Zur Genese eines ASchG – Der Kampf um das Verbot des weißen Phosphors in der Zündholzindustrie in Österreich

SABINELICHTENBERGER (WIEN)

Die Erzeugung von Zündhölzern begann in Österreich in den 1830er-Jahren. Zentrum der Erzeugung war zunächst Wien, wo zahlreiche Fabriken entstanden, oftmals wurden sie auch in Heimarbeit produziert. Bis in die 1860er entwickelte sich die österreichische Zündholzindustrie auf dem Weltmarkt zu einer zu Industrie die über „2 1/2 Jahrzehnte den ersten Rang in Europa einnahm und ihre Produkte in die fernsten Länder sandte“, so etwa bis nach China lieferte.*

Für die Produktion von Zündhölzchen wurde von der österreichischen Zündholzindustrie in großen Mengen der hochgiftige weiße bzw gelbe Phosphor verwendet, der durch Einatmung und Berührung bei den ArbeiterInnen im ersten Erkrankungsstadium zu schmerzhaften Entzündungen und Eiterungen des Zahnfleisches führte. Im weiteren Verlauf der Krankheit entstanden übelriechende Geschwüre, die zur Zersetzung des Zahnfleisches, zum langsamen Zerfall des Unterkiefers und oft auch zu massiven Entstellungen des Gesichtes der Betroffenen führten. Bis im letztem Stadium der Krankheit das gesamte Knochensystem von massiven und schmerzhaften Vereiterungen betroffen war und mit dem Tod der betroffenen ArbeiterInnen endete.*

Die ersten Nekrosefälle wurden zu Beginn der 1840er-Jahre an mehreren Orten und Ländern der Zündholzproduktion, wie etwa in Italien, Frankreich, Belgien, Schweden und auch in Österreich, beobachtet. In Wien beschrieb der Primararzt des Wiedner Krankenhauses, Dr. Friedrich Wilhelm Lorinser (1817-1895), an der Zündholzarbeiterin Marie Jankovits den ersten Fall von Kiefernekrose.* Oft wurde versucht, die Erkrankung mit einem Eigenverschulden der ArbeiterInnen, etwa einem ausschweifenden Lebenswandel oder einem Fehlverhalten im Betrieb in Verbindung zu bringen. Doch schon bald konnte aufgrund von Untersuchungen nicht mehr geleugnet werden, dass die Erkrankungen nicht auf den Lebenswandel der ArbeiterInnen zurückgeführt werden konnte, sondern dass die Ursachen den ausströmenden Phosphordämpfen zugeschrieben werden mussten. Sie zeigten weiters, dass die Arbeitszimmer oft sehr niedrig und mit ArbeiterInnen überfüllten waren, dass die Zimmer zu wenig oder gar nicht gelüftet und gereinigt wurden und dass sie auch sehr häufig gezwungen waren, in diesen Räumlichkeiten mit ungewaschenen Händen ihre mitgebrachten Speisen zu sich nehmen. 1845 wurden in Wiener Spitälern 22 Fälle behandelt, 1858 75 Fälle und 1876 82 Fälle, hinzu kam noch die Zahl all jener, die nur ambulatorisch behandelt wurden.*

1.
Die ersten Maßnahmen (ab 1843)

Die erste Vorschrift betreffend des Schutzes, der bei der Erzeugung von Phosphorzündhölzern beschäftigten Arbeitspersonen vom 19.6.1843 verlangte vom Unternehmer den Nachweis eines „anstandslosen Erzeugungslokales“ und weiter hieß es lapidar, „weitere Vorsichtmaßregeln würden sich von Fall zu Fall ergeben“.* Wovon keine Rede sein konnte, denn weiterhin kamen ArbeiterInnen mit nekrotischen Zerstörungen der Kieferknochen in ärztliche Behandlung.* Ein am 7.10.1846 erlassenes Hofkanzleidekret verfügte, dass nunmehr bei der Herstellung der Zündmasse „nur kräftige Männer“, aber keine Frauen und Kinder beschäftigt sein dürfen. Sie müssten monatlich untersucht werden und schon beim geringsten Verdacht auf eine Erkrankung aus den Betrieben entfernt werden.* Dennoch hielten die österreichischen Produzenten beharrlich an der Verwendung des giftigen weißen Phosphors fest, obwohl in Schweden – seit den 1860er-Jahren – die gesundheitlich weit weniger giftigen „Sicherheitszündhölzchen“ („Schwedenhölzchen“) aus rotem Phosphor erzeugt wurden.*446

Mit ein Grund dafür war auch die Tatsache, dass für die Produktion der Phosphorhölzchen aus weißem Phosphor die Nadelhölzer der heimischen Wälder verwendet werden konnten, während für die „schwedischen Hölzchen“ das zwar minderwertigere, aber reichlicher in den schwedischen Wäldern vorhandene Espenholz (auch abgesehen von billigeren Arbeitskräften) verwendet werden konnte.*

Ein generelles Verbot wurde auch bei der am 17.1.1885 vom Ministerium für Inneres und für Handel erlassenen „Verordnung zum Schutze der bei der Erzeugung von Phosphatzündwaren beschäftigten Personen“ außer Acht erlassen. Nach dieser VO musste jede Fabrik mindestens sechs Räume haben, davon vier „den Verhältnissen des Betriebes angemessen groß und hoch, mit wirksamen Ventilationsvorrichtungen und mit leicht erreichbaren Ausgängen versehen und außer jeder Verbindung mit Wohnräumen, Küchen und Schlafstellen“.* Die Überwachung des Gesundheitszustandes der ArbeiterInnen hatten die AG dieser VO zufolge einem Arzt zu übertragen. HeimarbeiterInnen wurden in diese Maßnahme nicht einbezogen.* Die gesetzlichen Maßnahmen erwiesen sich, wie nicht anders zu erwarten, als völlig unzureichend.

2.
Die Gewerbeinspektoren (ab 1883)

Die 1883 durch Gesetz eingerichteten Gewerbeinspektoren* berichteten alljährlich von Erkrankungen an Phosphornekrose, wie etwa der der k. k. Gewerbeinspektor Friedrich Muhl über den II. Aufsichtsbezirk (Amtssitz Wiener Neustadt) im Jahr 1888. Er erwähnte etwa die Erkrankung eines Arbeiters in einer Zündholzfabrik, dem durch einen operativen Eingriff ein Teil seines linken Unterkiefers herausgenommen werden musste. Eine Wiederaufnahme seiner Beschäftigung wurde ihm seitens seines behandelnden Arztes wegen des erhöhten Risikos einer Wiedererkrankung untersagt.* In einem anderen Bericht wies der Gewerbeinspektor darauf hin, wie schwierig es sei, die Ursachen und Folgen der Krankheit zu bekämpfen. Es läge daran, dass die ArbeiterInnen aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und des Verdienstes so lange als möglich die Krankheit verbergen würden, die Gewerbeinhaber aus Angst vor möglichen Kontrollen oder finanziellen Einbußen Erkrankungen von ArbeiterInnen möglichst nicht zur Sprache bringen wollen.* In weiteren Berichten wird vor allem auch die Nichteinhaltung der regelmäßigen medizinischen Untersuchungen kritisiert, die laut Ministerial-VO vom 17.1.1885 verpflichtet gewesen ist, aber auch die mangelhafte Arbeitskleidung, und wieder das Fehlen an entsprechenden Belüftungen, Waschvorrichtungen sowie von Pausen- und Aufenthaltsräumen für die ArbeiterInnen.* Obwohl im Laufe der Jahre viele hundert ZündholzarbeiterInnen Opfer dieser grauenvollen Krankheit wurden – Proteste gab es gegen die Arbeitsbedingungen in der Zündholzindustrie, etwa in Frankreich und in Großbritannien (match girl´s strike, 1888) – und letztlich daran zugrunde gingen, schob die Monarchie das Verbot der Verwendung des weißen Phosphors, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen immer wieder hinaus. Dies auch, obwohl bereits in einer Reihe anderer Staaten, so etwa in Finnland (seit 1874), in Dänemark (seit 1875), in den Niederlanden (seit 1.7.1901) und in Deutschland (seit 1.1.1907) die Verwendung des weißen Phosphors für die Zündholzproduktion verboten war.* Dennoch gab es auch seitens der einzelnen Unternehmer Überlegungen, dem Inlandsverbot der Zündholzproduktion unter Verwendung des Weißphosphors zuzustimmen; mit ein Grund dafür war die hohe Zahl der Phosphorvergiftungen – oft verwendeten Mädchen und Frauen die Zündhölzchen zu Abortuszwecken, oft wurden sie aber auch zum Selbstmord verwendet – allerdings nicht die Produktion für den Export.*

3.
Ludwig Telekys Untersuchungen der Ursachen und Verbreitung der Phosphornekrose

Ludwig Teleky, Arzt im Allgemeinen Krankenhaus in Wien und ab 1905 Arzt für Gewerbekrankheiten bei der genossenschaftlichen Krankenkasse, setze sich auf Anregung des Arztes und Begründers der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, Victor Adler, intensiv mit der Erforschung von Berufskrankheiten auseinander. Teleky, der auch Hausarzt von Victor Adler war, wendete für die Erforschung der Ursachen der Phosphornekrose die damals durchaus noch unübliche Form der Feldforschung an.* Mit Unterstützung des „Verbandes der Arbeiterschaft der Papier-, der chemischen und der Gummiindustrie“, seiner Schwester, Dr. Dora Brücke-Teleky, einer der ersten Ärztinnen in Wien,* und mit Hilfe des Mannes einer Erkrankten als Vertrau-447ensperson, untersuchte er, nachdem sich die Zündholzindustrie ab den 1860er-Jahren zunehmend aus Wien in Gegenden mit niedrigeren Preisen der Rohprodukte und niedrigeren Arbeitslöhnen verlagert hatte, im Zeitraum von 1896 bis 1905 in den westböhmischen Orten um Schüttenhofen (heute: Sušice) und der steirischen Zündholzindustrie um Deutschlandsberg ArbeiterInnen und ihre Arbeits- und Wohnstätten. Ziel war es, Krankengeschichten zu erheben und Fotoaufnahmen zu machen; er verschickte zudem auch Fragebögen an die Spitäler, die sich in der Nähe von Zündholzfabriken befanden.* Auch er stellte bald fest, dass die gewerbehygienischen Auflagen des Jahres 1885 in den seltensten Fällen befolgt wurden.*

Mit seiner Studie über die Phosphornekrose und ihre Verbreitung in Österreich (1907), deren wichtigste Erkenntnis war, dass das einzige Mittel zur Verhütung der Phosphornekrose das Verbot des Weißphosphors sein konnte, trug er wesentlich zur Einführung dieses Verbotes in Österreich bei. Aus dieser Erkenntnis heraus unterstützte Teleky auch die diesbezüglichen gewerkschaftlichen Bestrebungen und arbeitete daher auch mit dem „Verband der Arbeiter der Papier-, chemischen und Gummiindustrie Österreichs“ und der „Reichsgewerkschaftskommission“ zusammen.* Er fand in Anton Schrammel, Mitglied des Fortbildungs- und Unterstützungsvereines der Drechsler Wiens, ab 1890 neben Anton Hueber, Obmannstellvertreter des Gehilfenausschusses der Drechsler, von 1897-1901 und 1907-1911 Reichsratsabgeordneter und ab 1907 Sekretär des „Verbandes der Arbeiterschaft der chemischen und der Papierindustrie“ einen tatkräftigen Mitkämpfer im Kampf um das Verbot der Verwendung des weißen Phosphors in der Zündholzindustrie.*

Ab den 1870er-Jahren kam es in der österreichischen Zündholzindustrie durch die staatliche Monopolisierung des Verkaufes von Zündhölzern in wichtigen Absatzländern, wie etwa in Russland, Italien und Frankreich zu Exporteinbußen, aber auch die Konkurrenz der „Sicherheitszündhölzchen“ machte sich zunehmend bemerkbar. Die Unternehmenskonzentration der sechs österreichischen Zündholzfabriken zur Aktiengesellschaft „Solo“ ab 1903 trug zum Umdenken der bisherigen GegnerInnen des Verbotes des Weißphosphors bei. Einerseits sah man in der Monopolisierung des Zündholzverkaufens, wie zB in Italien und Frankreich, die Möglichkeit für zusätzliche Staatseinnahmen, es wurde aber auch zunehmend klar, dass das drohende Verarbeitungsverbot Auswirkungen vor allem auf die kleinen, ländlichen Betriebe haben würde, wofür man seitens des Staates finanzielle Unterstützungsmaßnahmen für die eventuelle Modernisierungsmaßnahmen einfordern wollte.*

4.
Forderung nach Verbot

Ebenfalls 1903 hat der „Verband der Arbeiterschaft der Papier-, der chemischen und Gummiindustrie Oesterreichs“ einen ersten Gesetzesentwurf betreffend Phosphorzündwaren vorgelegt und die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses um Einbringung dieses Gesetzesentwurfes ersucht.* In dem „Motivenbericht“ für diesen Gesetzesentwurf wird vor allem auf die Ergebnisse der Gewerbeinspektoren der Jahre 1883-1901 verwiesen und als die wichtigsten Argumente werden angeführt, dass die ArbeiterInnen vor dem Dienst antritt nicht ärztlich untersucht werden, dass die bei dem sogenannten Massekochen, Tunken und Trocknen beschäftigen ArbeiterInnen nicht oft genug gewechselt werden, dass die für diese Arbeiten und für das Ausnehmen vorgeschriebene Arbeitskleidung nicht benützt wird und die Arbeitsräume nicht regelmäßig gereinigt werden.*

Mit dem Eintreten der „Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz“, einer Vorläuferorganisation der ILO, der internationalen Arbeitsorganisation (IAO), die 1901 gegründet wurde, bekamen die Forderungen nach dem Verbot der Verwendung des weißen Phosphors in der Zündwarenindustrie einen weiteren starken Antrieb. Die „Internationale Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz“ hat im Jahr 1903 an den Schweizer Bundesrat die Bitte gerichtet, er möge die Initiative für eine internationale Konferenz ergreifen. Diese Konferenz tagte vom 8. bis 17. Mai 1905 in Bern.* Ergebnis dieser Konferenz war der prinzipielle Beschluss, dass das Weißphosphorverbot voranzutreiben sei, allerdings unter der Voraussetzung, dass auch der „Hauptkonkurrent“ Japan, wo die leichte und billige Beschaffung des Holzes, die niedrigen Arbeitslöhne und die ausgedehnte Kinderarbeit eine billige Produktion ermöglichten, dieses Verbot erlassen würde. Da sich Japan dazu allerdings nicht bereit erklärte, traten dem völkerrechtlichen „Übereinkommen zur Unterdrückung der Verwendung von Weißphosphor bei der Streichholzfabrikation“ in Bern nur jene Staaten bei, in denen das Verbot der Verwendung des weißen Phosphors bereits in Kraft war (einschließlich Italien und Luxemburg). Österreich lehnte seinen Beitritt ab.* Am 6.9.1906 richtete Victor Adler an den Handelsminister Fořt die Anfrage, warum sich Österreich diesem Verbot nicht angeschlossen hat, der diese Entscheidung wie folgt begründete: „Wichtige Interessen der heimischen Zündholzindustrie zwangen aber die österreichische Regierung, ihre Zustimmung hiezu von der Bedingung abhängig zu machen, daß448nicht dadurch eine Verschiebung in den Exportverhältnissen zum Nachteil Österreichs herbeigeführt werde.* Und weiters, dass „... die österreichische Regierung an die Erlassung eines absoluten Phosphorverbotes nicht denken könne, wenn sie nicht einen ganzen Industriezweig, in dem nahezu 5000 Arbeiter beschäftigt sind, in seinem vitalsten Interesse empfindlich treffen wolle“.*

Die österreichische Regierung stellte allerdings eine VO in Aussicht, der zufolge strengere Kontrollen und Maßnahmen durchzuführen wären, um die Erkrankungen an Phosphornekrose in Zukunft so weit wie möglich zu vermeiden. Die Entwürfe dieser Vorschriften, einerseits ein Gesetzesentwurf, der die Konzessionspflicht der Unternehmungen und das Verbot der Heimarbeit in der Zündwarenindustrie vorsah, dann der Entwurf einer VO, wonach die Betriebsvorschriften über jene Vorschriften der VO vom 17.1.1885 hinausgehen sollten, wurden ua den Handels- und Gewerbekammern, den politischen Landesstellen und den industriellen Verbänden zur Begutachtung vorgelegt. Dieser Verordnungsentwurf wurde allerdings seitens der Befürworter des Verbotes des weißen Phosphors, wie etwa dem vom Obersten Sanitätsrat, dem Arbeitsbeirat und der Unfallverhütungskommission, als vollkommen ungenügend betrachtet.* Auch sahen nur in dem Verbot des weißen Phosphors die „einzig richtige und zweckmäßige“ Maßnahme, wie auch in der vom „Verband der Arbeiterschaft der chemischen Industrie Oesterreichs“ und der „Oesterreichischen Gesellschaft für Arbeiterschutz“ formulierten „Denkschrift der Oesterreichischen Gesellschaft für Arbeiterschutz und des Verbandes der Arbeiterschaft der chemischen Industrie über die Notwendigkeit des Weißphosphorverbotes in Oesterreich“ festgestellt wurde.*

5.
Bemühungen um ein Verbot der Verwendung des weißen Phosphors

In der 89. Sitzung des Abgeordnetenhauses am 17.6.1908 stellten die sozialdemokratischen Abgeordneten Dr. Adler, Schrammel, Cerný und Genossen den Dringlichkeitsantrag, ein Verbot der Verwendung des weißen Phosphors zur Erzeugung von Zündhölzchen zu erlassen und der Berner Konvention noch vor Ablauf der für ihre Ratifizierung festgesetzten Frist (31.12.1908) beizutreten.* In der Rede bei dieser Sitzung zum „Verbot des giftigen Phosphors“ schildert Victor Adler die fürchterlichen Schmerzen, das Elend und das Leid, das der weiße Phosphor bei den ArbeiterInnen in den Fabriken ausgelöst hat und versuchte sie so zu überzeugen, ihre Zustimmung für das Verbot der Verwendung des weißen (gelben) Phosphors für die Zündholzproduktion zu geben und so zu diesem „... kleinen Schritt für eine kleine Gruppe des Proletariats“ beizutragen.*

Am 7.7.1908 stimmte das Abgeordnetenhaus dem Dringlichkeitsantrag, der die Erlassung eines Weißphosphorverbotes verlangte, zu. In der vorangegangenen Debatte zeigte sich klar, dass von unternehmerischer Seite das Phosphorverbot zwar nicht mehr in Frage gestellt wurde, man aber zumindest „Schadensbegrenzung“ erreichen wollte. So etwa meinte der Abgeordnete Dr. Freiherr von Battaglia: „Wir müssen daher als sicher annehmen, daß die sozialpolitische Maßregel, als welche sich das Verbot, von humanitären und kulturellen Standpunkt diktiert, darstellt, auch gewisse wirtschaftliche und sozialpolitische Nachteile nach sich ziehen wird. ... Wir müssen sämtliche Folgen dieser Aktion übersehen und bestrebt sein, auch ihre unwillkürlichen Nachteile zu mildern beziehungsweise zu paralysieren. ... Allein bin ich der Ansicht, daß der Staat verpflichtet ist, soweit es nur möglich ist, die nachteiligen Reflexwirkungen seiner Verbote zu mildern und zu paralysieren“.* In der Sitzung am 19.12.1908 erteilte das Abgeordnetenhaus schließlich dem von den Abgeordneten Schrammel, Dr. Adler, Remes und Genossen beantragten Gesetzesentwurfes seine Zustimmung. Der Gesetzesentwurf des Genossen Schrammel wurde am 26.3.1909 vom Abgeordnetenhaus angenommen.*

6.
Das Verbot 1909 und das Inkrafttreten 1912

Mit dem Gesetz vom 13.7.1909 betreffend die Herstellung von Zündhölzchen ua Zündwaren wurde endlich die Verwendung des weißen Phosphors in Österreich verboten. Gleichzeitig wurden zwei damit im Zusammenhang stehende Resolutionen angenommen: In der einen wurde die Regierung aufgefordert, die Einführung des Zündhölzchenmonopols zum Gegenstand sofortiger Erhebungen zu machen und in der anderen wurde gefordert, es möge kleinen Betrieben der Übergang zu einer anderen Beschäftigung durch ausgiebige finanzielle Hilfe ermöglicht werden. Das Inkrafttreten wurde mittels einer großzügigen Übergangsfrist nochmals bis zum Jahre 1912 hinausgezögert.* In der vom Sekretär des „Verbandes der Arbeiterschaft der Chemischen Gummi- und Papierindustrie“, Anton Schrammel, 1914 herausgegebenen Broschüre „Ein Ruf nach Arbeiterschutz“ über die Berufskrankheiten der Arbeiterinnen und Arbeiter in der chemischen Industrie schreibt er über die Phosphornekrose: „Diese furchtbare Krankheit, welche nicht als Unfall, sondern als Gewerbekrankheit gilt, wird449nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen vom 13. Juli 1909, die mit 1. Jänner 1912 in Kraft getreten sind und nach welchem die Verwendung von weißem und gelben Phosphor zur Zündwarenfabrikation in Oesterreich verboten ist, mit der Zeit seltener werden ...“. Sie werde allerdings nicht rasch genug verschwinden, „... da alle unsere Forscher auf dem Gebiete der Gewerbekrankheiten darüber einig sind, daß diese furchtbare Krankheit sehr oft erst nach Jahren auftritt. Das Unmenschliche an der Sache aber ist, daß selbst die an Phosphornekrose erkrankten unglücklichen Arbeiterinnen nicht als verunglückte, sondern als kranke Menschen betrachtet werden“.*