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Änderungskündigung: Verschlechternde Versetzung mangels Zustimmung des Betriebsrats rechtsunwirksam

MARTINACHLESTIL

Bei einer im Rahmen einer Änderungskündigung erfolgten Versetzung ist neben den allgemeinen Kündigungsschutzbestimmungen (Vorinformation nach § 105 ArbVG) auch der Versetzungsschutz nach § 101 ArbVG einzuhalten.

SACHVERHALT

Die kl AN war bei der bekl AG von 2002 bis März 2014 als Lohnverrechnerin tätig, ihr Monatsgehalt betrug € 3.064,12 brutto. Mit Schreiben vom 19.3.2014 sprach die bekl AG die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.6.2014 mit dem Beisatz aus: „Diese Kündigung tritt außer Kraft, wenn Sie bis 26.3.2014 schriftlich erklären, einer Änderung Ihres Tätigkeitsbereichs dahingehend zuzustimmen, dass Sie als Arbeitszeitbeauftragte und in der Administration des KursleiterInnenservice mit der Einstufung VG IV/14 tätig werden.“ Der zuständige BR wurde zeitgerecht vor dem Ausspruch dieser Änderungskündigung verständigt und erhob gegen „die geplante Änderungsabsicht (Änderungskündigung) ausdrücklich Einspruch“. Die kl AN erklärte sich am 25.3.2014 schriftlich mit der Änderung einverstanden und erklärte, dass sie im neuen Bereich „gerne tätig sein werde, so dass meine Kündigung nunmehr gegenstandslos ist“. Sie ist seit 8.4.2014 als Arbeitszeitbeauftragte und in der Administration des KursleiterInnenservice mit einem monatlichen Gehalt von € 2.832,50 tätig.

Mit ihrer am 21.8.2014 eingebrachten Klage begehrt die kl AN die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, der Versetzungsanordnung der bekl AG per 1.4.2014 Folge zu leisten. Es handle sich um eine verschlechternde Versetzung, die ohne die nach § 101 ArbVG erforderliche Zustimmung des BR erfolgt und daher rechtsunwirksam sei.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht wies die Klage ab, bei einer Änderungskündigung sei das Vorverfahren nach § 105 ArbVG einzuhalten, die Mitwirkungsrechte des BR nach § 101 ArbVG nicht anwendbar. Das Berufungsgericht änderte die E im klagsstattgebenden Sinn ab. Bei einer im Rahmen einer Änderungskündigung erfolgten Versetzung sei neben den allgemeinen Kündigungsschutzbestimmungen auch der Versetzungsschutz nach § 101 ArbVG einzuhal-267ten, andernfalls könnte die Änderungskündigung zum geeigneten Mittel einer Umgehung des bei direktorialen und vertragsändernden Versetzungen bestehenden AN-Schutzes werden. Der OGH hielt die ordentliche Revision für zulässig, folgte aber im Ergebnis dem Berufungsgericht.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…]

2. […] Es entspricht der herrschenden Lehre, dass auch die mit einer Änderungskündigung argumentativ verstärkte Versetzungsanordnung dann, wenn der Arbeitnehmer ihr zustimmt und es daher zur Kündigung nicht kommt, der Mitwirkung des Betriebsrats nach § 101 ArbVG unterliegt (Reissner, aaO; Schrammel, Die Mitbestimmung des Betriebsrates bei Versetzung und Änderungskündigung, ZAS 1975, 203; Dungl in FS Floretta, 365 f; Marhold/Friedrich, Arbeitsrecht2, 83 f; Friedrich, ASoK 2005/48; vgl auch EA Eisenstadt ARD 3377/11/82). […]

3. Soweit die Revision argumentiert, die Einwirkungsbefugnis des Betriebsrats gehe zu weit, wenn dieser gegen den Willen des Arbeitnehmers letztlich eine Beendigung des Dienstverhältnisses provozieren könnte, lässt sie außer Acht, dass die Zustimmung des Betriebsrats durch das Gericht ersetzt werden kann, wenn die Versetzung sachlich gerechtfertigt erscheint (vgl Födermayr in

Jabornegg/Resch
, ArbVG § 101 Rz 64). Eine sachliche Begründung kann auch darin liegen, dass der Arbeitnehmer aus betrieblichen oder persönlichen Gründen an seinem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr beschäftigt werden kann und gekündigt werden müsste, wenn die – von ihm selbst gewollte – Versetzung verhindert würde (Födermayr, aaO Rz 90 mwN).

4. Die von der Revisionswerberin als praxisfern kritisierte Blockadesituation kann dagegen nur eintreten, wenn der Arbeitgeber es verabsäumt hat, die Stellungnahme des Betriebsrats vorweg nicht nur zur Kündigung, sondern auch zu der alternativ angebotenen Versetzung einzuholen. Die gleichzeitige Einholung beider Stellungnahmen ist ohne zusätzlichen Aufwand möglich und zweckmäßig, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer überhaupt kein ernsthaftes Änderungsangebot unterbreiten kann, bevor er sich nicht überzeugt hat, ob die Änderungsbedingung rechtlich erfüllbar ist. […]

Stimmt der Betriebsrat der beabsichtigten Versetzung vorweg zu, kann die Änderungskündigung vom Arbeitgeber ausgesprochen werden, ohne dass es zu der von der Revision befürchteten Blockade kommen kann.

5. Richtig ist der Einwand der Revisionswerberin, dass der Fall der Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats zum Änderungsangebot im Regelfall eine unbedingte Dienstgeberkündigung zur Folge haben wird. Die Möglichkeit, dass es zu divergierenden Entscheidungen des Arbeitnehmers und des Betriebsrats und in der Folge zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommen kann, ist bei verschlechternden Versetzungen jedoch systemimmanent und keine Besonderheit der Variante der Änderungskündigung.“

ERLÄUTERUNG

Eine Änderungskündigung zielt darauf ab, vertraglich Vereinbartes – im gegenständlichen Fall betraf es die Tätigkeit und das Entgelt der AN – abzuändern. Die AG sprach eine Kündigung aus, die aber hinfällig sein sollte, wenn die AN bereit wäre, anstelle der bislang ausgeübten Tätigkeit in der Lohnverrechnung eine andere Tätigkeit als Arbeitszeitbeauftragte und in der Administration des KursleiterInnenservice auszuüben. Die AN nahm diese Bedingung an und stimmte somit der Vertragsänderung zu, die eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz mit geringerem Entgelt bewirkte; die zuvor ausgesprochene Kündigung wurde damit rechtsunwirksam.

Möchte der AG einen AN versetzen, sind, wie auch der OGH im vorliegenden Urteil betont, nach der herrschenden „Zwei-Ebenen-Theorie“ die arbeitsvertraglichen und die betriebsverfassungsrechtlichen Aspekte der Versetzung getrennt zu prüfen und es müssen beide erfüllt sein, um die Versetzung wirksam werden zu lassen. Die Zustimmung der AN allein genügt im vorliegenden Fall nicht. Wenn mit der Versetzung eine Verschlechterung der Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen verbunden ist und sie 13 Wochen und länger dauert, ist zu ihrer Rechtswirksamkeit gem § 101 ArbVG auch die Zustimmung des BR erforderlich. Der BR hat als Kollegialorgan darüber einen Beschluss zu fassen und die Zustimmung muss ausdrücklich erfolgen. Stimmt der BR nicht zu, steht dem AG als rechtliches Korrektiv gegen eine allenfalls unsachliche Entscheidung des BR die Klage beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht auf Ersetzung seiner Zustimmung zur Verfügung. Das Gericht hat die Zustimmung zu erteilen, wenn die Versetzung sachlich gerechtfertigt ist.

Nach dem OGH gibt es keinen triftigen Grund, weshalb eine beabsichtigte verschlechternde Versetzung deswegen, weil ihr mit einer konkreten Kündigung besonderer Nachdruck verliehen wurde, vom betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsschutz ausgenommen sein sollte. Müsste sich der AN erst kündigen lassen und die Kündigung anfechten, um das Änderungsangebot auf seine Sachlichkeit prüfen zu lassen, könnte nicht mehr von einem wirksamen Kündigungs- und Versetzungsschutz gesprochen werden. Dem AG steht aber die Möglichkeit offen, im Fall einer Änderungskündigung vorweg die Stellungnahme des BR sowohl zur Kündigung als auch zur alternativ angebotenen Versetzung einzuholen. Nur so ist gewährleistet, dass die Zustimmung zur ver-268schlechternden Versetzung im Falle der Annahme des Änderungsangebotes vor der Durchführung der Versetzung erfolgt, weil eine nachträgliche Zustimmung zu einer bereits vollzogenen Versetzung nicht zulässig ist.

Hinzuweisen bleibt, dass AN bei Ungewissheit, ob die Versetzung nun rechtswirksam zustande gekommen ist oder nicht, den neuen Arbeitsplatz „unter Protest“ antreten und das Gericht diese Streitfrage klären lassen sollten. Das Risiko einer allenfalls begründeten Entlassung wegen Arbeitsverweigerung kann damit ausgeschlossen werden.