KreiterBeschäftigungsverhältnisse mit besonderer Zweckbestimmung

Verlag Österreich, Wien 2014 169 Seiten, broschiert, € 42,–

BARBARAFÖDERMAYR (LINZ)

Beim Werk „Beschäftigungsverhältnisse mit besonderer Zweckbestimmung“ handelt es sich um die überarbeitete Fassung der im Mai 2013 an der Universität Wien approbierten und preisgekrönten Dissertation von Thomas Kreiter.

Anlass für die Arbeit war eine in der Literatur aufsehenerregende E des OGH zu Beschäftigungsverhältnissen in geschützten Werkstätten, in der bei Beurteilung des Vorliegens von Arbeitsverhältnissen der wirtschaftliche Austausch als zusätzlicher Aspekt der AN-Eigenschaft geprüft wurde. Kreiter untersucht auf ca 150 Buchseiten diesen Ansatz des OGH, der sich im Wesentlichen auf eine frühere Kommentierung Rebhahns zu § 1151 ABGB stützt. Er betont bereits in seinem Vorwort, dass das Buch auch dazu dienen soll, auf die problematische Situation dieser Beschäftigten aufmerksam zu machen. Dass dies ein wichtiges Anliegen ist und die Thematik nichts an Aktualität verliert, zeigt auch die zwischenzeitlich ergangene Rsp des EuGH zu Beschäftigten in geschützten Werkstätten.

Der Autor führt in seiner Einleitung aus, dass in dem der oberstgerichtlichen E zugrundeliegenden Fall die persönliche Abhängigkeit der Beschäftigten im bisherigen Prüfungsschema zwar strittig, wohl aber eher zu bejahen wäre. Dennoch bleibe fraglich, ob der Zweck eines Beschäftigungsverhältnisses Einfluss auf die Anwendbarkeit von Arbeitsrecht habe und ob der wirtschaftliche Austausch konstitutives Merkmal von Arbeitsverhältnissen sei. Kreiter zeigt in einer Einführung den Stand des wirtschaftlichen Diskurses auf und verweist – nicht nur einleitend an dieser Stelle, sondern im Laufe der Arbeit immer wieder – auf die Folgen einer derartigen Abgrenzung des Arbeitsrechts, nämlich den Verlust von arbeitsrechtlichem Schutz für sozial Schutzbedürftige. Er geht in der Folge auf mögliche Einwände gegen die Urteilsauslegung ein und äußert sich kritisch zur betriebstypbezogenen Prüfung der AN-Eigenschaft des OGH. Bevor sich der Autor mit den sozialen Auswirkungen der These beschäftigt, befasst er sich mit dem Wesen des wirtschaftlichen Austausches eines Beschäftigungsverhältnisses.

Kreiter führt auch einen Vergleich der Inhalte des sozialversicherungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen DN-Begriffes durch und überlegt anschließend auch, inwieweit in einer Engerziehung der AN-Definition eine Chance zu sehen sei.

Danach prüft er die These aus verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten. Der Autor setzt zunächst beim Zweckbegriff im Vertragsrecht des ABGB an und untersucht, inwieweit sich in der Arbeitsrechtsordnung Regelungen über austauschfremde Tätigkeiten finden. Er befasst sich ausführlich mit der betriebsverfassungsrechtlichen Definition des AN-Begriffes bzw genauer mit den Ausnahmen von Tätigkeiten mit besonderen Motiven, nämlich zum Zwecke ihrer Erziehung, Behandlung, Heilung oder Wiedereingliederung sowie solcher aufgrund eines religiösen, karitativen oder sozialen Motives. Dieser Ansatz ist eine bedeutsame Stütze der These.

Daran anschließend untersucht Kreiter weitere Normen, aus denen mögliche Argumente für die Richtigkeit der These gewonnen werden können und widmet sich danach der historischen Analyse der Wortfolge „für einen anderen“ als Hinweis auf das Erfordernis der „Fremdnützlichkeit“ in § 1151 ABGB.

Großen Raum nimmt die Frage der Beurteilung gegenständlicher Beschäftigungsverhältnisse im „Europäischen Arbeitsrecht“ ein, wobei jedoch aus der Rsp zur AN-Freizügigkeit – wie Kreiter auch selbst schließt – keine maßgeblichen Erkenntnisse für den Untersuchungsgegenstand gewonnen werden können. Er führt weiter aus, dass nationales Arbeitsrecht, das in Umsetzung von sekundärem Unionsrecht erlassen wurde, hingegen durchaus von einem wirtschaftlichen Leistungsaustausch abhängig sein könne.

Abschließend untersucht er die arbeitsrechtliche Behandlung von derartigen austauschfremden Verträgen377 und überprüft zunächst, ob Arbeitsrecht nicht dennoch anwendbar und sodann in der Folge telelogisch zu reduzieren sei. Danach prüft Kreiter, ob diese Beschäftigten arbeitnehmerähnlich sind und kommt in geringem Umfang zur Möglichkeit einer analogen Anwendung des Arbeitsrechts. In den Ergebnissen hält er ua fest, dass die These nur in Zweifelsfällen gültig und der wirtschaftliche Austausch negativ zu prüfen sei. Ein beschränkter Zugang zur Beschäftigung, angepasste Beschäftigungsbedingungen und begleitende Maßnahmen sprächen gegen das Vorliegen von wirtschaftlichem Austausch und somit gegen die Anwendbarkeit von Arbeitsrecht. Bei Personen, die in austauschfremden Beziehungen beschäftigt werden, sei deshalb eine entsprechende Korrektur des sozial unbefriedigenden Zustands durch den Gesetzgeber erforderlich und diese als AN zu erklären.

Die Arbeit Kreiters ist sehr ausführlich, gut strukturiert und erlaubt dem Leser einen tiefen Einblick in die komplexe Problematik von Beschäftigungsverhältnissen mit besonderem Zweck. Dadurch, dass sich Kreiter einer Thematik widmet, die in einem Grenzbereich angesiedelt ist, in dem die Qualifikation eines Beschäftigungsverhältnisses nicht ohne Schwierigkeiten vorgenommen werden kann, liegt es nahe, dass die Ansichten kontrovers diskutiert und die Argumentationslinien kritisch hinterfragt werden können. Dass das Ergebnis der Arbeit dem Autor selbst Unbehagen verursacht, zeigen seine Warnungen vor den Auswirkungen und die Forderung an den Gesetzgeber tätig zu werden.

Selbst wenn man sich der Ansicht des Autors in einigen Punkten – und daraus folgend schließlich auch im Ergebnis – nicht anschließen möchte, sondern anstelle der stark wirtschaftlich orientierten Prüfung der AN-Eigenschaft eine traditionelle Abgrenzung anhand der persönlichen Abhängigkeit präferiert oder überlegt, die Einräumung des Verfügungsrechts über die Arbeitskraft des AN als maßgebliches Kriterium zu untersuchen, bietet die Arbeit eine umfassende Basis für einen breiten Diskurs über die Problematik von Beschäftigungsverhältnissen mit besonderer Zweckbestimmung und erfüllt somit jedenfalls auch das wichtige Vorhaben des Autors, auf die unsichere Situation von Beschäftigten in besonderen Beschäftigungsverhältnissen aufmerksam zu machen!