164Berechnung des Abfertigungsanspruches bei privilegierter Arbeitnehmerkündigung nach § 3 Abs 5 AVRAG
Berechnung des Abfertigungsanspruches bei privilegierter Arbeitnehmerkündigung nach § 3 Abs 5 AVRAG
Der kl AN war bei der bekl AG über zehn Jahre als Flugkapitän beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis waren ua der „Kollektivvertrag für das Bord-Personal der Austrian Airlines und Lauda-Air“ (KollV-Bord) und der mit 31.3.2015 befristete Zusatz-KollV „Einsparungspaket“ (Zusatz-KollV EP) anzuwenden. Pkt 4. dritter Absatz des Zusatz-KollV EP lautet: „Abfertigungszahlungen aufgrund objektiv betriebsbedingter Dienstgeberkündigungen sowie Zahlungen aus Dienstjubiläen erfolgen von jener Bemessungsgrundlage, die gegolten hätte, wenn kein Einsparungspaket vereinbart worden wäre.
“ Aufgrund der mit einem Betriebsübergang verbundenen Verschlechterungen der kollektiven Arbeitsbedingungen beendete der kl AN das Arbeitsverhältnis durch eine gem § 3 Abs 5 AVRAG privilegierte AN-Kündigung. Die bekl AG bezahlte dem kl AN die um den Krisenbeitrag gem Zusatz-KollV EP gekürzte Abfertigung (alt).
Der AN begehrt mit seiner Klage die Differenz zu jenem Abfertigungsbetrag, der sich ohne Berücksichtigung der kollektivvertraglichen Entgeltreduktion ergeben würde und stützt sich dabei auf Pkt 4. Zusatz-KollV EP. Die Vorinstanzen verstanden unter dem Begriff „betriebsbedingte Kündigung“, dass die Gründe einer solchen Kündigung ganz allgemein der betrieblichen Sphäre zuzurechnen sind – im Gegensatz zu einer „personenbedingten“ Kündigung, deren Gründe in der Sphäre des AN liegen – und gaben dem Klagebegehren statt. Der OGH erachtete die ordentliche Revision für zulässig, weil die Auslegung der Kollektivvertragsbestimmung von über den Anlassfall hinausgehender Bedeutung und auch zum Verständnis des § 3 Abs 5 AVRAG eine Klarstellung geboten sei.
Nach § 3 Abs 5 AVRAG stehen dem AN im Falle einer privilegierten DN-Kündigung die zum Zeitpunkt einer solchen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebührenden Ansprüche wie bei einer AG-Kündigung zu. Ob bei der Berechnung dieser Ansprüche der Krisenbeitrag zu berücksichtigen ist, hängt von der Auslegung des Zusatz-KollV ab. Das Argument der bekl AG, wonach der Zusatz-KollV mit „objektiv betriebsbedingten“ Kündigungen ausschließlich solche umfasse, die wegen eines beabsichtigten Stellenabbaus ausgesprochen würden, konnte den OGH im Ergebnis nicht überzeugen.
Nach dem arbeitsverfassungsrechtlichen Begriffsverständnis bezieht sich eine „objektiv betriebsbedingte“ Kündigung auf betriebsbezogene270 Umstände oder Vorgänge, die nichts mit der Person des Gekündigten zu tun haben. Es handelt sich allgemein um wirtschaftliche, technische oder organisatorische Belange, die auch keine Notlage voraussetzen, sondern der freien unternehmerischen Entscheidung des AG überlassen sind, wie rentabilitätserhöhende Rationalisierungsmaßnahmen, Betriebseinschränkungen oder Betriebsstilllegungen.
Unter dieses allgemeine Begriffsschema fällt aber auch ein durch Unternehmensfusion herbeigeführter Betriebsübergang. Persönliche Kündigungsmotive des kl AN sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Soweit die bekl AG seine Kündigung deswegen als „in der Person bedingt“ ansehen möchte, weil nur er selbst das Arbeitsverhältnis beendet habe wollte, vermengt sie den Entschluss des kl AN zur Ausübung des Gestaltungsrechts mit den für diese Entscheidung maßgeblichen Gründen. Zusammenfassend ist für die Höhe des Abfertigungsanspruchs nach § 3 Abs 5 AVRAG zu ermitteln, was gelten würde, wenn die bekl AG den kl AN wegen des bevorstehenden Betriebsübergangs gekündigt hätte. Die Revision der bekl AG war daher nicht berechtigt.