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Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen angekündigten Tragens eines islamischen Gesichtsschleiers in einem Notariat ist nicht diskriminierend

RICHARDHALWAX
§ § 12 Abs 13, 17 Abs 1, 19, 20 GlBG

Das Tragen des islamischen Gesichtsschleiers am Arbeitsplatz verhindert die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung einer Notariatsangestellten, weil er die notwendige Kommunikation und Interaktion mit Parteien, Klienten, Mitarbeitern sowie mit dem Arbeitgeber selbst beeinträchtigt und erschwert. Die Nichtverschleierung des Gesichts ist aufgrund der Art der beruflichen Tätigkeit einer Notariatsangestellten und der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung.

SACHVERHALT

Die Kl war beim Bekl, einem öffentlichen Notar, vom 12.1.2009 bis zum 15.7.2014 als Angestellte beschäftigt.

Der Bekl wusste über das islamische Glaubensbekenntnis der Kl seit Beginn des Arbeitsverhältnisses Bescheid, tolerierte es und räumte ihr von Beginn an die Möglichkeit ein, in einem separaten Raum ungestört Gebete zu verrichten.

Im Februar 2010 ersuchte die Kl den Bekl, während der Arbeit auch das islamische Kopftuch tragen zu dürfen, was dieser zunächst ablehnte. Dessen ungeachtet entschied sich die Kl im Oktober 2010, dennoch das Kopftuch während der Arbeitszeit zu tragen. Der Bekl akzeptierte dies schließlich; bis zum 3.10.2011 änderte sich durch das Tragen des islamischen Kopftuchs auch nichts an der Häufigkeit des Klientenkontakts der Kl.

Nach ihrem Mutterschutz ab 18.5.2012 bis 21.3.2013 befand sich die Kl in Karenz, arbeitete aber weiter geringfügig für den Bekl. Während dieser Zeit wurde die Kl nicht als Testamentszeugin eingesetzt und hatte auch keinen Klientenkontakt aufgrund ihrer geringfügigen und wechselnden Arbeitszeit sowie des Umstands, dass sie in einem separaten Zimmer saß.

Nach dem Ende der Karenz ab 22.3. bis 30.7.2013 wurden die Einschränkungen der Kundenkontakte und des Einsatzes der Kl als Testamentszeugin vom Bekl mit ihrem äußeren Erscheinungsbild begründet.

Ab 31.7.2013 befand sich die Kl im Krankenstand. In dieser Zeit entschied sie sich, künftig auch den islamischen Gesichtsschleier zu tragen.

Während der Bekl das Tragen des islamischen Kopftuchs und auch der Abaya (islamisches Übergewand) während der Arbeitszeit letztlich akzeptiert hat, trat er der Absicht der Kl, in Hinkunft einen islamischen Gesichtsschleier zu tragen, entschieden entgegen. In seinem E-Mail vom 24.3.2014 und in einem weiteren E-Mail vom 4.4.2014 verwendete der Bekl dabei die Bemerkungen „das Dauerexperiment ethnischer Kleidung“ und „Vermummung“.

Da die Kl nicht auf das islamische Kopftuch verzichten wollte, sprach der Bekl die Kündigung aus. Mit der am 31.7.2014 eingebrachten Klage forderte die Kl immateriellen Schadenersatz von € 7.000,-.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es erachtete das Verfahren als ergänzungsbedürftig, weil Feststellungen darüber fehlten, welche Wirkungen die diskriminierenden Maßnahmen des Bekl auf die Kl nach der Karenz gehabt hätten, darüber hinaus bedürfe es einer Aufschlüsselung des immateriellen Schadenersatzes.

Der OGH gab den Rekursen beider Parteien teilweise Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und entschied mangels Notwendigkeit ergänzender Feststellungen in Anwendung des § 519 Abs 2 Z 3 ZPO in der Sache selbst. Der Kl wurde ein immaterieller Schadenersatz von € 1.200,- zugesprochen, das Mehrbegehren abgewiesen.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„I. Zur Frage der Diskriminierung der Klägerin bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

[…] 3.1 Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten kommt es nicht darauf an, ob das Tragen eines Gesichtsschleiers in konkreten Religionsvorschriften des Islam (vgl dazu kritisch Souissi, Das muslimische Kopftuch im Lichte der EMRK, 12 f) eine ausreichende Grundlage hat (EGMRBsw 48420/10, Eweida ua, Rn 82 mwN = NJW 2014, 1935 [1938]). Maßgeblich ist vielmehr, dass (auch) das Tragen des Gesichtsschleiers als Ausdruck religiöser Gebräuche und als Ausdruck einer ernsthaften Gewissensentscheidung unter dem Schutz des Art 9 EMRK steht, weil es sich dabei um die tatsächliche Übung eines bestimmten Glaubens oder eines Bekenntnisses handelt. […]

3.2 Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass Benachteiligungen wegen des Tra-274gens religiöser Kleidungsstücke nicht als mittelbare, sondern als unmittelbare Diskriminierung (§ 19 Abs 1 GlBG) aufgrund der Religion anzusehen sind, weil religiöse Kleidungsstücke gerade keine neutralen Unterscheidungskriterien (§ 19 Abs 2 GlBG) darstellen, ist zutreffend. […]

4.1.2 Da die Nichtdiskriminierung aufgrund der Religion ein grundlegendes Prinzip des Unionsrechts darstellt (vgl Art 21 GRC, Art 10 AEUV), ist davon auszugehen, dass eine Ungleichbehandlung – in den Grenzen des Art 4 Abs 1 RL 2000/78/EG bzw § 20 Abs 1 GlBG – nur unter besonderen Umständen als zulässig angesehen werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn ein bestimmtes Merkmal eine spezifische berufliche Anforderung für eine bestimmte Tätigkeit darstellt (arg ‚aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit‘; RV 307 BlgNR 22. GP 16). Diese Anforderungen sind eng zu verstehen (Windisch-Graetz in

Rebhahn
, GlBG § 20 Rz 3), sodass nur solche beruflichen Anforderungen abgedeckt sind, die für die Ausführung der betreffenden Tätigkeit wesentlich und entscheidend sind. […]

4.2.2 Der EGMR hat in seinem durch die Große Kammer gefällten Urteil vom 1.7.2014, Bsw 43835/11, SAS/Frankreich(NJW 2014, 2925), in dem es um ein allgemeines gesetzliches Verbot, den Gesichtsschleier in der Öffentlichkeit in Frankreich zu tragen, ging, dem Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum zuerkannt (NJW 2014, 2929, Rn 129), solange er nur den Kern von Art 9 EMRK achtet.

4.2.3 Die – auch hier vom Beklagten geltend gemachte – Frage der Möglichkeit der Identifizierung einer Person sei aber laut EGMR nicht geeignet, ein allgemeines Verbot des Tragens des Gesichtsschleiers zu rechtfertigen, weil das Ziel der Identitätsfeststellung auch durch die einfache Verpflichtung, sich bei Bedarf zu identifizieren, erreicht werden könne (NJW 2014, 2930 f, Rn 139). Der Gerichtshof bejaht aber die Berechtigung dieses Verbots aus Gründen der gesamtgesellschaftlichen Kommunikation. Es gehöre zweifellos zu den Aufgaben eines Staates, die Voraussetzungen für das Zusammenleben der Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit zu garantieren, sodass das Verbot des Tragens eines Gesichtsschleiers gerechtfertigt sei, um zwischenmenschliche Beziehungen zu ermöglichen, die nicht durch die Verschleierung des Gesichts beeinträchtigt werden (NJW 2014, 2931, Rn 141, 142). […]

4.2.4 Überträgt man diese grundrechtlichen Wertungen des EGMR auf das hier zu beurteilende Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin, so ist zwar festzuhalten, dass es ein allgemeines Verbot, einen islamischen Gesichtsschleier in der Öffentlichkeit zu tragen, in Österreich nicht gibt. Allerdings zählt es auch in Österreich zu den unbestrittenen Grundregeln zwischenmenschlicher Kommunikation, das Gesicht unverhüllt zu lassen (13 Os 83/08t; deutlich etwa auch Schmoller, Gesichtsverschleierung im Strafprozess, in GS Mayer-Maly 439 [459]: ‚Das Tragen einer Burka bzw eines Niqab etc im heutigen Europa beeinträchtigt generell jede Kommunikation zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen, die für ein beiderseits erfreuliches Zusammenleben so hilfreich wäre.‘). […]

4.2.5 Der islamische Gesichtsschleier (Niqab) bedeckt – anders als das islamische Kopftuch (Hijab) – auch das Gesicht der Frau, lediglich ihre Augen sind noch zu sehen (vgl dazu Souissi, Das muslimische Kopftuch im Lichte der EMRK, 10 ff). Die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Kommunikation und Interaktion besteht nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch an einem Arbeitsplatz mit Kontakt zu Kunden, Mitarbeitern und zum Arbeitgeber (Bauer/Krieger, AGG4 § 3, 104 mwH). […] Die Nichtverschleierung des Gesichts ist damit aufgrund der Art der beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Notariatsangestellte und der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung. […]

4.2.7 Mit seiner Weisung an die Klägerin, dass bei der Arbeit kein Gesichtsschleier getragen werden dürfe, verfolgte der Beklagte auch ein legitimes Ziel iSd § 20 Abs 1 GlBG, weil er als Arbeitgeber die Erfüllung der von der Klägerin geschuldeten Arbeitsleistungen sicherstellen darf. Daran änderte auch das Kompromissangebot der Klägerin, den Gesichtsschleier jeweils bei Klientenkontakt abzunehmen, nichts. Denn dies betrifft nur einen Teil der von ihr geschuldeten Arbeitstätigkeiten. Das Erfordernis einer unbeeinträchtigten Kommunikation und Interaktion ist aber insgesamt für alle Tätigkeiten der Klägerin erforderlich, und zwar nicht nur in Bezug auf den Klientenkontakt, sondern auch in Bezug auf den Kontakt zu den Arbeitskollegen und zum Beklagten. Dazu kommt, dass das laufende Auf- und Abnehmen des Gesichtsschleiers die Abläufe am Arbeitsplatz stören würde und auch der gebotenen Konzentration nicht förderlich wäre.

4.2.8 Die Anforderung des Beklagten, am Arbeitsplatz im Notariat keinen islamischen Gesichtsschleier zu tragen, verletzt auch nicht die von § 20 Abs 1 GlBG geforderte Angemessenheit, weil der angestrebte Zweck – die unbeeinträchtigte Ermöglichung der für die Durchführung der vertraglich vereinbarten Arbeitstätigkeiten der Klägerin erforderlichen Kommunikation und Interaktion – nur durch dieses Verbot erreicht werden kann.

4.3 Das Berufungsgericht ist daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die wegen der Weigerung der Klägerin, sich nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenstand an die Weisung des Beklagten halten zu wollen, ausgesprochene Kündigung keine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion darstellt, weil die von der Kündigung wegen Beharrens auf dem angekündigten Tragen eines islamischen Gesichtsschleiers grundsätzlich aus-275gehende unmittelbare Benachteiligung der Klägerin wegen der Religion unter die Ausnahmebestimmung des § 20 Abs 1 GlBG fällt.

II. Zur Frage der Diskriminierung der Klägerin bei den sonstigen Arbeitsbedingungen:

[…]

5. Dass es sich bei der Betrauung mit Tätigkeiten im Klientenkontakt und als Testamentszeuge um bei Notariatsangestellten beliebte abwechslungsreiche Tätigkeiten im Notariat handelt, ist hier ebenso wenig strittig wie der Umstand, dass die Einschränkung einer Mitarbeiterin in diesem Bereich als Benachteiligung und Zurücksetzung gegenüber den anderen Mitarbeitern empfunden wird. Nach der Lage des Falls ist daher von einer unmittelbaren Benachteiligung der Klägerin bei den sonstigen Arbeitsbedingungen aufgrund der Religion – vorbehaltlich der auch hier gebotenen Prüfung des Vorliegens eines Ausnahmetatbestands iSd § 20 GlBG – auszugehen. Dass die Religion (religiöse Bekleidung) für die Benachteiligung der Klägerin bei den sonstigen Arbeitsbedingungen nur mitursächlich war, steht der Bejahung des vom GlBG geforderten Zusammenhangs nicht entgegen (8 ObA 8/09y; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 8; § 21 Rz 9).

6.1 Auch im vorliegenden Zusammenhang ist zunächst zu prüfen, ob das vom Beklagten für den uneingeschränkten Klientenkontakt und für die uneingeschränkte Betrauung als Testamentszeugin vorausgesetzte Nichttragen des islamischen Kopftuchs und der Abaya aufgrund der Art der Berufstätigkeit der Klägerin als Notariatsangestellte oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung iSd § 20 Abs 1 GlBG darstellt. […]

6.1.1 Richtig ist, dass der Notar in seiner Amtsführung unabhängig und unparteilich zu sein hat (Wagner/Knechtel, NO6 § 7 Rz 1; 9 Ob 30/07p, RIS-Justiz RS0112237). Zu diesem Zweck enthält § 7 NO auch eine weitgehende Inkompatibilitätsbestimmung und sieht Einschränkungen für Nebentätigkeiten des Notars vor (näher dazu Wagner/Knechtel, NO6 § 7 Rz 6 ff), die sich allerdings nicht an die Klägerin als Notariatsangestellte, sondern an den Beklagten als Notar richten. […]

6.2. Gemäß § 20 Abs 2 GlBG, auf den sich der Beklagte auch beruft und der Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG umsetzt, liegt – soweit hier relevant – eine Diskriminierung aufgrund der Religion in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen oder anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, nicht vor, wenn die Religion dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. […]

6.2.1 […] Maßgebend ist nach § 20 Abs 2 GlBG nicht irgendein Ethos, sondern nur ein Ethos, der auf religiösen Grundsätzen fußt (Windisch-Graetz in

Rebhahn
, GlBG § 20 Rz 11). Dieser ist bei einem Notariat, nicht zuletzt auch aufgrund der vom Beklagten immer wieder betonten Neutralität und Abgrenzung von der Religion, nicht einschlägig. […]

7. Das Berufungsgericht ist daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin nach ihrer Karenz […] einer unmittelbaren Diskriminierung wegen der Religion bei den sonstigen Arbeitsbedingungen gemäß § 17 Abs 1 Z 6 GlBG ausgesetzt war, weil sie wegen des Tragens des islamischen Kopftuchs und der Abaya im Vergleich mit anderen Arbeitnehmerinnen vom Beklagten im Klientenkontakt und bei der Ausübung der Tätigkeit als Testamentszeugin zurückgesetzt wurde. […]

III. Zur Frage der Diskriminierung der Klägerin infolge der E-Mails des Beklagten vom 24.3. und 4.4.2014:

1. Die Klägerin brachte im Verfahren erster Instanz vor, auch durch die in diesen beiden E-Mails enthaltenen Bemerkungen des Beklagten wie ‚das Dauerexperiment ethnischer Kleidung‘ und ‚Vermummung‘ diskriminiert worden zu sein, selbst wenn es sachlich gerechtfertigt gewesen wäre, den Gesichtsschleier zu verbieten. […]

4.1 Das Berufungsgericht – und nun auch die Klägerin – übergehen allerdings bei ihren diesbezüglichen Überlegungen, dass sich die Klägerin in erster Instanz im Zusammenhang mit den E-Mails des Beklagten vom 24.3. und 4.4.2014 nicht auf den Tatbestand der Belästigung nach § 21 GlBG gestützt hat, sondern nur Diskriminierungen nach § 17 Abs 1 Z 6 und 7 GlBG geltend gemacht hat. Sie hatte daher auch keinen Grund, ein besonderes Vorbringen zu einem durch Belästigung beeinträchtigten Umfeld iSd § 21 Abs 2 Z 3 GlBG zu erstatten.

4.2 Auch wenn sich die Klägerin nicht auch noch auf eine Belästigung wegen der Religion stützte, sind die abfälligen Bemerkungen des Beklagten in den beiden E-Mails über die religiöse Bekleidung der Klägerin nicht zu vernachlässigen. […] Der Ausdruck ‚Dauerexperiment‘ machte sich über die religiöse Überzeugung der Klägerin lustig. Auch wenn hier von ‚ethnischer‘ Kleidung die Rede ist, ist klar, dass es dem Beklagten nicht um die ethnische Zugehörigkeit der Klägerin, sondern um deren religiöse Kleidung (Religion) ging. Dass der Ausdruck ‚Vermummung‘ gegenüber einer Muslima im vorliegenden Zusammenhang negativ besetzt ist, bedarf keiner besonderen Erörterung. […]

IV. Zur Aufschlüsselung des Klagebegehrens:

1. Das Berufungsgericht hat das Verfahren als ergänzungsbedürftig angesehen, weil von der Klägerin im konkreten Fall unterschiedliche Diskriminierungstatbestände behauptet worden seien, sodass diesbezüglich eine Aufschlüsselung des Klagebegehrens erforderlich sei. […]

3. […] In den §§ 12 Abs 13, 26 Abs 13 GlBG wird klargestellt, dass auf eine allfällige Mehrfachdis-276kriminierung – darunter wird die Diskriminierung einer Person aufgrund eines Sachverhalts aber aufgrund mehrerer Diskriminierungsgründe (zB Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit) verstanden (RV BlgNR 23. GP 7) – bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung Bedacht zu nehmen ist. Damit ist aber auch klargestellt, dass in diesem Fall die Ansprüche nicht kumulativ nebeneinander bestehen (RV 415 BlgNR 23. GP 7; Windisch-Graetz, Probleme der Mehrfachdiskriminierung in der Arbeitswelt, DRdA 2005, 238 [242 f]).

Wird nun wie im vorliegenden Fall von der Klägerin […] im Ergebnis also eine mehrmalige Diskriminierung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht, so kann die diskriminierte Person schon aufgrund der gesonderten Rechtsfolgenanordnungen im GlBG die einzelnen Ansprüche auch gesondert geltend machen. Sie wird aber bei der Diskriminierung aus demselben Grund (hier: Religion) und soweit es jeweils nur um die Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung in verschiedenen Situationen geht, ohne Überspannung der Anforderungen dazu häufig gar nicht oder nur sehr schwer in der Lage sein […]. Der vom Berufungsgericht verlangten Aufschlüsselung des Klagebegehrens bedarf es daher nach Lage des vorliegenden Falls nicht.“

ERLÄUTERUNG

Der OGH befasste sich in der gegenständlichen E erstmals mit einer Diskriminierung im Arbeitsverhältnis aufgrund religiöser Bekleidung.

Der Einwand des Bekl, die Einschränkungen der Kl insb betreffend Kundenkontakt wären gar nicht wegen ihrer Religion erfolgt, sondern ausschließlich wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes, wurde vom OGH als nicht geeignet angesehen, eine Diskriminierung zu verneinen. Der OGH geht vielmehr – unter Verweis auf den weiten Religionsbegriff des Art 9 EMRK – davon aus, dass das Vorliegen einer individuellen Weisung, die eine Benachteiligung wegen Tragens religiöser Bekleidung beinhaltet, grundsätzlich eine unmittelbare Diskriminierung darstellt.

Durch die Qualifizierung als unmittelbare Diskriminierung mussten in weiterer Folge die Ausnahmetatbestände des § 20 GlBG geprüft werden.

Durch die Gesichtsverschleierung wird die gesellschaftliche Kommunikation beeinträchtigt, und zwar nicht nur gegenüber Kunden, sondern auch gegenüber AG und Klienten. Eine unbeeinträchtigte Kommunikation und Interaktion sieht der OGH aber als wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung an, um die Tätigkeit als Notariatsangestellte ausüben zu können. Die Weisung der Nichtverschleierung erfüllte daher das legitime Ziel, die geschuldeten Arbeitsleistungen der Kl sicherzustellen. Es liegt somit keine Beendigungsdiskriminierung vor.

Es fiel dem OGH weiters auf, dass die Kl ihre Ansprüche nur auf § 17 Abs 1 Z 6 und 7 GlBG gestützt hat, weshalb die Prüfung einer Diskriminierung gem § 21 GlBG (Belästigung) unterbleiben und der Inhalt der E-Mails des Bekl nur das Motiv der Beendigungsdiskriminierung bestärken konnte. Hätte die Kl ihre Ansprüche auch auf § 21 GlBG gestützt, wäre die vom Berufungsgericht geforderte Ergänzung der Feststellungen im Hinblick auf das „Umfeld“ gerechtfertigt gewesen.

Hingegen befand der OGH, dass der Ausnahmetatbestand des § 20 Abs 1 GlBG hinsichtlich des Tragens des islamischen Kopftuchs und des mantelartigen Übergewands im konkreten Fall nicht greift, weil sich daraus kein Hinweis auf eine Gefährdung der Unparteilichkeit des Bekl ergibt und daher auch keine Rechtfertigung erkennbar war. Vielmehr wurde der Kl zugestanden, dass ihr aufgrund der einschränkenden Zuteilung von Tätigkeiten eine Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen widerfahren ist.

Auf ein Verschulden kommt es bei den Diskriminierungstatbeständen des § 20 GlBG zwar nicht an, die durch die E-Mails offenkundig gewordene Absicht des Bekl, die Tätigkeiten der Kl einzuschränken, war aber bei der Bemessung des Schadenersatzes zu berücksichtigen. Da die Kl zwar einige Monate, aber nur in Bezug auf einen kleinen Teil ihrer Aufgaben von der Einschränkung ihrer Tätigkeiten betroffen war, sowie unter Berücksichtigung der präventiven Funktion der Entschädigung wurde der Kl ein immaterieller Schadenersatz von € 1.200,- zugesprochen.

Von der grundsätzlich vorhandenen Notwendigkeit einer Aufschlüsselung des begehrten Schadenersatzes hat der OGH entgegen der vom Berufungsgericht erhobenen Forderung nach ergänzenden Feststellungen Abstand genommen. Bei Mehrfachdiskriminierung können die einzelnen Ansprüche allein schon aufgrund der gesonderten Rechtsfolgenanordnung im GlBG (siehe Gesetzesmaterialien zu § 12 Abs 13 GlBG) auch gesondert geltend gemacht werden. Dies ist aber insb bei mehrmaliger Diskriminierung aus demselben Grund meist schwer bis gar nicht möglich, weshalb laut OGH bei gleichgelagerten Fällen eine Aufschlüsselung des Klagebegehrens zugunsten einer pauschalen Bemessung entfallen kann. Derartige Ausnahmen gesteht die Rsp bereits in jenen Fällen zu, in denen die Angabe sämtlicher Teilpositionen zu einer Überspannung des Präzisierungsgebots führen würde.277