Rummel/Lukas (Hrsg)ABGB – Kommentar, Teilband §§ 531-824 (Erbrecht)

4. Auflage, Manz Verlag, Wien 2014 XXVIII, 318 Seiten (kommentiert von Welser); beide Teilbände gesamt: € 194,–

ROBERTREBHAHN (WIEN)

Der Band aus der Feder des führenden Erbrechtsexperten kommentiert das gesamte Hauptstück des ABGB zum Erbrecht in der Fassung vor dem Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 BGBl I 2015/87, mit dem das Erbrecht tiefgreifend umgestaltet wurde. Die Kommentierung der bisherigen Bestimmungen ist aber nicht nur als „letzte“ umfassende Darstellung der großteils aus 1811 stammenden Normen und damit des Hergebrachten bedeutsam, sondern schon deshalb weiter relevant, weil viele bisherige Bestimmungen auf Erbfälle anzuwenden sind, bei denen der Erblasser vor dem 1.1.2017 verstorben ist. Überdies kodifiziert die Reform in vielen Punkten nur die bisherige Auffassung. Die ErläutRV der Reform (688 BlgNR 25. GP) nehmen denn häufig auf die vorliegende Kommentierung Bezug.

Unmittelbare Bezugspunkte des Erbrechts zum Arbeits- und Sozialrecht sind rar. Der Kommentar erwähnt dazu kurz die Lage zum Anspruch auf Urlaubsersatzleistung (deren Vererbbarkeit laut EuGH sogar von der Arbeitszeit-RL verlangt wird) und Abfertigung, die (primär) den gesetzlichen Erben originär zustehen (§ 531 Rz 10). Auf die Fragen zur Vererbung von Ansprüchen auf Sozialleistungen wird naheliegenderweise primär nur hingewiesen (§ 531 Rz 3).

Für die Leser dieser Zeitschrift sind Fragen des Erbrechts darüber hinaus entweder aus der Sicht von Betroffenen oder aus jener der AN eines zu vererbenden Unternehmens von Interesse. Zur ersten Perspektive bietet der Kommentar wie gesagt eine umfassende Darstellung aller wesentlichen Fragen des bisherigen Rechts.

Aus der Perspektive der AN kann vor allem relevant sein, wer ein Unternehmen oder einen wesentlichen Anteil daran im Erbfall erhält; Streitigkeiten dazu sind nicht selten. Zur Auswahl der Erben erwähnt Rudolf Welser – soweit zu sehen – zur Testierfreiheit keine inhaltlichen Schranken; die Diskriminierungsverbote (insb jenes aufgrund des Geschlechts) haben das österreichische Erbrecht noch nicht erfasst. Schranken setzt im Ergebnis also nur das Pflichtteilsrecht von Ehepartner und Kindern auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Das Pflichtteilsrecht verschafft aber keinen Anteil an der Verlassenschaft, sondern nur einen Anspruch auf Geldzahlung (Vor § 762 Rz 3). Gehört ein Unternehmen zur Verlassenschaft, so kann der Erblasser also frei bestimmen, wer dieses erben soll. Die Zahlungspflicht kann aber den Fortbestand beeinträchtigen, zumal die Erben den Geldanspruch nicht einseitig durch Hingabe eines Unternehmensanteils erfüllen können (§ 762 Rz 6).

Der Unternehmer kann allerdings (versuchen) das Pflichtteilsrecht zu Lebzeiten durch Schenkungen zu umgehen. Jene an Nicht-Pflichtteilsberechtigte sind auf Verlangen der Pflichtteilsberechtigten (nur dann) anzurechnen (was primär die Summe vergrößert, von dem der Pflichtteil zu bemessen ist), falls sie innerhalb von zwei Jahren vor dem Tod erfolgten (dazu § 785 Rz 1 ff). Fraglich war und ist, wie hier das Einbringen des Vermögens in eine Stiftung zu behandeln ist. Es wird als „Schenkung“ an eine Nicht-Pflichtteilsberechtigte behandelt (§ 785 Rz 34). Zur gerade bei Stiftungen zentralen Frage, wann die Einbringung „anrechnungsfest“ wird, sagt der neue § 782, dass es darauf ankommt, wann die Schenkung „wirklich gemacht wurde“. Dies entspricht wohl der sogenannten „Vermögensopfertheorie“, die Welser referiert, aber selbst eher ablehnt (§ 785 Rz 36 ff). Die EB sagen konkretisierend, dass auch der Vorbehalt „umfassender“ Änderungen der Stiftung zugunsten des Stifters den Beginn des Laufs der Zweijahresfrist verhindere (ErläutRV 34); man wird sehen, welche Vorbehalte dafür gefordert werden. Streitigkeiten um den Pflichtteil, wenn der Verstorbene ein Unternehmen in eine Stiftung eingebracht hatte, können das Unternehmen – und dessen Beschäftigte – treffen und beunruhigen, weil der Beschenkte (Stiftung) bei Anrechnungspflicht das Geschenkte (fakultativ dessen Wert in Geld) nach § 951 (nun § 789) an Pflichtteilsberechtigte herausgeben muss, soweit der Nachlass zur Deckung des Pflichtteils nicht ausreicht (§ 785 Rz 27). Letzteres wird häufig zutreffen, wenn das in die Stiftung eingebrachte Unternehmen den Großteil des Vermögens des Verstorbenen ausgemacht hat.

Der vorliegende Teilband setzt die vierte Auflage des wichtigen Rummel-Kommentars zum ABGB auf bekannt hohem Niveau fort.