

Gem § 9 Abs 2 AlVG ist eine Beschäftigung nur dann zumutbar, wenn „gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können“. Den Materialien zufolge darf die zukünftige Arbeits- einschließlich der Wegzeit die Wahrnehmung der sich aus gesetzlichen Vorschriften ergebenden Betreuungsverpflichtungen somit nicht gefährden.* Aus systematischen Erwägungen ergibt sich, dass damit primär die familienrechtlichen Beistandspflichten gegenüber Familienangehörigen angesprochen sind, also insb jene gegenüber Kindern,* EhegattInnen und eingetragenen PartnerInnen (siehe §§ 44, 90 f ABGB, § 8 Abs 2 EPG) sowie gegenüber den Eltern (§ 137 ABGB). Weitergehende Konkretisierungen, etwa die Zeiten elterlicher Aufsichtspflichten betref-301fend, werden von der Judikatur aber zB auch den Jugendschutzvorschriften entnommen.*

Der Adressatenkreis der von den Betreuungspflichten Betroffenen lässt sich für traditionelle Kernfamilienkonstellationen somit im Wesentlichen ausreichend bestimmen. Ausgehend von den familienrechtlichen Bestimmungen wäre jedoch mangels Beistandspflichten die Betreuung von LebensgefährtInnen oder Geschwistern* nicht geeignet, die Zumutbarkeit einer Beschäftigung einzuschränken.* Zumindest bezüglich der LebensgefährtInnen entstünde dadurch ein gewisser Wertungswiderspruch. Der Gesetzgeber geht bei LebensgefährtInnen an anderer Stelle sehr wohl davon aus, dass deren Betreuungspflichten mit den gesetzlichen Beistandspflichten vergleichbar sind bzw jenen von Eheleuten entsprechen: So sind etwa die Einkommen der LebensgefährtInnen hinsichtlich des Vorliegens einer Notlage mit zu berücksichtigen (vgl § 36 Abs 1 AlVG), und sie haben wie Eheleute einen Anspruch auf Pflegefreistellung nach § 16 UrlG. Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses „gesetzlicher“ Betreuungspflichten und zur Vermeidung des oben angeführten Wertungswiderspruchs ist davon auszugehen, dass der Wortsinn des § 9 Abs 2 AlVG auch die Betreuungspflichten gegenüber LebensgefährtInnen mit gemeinsamem Wohnsitz erfasst. Für sonstige Betreuungspflichtige gilt es hier jedoch einen gewissen Regelungsbedarf festzustellen, dem vor allem durch Klarstellungen hinsichtlich der zu erfassenden Konstellationen nachgekommen werden sollte, um auch gesellschaftlichen Entwicklungen wie dem Auftreten von Patchworkfamilien und Überalterung entsprechend Rechnung tragen zu können.*

Durch den Zusammenhalt mit den Verfügbarkeitsbestimmungen gem § 7 AlVG hat eine arbeitslose Person mit Betreuungspflichten bereit zu sein, mindestens 16 Stunden pro Woche zu arbeiten,* wobei der sogenannte Verfügbarkeitsrahmen, maW die konkreten Zeiträume, zu der die arbeitslose Person verfügbar sein muss, noch weiter eingeschränkt sein kann (zB keine Arbeitszeiten am Abend oder am Morgen). Zumindest in Bezug auf die innerhalb des Verfügungsrahmens liegenden Zeiten muss sich die Person in der Folge auch arbeitswillig zeigen. Bezieht die Person (noch) Kinderbetreuungsgeld, so hält sie sich allerdings überhaupt nur dann bereit, wenn das Kind von einer anderen geeigneten Person oder Einrichtung „betreut wird“, was insofern mit dem Zweck der Bestimmungen einhergeht, als ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nur für Personen, die dem Arbeitsmarkt ohne wesentliche Einschränkungen zur Verfügung stehen, besteht. Wörtlich betrachtet heißt dies freilich, dass sich die kinderbetreuungsgeldbeziehende Person zu Hause bereit hält, während jemand anderes (eventuell auch bezahlt) bereits das Kind betreut. Lediglich in den Materialien, wonach erst für den Zeitpunkt der Vermittlung der Nachweis geeigneter Kinderbetreuung gewährleistet sein muss,* wird die Anforderung abgeschwächt.

Ua aus dieser Bestimmung, aber auch der Zielsetzung des AlVG insgesamt, ergibt sich, dass die arbeitslose Person trotz der Betreuungspflichten dem Arbeitsmarkt jedenfalls zur Verfügung zu stehen hat, und diese – auch wenn es sich um Betreuungspflichten handelt – nicht über die ehebaldige Integration in den Arbeitsmarkt stellen darf. Das AlVG verfolgt keine familienpolitischen Zielsetzungen, deren Bezug den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder sichern oder erleichtern soll.* Besteht eine geeignete Alternative zur eigenen Betreuung durch die arbeitslose Person, so ist sie auch in Anspruch zu nehmen.* Umgekehrt gilt dem VwGH zufolge, dass, wenn sonstige Betreuungspersonen fehlen, auch der Elternteil eines 14-jährigen Kindes nicht auf eine Arbeit mit Spätschichten vermittelt werden kann.* Werden diese Wertungen auf die Kollision zwischen Betreuungspflichten von Kleinkindern und einer zumutbaren Beschäftigung (untertags) übertragen, ergibt sich insb ein weiterer Anreiz zum Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen. Bei Fehlen geeigneter Kinderbetreuungsplätze (insb mit entsprechenden Öffnungszeiten) sind für AlleinerzieherInnen ansonsten zB auch die üblichen Arbeitszeiten im Handel (zB abends, samstags) schwer mit ihren Betreuungspflichten vereinbar.

3.
Die wesentlichen Unterschiede bezüglich der Zumutbarkeit einer Beschäftigung

Gem § 9 Abs 3 AlVG ist für bestimmte Zeiträume ein Berufs- und (sogenannter individueller) Entgeltschutz vorgesehen. Durch den Berufsschutz soll – zumindest am Beginn der Arbeitslosigkeit – verhindert werden, dass die arbeitslose Person über die Zumutbarkeit gezwungen ist, eine Beschäftigung anzunehmen, durch die ihre weiteren beruflichen Chancen verschlechtert werden. Dieser Schutz beschränkt sich seit der Novelle BGBl I 2004/77BGBl I 2004/77auf die ersten 100 Tage des Bezugs von Arbeitslosengeld. Die Grenze wurde gewählt, weil innerhalb dieses Zeitraums wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen zufolge eine erfolgreiche Vermittlung in den bisherigen Tätigkeitsbereich am ehesten möglich ist, und die arbeitslose Person dadurch motiviert wird, sich erforderlichenfalls beruflich rasch umzuorientieren.* Der teilweise parallel dazu laufende, aber302 mit einer Dauer von insgesamt 120 Tagen auch darüber hinaus gehende Entgeltschutz soll zusätzlich zum qualifikationsbezogenen Berufsschutz ein wesentliches Absinken des Einkommensniveaus verhindern. Ganz deutlich tritt das gesetzgeberische Anliegen der Vermeidung einer permanenten finanziellen Abwärtsspirale beim besonderen Entgeltschutz zugunsten vormals teilzeitbeschäftigter Arbeitsloser hervor: Deren zukünftiges Einkommen soll überhaupt die Höhe des Entgelts für die frühere Teilzeitbeschäftigung erreichen.

3.1.
Berufs- und Entgeltschutz bei vorangehender Vollzeitbeschäftigung

Eine arbeitslose Person, die früher eine Vollzeitbeschäftigung ausgeübt hat, darf in den ersten 100 Tagen des Bezugs von Arbeitslosengeld einer nicht dem bisherigen Tätigkeitsbereich entsprechenden Beschäftigung nicht zugewiesen werden, wenn dadurch eine künftige Beschäftigung wesentlich erschwert wird (sogenannter [relativer] Berufsschutz, weil nur Schutz vor berufsfremden Tätigkeiten besteht). Der „bisherige Tätigkeitsbereich“ ergibt sich aus beruflichen Qualifikationen, dh insb aus Befähigungsnachweisen oder formellen Berufsausbildungsabschlüssen, aber ebenso durch in der Praxis erworbenen Fertigkeiten und Kenntnisse.* Hat die arbeitslose Person – ohne entsprechenden Abschluss – zuvor FacharbeiterInnentätigkeiten ausgeführt, kann daher auch eine HilfsarbeiterInnentätigkeit eine solche „berufsfremde“ Tätigkeit darstellen.* Gleichzeitig ist im genannten Beispiel der Zuweisung einer weniger qualifizierten Beschäftigung das zweite Tatbestandsmerkmal erfüllt – die wesentliche Erschwerung einer künftigen Verwendung im Beruf. Üben AN längere Zeit eine geringer qualifizierte oder auch berufsfremde Tätigkeit* aus, kommt es regelmäßig zur sogenannten Dequalifikation* und die Rückkehr in das angestammte Berufsfeld (einschließlich der entsprechenden Abgeltung) erweist sich als eher schwierig. Wurden allerdings schon bisher HilfsarbeiterInnentätigkeiten, die keine besonderen Qualifikationen erfordern, ausgeübt, verneint der VwGH bei Verweisung auf eine vergleichbare HilfsarbeiterInnentätigkeit die Erschwerung der künftigen beruflichen Karriere, sodass solche Verweisungen idR als zumutbar anzusehen sind;* eine „Höher-“ oder „Neuqualifizierung“ der arbeitslosen Person durch Mittel der AlV ist zumindest in dieser Konstellation* im Vermittlungsprocedere nicht vorgesehen.*

Durch den (individuellen) Entgeltschutz ist überdies in den ersten 120 Tagen des Bezugs von Arbeitslosengeld eine Beschäftigung in einem anderen Beruf oder eine Teilzeitbeschäftigung nur zumutbar, wenn das Entgelt für die verwiesene Beschäftigung mindestens 80 % der letzten Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld beträgt.

In den ersten 100 Tagen ihrer Arbeitslosigkeit besteht für eine früher vollzeitbeschäftigte Person somit ein kombinierter Berufs- und Entgeltschutz, weshalb zugewiesene berufsfremde Tätigkeiten nur zumutbar sind, wenn dadurch eine künftige Beschäftigung im bisherigen Beruf nicht wesentlich erschwert wird, und wenn das sozialversicherungspflichtige Entgelt für die vermittelte Beschäftigung 80 % der Bemessungsgrundlage des Arbeitslosengeldes beträgt. Eine zugewiesene Teilzeitbeschäftigung im bisherigen Beruf ist ebenfalls nur zumutbar, wenn das sozialversicherungspflichtige Entgelt mindestens 80 % der Bemessungsgrundlage des Arbeitslosengeldes beträgt.*

Für die darauffolgenden 101 bis 120 Tage des Arbeitslosengeldbezugs besteht für die zuvor vollzeitbeschäftigte Person kein Berufsschutz mehr, sondern bloß noch Entgeltschutz. Bei Verweisungen auf berufsfremde oder Teilzeitbeschäftigung ist somit das Erreichen einer Entgelthöhe von 80 % des Arbeitslosengeldes durch das potentielle Einkommen entscheidend, aber nicht die Verschlechterung des weiteren beruflichen Werdegangs durch die zugewiesene Tätigkeit. Sowohl Berufs- als auch Entgeltschutz sprechen in Übrigen die Vermittlung in den bisherigen Tätigkeitsbereich nicht ausdrücklich an. Daraus ergibt sich, dass bei Bezug von Arbeitslosengeld in den ersten 120 Tagen eine zugewiesene Vollzeitbeschäftigung im bisherigen Beruf zumutbar ist, auch wenn das zukünftige Entgelt darunter liegt. In diesem Fall kommt lediglich der allgemeine Entgeltschutz zur Anwendung, dh die verwiesene Beschäftigung muss „angemessen“ entlohnt werden.*

In der „restlichen“ Zeit des Arbeitslosengeldbezugs sinkt der Entgeltschutz weiter: Nach 120 Tagen ist eine berufsfremde Beschäftigung oder eine Teilzeitbeschäftigung bereits dann zumutbar, wenn das303 Entgelt mindestens 75 % der Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld beträgt („reduzierter“ Entgeltschutz). Geschützt wird aber wiederum nur die Verweisung in berufsfremde oder Teilzeitbeschäftigung, sodass eine zugewiesene Vollzeitbeschäftigung im bisherigen Beruf der arbeitslosen Person zumutbar ist, selbst wenn das Entgelt für die neue Beschäftigung weniger als 75 % der Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld beträgt.

3.2.
Entgeltschutz bei vorangehender Teilzeitbeschäftigung

Aufgrund der regelmäßig eher prekären Einkommenssituation von Teilzeitbeschäftigten ist für diese Gruppe – zumindest in der Zeit des Arbeitslosengeldbezugs – noch ein weitergehender Entgeltschutz vorgesehen. Als Teilzeitbeschäftigte gelten gem § 9 Abs 3 drittletzter Satz Personen, die im maßgeblichen Bemessungszeitraum mindestens die Hälfte der Beschäftigungszeiten in Teilzeit zurückgelegt haben, dh, deren Arbeitszeitausmaß weniger als 75 % der für die Branche geltenden wöchentlichen Normalarbeitszeit betragen hat (bei einer 40 Stunden-Woche sind dies weniger als 30 Stunden pro Woche).

Wird eine zuvor teilzeitbeschäftigte Arbeitslose in einen anderen Beruf oder eine Teilzeittätigkeit vermittelt, ist die neue Beschäftigung nur dann zumutbar, wenn das potentielle sozialversicherungspflichtige Entgelt mindestens die Höhe des der letzten Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld entsprechenden Entgelts errreicht, dh es besteht gewissermaßen ein 100 %-iger Entgeltschutz. In den ersten 100 Tagen ist zusätzlich noch der Berufsschutz zu berücksichtigen, sodass die verwiesene Tätigkeit überdies auch die zukünftige berufliche Verwendung nicht erschweren darf. Der besondere Entgeltschutz käme jedoch wiederum nicht zum Tragen, wenn die zuvor teilzeitbeschäftigte Arbeitslose auf eine Vollzeitbeschäftigung in ihrem bisherigen Tätigkeitsfeld vermittelt wird.*

3.3.
Berufs- und Entgeltschutz bei Notstandshilfe?

Bei Bezug von Notstandshilfe besteht weder Berufsschutz noch individueller Entgeltschutz. Dies ergibt sich – obwohl in § 38 AlVG auch auf diese Bestimmung verwiesen wird – aus dem Wortlaut des § 9 Abs 3 AlVG sowie aus der Systematik und dem Zweck dieser Bestimmung. LeistungsbezieherInnen sind angehalten, ehestmöglich durch die Aufnahme einer Beschäftigung aus dem Leistungsbezug wieder auszuscheiden.*

Damit ist den NotstandshilfebezieherInnen sowohl bei vorangehender Vollzeitbeschäftigung als auch bei früherer Teilzeitbeschäftigung* eine zugewiesene Vollzeitbeschäftigung im bisherigen Beruf sowie die Zuweisung zu einer berufsfremden Tätigkeit oder zu einer Teilzeitbeschäftigung auch bei einem Entgelt von weniger als 75 % der Bemessungsgrundlage des Arbeitslosengeldes zumutbar, solange dieses über der Geringfügigkeitsgrenze liegt.* Eine finanzielle Schlechterstellung durch die Tätigkeit im Vergleich zum Leistungsbezug macht die Tätigkeit nicht unzumutbar.* Dies gilt selbst dann, wenn durch die Aufnahme der Tätigkeit vermehrte Wegzeiten oder damit verbundene Kosten anfallen.*

3.4.
Zumutbarkeit der Beschäftigung bei Mindestsicherung

Die wesentliche Gemeinsamkeit zwischen dem Bezug von Leistungen aus der AlV und der Bedarfsorientierten Mindestsicherung besteht mittlerweile darin, dass in all diesen Bereichen von den arbeitslosen Personen der Einsatz ihrer Arbeitskraft verlangt wird.* Ein wichtiges Ziel der Mindestsicherung ist zwar nach wie vor die entsprechende Unterstützung in prekären Lebenslagen, nicht zuletzt durch den Abschluss der Art-15a-B-VG-Vereinbarung über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist als solch ein Ziel auch die (Wieder-)Eingliederung der LeistungsbezieherInnen in den Arbeitsmarkt anzusehen (vgl nur Art 14 Abs 1 leg cit). AlV und Mindestsicherung trennt – trotz der unterschiedlichen sozialrechtlichen Zuordnung und Finanzierung der Leistungen* – insofern nicht viel voneinander.

Durch den Abschluss der Art-15a-B-VG-Vereinbarung* wurde die Mindestsicherung nicht nur bundesweit stärker vereinheitlicht, auch an und für sich von Bund und Ländern getrennt, auszuübende Kompetenzen konnten dadurch koordiniert und aufeinander abgestimmt werden, sodass es insb zu einem (verbesserten) Zusammenwirken von Arbeitsmarktservice und Ländern gekommen ist.* Das gemeinsame Ziel spiegelt sich an weiteren Stellen der Art-15a-B-VG-Vereinbarung wider: In Art 14 Abs 2 erfolgt hinsichtlich der Zumutbarkeit der aufzunehmenden Beschäftigung durch die ausdrückliche Verweisung auf die einschlägigen Kriterien der Notstandshilfe auch eine inhaltliche Angleichung; „grundsätzlich“ ist von deren Anwendung auszugehen, sodass die vorangehenden Ausführungen zu den Zumutbarkeitskriterien auch bei MindestsicherungsbezieherInnen zur Anwendung kommen müssen.304

Dies gilt freilich nur insofern, als in der Art-15a-B-VG-Vereinbarung nicht ohnehin eigene Vorschriften zur Zumutbarkeit ergangen sind.* Derartige Regelungen finden sich etwa zu den Betreuungspflichten bei MindestsicherungsbezieherInnen. In Art 14 Abs 3 der Art-15a-Vereinbarung zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung werden ausdrücklich Fälle festgelegt, in denen der Einsatz der Arbeitskraft nicht verlangt werden darf. Dies betrifft im hier interessierenden Zusammenhang vor allem Personen, die Kinder unter drei Jahren betreuen und wenn keine geeigneten Betreuungsmöglichkeiten bestehen, sowie weiters Personen, die pflegebedürftige Angehörige der Pflegestufen 3 und höher überwiegend betreuen. Bemerkenswert ist ua die Konkretisierung hinsichtlich der Altersstufe für Kinder, wodurch für betroffene Elternteile – unabhängig vom (eingeschränkten) Verfügungsrahmen – bei fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten von Unzumutbarkeit der Arbeitsaufnahme auszugehen ist. Vergleichbares gilt für die Betreuung von Angehörigen: Aufgrund der Verweisung auf den (weiten) Angehörigenbegriff des § 123 ASVG macht die Betreuung von pflegebedürftigen LebensgefährtInnen, Geschwistern oder Großeltern – wenn auch teilweise in Abhängigkeit von einem gemeinsamen Haushalt – die Aufnahme einer Beschäftigung unzumutbar.

Weitere Unterschiede ergeben sich hinsichtlich des Berufs- und Entgeltschutzes. Da dieser nur für BezieherInnen von Arbeitslosengeld zum Tragen kommt, sind den MindestsicherungsbezieherInnen ebenso wie den NotstandshilfebezieherInnen im Wesentlichen zugewiesene Beschäftigungen aller Art zumutbar, auch wenn sie berufsfremd oder Teilzeitarbeiten sind. Den BezieherInnen aller drei Leistungen sind wiederum Beschäftigungen in sozialökonomischen Betrieben und gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten zumutbar,* wobei eine solche Beschäftigung für BezieherInnen von Arbeitslosengeld aufgrund des Berufs- oder Entgeltschutzes teilweise erst nach 100 bzw 120 Bezugstagen in Frage kommen wird.

Untersucht sei zuletzt noch, ob abgesehen von den ausdrücklichen Unterschieden den verwiesenen Zumutbarkeitskriterien gem AlVG nach der aktuellen Rechtslage im Auslegungswege unterschiedliche Inhalte zugeschrieben werden könnten, und zwar abhängig davon, ob die arbeitslose Person Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Mindestsicherung bezieht; schließlich sollen die Regelungen der Notstandshilfe für die MindestsicherungsbezieherInnen nur „grundsätzlich“ zur Anwendung kommen. Dies könnte zB hinsichtlich der zumutbaren täglichen Wegstrecken angedacht werden, die bei einer Vollzeitbeschäftigung „jedenfalls“ zwei Stunden betragen und bei Vorliegen „besonderer Umstände“ auch beträchtlich erweitert werden dürfen. Bezüglich der Auslegung dieser Begriffe ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese ausdrücklichen Unterscheidungen für bestimmte Bereiche, wie den Berufsschutz, ohnehin ausdrückliche Unterschiede festgelegt worden sind. Damit hat der Gesetzgeber einerseits deutlich gemacht, dass er gewisse Unterscheidungen zur Zielerreichung als wesentlich befunden hat, andererseits aber wohl auch, dass diese ausdrücklichen Unterscheidungen als hinreichend anzusehen sind. Vor allem ist zudem noch einmal zu betonen, dass hinsichtlich aller drei Leistungsarten – neben den jeweils eigenen – ein gemeinsames Ziel verfolgt wird: die (Wieder-)Eingliederung der arbeitslosen Person in den Arbeitsmarkt. Aus systematischen und teleologischen Erwägungen ist eine unterschiedliche Lesart der Zumutbarkeitskriterien in Abhängigkeit von der Art des Leistungsbezugs daher nicht zu vertreten.*305