36

Taxitänzer als freie Dienstnehmer nach § 4 Abs 4 ASVG

JOHANNANADERHIRN (LINZ)
Art 29, 33 RL 2011/95/EU
  1. Beim Tanzen handelt es sich nicht um ein Endprodukt, sondern um laufend zu erbringende (Dienst-)Leistungen eines Erwerbstätigen. Es ist kein Maßstab ersichtlich, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des „Werkes“ solcher „TaxitänzerInnen“ beurteilt werden sollten.

  2. Die persönliche Arbeitspflicht fehlt dann, wenn einem Beschäftigten ein „sanktionsloses Ablehnungsrecht“ zukommt, wenn er also die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise sanktionslos ablehnen kann. Zwischen der sanktionslosen Ablehnung der Erbringung einzelner Leistungen, etwa bei deren Abruf im Zuge einer Rahmenvereinbarung bei verpflichtender Tätigkeit im Fall der Zusage und einem generellen sanktionslosen Ablehnungsrecht, das die persönliche Abhängigkeit ausschließt, ist ein deutlicher Unterschied zu machen.

  3. Bei Beschäftigten, die ihre Tätigkeit disloziert ausüben, wird das Vorliegen eines persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses idR durch eine über die bloß sachliche Kontrolle des Ergebnisses einer Tätigkeit hinausreichende, die persönliche Bestimmungsfreiheit einschränkende Kontrollmöglichkeit bzw durch (auf das Ergebnis derartiger Kontrollen aufbauende) persönliche Weisungen dokumentiert.

[...] Die revisionswerbende Partei betreibt eine Taxitänzeragentur. Ihre Tätigkeit besteht darin, Kunden wie zB Betreiber von Tanzlokalen oder Ballveranstalter zu akquirieren und für diese Tänzerinnen und Tänzer zu vermitteln. Diese treten in den Tanzlokalen der Kunden als „Taxitänzer“ auf, indem sie die sich dort einfindenden Gäste zum Tanzen auffordern.

Nach einer [...] Kontrolle erstattete das Finanzamt K gem § 111 Abs 1 ASVG Anzeige. Die Kärntner Gebietskrankenkasse forderte hierauf die revisionswerbende Partei [...] auf, für die bei ihr tätigen „TaxitänzerInnen“ eine Anmeldung zur Pflichtversicherung vorzunehmen. Dieser Aufforderung kam die revisionswerbende Partei nur unter Vorbehalt bzw Protest nach. Sie begehrte [...] die Feststellung, dass in Bezug auf jeweils zur Rede stehende DN kein Dienstverhältnis iSd § 4 Abs 2 ASVG bzw § 4 Abs 4 ASVG vorliege. [...]

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit dem in Revision gezogenen Erk ausgesprochen, dass es sich bei den Taxitänzern um DN nach § 4 Abs 2 ASVG handelt.

Es stellte fest, dass die mitbeteiligten „TaxitänzerInnen“ in verschiedenen von Kunden der revisionswerbenden Partei betriebenen Tanzlokalen [...] aufgetreten seien. Sie hätten pro Einsatz in der Regel zwischen 22:00 Uhr und 02:00 Uhr Tanzleistungen zu erbringen. Die revisionswerbende Partei habe mit ihren Kunden Verträge über die zu erbringenden Tanzleistungen abgeschlossen und an diese Rechnungen gelegt.

Die mitbeteiligten „TaxitänzerInnen“ hätten in monatlichen Abständen eine Honorarnote an die revisionswerbende Partei über die von ihnen erbrachten Tanzdienstleistungen gelegt. [...] Zumindest seit dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum gebe es fixe Tarife, die zwischen € 70,– und € 125,– lägen und von der revisionswerbenden Partei vorgegeben worden seien. Der jeweils zur Auszahlung gelangende Tarifansatz sei von der Entfernung des Einsatzortes vom Wohnort der jeweiligen Tänzerin abhängig. [...]

Mit einem Teil der mitbeteiligten „TaxitänzerInnen“ habe die revisionswerbende Partei einen schriftlichen Vertrag abgeschlossen, wofür sie bis in das Jahr 2010 ein Vertragsformular mit der Bezeichnung „Vereinbarungen für Tänzerinnen und Tänzer der T.“ verwendet habe. Dieser Vertrag habe auszugsweise folgenden Wortlaut:

„[...] § 3 Dienstverhältnis, Tätigkeit und Seriosität I. Der Tänzer ist grundsätzlich damit einverstanden, dass die zu erbringende Leistung auf Basis einer selbständigen Erwerbstätigkeit erfolgt. Notwendige Versicherungen, sonstige Abgaben und Gebühren werden in keiner Form von der T. getragen und liegen demnach im Verantwortungsbereich des Tänzers.

II. Die vom Tänzer ausgeübten Tätigkeiten umfassen die seriöse Tanzbegleitung von Privatpersonen (Tanzabendbegleitung), Tanzdienstleistungen in Diskotheken und Tanzlokalen (Taxitanzen) [...], wobei all diese Tätigkeiten im Sinne eines Auftrittes der T. stattfinden.

III. Der Tänzer nimmt zustimmend zur Kenntnis, dass jedweder unseriöse und unsittliche Übergriff (unerwünschte Berührungen, anstößige Bemerkungen, unangemessene Tanzhaltung oder Bewegungen), wobei die Beurteilung des Verhaltens diesbezüglich ausschließlich im Ermessen der T. und des Auftraggebers liegt, unter Verlust für das Engagement zugesicherten Gage, zur sofortigen und fristlosen Beendigung der Zusammenarbeit zwischen dem Tänzer und der T. führen kann.

§ 4 Einteilung für Auftrittstermine und Engagements, der Kooperationsfall

I. Engagements werden ausschließlich im Einverständnis aller beteiligten Parteien – Tänzer, T. und Auftraggeber – fixiert. Der Tänzer nimmt zustimmend zur Kenntnis, dass der Auftraggeber hinsichtlich des Auswahlverfahrens frei ist.

II. Der Tänzer hat kein Anrecht auf Sonderbehandlung oder Bevorzugung gegenüber anderen Tänzern hinsichtlich der Einteilung für Auftritte. Die Einteilung obliegt im Fall einer Überbuchung immer der T.

III. Auftritte werden nur persönlich mit jedem Tänzer vereinbart. Im Zweifelsfall gelten die auf der Website http://... eingetragenen Daten.

IV. Der Tänzer nimmt zur Kenntnis, dass die T. hinsichtlich der Einteilung ohne Angabe von Gründen jederzeit auf die Kooperation mit einem Tänzer332 verzichten kann. Der Tänzer wird in diesem Fall von der T. vor Auftrittsbeginn kontaktiert und aus dem Kalender der Website gelöscht.

V. Eine Eintragung des Tänzers im Kalender der Website gilt als Vorschlag zu einer möglichen Kooperation bei einem Auftritt. Sollte 24 Stunden vor Arbeitsbeginn keine Änderung wie Löschung oder Verschiebung an der Eintragung vorgenommen worden sein, gilt der Vorschlag als akzeptiert und es kommt zur Kooperation zwischen dem Tänzer und der T. für diesen Auftritt.

VI. Im Kooperationsfall gilt demnach der Eintrag im Kalender der Website hinsichtlich eines Auftrittes als verbindlicher Vertrag zwischen dem Tänzer und der T.

§ 5 Verpflichtungen des Tänzers/nicht erbrachte Leistungen [...]

II. Der Tänzer verpflichtet sich, vereinbarte Termine für Engagements verbindlich einzuhalten. Als pünktlich versteht sich das auftrittsfertige Erscheinen des Tänzers, 15 Minuten vor Arbeitsbeginn in unmittelbarer Tanzfläche (DJ).

III. Unpünktlichkeit wird von der T. als nicht erbrachte Leistung gewertet, welche eine Verminderung oder Streichung der Gage für einen Auftritt zur Folge haben kann.

Dies bedeutet, die T. behält sich vor, für nicht oder nur teilweise erbrachte Leistungen keine Gage auszubezahlen.

IV. Sollte der Tänzer aus gesundheitlichen Gründen oder anderen dringenden Gründen zu einem vereinbarten Engagement nicht erscheinen können (Absage), ist dies der T. so früh wie möglich, persönlich oder telefonisch mitzuteilen.

V. Der Tänzer verpflichtet sich in diesem Fall einen adäquaten Ersatztänzer für sein Engagement zu organisieren, wenn die Absage, die T. in weniger als 48 h vor Auftrittsbeginn erreicht.

VI. Tänzerinnen der T. unterliegen einer Wettbewerbs- und Konkurrenzklausel. Den Tänzern ist es untersagt, weder parallel zur bestehenden Vereinbarung, noch innerhalb eines Jahres nach Kündigung des Vertrages ein Unternehmen derselben Branche zu gründen. Weiters ist es dem Tänzer untersagt, für andere Agenturen bzw auf eigene Rechnung in derselben Branche Leistungen zu erbringen. Bei Zuwiderhandeln dieser Bedingungen verpflichtet sich der Tänzer einer Konventionalstrafe in der Höhe von € 5.000,– (fünftausend).

§ 6 Weitere vertragliche Bestimmungen I. Dieser Vertrag gilt auf unbestimmte Zeit und kann jeweils bis zum Ende des Folgemonats gekündigt werden. [...]“ [...]

Von den mitbeteiligten „TaxitänzerInnen“ [...] habe die revisionswerbende Partei erwartet, dass diese die Gäste eines Tanzlokals zum Paartanz auf der Tanzfläche aufforderten, um damit zu erreichen, dass sich so viele Gäste wie möglich auf der Tanzfläche aufhielten. [...] Das äußere Erscheinungsbild der mitbeteiligten Tänzerinnen und Tänzer sei so gestaltet gewesen, dass diese von den Gästen eines Tanzlokales auch als „TaxitänzerInnen“ hätten erkannt werden können. Männliche Taxitänzer hätten ein weißes Hemd mit einer auf dem Rücken aufgebrachten schwarzen Beschriftung getragen, die insb auf „Taxitänzer“ oder „Tanzanimateur“ gelautet hätten. Auf der Vorderseite des Hemdes sei zumeist die Aufschrift der revisionswerbenden Partei oder der Name des Taxitänzers angebracht gewesen. Weiters gehörten eine schwarze Hose und „tanzbare“ Schuhe dazu. Taxitänzerinnen hätten entweder T-Shirts oder Blusen mit unterschiedlichen Farbgebungen getragen. Diese seien ebenfalls mit dem genannten Aufdruck versehen gewesen. Weiters hätten Hosen oder Röcke und „tanzbare“ Schuhe dazu gehört. [...]

In der Sache führte das Verwaltungsgericht aus, die TänzerInnen seien nicht auf Grund eines Werkvertrages, sondern auf Grund eines Dienstvertrages tätig geworden. [...] Im Hinblick auf den Arbeitsort seien die Tänzerinnen und Tänzer jedenfalls an die Tanzlokale der Kunden der revisionswerbenden Partei gebunden gewesen. Sie hätten nur bedingten Einfluss auf die Auswahl des Einsatzortes gehabt. Eine Freiheit betreffend die Auswahl des Einsatzortes habe letztlich darin bestanden, dass die „TaxitänzerInnen“ einen Wunsch hinsichtlich des Einsatztermins und des Einsatzortes im Online-Kalender hätten anbringen können. Eine Vereinbarung bezüglich des Einsatzortes und Einsatztermins sei aber erst mit der Annahme des Terminvorschlages durch die revisionswerbende Partei zustande gekommen, was wiederum im Online-Kalender vermerkt worden sei. [...] Die Tanzdienstleistungen hätten in der Regel zwischen 22:00 Uhr und 02:00 Uhr in den Tanzlokalen erbracht zu werden. [...] Gegen das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit spreche auch, dass dem/der TaxitänzerIn ein Verlassen des Tanzlokales vor der vereinbarten Zeit nur nach Rücksprache mit dem DJ möglich gewesen sei. Daraus ergebe sich, dass eine bestimmte Arbeitszeit einzuhalten gewesen sei. Eine weisungsähnliche Determinierung des arbeitsbezogenen Verhaltens der mitbeteiligten „TaxitänzerInnen“ habe sich schon aus dem von der revisionswerbenden Partei vorgegebenen Zweck der Tätigkeit der mitbeteiligten „TaxitänzerInnen“ ergeben. [...] Die Tanztätigkeit sei durch die Betreiber der Tanzlokale bzw deren DJ‘s kontrolliert worden. [...]

Der eigene Pkw bzw die PC‘s samt Internetanschluss, die die TänzerInnen für ihre Tätigkeit verwendeten, seien ihnen vor Aufnahme der Beschäftigung bereits zur Verfügung gestanden und nicht eigens angeschafft worden.

Die „TaxitänzerInnen“ hätten sich lediglich die zum Teil aus mehreren Hemden oder Blusen mit Aufdruck, aus Hosen und „tanzbaren“ Schuhen bestehenden Kleidungsstücke angeschafft. [...]

4. Gegen dieses Erk richtet sich die Revision.

Der VwGH hat erwogen:

[...]

2. In der Sache wendet sich die revisionswerbende Partei gegen die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach die Tätigkeit der mitbeteiligten „TaxitänzerInnen“ in persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG erfolgt sei. Auch diesbezüglich ist die Revision im Ergebnis berechtigt.333

2.1. Was zunächst die Abgrenzung eines Dienstverhältnisses iSd § 4 Abs 2 oder Abs 4 ASVG von der Tätigkeit eines neuen Selbständigen iSd § 2 Abs 1 Z 4 GSVG betrifft, so hat das Verwaltungsgericht zutreffend vorangestellt, dass die Tätigkeit der „TaxitänzerInnen“ nicht im Rahmen eines Werkvertrages erfolgt ist. Der VwGH hat sich in seinem Erk vom 20.5.1980, SlgNr 10.140/A, grundlegend mit der Abgrenzung des Dienstvertrages vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits beschäftigt und hat [...] ausgeführt, dass es entscheidend darauf ankommt, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den DG) verpflichtet (diesfalls liegt ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall liegt ein Werkvertrag vor) [...]. Der Werkvertrag begründet in der Regel ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung – in der Regel bis zu einem bestimmten Termin – zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet [...]. Beim Tanzen handelt es sich nicht um ein Endprodukt im genannten Sinn, sondern um laufend zu erbringende, durchschnittlich qualifizierte (Dienst-)Leistungen eines Erwerbstätigen, der – mag er sich für seine Arbeit auch eigener Betriebsmittel (KFZ, PC) bedienen – über keine unternehmerische Organisation verfügt und letztlich nur über seine eigene Arbeitskraft disponiert. Aus einem solchen Erwerbstätigen wird auch dann kein selbständiger Erbringer von Werkleistungen, wenn die genannten Dienstleistungen gedanklich in einzelne zeitlich bzw mengenmäßig bestimmte Abschnitte zerlegt und diese Abschnitte sodann zu „Werken“ mit einer „gewährleistungstauglichen Leistungsverpflichtung“ erklärt werden (vgl das hg Erk vom 24.4.2014, 2013/08/0258, mwN; zu „atomisierten Werkverträgen“ vgl Mosler, Die sozialversicherungsrechtliche Stellung freier Dienstnehmer, DRdA 2005, 487 ff). Demgemäß ist auch kein Maßstab ersichtlich, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des „Werkes“ solcher „TaxitänzerInnen“ beurteilt werden sollten (vgl das hg Erk vom 21.9.2015, Ra 2015/08/0045, mwN). [...] Die „TaxitänzerInnen“ haben ihre Dienstleistungen zudem (überwiegend) persönlich erbracht und waren mangels Verfügung über wesentliche eigene Betriebsmittel auch wirtschaftlich abhängig (vgl § 4 Abs 4 ASVG), sodass auch das Vorliegen eines unternehmerähnlichen freien Dienstvertrags, der eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG begründen würde, auszuschließen ist (vgl das hg Erk vom 23.1.2008, 2007/08/0223, VwSlg 17.359A/2008).

2.2. So bleibt die Frage zu klären, ob die mitbeteiligten „TaxitänzerInnen“ und Taxitänzer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wurden (§ 4 Abs 2 ASVG), oder ob sie auf Grund eines freien Dienstvertrages zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichtet und pflichtversichert waren (§ 4 Abs 4 ASVG). [...]

2.3. Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs 2 ASVG (und damit für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis) ist die persönliche Arbeitspflicht.

Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis iSd § 4 Abs 1 Z 1 ASVG schon deshalb nicht vor [...]. Die persönliche Arbeitspflicht fehlt einerseits dann, wenn dem zur Leistung Verpflichteten ein „generelles Vertretungsrecht“ zukommt, wenn er also jederzeit nach Gutdünken beliebige Teile seiner Verpflichtung auf Dritte überbinden kann [...]. Von einer die persönliche Arbeitspflicht ausschließenden generellen Vertretungsbefugnis kann nur dann gesprochen werden, wenn der Erwerbstätige berechtigt ist, jederzeit und nach Gutdünken irgendeinen geeigneten Vertreter zur Erfüllung der von ihm übernommenen Arbeitspflicht heranzuziehen bzw ohne weitere Verständigung des Vertragspartners eine Hilfskraft beizuziehen. Keine generelle Vertretungsberechtigung stellt die bloße Befugnis eines Erwerbstätigen dar, sich im Fall der Verhinderung in bestimmten Einzelfällen, zB im Fall einer Krankheit oder eines Urlaubs oder bei bestimmten Arbeiten innerhalb der umfassenderen Arbeitspflicht vertreten zu lassen; ebenso wenig die bloß wechselseitige Vertretungsmöglichkeit mehrerer vom selben Vertragspartner beschäftigter Personen (vgl etwa das hg Erk vom 16.11.2011, 2008/08/0152, mwN). Eine generelle Vertretungsbefugnis besteht hier nicht. Der schriftlichen bzw konkludenten Vereinbarung zufolge sollten die mitbeteiligten „TaxitänzerInnen“ eine Verhinderung (zB aus gesundheitlichen Gründen) so rasch wie möglich melden bzw sich um einen Ersatz kümmern. Damit wurde kein Recht ausbedungen, die Leistungserbringung jederzeit und nach Gutdünken (generell) an Dritte zu delegieren. [...] Bloße Vertretungsregelungen und Mitspracherechte im Rahmen einer flexiblen Diensteinteilung bzw Dienstplanerstellung, wie sie im Arbeitsleben häufig vorkommen, haben mit dem für das Fehlen der persönlichen Arbeitspflicht herausgearbeiteten Kriterium eines „generellen Vertretungsrechts“ nichts zu tun und berühren die in der Phase der Beschäftigung bestehende persönliche Abhängigkeit nicht. Dasselbe gilt für die „Verpflichtung“ des DN, für Ersatz zu sorgen und so den DG bei der Organisation eines reibungslosen Betriebsablaufs zu unterstützen. Der „tatsächliche Gebrauch“ solcher Vertretungsbefugnisse wirkt sich lediglich darauf aus, ob kontinuierliche oder tageweise abhängige Beschäftigungsverhältnisse vorliegen (vgl das hg Erk vom 14.2.2013, 2012/08/0268).

Die persönliche Arbeitspflicht fehlt andererseits auch dann, wenn einem Beschäftigten ein „sanktionsloses Ablehnungsrecht“ zukommt, wenn er also die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise sanktionslos ablehnen kann. Der Empfänger der Dienstleistungen kann unter solchen Umständen nicht darauf bauen und entsprechend disponieren, dass dieser Beschäftigte an einem bestimmten334 Ort zu einer bestimmten Zeit für Dienstleistungen vereinbarungsgemäß zur Verfügung stehen werde. Die Befugnis eines Erwerbstätigen, angebotene Beschäftigungsmöglichkeiten auszuschlagen, berührt die persönliche Arbeitspflicht in keiner Weise, mag diese Befugnis auch als „sanktionsloses Ablehnungsrecht“ (in einem weiteren Sinn) bezeichnet werden. Zwischen der sanktionslosen Ablehnung der Erbringung einzelner Leistungen, etwa bei deren Abruf im Zuge einer Rahmenvereinbarung bei verpflichtender Tätigkeit im Fall der Zusage, und einem generellen sanktionslosen Ablehnungsrecht, das die persönliche Abhängigkeit ausschließt, ist ein deutlicher Unterschied zu machen (vgl die hg Erkenntnisse vom 4.7.2007, 2006/08/0193, und nochmals [das] vom 14.2.2013, 2012/08/0268). Selbst eine ausdrücklich vereinbarte Befugnis des Beschäftigten, bereits zugesagte Arbeitseinsätze jederzeit nach Gutdünken sanktionslos ablehnen zu können, stünde ebenfalls im Verdacht, ein „Scheingeschäft“ zu sein, wenn eine solche Vereinbarung mit den objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation nicht in Einklang zu bringen wäre (vgl §§ 539 und 539a ASVG). [...]

Ein sanktionsloses Ablehnungsrecht (ieS) ist den Feststellungen zu Folge hier weder vereinbart noch jemals ausgeübt worden. Überdies könnte es – selbst wenn es vereinbart worden wäre – mit den Anforderungen der Unternehmensorganisation der revisionswerbenden Partei nicht in Einklang gebracht werden.

Es hätte wenig Sinn, zu Beginn eines jeden Monats die Dienste der nebenberuflich tätigen „TaxitänzerInnen“ nach deren bekannt gegebenen Wünschen einzuteilen, wenn es der revisionswerbenden Partei (völlig) gleichgültig sein könnte, ob diese Dienste auch geleistet werden. [...]

2.4. Auch wenn sohin im vorliegenden Fall die persönliche Arbeitspflicht der mitbeteiligten „TaxitänzerInnen“ zu bejahen ist, so steht nur fest, dass kein Grund vorliegt, ein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit schon aus diesem Grunde auszuschließen. Dies lässt aber noch nicht den Gegenschluss auf ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher Abhängigkeit zu, weil dafür das Gesamtbild der Beschäftigung maßgebend ist [...]. Es ist somit zu klären, ob bei Erfüllung der übernommenen Arbeitspflicht die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeit gegenüber jener persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit iSd § 4 Abs 2 ASVG gegeben ist. [...] Unterscheidungskräftige Kriterien der Abgrenzung der persönlichen Abhängigkeit von der persönlichen Unabhängigkeit sind nur die Bindungen des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie zB die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeit) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. [...] Bei Beschäftigten, die ihre Tätigkeit disloziert, dh in Abwesenheit des DG oder des von ihm Beauftragten außerhalb einer Betriebsorganisation ausüben, stellt sich die Frage der Weisungsgebundenheit im Hinblick auf das arbeitsbezogene Verhalten in anderer Weise als bei einer Einbindung in eine Betriebsorganisation.

Im ersten Fall wird das Vorliegen eines persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses in der Regel durch eine über die bloß sachliche Kontrolle des Ergebnisses einer Tätigkeit hinausreichende, die persönliche Bestimmungsfreiheit einschränkende Kontrollmöglichkeit bzw durch (auf das Ergebnis derartiger Kontrollen aufbauende) persönliche Weisungen dokumentiert, während die Einbindung eines DN in eine Betriebsorganisation in der Regel zur Folge hat, dass dieser den insoweit vorgegebenen Ablauf der Arbeit nicht jederzeit selbst regeln oder ändern kann. Ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis wird hier oft weniger durch die ausdrückliche Erteilung von persönlichen Weisungen als vielmehr durch die „stille Autorität“ des AG indiziert sein [...].

2.5. Bei der Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und einem freien Dienstvertrag ist grundsätzlich von der vertraglichen Vereinbarung auszugehen, weil diese die rechtlichen Konturen des Beschäftigungsverhältnisses sichtbar macht und daher als Deutungsschema für die tatsächlichen Verhältnisse dient. Der Vertrag hat die Vermutung der Richtigkeit für sich. Diese müsste durch den Nachweis, dass die tatsächlichen Verhältnisse von den vertraglichen Vereinbarungen über das Vorliegen eines freien Dienstvertrages abweichen, entkräftet werden. Solche Abweichungen werden naturgemäß umso weniger manifest sein, im je geringerem zeitlichen Ausmaß der Beschäftigte tätig ist (vgl nochmals das Erk 2013/08/0051, mwN). Im vorliegenden Fall hat die revisionswerbende Partei mit den mitbeteiligten „TaxitänzerInnen“ schriftlich bzw konkludent eine Rahmenvereinbarung getroffen, nach deren wesentlichem Inhalt die zu erbringende Leistung „auf Basis einer selbständigen Erwerbstätigkeit“ erfolgen sollte, was nach dem Gesagten nicht zutrifft. Eine solche Vereinbarung kann nicht einem Deutungsschema, wonach dieser die Vermutung der Richtigkeit für sich hat, zu Grunde gelegt werden.

2.6. Somit hat vorliegend die genannte Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und einem freien Dienstvertrag nach dem Gesamtbild der konkret nach den tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilenden Beschäftigung und der oben genannten Kriterien nach der Methode des beweglichen Systems zu erfolgen.

Die „TaxitänzerInnen“, die nebenberuflich für die revisionswerbende Partei tätig gewesen sind und ihre Dienste im Wesentlichen in den Tanzlokalen von Kunden der revisionswerbenden Partei verrichteten, waren nicht in einer Weise in die betriebliche Organisation des Beschäftigers eingebunden, dass ausdrückliche persönliche Weisungen und Kontrollen durch „stille Autorität“ substituiert worden wären. Das Fehlen persönlicher Weisungen bzw das Fehlen der stillen Autorität ist im vorliegenden335 Fall auch nicht durch persönliche Kontrollmöglichkeiten, die persönliche Weisungen nach sich ziehen könnten, ausgeglichen worden. Anders als in dem etwa dem hg Erk vom 25.6.2013, 2013/08/0093, zu Grunde liegenden Fall (mobile Krankenschwestern) bestand keinerlei Verpflichtung der „TaxitänzerInnen“ über ihre Tätigkeiten detailliert Rechenschaft zu legen und so der revisionswerbenden Partei die Möglichkeit zu geben, sich ein für eine wirksame Kontrolle ausreichend genaues Bild über die Durchführung der Tätigkeiten durch die mitbeteiligten Taxitänzerinnen und Taxitänzer zu verschaffen. Daran ändern auch allfällige Rückmeldungen der Kunden über ihre Zufriedenheit mit der Tätigkeit der Taxitänzerinnen und Taxitänzer nichts. Eine Kontrolle der bloßen Arbeitsergebnisse bzw Kontrollen durch Dritte stehen mit dem Vorliegen eines freien Dienstvertrags nicht im Widerspruch (vgl die hg Erkenntnisse vom 17.10.2010, 2010/08/0256 [Hausbetreuer], und vom 19.12.2012, 2012/08/0224[Disponent]). Es war in erster Linie den vor Ort auf sich allein gestellten „TaxitänzerInnen“ überlassen, sich entsprechend geschickt zu verhalten, ihre Animationsleistung in sozial kluger Weise zu erbringen und insgesamt bei den Kunden der revisionswerbenden Partei so aufzutreten, dass deren Tanzpartner und die Kunden der revisionswerbenden Partei zufrieden waren. Die im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung heran zuziehenden Nebenkriterien (die Verwendung eigener – wenn auch nicht wesentlicher – Betriebsmittel, wie insb des eigenen Kraftfahrzeuges, die relativ geringe zeitliche Inanspruchnahme durch die Nebenbeschäftigung und das Fehlen sachlicher Weisungen auf der einen Seite, das zeitabhängige Entgelt und die Konkurrenzklausel auf der anderen) sprechen insgesamt nicht gegen das Vorliegen eines freien Dienstvertrages. Eine Abwägung iSd § 4 Abs 2 ASVG ergibt, dass bei der Tätigkeit der „TaxitänzerInnen“ die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit nicht gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Die Tätigkeiten sind daher als solche iSd § 4 Abs 4 ASVG zu qualifizieren. Im Falle einer Tätigkeit auf Grund eines freien Dienstvertrages iSd § 4 Abs 4 ASVG ergibt sich keine tageweise, sondern eine durchlaufende Pflichtversicherung (vgl das hg Erk vom 25.6.2013, 2013/08/0093, mwN). [...]

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Der VwGH hatte im vorliegenden Fall über die Qualität des Beschäftigungsverhältnisses von Taxitänzern zu entscheiden. Im Ergebnis hat er das Bestehen eines freien Dienstverhältnisses nach § 4 Abs 4 ASVG angenommen.

2.
Kein Werkvertrag

Der VwGH führt zutreffend aus, dass die Tänzer jedenfalls nicht im Rahmen von Werkverträgen tätig waren. Aus der E geht hervor, dass sie dafür zu sorgen hatten, dass sich möglichst viele Gäste auf der Tanzfläche aufhielten. Es gibt zahlreiche denkbare Gründe, warum Betreiber von Tanzlokalen oder Ballveranstalter Taxitänzer engagieren. Typischerweise sollen diese Stimmung machen, die Besucher zum Tanzen animieren, wahrscheinlich auch zum längeren Bleiben, woraus sich häufig ein verstärkter Konsum von Getränken und evtl auch Speisen ergibt.

Möglicherweise kommen Gäste in Lokale, in denen Taxitänzer tätig sind, auch eigens, um trotz Fehlens eines eigenen Tanzpartners die Gelegenheit zum Tanzen zu haben. Beim Werkvertrag ist nicht nur das sorgfältige Bemühen, sondern ein konkreter Erfolg geschuldet. Dieser muss aber auch auf irgendeine Art messbar sein. Der VwGH hat richtig festgestellt, dass es keinen Maßstab gibt, nach dem beim Taxitänzer die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche beurteilt werden können. Stehen die Gäste trotz redlichen Bemühens des Taxitänzers nur gelangweilt herum, möchte niemand oder möchten nur wenige Gäste tanzen bzw leert sich das Lokal schon sehr früh, kann dies wohl kaum dem Taxitänzer angelastet werden, zumal die Gründe dafür vielfältig sein können. Daher kann der Taxitänzer von vornherein gar keinen Erfolg versprechen, eine derartige Tätigkeit ist schon ihrer Natur nach nicht im Rahmen eines Werkvertrages ausübbar.

Dem VwGH ist weiters darin zu folgen, dass auch kein unternehmerähnlicher freier Dienstvertrag vorliegt, der zu einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG führen würde.

Es bedarf keiner näheren Begründung, dass § 3 Pkt I. des Vertrages, wonach der Tänzer damit einverstanden ist, dass die Tätigkeit eine selbständige ist, unerheblich ist. Es kommt selbstverständlich auf den wahren Charakter des Vertrages bzw die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses an. Solche Vertragsklauseln geben zu besonders kritischer Prüfung Anlass, da es offensichtlich ist, dass die Agentur keinen Dienstvertrag abschließen wollte, sondern es ihr gerade darauf ankam, die Tänzer selbständig tätig sein zu lassen.

3.
Vorliegen eines Dienstvertrages?
3.1.
Persönliche Arbeitspflicht

Der VwGH ist vor allem auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer persönlichen Arbeitspflicht eingegangen. Nach ständiger Judikatur ist die persönliche Abhängigkeit ausgeschlossen, wenn der Beschäftigte berechtigt ist, ohne weitere Verständigung des Vertragspartners Hilfskräfte für die Verrichtung der Arbeitsleistung hinzuzuziehen, oder er berechtigt ist, sanktionslos einzelne Arbeitsleistungen abzulehnen oder er sich ohne weiteres bei der Erbringung der Arbeitsleistung vertreten lassen kann (vgl Naderhirn, Die Neuformulierung des Dienstnehmerbegriffes des ASVG durch das ASRÄG 1997 [2000] 19 ff; Auer-Mayer, ZAS 2016, 130 jeweils mN über die Judikatur). Die Beiziehung von Hilfskräften zur Erbringung der Taxitänzertä-336tigkeit ist kaum denkbar, spielt hier daher auch keine Rolle. Zum Recht, einzelne Aufträge abzulehnen, ist vorab festzuhalten, dass dieses Recht die persönliche Abhängigkeit von vornherein nicht ausschließt, wenn die Ablehnung mit Sanktionen verbunden ist. Wird zB erwartet, dass sich die Tänzer für eine bestimmte Anzahl von Auftritten in einem bestimmten Zeitraum eintragen und werden sie andernfalls für keine weiteren Auftritte mehr berücksichtigt oder wird das Vertragsverhältnis mit ihnen überhaupt gelöst, kann von vornherein von keinem Ablehnungsrecht gesprochen werden. Würden in diesem Fall auch bei den einzelnen Arbeitseinsätzen die Merkmale persönlicher Abhängigkeit überwiegen, wäre ein durchgängiges Dienstverhältnis anzunehmen (Rebhahn in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 94; Mosler in
Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm § 4 ASVG Rz 112). Auf solche Umstände ergibt sich im Sachverhalt kein Hinweis, daher ist davon auszugehen, dass es den Tänzern tatsächlich freistand, ob sie sich für einen Auftritt eintrugen oder nicht. Zu überlegen wäre allerdings, ob die Agentur durch das von ihr vorgegebene Konkurrenzverbot nicht einen indirekten Zwang auf die Tänzer ausübte, angebotene Einsätze anzunehmen. Dies deshalb, da die Tänzer nur bei Vermittlung durch die Agentur die Möglichkeit hatten, als Taxitänzer tätig zu werden. Sie durften weder für andere Agenturen noch auf eigene Rechnung derartige Leistungen erbringen. Man kann aber auch unter Beachtung dieser Umstände nicht von einer Verpflichtung zur Annahme einzelner Aufträge sprechen. Hinzuweisen ist zudem darauf, dass es sich bei den Taxitänzertätigkeiten offenkundig nur um nebenberufliche Tätigkeiten gehandelt hat, daher ist auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit zur Annahme der einzelnen angebotenen Einsätze eher nicht anzunehmen. Nur am Rande und ohne darauf im Detail eingehen zu können, soll bemerkt werden, dass die Zulässigkeit des Konkurrenzverbotes ohnehin stark anzuzweifeln ist. Der Tänzer hat keinerlei Recht, bestimmte Einsätze angeboten zu bekommen, ja nicht einmal einen Anspruch darauf, bei Eintragung in den Kalender das Engagement zu erhalten. Theoretisch kann es sein, dass er niemals zu Einsätzen herangezogen wird. Eine Regelung, wonach er aber auch nicht anderweitig als Tänzer tätig sein darf, wird dann wohl als sittenwidrig zu qualifizieren sein.

Der VwGH hält fest, dass „Ablehnungsrecht“ nicht gleich „Ablehnungsrecht“ ist. Hier sind verschiedene Konstellationen denkbar, nämlich einerseits die sanktionslose Ablehnungsmöglichkeit bereits übernommener Dienste, im vorliegenden Fall also eines bereits vereinbarten Auftritts. Eine solche Möglichkeit hatten die Tänzer jedenfalls nicht, dies wäre auch – wie der VwGH zutreffend hervorgehoben hat – aus organisatorischen Gründen nur schwer denkbar. Eine zweite Möglichkeit ist, dass – so wie hier – angebotene Beschäftigungsmöglichkeiten zwar nicht angenommen werden müssen, werden sie aber angenommen, sind sie vom Beschäftigten auch verbindlich einzuhalten. Der VwGH hat betont, dass dies mit der erstgenannten Konstellation nicht vergleichbar ist. Im gegenständlichen Fall kommt noch dazu, dass sich der Tänzer, wenn er für einen bestimmten Auftrag zum Einsatz kommen wollte, selbst in den Kalender eintragen musste, womit sein Einsatz – wie gesagt – aber nicht garantiert war, sondern es vielmehr an der Agentur lag, das Angebot des Tänzers anzunehmen oder auch nicht. Mit einem echten Ablehnungsrecht hat dies nun wirklich nichts mehr zu tun. Kurioserweise hatte im Gegenteil, wenn ich § 4 Pkt IV. des Vertrages richtig verstehe, die Agentur das Recht, trotz bereits bestehender Kooperation mit einem Tänzer für einen bestimmten Auftritt dessen Leistung vor Auftrittsbeginn grundlos abzulehnen, so dass sich die Tänzer bis zum Auftrittsbeginn nicht sicher sein konnten, ob sie ihre Leistung erbringen durften. Offenbar kam das echte Ablehnungsrecht eher der Agentur zu. Ohne darauf an dieser Stelle näher eingehen zu können, stellt sich doch die Frage nach der Sittenwidrigkeit auch dieser Vertragsklausel.

Dem VwGH ist Recht zu geben, dass auch ein die persönliche Abhängigkeit ausschließendes Vertretungsrecht im vorliegenden Fall nicht gegeben war. Ein Nichterscheinen zu einem vereinbarten Engagement und damit auch die Stellung eines Vertreters war nur aus gesundheitlichen oder anderen dringenden Gründen zulässig. Auch wenn die Formulierung „dringende Gründe“ einen gewissen Interpretationsspielraum zulässt, kann von einem freien Vertretungsrecht keinesfalls gesprochen werden. Außerdem war die Agentur von der Nichtwahrnehmung eines Engagements durch den Taxitänzer so früh wie möglich zu verständigen. Es ergibt sich, dass der VwGH die persönliche Arbeitspflicht der Tänzer zutreffend bejaht hat.

3.2.
Bindung an einen bestimmten Arbeitsort

Nach einhelliger Auffassung in Lehre und Judikatur ist die Bindung an einen bestimmten Arbeitsort kein Indiz für persönliche Abhängigkeit, wenn sich diese aus der Natur der Tätigkeit ergibt (vgl Naderhirn, Neuformulierung 7 f mwN; Mosler in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm § 4 ASVG Rz 91; Auer-Mayer, ZAS 2016, 130 mwN; aus der Judikatur ua VwGH 20.4.1993, 91/08/0180 betreffend Discjockeys). Die Tätigkeit des Taxitänzers kann nur in der Lokalität des jeweiligen Auftraggebers durchgeführt werden, eine Durchführung woanders ergäbe keinen Sinn. Die Situation ist hier eine ganz andere als bei Tätigkeiten, die ihrer Natur nach an verschiedensten Orten verrichtet werden könnten, aber der Beschäftigte dennoch an einen ganz bestimmten Arbeitsort gebunden ist. Dann ist die Bindung an den Arbeitsort für die Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit aussagekräftig. Im vorliegenden Fall könnte man die Auffassung vertreten, dass das Kriterium Arbeitsort sogar eher für persönliche Unabhängigkeit spricht, da die Tänzer sich nicht für einen bestimmten Auftrag in den Kalender eintragen mussten, wenn sich das betreffende Lokal an einem Ort befand, an dem der Tänzer zB wegen zu großer Entfernung von seinem Wohnort nicht tätig sein wollte. Insofern könnte man in gewisser Weise ein „Mitspracherecht“ hin-337sichtlich des Arbeitsortes annehmen. Dies relativiert sich aber wiederum sehr stark, wenn man den umgekehrten Fall bedenkt.

Trug sich ein Tänzer in den Kalender ein, weil es um einen Einsatz ging, der in der Nähe seiner Wohnung stattfinden sollte und den er daher sehr gerne wahrnehmen wollte, hatte er absolut keinen Anspruch darauf, auch tatsächlich eingesetzt zu werden. Zusammenfassend kommt hier dem Kriterium Arbeitsort keine Bedeutung für die Abgrenzung zu.

3.3.
Bindung an bestimmte Arbeitszeiten

Hinsichtlich der Arbeitszeit ist festzuhalten, dass die Taxitänzer ihre Tätigkeit der Natur der Sache nach lediglich während der Öffnungszeiten der betreffenden Tanzlokale ausüben konnten. Aus der E lässt sich entnehmen, dass die Tänzer ihre Leistungen ca von 22:00 bis 02:00 Uhr zu erbringen hatten. Hätten die Tanzlokale tatsächlich nur zu dieser Zeit geöffnet, wäre die Bindung des Tänzers an diese Zeiten für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit nicht aussagekräftig. Aus der E geht diesbezüglich nichts hervor, aber es ist anzunehmen, dass die Lokale idR wohl bereits früher aufsperren und häufig erst nach 02:00 Uhr schließen werden. Die Ausübung der Tätigkeit als Taxitänzer wäre theoretisch während der gesamten Öffnungszeiten möglich. Offenbar bestand jedoch aus Sicht der Lokalbetreiber außerhalb der erwähnten Zeiten kein Bedarf (noch zu wenige Gäste, zu späterer Stunde keine [noch tanzfähigen] Gäste mehr etc). Insofern waren die Tänzer an vorgegebene Arbeitszeiten gebunden, die sich nach dem Bedürfnis der Betreiber richteten. Die Tänzer mussten zudem 15 Minuten vor Arbeitsbeginn auftrittsfertig in unmittelbarer Tanzfläche erscheinen. Schon nach dem Vertrag schuldeten sie der Agentur gegenüber die Einhaltung der vereinbarten Termine und Arbeitszeiten. Von einer selbstbestimmten Einteilung der Arbeitszeit kann daher hier nicht gesprochen werden. Hat ein Beschäftigter im Rahmen der Öffnungszeiten eines Lokals wiederum ganz bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten, ist dies schon ein Indiz für persönliche Abhängigkeit. Dies wird auch deutlich, wenn man sich das Bild eines Handelsangestellten vor Augen führt, der innerhalb der Öffnungszeiten des Geschäfts ganz bestimmte Arbeitszeiten einhalten muss. Dass die Arbeit in der Unterhaltungsbranche auch anders gestaltet sein kann, zeigt die VwGH-E 8.2.1994, 92/08/0153, betreffend einen Musiker, der um 20:30 Uhr begann, dem es jedoch selbst überlassen war, wann er Schluss machte und der nur vereinzelt gebeten wurde, noch eine halbe Stunde weiterzuspielen. Es wäre durchaus auch bei Taxitänzern denkbar, dass sich diese zwar vielleicht zu einem bestimmten Zeitpunkt im Lokal des Kunden einfinden müssen, aber die Tätigkeit dann nach ihrem eigenen Gutdünken, je nachdem, ob ihrer Ansicht nach noch Stimmung bzw Bedarf nach Tänzern vorhanden ist, beenden können. Ein vorzeitiges Verlassen des Lokals war aber nach den Feststellungen allenfalls nach Rücksprache mit dem DJ möglich.

3.4.
Vorgaben betreffend das arbeitsbezogene Verhalten

Die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über das arbeitsbezogene Verhalten und die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollrechte stellen nach der Rsp des VwGH ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung der Versicherungspflicht dar. Die Weisungen über das arbeitsbezogene Verhalten betreffen den Arbeitsablauf, die Arbeitsfolge und die damit im Zusammenhang stehenden organisatorischen Maßnahmen. Dagegen betreffen die sachlichen Weisungen die Arbeitsziele bzw Arbeitsergebnisse. Diese schließen die persönliche Unabhängigkeit nicht aus, etwa die Anweisungen eines Veranstalters an die von ihm engagierte Musikgruppe, die lediglich da rauf gerichtet waren, ob die Musiker je nach Publikumsgeschmack ländliche oder moderne Musik spielen sollten (vgl Naderhirn, Neuformulierung 12 ff mwN; Mosler in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SVKomm § 4 ASVG Rz 105 ff mwN). Schon aufgrund der dislozierten Tätigkeit der Tänzer war die konkrete Erteilung von Weisungen durch den Beschäftiger bei jedem einzelnen Einsatz nicht möglich. Dem VwGH ist Recht zu geben, dass es dem Tänzer oblag, im Einzelfall seine Animationsleistung zur Zufriedenheit der Beteiligten zu erbringen.

Die konkrete Situation in den Lokalen kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein und es ist Aufgabe des Tänzers, seine Leistung den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen. Der vertraglichen Verpflichtung zur Unterlassung jedes unseriösen und übergriffigen Verhaltens ist für die Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit wenig Bedeutung beizumessen, da es sich dabei lediglich um die Bekräftigung von Selbstverständlichkeiten handelt, die schon nach allgemeinen Grundsätzen auch einen selbständig tätigen Taxitänzer treffen würden. Es bestand zwar eine Verpflichtung zum Tragen entsprechender Kleidung, die die Taxitänzer als solche erkennen ließen, doch handelte es sich hierbei offenbar nicht um Uniformen, sondern die Tänzer hatten in der Wahl der Kleidung gewisse Freiheiten (tanzbare Schuhe, schwarze Hose). Betrachtet man die VwGH-E vom 25.6.2013, 2013/08/0093, betreffend eine mobile Krankenschwester, bei der die Art der Durchführung der Pflegetätigkeit vor allem aus medizinischen Gründen auf eine Weise vorgegeben war, die keinen relevanten Spielraum für die eigene Gestaltung zuließ, wird deutlich, dass die Tänzer im Gegensatz dazu relativ großen Spielraum hatten.

3.5.
Kontrollunterworfenheit und disziplinäre Verantwortlichkeit

ME unterlagen die Tänzer hier schon einer Kontrolle. Aufgrund der Tatsache, dass die Taxitänzertätigkeit nicht im unmittelbaren Bereich der Agentur, sondern disloziert stattfand, erfolgte die Kontrolle nicht durch die Agentur direkt, wohl bestand aber für die Betreiber der Lokale oder Ballveranstalter eine Kontrollmöglichkeit, die Tänzer hatten ihre Tätigkeit aber auch unter den Augen der jewei-338ligen DJs und offenbar (zumindest teilweise) in Zusammenarbeit mit diesen zu verrichten und nicht zuletzt auch unter den Augen der Lokal- bzw Ballgäste. Trotz der Tatsache, dass die Tänzer keine detaillierten Vorgaben für die Gestaltung ihrer Tätigkeit hatten, war mit Sicherheit allen Beteiligten klar, was vom Tänzer erwartet wurde. Erfüllt ein Taxitänzer seine Tätigkeit nicht ordnungsgemäß, fällt dies auf, entweder nimmt es der Betreiber selbst wahr (Betreiber oder Ballveranstalter sind ja häufig auch selbst anwesend) oder es kommt zu Beschwerden der Gäste oder der DJ teilt dies dem Betreiber mit.

Reklamationen seitens der Betreiber bei der Agentur sind dann zu erwarten. Interessant wären Feststellungen darüber gewesen, ob es tatsächlich zu solchen gekommen ist. In der E betreffend die Krankenschwester hat der VwGH ausgesprochen, dass sich eine weitere Kontrollmöglichkeit aus den Rückmeldungen der Patienten ergab, bei Beanstandungen habe der Beschäftiger mit entsprechenden Weisungen reagieren können. Im Vertrag war wie gesagt auch die Verpflichtung der Tänzer enthalten, unsittliches Verhalten zu unterlassen, wobei die Beurteilung des Verhaltens ausschließlich der Agentur und dem Auftraggeber oblag. Offenbar ging die Agentur davon aus, dass ihr solches Verhalten – auf welche Weise immer – zur Kenntnis gelangt, auch dem Tänzer musste dies klar sein. Dies indiziert aber eine gewisse Kontrolle. Es handelte sich auch nicht um eine bloße Kontrollmöglichkeit der Arbeitsergebnisse, sondern es konnte auch arbeitsbezogenes Fehlverhalten wie Zuspätkommen, Unfreundlichkeit, Übergriffigkeit, Unterlassen der Aufforderung tanzwilliger Gäste etc beanstandet und an die Agentur weitergegeben werden. Entsprechende Weisungen der Agentur an den Tänzer konnten die Folge sein. Im Gegensatz zur E betreffend Hausbetreuer (VwGH 17.10.2012, 2010/08/0256) handelte es sich nicht nur um zufällige Kontrollmöglichkeiten durch am Vertrag nicht beteiligte Dritte (dort: die Mieter, hier: die Gäste), sondern die Kontrolle konnte durch den Vertragspartner der Agentur erfolgen. In § 4 Pkt I. des Vertrages werden der Tänzer, die Agentur und der Auftraggeber ausdrücklich als beteiligte Parteien bezeichnet. Ist der Betreiber nicht selbst anwesend, beauftragt er möglicherweise einen seiner Leute mit der Kontrolle (Betriebsleiter, Kellner, DJ etc). Da der Auftraggeber an die Agentur Honorar zu entrichten hat, wird er an einer ordentlichen Leistung der Tänzer interessiert sein und diese auch kontrollieren.

Auch disziplinäre Verantwortlichkeit war gegeben. Bei nicht ordnungsgemäßer Tätigkeit drohten Gagenkürzungen bzw -streichungen, bei übergriffigem Verhalten die sofortige Beendigung der Zusammenarbeit.

4.
Ergebnis

Die Qualifikation der gegenständlichen Beschäftigungsverhältnisse als freie Dienstverträge nach § 4 Abs 4 ASVG durch den VwGH ist sachgerecht. Dies vor allem angesichts der Tatsache, dass die inhaltliche Gestaltung der Taxitänzertätigkeit nicht so stark vorgegeben war wie in anderen Fällen. Allerdings sind auch gewichtige Merkmale persönlicher Abhängigkeit festzustellen, so dass es sich um einen Grenzfall handelt.