Wachter/Reissner (Hrsg)Innsbrucker Jahrbuch zum Arbeitsrecht und Sozialrecht 2015

Linde Verlag, Wien 2016, 282 Seiten, kartoniert, € 59,–

KLARAHINGER (WIEN)

Das Innsbrucker Jahrbuch zum Arbeitsrecht und Sozialrecht 2015, herausgegeben von Univ.-Prof. i.R. Dr. Gustav Wachter und Univ.-Prof. Mag. Dr. Gert-Peter Reissner ist im Zusammenhang mit der „Innsbrucker Jahrestagung zum Arbeitsrecht und Sozialrecht“ am73 5.3.und 6.3.2015 erschienen und bearbeitet inhaltlich die Schwerpunkte der Tagung.

In diesem Werk werden aktuelle Judikatur und Fragen des Arbeits- und Sozialrechts behandelt. Einer sinnvollen thematischen Gliederung folgend beinhaltet das Buch drei Teile: Arbeitsrecht, Sozialrecht und Arbeitsrecht und Sozialrecht mit Bezug zum Unionsrecht. Jeder dieser drei Teile folgt demselben Aufbau. Zuerst wird die aktuelle Judikatur zum Thema aufgearbeitet und anschließend aktuelle Spezialprobleme behandelt. Der gleichbleibende und übersichtliche Aufbau dieses Werkes erleichtert es dem Leser, sich zurechtzufinden und motiviert dazu, sich mit den anspruchsvollen Thematiken auseinanderzusetzen.

Im arbeitsrechtlichen Teil startet der Vizepräsident des OGH, Dr. Anton Spenling, mit einem Überblick über die wesentlichen aktuellen arbeitsrechtlichen Entscheidungen des OGH. Sein in seiner Einleitung erklärtes Ziel, die wichtigsten Entwicklungen im Kollektiv- und Individualarbeitsrecht sowie bedeutsame Problemstellungen für die Praxis und kontrovers diskutierte Entscheidungen darzustellen, ist ihm gelungen. In seinem nach den Themen kollektives Arbeitsrecht, Diskriminierung, Verjährung und Verfall, AÜG, Rückersatz von Ausbildungskosten und Diverses gegliederten Beitrag findet man alle wichtigen und praxisrelevanten Entscheidungen des OGH aus dem Jahr 2014 in verständlich aufgearbeiteter Weise.

Dieser einen guten Einstieg liefernden Judikaturbesprechung von Spenling folgen vier sich mit Spezialproblemen auseinandersetzende Beiträge. Zunächst beschäftigt sich Mag. Dr. Wilhelm Wachter, LL.M., Bsc mit der Problemstellung des GmbH-Geschäftsführers als AN. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den gesellschaftsrechtlichen Grundlagen zur Organstellung, bearbeitet dann den Anstellungsvertrag und Fragen zur AN-Eigenschaft des Geschäftsführers, um in weiterer Folge die Konsequenzen und Spezialfragen zu behandeln, die sich aus der AN-Eigenschaft eines Geschäftsführers ergeben. Wachters Beitrag bietet einen guten Einstieg in die Materie, auch für Neulinge auf diesem Gebiet.

„Aktuelles zum leitenden Angestellten nach ArbVG“ ist der Titel des nachfolgenden Beitrags von Mag. Dr. Florian G. Burger. Nach einer ausgiebigen Diskussion dieser Thematik kommt er zu dem Schluss, dass im Einzelfall beurteilt werden muss, ob ein AN leitender Angestellter ist und dass die Behauptungs- und Beweispflicht diesbezüglich beim Betriebsinhaber liegt. Außerdem kommt er zu der Erkenntnis, dass der OGH für die Beurteilung der Begrifflichkeit „Führung des Betriebs“ immer noch auf die Personalentscheidungsbefugnis abstellt. Neuheiten findet er in der Judikatur des OGH in Bezug auf die Ausnahmetatbestände des § 36 Abs 2 Z 1 und 3 ArbVG, wonach ein AN auch dann im Betrieb seines AG als leitender Angestellter zu qualifizieren ist, wenn er nicht in diesem, aber in einem anderen Betrieb maßgebenden Einfluss auf dessen Führung hat.

Mag. Dr. Peter Wallnöfer, LL.M. beleuchtet in weiterer Folge die Problematik der Konkurrenzklausel. Dieser leicht zu lesende Beitrag grenzt zu Beginn den Begriff der Konkurrenzklausel ab und setzt sich dann mit Einzelproblemen, wie der Verwirkung des Anspruches aus einer Konkurrenzklausel, der Auslegung von Konkurrenzklauseln, etc auseinander. Abschließend beleuchtet er die Thematik aus europarechtlicher Sicht.

Den Abschluss im arbeitsrechtlichen Teil macht Reissner mit einer Abhandlung über die aktuellen Entwicklungen im Betriebsübergangsrecht. Anhand einschlägiger OGH- und EuGH-Judikatur, beleuchtet er den Begriff des Betriebsübergangs iSd Betriebsübergangs-RL sowie dessen Auswirkung auf die einzelnen Arbeitsverträge und den KollV.

Der sozialrechtliche Teil des Jahrbuches besteht aus zwei Beiträgen. Dem generellen Aufbau des Werkes folgend steht zu Beginn eine ausführliche Judikaturbesprechung vom jüngst verstorbenen Senatspräsidenten des OGH Dr. Friedrich Fellinger. Seine Ausführungen gliedert er übersichtlich nach KV, UV, PV, Kinderbetreuungsgeld und Unionsrecht. Die Zusammenfassungen der einschlägigen Entscheidungen bieten einen kurzen Überblick über den relevanten Sachverhalt und die Entscheidungsgründe des OGH. Diese Übersicht weckt das Interesse für die vertiefende Auseinandersetzung mit einer der behandelnden Problematiken, die entsprechende Originalentscheidung auszuheben und weitere Entscheidungsbesprechungen zu lesen.

Dr. Werner Engers setzt sich im Anschluss an Fellingers Beitrag mit der Problematik der Rückforderung sozialversicherungsrechtlicher Leistungen auseinander. Er schafft es, dieses doch etwas trockene Thema ansprechend aufzuarbeiten, sodass auch der Einstieg in diese Problematik nicht schwer fällt.

Im letzten Teil des Innsbrucker Jahrbuches zum Arbeitsrecht und Sozialrecht 2015 wird das Arbeits- und Sozialrecht mit Bezug zum Unionsrecht beleuchtet. Auch dieser Teil beginnt mit einer Judikaturanalyse. Dr. Gerhard Kohlegger setzt sich mit der aktuellen Judikatur zum europäischen Arbeits- und Sozialrecht auseinander. Er bespricht EuGH-Entscheidungen zu wichtigen arbeitsrechtlichen Thematiken, wie dem AN-Begriff, dem unionsrechtlichen Behindertenbegriff uam. Kohlegger gelingt es, einen guten Überblick über die ausführliche Judikatur des EuGH zu geben und schafft so eine Basis, von der aus man sich gut in eine vertiefende Auseinandersetzung mit den angesprochenen Problematiken stürzen kann.

Der letzte Beitrag dieses Werkes hat die Vordienstzeitenanrechnung auf dem Prüfstand des Unionsrechts zum Thema. Wachter kommt in diesem Beitrag nach einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Unionsrecht und dessen österreichischer Umsetzung im Zusammenhang mit der Vordienstzeitenanrechnung zu dem ernüchternden Schluss, dass es der österreichische Gesetzgeber bis jetzt nicht geschafft hat, das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung in Verbindung mit der Vordienstzeitenanrechnung korrekt umzusetzen. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieses Spannungsverhältnis zwischen österreichischem und europäischem Recht entwickelt.

Nach der Besprechung der einzelnen Beiträge bleibt zu bemerken, dass das Innsbrucker Jahrbuch zum Arbeitsrecht und Sozialrecht 2015 ein gut strukturiertes und übersichtliches Werk ist, welches sich inhaltlich durch exzellente Beiträge auszeichnet. Durch die Wahl der Thematiken der einzelnen Beiträge ist eine gute Abdeckung von allgemeineren und spezielleren Problemstellungen des Arbeits- und Sozialrechts gelungen. Dadurch entsteht ein rundes Werk, das zur Auseinandersetzung mit komplizierten juristischen Fragestellungen anregt und dessen qualitativ hochwertigen Fachbeiträge auch zum Nachschlagen in der juristischen Praxis geeignet sind.74