Höfle/Mitterer (Hrsg)Freie Berufe und Sozialversicherung – FS Werner Sedlacek

Linde Verlag, Wien 2016, XVI, 329 Seiten, Leinen, € 79,–

JOHANNANADERHIRN (LINZ)

Beim vorliegenden Werk handelt es sich um die Festschrift zum 75. Geburtstag von Steuerberater Prof. Werner Sedlacek. Verschiedenste in der Praxis tätige Personen haben dem Jubilar diese Festschrift gewidmet. Die AutorInnen stammen vor allem aus dem Bereich der Steuerberatung oder sind bei Sozialversicherungsträgern tätig. Dementsprechend praxisorientiert sind auch die Beiträge. Das Buch gewährt sehr gute Einblicke auch in Bereiche des Sozialversicherungs- und Steuerrechts, die einem Außenstehenden weniger bekannt sind. Entgegen dem Titel der Festschrift enthält diese auch Abhandlungen, die nicht die freien Berufe zum Gegenstand haben und auch rein steuerrechtliche Aufsätze.

Im ersten Beitrag stellt Neumann dar, dass in der Verwaltungs- und Prüfpraxis der Gebietskrankenkassen ein genereller Anwendungsvorrang des ASVG vor dem GSVG gelebt wird. Nach Ansicht von Neumann besteht dafür keine Grundlage. Kommen Gebietskrankenkasse (GKK) bzw Finanzverwaltung bei der gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben zum Ergebnis, dass keine selbständige, sondern eine unselbständige Tätigkeit vorliegt, muss die Versicherungspflicht nach GSVG bzw BSVG in eine solche nach ASVG umgewandelt werden. Dies wirkt sich natürlich auf die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) bzw Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) aus. Daher wurden die SVA und SVB durch Einrichtung einer informellen Schlichtungsstelle in die gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben eingebunden. Neumann zeigt auf, dass es seit der Einrichtung der Schlichtungsstelle am 1.10.2012 bis zum Zeitpunkt 31.12.2014 in der SVA 78 Umwandlungsfälle gab, auf Seiten der SVB keinen. Der Autor stellt die Probleme der Rückabwicklung dar und ortet einen akuten gesetzlichen Reformbedarf. Zutreffend ist dabei seine Aussage, dass es nicht möglich sein wird, das Dienstverhältnis oder die selbständige Erwerbstätigkeit auf eine Weise zu regeln, dass es zu keinen oder fast keinen Abgrenzungsproblemen in der Praxis kommt. Dem Vorschlag, den Einzelnen entscheiden zu lassen, ob seine ausgeübte Erwerbstätigkeit als selbständig oder unselbständig qualifiziert wird, ist nach Ansicht der Rezensentin mit Skepsis zu begegnen. Man denke etwa an Personengruppen wie Zeitungskolporteure uä, die wohl bei dieser Auswahl im Willen häufig nicht frei sein würden. Der Autor gesteht auch selber zu, dass gesetzliche Rahmenbedingungen nötig wären. Begrüßenswert ist hingegen eine von Neumann angedachte gemeinschaftliche Entscheidung der SVA bzw SVB und der GKK im Rahmen einer gesetzlich verbindlichen Schlichtungsstelle.

Der zweite Beitrag stammt von Maschinda und hat vor allem die Rsp des VwGH zur Sozialversicherungspflicht von Lehrenden und Vortragenden zum Gegenstand. Maschinda geht zB auf die „Vertretungsjudikatur“ des VwGH ein. Er kritisiert dabei die E des VwGH vom 11.7.2012, 2010/08/0204, betreffend eine WIFI-Vortragende. Die diesbezüglichen Ausführungen des Autors sind sehr interessant, da er einen hervorragenden Einblick in die tatsächlichen Gegebenheiten dieses Falles hat. Im Beitrag von Hofer geht es um sozialversicherungsrechtliche Aspekte in Bezug auf Ärzte-GmbHs. Der Autor kommt dabei zum Ergebnis, dass der Ärzte-GmbH-Gesellschafter hinsichtlich seiner ärztlichen Tätigkeiten stets nach § 2 Abs 2 Freiberuflichen Sozialversicherungsgesetz (FSVG) in der UV und PV pflichtversichert ist. Der Autor erläutert auch den weniger bekannten Begriff des Wohnsitzarztes.

Der Aufsatz von Steinwendner geht auf die unterschiedlichen Tätigkeiten von Personen in gemeinnützigen Vereinen und die sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Konsequenzen ein. Der Fokus liegt hier – entsprechend der früheren Tätigkeit des Autors als Fußballschiedsrichter – auf den gemeinnützigen Sportvereinen. Der Autor wendet sich gegen die Ansicht der Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK) (die auch beim BVwG bekämpft wurde), dass die Begünstigung des § 49 Abs 3 Z 28 ASVG nur für den Wettkampfsport, nicht aber für den Breitensport gilt. Steinwendner stellt die weitreichenden Konsequenzen einer solchen Ansicht dar. Interessant ist der Hinweis des Autors, dass es in den vergangenen zwanzig Jahren nach abgabenrechtlichen Prüfungen wiederholt bei den geprüften Vereinen zu Insolvenzverfahren gekommen ist. Bei Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen kann das Strafrecht relevant werden. Hohe Strafen drohen. Aus den Ausführungen von Steinwendner ergibt sich, dass allen einschlägig Tätigen ans Herz gelegt sei, sich mit der abgaben- und sozialversicherungsrechtlichen Thematik auseinanderzusetzen und diese keinesfalls zu ignorieren. Eine ehrenamtliche Tätigkeit schützt nicht vor Strafe.

Mersits/Blume/Zehetner geben einen Überblick über die SV der freiberuflich Tätigen, der nach Berufsgruppen gegliedert ist. Bei der Darstellung der historischen Entwicklung ist zweimal offensichtlich ein Tippfehler passiert: statt vom Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetz (ASRÄG) 1997 ist vom ASRÄG 1979 die Rede. Die AutorInnen kommen zum Schluss, dass das Modell des Opting-Out nicht empfehlenswert ist. Sie präsentierten dafür gute Gründe, ua die Aushöhlung des FSVG. Dazu passt sehr gut der nachfolgende Artikel von Eichler, der das Opting-Out der Freiberufler aus der KV näher beleuchtet. Eichler gewährt anhand von Zahlen und Fakten einen interessanten Einblick in das System und die Leistungen der Gruppen-KV. Er kommt entgegen den AutorInnen des vorherigen Artikels zum Ergebnis, dass das Opting-Out für die davon erfassten freien Berufe eine gute Sache ist, gesteht aber379 zu, dass es für andere Berufsgruppen nicht unbedingt das ideale Modell darstellt.

Im Anschluss nimmt Koch die LeserInnen mit auf einen Streifzug durch das rechtsanwaltliche Versorgungssystem. Sie befürwortet es, dass die Rechtsanwaltschaft auch in Zukunft ihre Altersversorgung eigenständig und unabhängig von staatlichem Einfluss organisiert und verwaltet. Im Beitrag von Zemann geht es um die Bestimmung des anwendbaren Rechts für Selbständige in der EU. Im Mittelpunkt steht dabei die VO 883/2004. Die Ausführungen von Zemann zu den Regelungen der genannten VO werden durch zahlreiche Beispiele verdeutlicht, die die Problematiken sichtbar machen. Die nächste Abhandlung stammt von Reisch. Es gibt die Möglichkeit, dass eine GmbH ihren Gewinn ausschüttet, aber auch die Möglichkeit, dass eine GmbH dem Gesellschafter-Geschäftsführer zirka in der Höhe dieses Gewinnes eine Pensionszusage erteilt. Weiters kommt auch eine Variante in Frage, in der an Stelle einer Pensionszusage ein höherer Aktivbezug gewährt wird. Der Autor stellt dar, dass durch das Steuerreformgesetz 2015/16 die Kapitalertragsteuer auf Ausschüttungen von 25 % auf 27,5 % erhöht wurde. In der Folge wird untersucht, welche der genannten Varianten vorteilhafter ist, wobei es dem Autor gelingt, das komplexe Thema anhand von Tabellen anschaulich zu machen.

Bovenkamp/Fuhrmann untersuchen im Anschluss an den Beitrag von Reisch das – nicht einschlägig mit Steuerrecht befassten Personen wahrscheinlich vielfach unbekannte – Bauherrenmodell. Bei diesem wird von einer oder mehreren natürlichen Personen, die in einer Miteigentümergemeinschaft als Bauherren auftreten, ein unbebautes oder bebautes Grundstück erworben. Dabei saniert oder errichtet diese Miteigentümergemeinschaft ein Gebäude, welches nach Fertigstellung weitervermietet wird. Dieses Bauherrenmodell wird von den Autorinnen einer eingehenden steuerlichen Betrachtung unterzogen und Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Der Beitrag von Ehrnhöfer/Greger/Schmalzer widmet sich der sozialen Absicherung der Ziviltechniker nach der Überleitung des Pensionsfonds in das FSVG, jener von Gleitsmann/Kapuy dem Thema der Zusatzversicherung in der KV für Selbständige. Dabei geht es um die Zusatzversicherung auf Krankengeld in der GSVG-KV. Die Autoren kommen dabei zutreffend zu dem Schluss, dass diese Zusatzversicherung sehr attraktiv ist, da die Kosten verhältnismäßig niedrig und die Leistungen ansprechend sind. Brunner/Rubas beleuchten die UV der freien Berufe. Für alle Kammern der freien Berufe besteht eine private UV in Kooperation zweier Versicherer. Es gibt drei Versicherungsvarianten, aus denen die Standesmitglieder die für sie passende wählen können. Die Autoren kommen zum Schluss, dass sich der Grundgedanke dieser UV, nämlich die Unterstützung des Versicherten im persönlichen Katastrophenfall, in der Praxis bewährt hat. Sehr gründlich und ausführlich ist der Beitrag von Mitterer/Koll zum Beschwerdeverfahren in Verwaltungssachen im Sozialversicherungsrecht. Das Verfahren wird unter Berücksichtigung von Literatur und Judikatur im Detail dargestellt. Eine Übersicht über Fristen, Eingabestellen und Eingabeberechtigte rundet den Beitrag ab.

Schuster widmet sich dem alten und neuen Sanktionsregime im ASVG, einer sehr aktuellen und wichtigen Materie. Dargestellt werden zB die Eckpunkte des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes. Der in § 8 dieses Gesetzes definierte Begriff des Scheinunternehmens ist besonders bedeutsam. Der Autor weist zutreffend darauf hin, dass sich bei dieser Definition wohl Interpretationsfragen ergeben werden. Die rechtskräftige Feststellung des Scheinunternehmens muss in einer Liste des BM für Finanzen veröffentlicht werden, was nach Ansicht der Rezensentin schon seine Berechtigung hat. Auch dem Meldepflicht-Änderungsgesetz, welches in großen Teilen 2017 in Kraft treten soll, wird Augenmerk geschenkt. Abschließend merkt der Autor kritisch an, dass es die Flut von Maßnahmen zur Bekämpfung des Sozialbetrugs für redliche Unternehmer immer schwerer macht, sich gesetzeskonform zu verhalten.

Im anschließenden Beitrag geht Brunner auf die Rechtsformgestaltung für Freiberufler im Lichte der Steuerreform 2015/16 ein. In einem Beispiel zeigt Brunner die Ertragsteuerbelastung der einzelnen Rechtsformen für verschiedene Gewinnhöhen vor und nach dieser Steuerreform. Fuhrmann befasst sich in ihrem Aufsatz vor allem mit den Möglichkeiten, auch im Regime der Immobilienertragsteuer eine als Hauptwohnsitz genutzte Liegenschaft steuerfrei verkaufen zu können. Die Voraussetzungen dafür werden genau dargestellt. In seiner Abhandlung widmet sich Höfle der steuerlichen Behandlung von Abfertigungen. Er weist darauf hin, dass sich in den Lohnsteuerrichtlinien seit vielen Jahren Aussagen zur Steuerbegünstigung von Abfertigungen finden, die ausbezahlt werden, ohne dass das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis endgültig beendet wird. Das Arbeitsverhältnis wird zwar formal aufgelöst, doch ist von den Arbeitsvertragsparteien eine Fortsetzung der Zusammenarbeit unter neuen Bedingungen (meist Entgeltherabsetzungen) geplant. Die entsprechenden Regelungen in den Lohnsteuerrichtlinien sowie deren Anwendung in der Praxis werden kritisch unter die Lupe genommen, Fragen dazu aufgeworfen und beantwortet.

In der vorletzten Abhandlung befasst sich Seitweger ausführlich mit den Freiberuflern in der Umsatzsteuer, im letzten Beitrag – der für nicht einschlägig Bewanderte etwas schwierig zu lesen ist – widmen sich Hirschler/Sulz den Änderungen der Besteuerung von Grund und Boden bei Freiberuflern.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die vorliegende Festschrift interessante und praxisorientierte Beiträge zu verschiedensten Bereichen des Steuer- und Sozialversicherungsrechts enthält.380