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Rechtsberater im Asylverfahren als freie Dienstnehmer

GEORGGASTEIGER

Das Bundesministerium für Inneres (BMI) bediente sich zur Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Rechtsberatung im Asylverfahren eines Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit (Bekl). Bei diesem war der Kl von 1.5.2004 bis 31.1.2012 als Rechtsberater im Rahmen mehrerer befristeter „freier Dienstverträge“ beschäftigt. Es wurde ein beidseitiges Kündigungsrecht von zwei Monaten zum Monatsende vereinbart.

Räumlichkeiten und Betriebsmittel wurden im Wesentlichen vom Bundesasylamt zur Verfügung gestellt. Der Kl konnte zwar im Vormonat durch Eintrag in den Dienstplan das Ausmaß und die Lage der Arbeitszeit beeinflussen, die konkrete Einteilung erfolgte jedoch durch das Steuerungsbüro. Urlaube (unbezahlt) oder sonstige längere Abwesenheiten mussten lediglich gemeldet werden, waren jedoch – entgegen der Bestimmung im freien Dienstvertrag – ohne disziplinäre Konsequenzen möglich. Es bestand keine Pflicht, zusätzliche Dienste zu übernehmen und auch kurzfristige (zB krankheitsbedingte) Abwesenheiten blieben ohne Konsequenzen, wenngleich sowohl Kl als auch Bekl regelmäßig Ersatz organisieren konnten. Eine Vertretungsmöglichkeit war vereinbart, wurde vom Kl jedoch nicht gelebt. Ein Tätigkeitsprotokoll war zu übermitteln, Kleidungsvorschriften oder inhaltliche Weisungen wurden jedoch nicht erteilt.

Im Jahr 2011 gab die Bekl in Folge einer Neuvergabe des Auftrages die Rechtsberatung im Asylverfahren auf und kündigte den Kl zum 31.1.2012. Das BMI und die Kl sprachen nachfolgende Eventualkündigungen aus.

Der Kl begehrte die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses mit dem Argument, es liege ein echtes Dienstverhältnis vor und stütze sich dabei ua auf § 45a Abs 5 AMFG, die Kündigungsbeschränkungen des VBG sowie das Vorliegen eines Betriebsübergangs gem § 3 AVRAG.

Der OGH verneinte abweichend von den Vorinstanzen das Vorliegen eines echten Dienstverhältnisses und stellte das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Entscheidend für einen echten Arbeitsvertrag sei, ob bei einer Gesamtbetrachtung nach der Methodik des beweglichen Systems die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen.

Ein wesentlicher Aspekt, der im vorliegenden Fall gegen einen echten Arbeitsvertrag spricht, ist nach Ansicht des OGH, dass der Kl vorab frei entscheiden konnte, in welchem Stundenausmaß sowie an welchen Arbeitstagen er eine Tätigkeit als Rechtsberater erbringen wollte. Ein echter AN hingegen könne sich auch bei freier Arbeitszeiteinteilung nicht aussuchen, ob und in welchem Ausmaß er überhaupt im Folgemonat arbeiten möchte. Der OGH verwies darauf, dass auch längere Abwesenheitszeiten ohne disziplinäre Konsequenzen möglich waren. Die Meldepflicht habe lediglich organisatorische Gründe, um die (teilweise gesetzlich vorgeschriebene, Anm des Verfassers) kontinuierliche Rechtsberatung sicher zu stellen. Der Bekl habe faktisch nicht über die Arbeitskraft des Kl wie bei einem echten Arbeitsvertrag verfügen können.

Dass die Parteien das Vertragsverhältnis so unabhängig und frei wie nur möglich gestalten wollten, zeige auch der fehlende (Rechts-)Anspruch des Kl, Dienstleistungen in einem bestimmten Ausmaß zu erbringen. Dass der Kl nach erfolgter Einteilung im Wochenplan grundsätzlich verpflichtet war, seine Rechtsberatertätigkeit zu verrichten, sei kein besonderes Merkmal eines echten Arbeitsvertrags, sondern letztlich Ausfluss einer jeden Vertragsgestaltung, in der sich eine Person zur Erbringung einer Leistung gegenüber einer anderen Person verpflichtet.

Der OGH verwies weiters auf die Möglichkeit, sich von einem anderen Rechtsberater vertreten zu lassen und die fehlenden Konsequenzen, wenn keine Vertretung organisiert werden konnte. Auch wenn das Vertretungsrecht tatsächlich nicht in Anspruch genommen wurde, stelle dies im vorliegenden Fall kein Indiz für ein echtes Arbeitsverhältnis dar.

Als weitere Aspekte nannte der OGH die gesetzlich vorgegebene Weisungsfreiheit, die fehlende inhaltliche Kontrolle der Arbeitszeiten sowie die fehlende Eingliederung in betriebliche Hierarchien.

Ebenfalls aus der Natur (dem Sacherfordernis) der Tätigkeit des Kl folge die Festlegung der Arbeitsorte. Die Bereitstellung von üblichen Büromöbeln und Büroarbeitsmitteln stelle kein zwingendes Kriterium für einen echten Arbeitsvertrag dar. Gleiches gelte auch für die vereinbarte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.262