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Schadenersatzanspruch wegen falscher Angaben gegenüber der Gebietskrankenkasse

ROBERTREBHAHN/THOMASDULLINGER (WIEN)
  1. Mangels Kostenersatzpflicht führt bereits das kostenverursachende Einschreiten eines Rechtsvertreters zu einem positiven Schaden. Die Fälligkeit eines sich daraus ergebenden Schadenersatzanspruchs hängt nicht vom Ausgang des Verwaltungsverfahrens ab.

  2. § 1295 Abs 2 ABGB stützt eine Verpflichtung zum Ersatz der durch eine missbräuchliche Anzeige bei einer Behörde verursachten Schäden nur dann, wenn der Einschreiter wusste oder wenigstens wissen musste, dass sein Rechtsstandpunkt entweder der tatsächlichen Voraussetzungen entbehrt oder schon an sich unhaltbar ist, sodass sein gegenteiliger Standpunkt bei zumutbarer Aufmerksamkeit als schlechthin aussichtslos erscheinen muss oder er die Angaben gegenüber der Behörde gar überhaupt wider besseres Wissen oder mutwillig getätigt hat.

  3. Wider besseres Wissen gegenüber einer Behörde erstattete Angaben sind dann rechtswidrig, wenn sie den Rahmen eines sachdienlichen Vorbringens überschreiten (siehe dazu aber in der Anm).

  4. Ist ein Vertragsverhältnis als freier Dienstvertrag iSd § 4 Abs 4 ASVG zu qualifizieren, liegt durch wahrheitswidrige Angaben zu einem vermeintlichen „echten“ Dienstvertrag iSd § 4 Abs 2 ASVG keine rechtswidrige Täuschung, die für die durch eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) verursachten Kosten kausal ist, vor. Mangels Verschulden ist ein Schadenersatzanspruch auch zu verneinen, wenn es vertretbar war, vom Vorliegen eines freien Dienstvertrags auszugehen.

Der Kl war von Oktober 2007 bis März 2012 für die Bekl als Immobilienmakler zur Akquisition gewerblicher Immobilien- und Anlagenobjekte gegen Subprovisionen an den jeweils vereinnahmten Vermittlungsprovisionen auf Grundlage des folgenden als „Werkvertrag“ bezeichneten Vertrags tätig: [...] Die Streitteile vereinbarten kein Konkurrenzverbot für den Kl [...]. Wenn der Kl einen Auftrag für die Bekl annahm, legte diese die Rechnung an den Kunden und leitete 40 % des empfangenen Betrags an den Kl als Subprovision weiter [...]. Gemäß der Vertragsvereinbarung bestand das Entgelt des Kl ausschließlich in seiner von ihm verdienten Provision, es wurden ihm keine Aufwendungen für seine Tätigkeit ersetzt. Bei der Abrechnung der Provision zog die Bekl die Akonti jeweils ab, sodass nur jener Betrag in Rechnung gestellt und in der Folge auch ausgezahlt wurde, der über die geleisteten Akontobeträge hinausging. [...] Die vom Kl verdienten Provisionen waren während der Zusammenarbeit immer höher als die jeweiligen Akontobeträge. Während der Laufzeit des Vertrags erhielt er nie ein Entgelt, das nicht rein erfolgsabhängig war. Der Kl war in seiner Tätigkeit für die Bekl weisungsfrei, hatte keine vorgegebene Dienstzeit und benötigte für eine längere Abwesenheit nicht die Zustimmung der Bekl. Wenn er auf Urlaub ging, teilte er dies der Geschäftsführung der Bekl mit, die sich in Abwesenheit des Bekl bei Bedarf auch um seine Projekte kümmerte. Niemals wurde dem Bekl untersagt, einen Urlaub zu nehmen oder längere Zeit abwesend zu sein. [...] Dem Kl wurde im Büro der Bekl ein Schreibtisch zugewiesen.32 Wie die unselbständigen Mitarbeiter erhielt er auch eine Einschulung in das betriebsinterne EDV-System und die dazu notwendigen Informationen. In dieses Programm wurden alle relevanten Daten von Vermittlungsobjekten eingegeben, auch vom Kl. Entgegen Pkt I. des Vertrags verfügte der Kl zu Beginn des Vertragsverhältnisses noch nicht über einen Gewerbeschein, diesen erhielt er erst ab 11.6.2008. [...] Von der Bekl erhielt er Visitenkarten, die ihn als deren Mitarbeiter auswiesen.

Die Bekl löste am 19.3.2012 mit sofortiger Wirkung das Vertragsverhältnis auf. [...] Bereits kurze Zeit nach Auflösung des Vertragsverhältnisses wandte sich der Kl an die Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK) und vermittelte dort (auch um der Bekl zu schaden) mit einer schriftlichen Aufstellung bzw in seiner Einvernahme als Zeuge den Eindruck, dass er „ein Dienstnehmer der Beklagten“ gewesen sei. Er wies gegenüber der SGKK darauf hin, monatliche Zahlungen von 3.000 € erhalten zu haben, ohne näher darzulegen, dass es sich dabei um Akontobeträge handelt, die in weiterer Folge gegen erfolgsbezogene Provisionen gegenverrechnet wurden. Er behauptete weiters, dass eine regelmäßige Leistungserbringung vorausgesetzt worden sei und führte wahrheitswidrig an, es habe keine [wohl gemeint „eine“] Konkurrenzklausel gegeben. Auch weitere Angaben, er sei sachlichen und persönlichen Weisungen unterworfen und seine Anwesenheit im Büro der Bekl sei notwendig oder vorausgesetzt gewesen, entsprachen nicht der tatsächlichen Zusammenarbeit. Die Behauptungen des Kl führten zu einer [...] GPLA-Prüfung [...] mit dem Ergebnis, dass die SGKK sich den Ausführungen des Kl anschloss. Sie qualifizierte das Vertragsverhältnis bescheidmäßig nach § 4 Abs 1 und 2 ASVG. [...]

Die Bekl wandte gegen die Hauptforderung des Kl auf Subprovisionen für vermittelte Immobiliengeschäfte auch rechtsanwaltliche Kosten der vom Kl verursachten GPLA-Prüfung als Gegenforderung ein. Der Kl habe in einer Racheaktion wegen der vorzeitigen Beendigung des Werkvertrags durch bewusst unrichtige Behauptungen gegenüber der SGKK diese Prüfung verursacht, als deren Ergebnis die Prüfungsorgane unter ausschließlicher Zugrundelegung der tatsachenwidrigen Behauptungen des Kl „ein Dienstverhältnis“ des Kl zur Bekl angenommen haben. [...]

Das Erstgericht [...] vertrat in rechtlicher Hinsicht den Standpunkt, dass der Kl für die Bekl im Rahmen eines Werkvertrags tätig gewesen sei. Für die im Revisionsverfahren noch relevanten Gegenforderungen (Kosten des GPLA-Verfahrens) ging es davon aus, dass diese nicht fällig seien. Erst wenn die öffentlich-rechtlichen Verfahren abgeschlossen sind, sei zu prüfen, ob der Aufwand der Bekl in diesen Verfahren auf wissentlich falsche Angaben des Kl zurückzuführen sei. Das Berufungsgericht [...] hielt [...] fest, dass die offenen verwaltungsrechtlichen Rechtsmittelentscheidungen die Fälligkeit des Schadenersatzanspruchs nicht hinderten. Der entsprechende Kostenaufwand sei nicht vom Ergebnis und Ausgang dieser Verfahren abhängig, weil die Bekl die Kosten des Verfahrens unabhängig vom Ergebnis des Verfahrens tragen müsse. Dem Grunde nach sei der Schadenersatzanspruch berechtigt, weil sich aus den Feststellungen das Vorliegen eines Werkvertrags ergebe, zumal der Kl ausschließlich ein erfolgsbezogenes Entgelt erhalten habe. Ein vom Erfolg des Kl unabhängiges Lohnfixum sei nicht vorgelegen. Der Kl habe die GPLA-Prüfung samt den damit verbundenen Kosten durch sein bewusstes und absichtliches Vorgehen ausgelöst. [...]

Rechtliche Beurteilung

1. Die Vorinstanzen haben die Hauptforderung abschließend beurteilt. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher ausschließlich nur mehr die von der Bekl geltend gemachte Gegenforderung [...].

2. Das Berufungsgericht ist wegen der fehlenden Kostenersatzpflicht im Verwaltungsverfahren zutreffend davon ausgegangen, dass bereits das kostenverursachende Einschreiten des Rechtsvertreters zu einem positiven Schaden der Bekl führte (vgl 1 Ob 211/14g mwN), wobei dessen Fälligkeit nicht vom Ausgang des Verwaltungsverfahrens abhängt.

3. Ob die Bekl wegen ihres im Verwaltungsrechtsweg entstandenen Kostenaufwands erfolgreich aufrechnen kann, ist davon abhängig, ob der Kl rechtswidrig und schuldhaft falsche Angaben gegenüber der SGKK machte, die auch dafür kausal waren, dass diese die GPLA-Prüfung veranlasste, wodurch der Bekl die als Schaden geltend gemachten Vertretungskosten entstanden sind.

4. § 1295 Abs 2 ABGB stützt eine Verpflichtung zum Ersatz der durch eine missbräuchliche Anzeige (bzw ein missbräuchliches Einschreiten) bei einer Behörde verursachten Schäden nur dann, wenn der Einschreiter wusste oder wenigstens wissen musste, dass sein Rechtsstandpunkt entweder der tatsächlichen Voraussetzungen entbehrt oder schon an sich unhaltbar ist, sodass sein gegenteiliger Standpunkt bei zumutbarer Aufmerksamkeit als schlechthin aussichtslos erscheinen muss oder er die Angaben gegenüber der Behörde gar überhaupt wider besseres Wissen oder mutwillig getätigt hat (vgl zur vergleichbaren Situation bei mutwilliger Prozessführung RIS Justiz RS0022840 [T11]). Wider besseres Wissen gegenüber einer Behörde erstattete Angaben sind dann rechtswidrig, wenn sie den Rahmen eines sachdienlichen Vorbringens überschreiten (vgl RIS Justiz RS0097183; RS0097195; RS0031927).

5. Das Berufungsgericht leitete aus den Feststellungen ab, dass die GPLA-Prüfung samt der dort angefallenen Kosten durch das „bewusste Vorgehen des Klägers“ ausgelöst worden sei. Die behauptete Schädigung wurde vom Zweitgericht im Hinblick auf die „Feststellungen des Erstgerichts zum Vorliegen eines Werkvertrags“ erkennbar nur deshalb bejaht, weil dies den Angaben des Kl zur Entlohnung widerspreche. Abgesehen davon, dass die Qualifikation eines Vertragsverhältnisses als Werk- oder Dienstvertrag der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist (zB 9 ObA 46/13z), reicht das bisher vom Kl erstattete Vorbringen bzw reichen die dazu getroffenen Feststellungen nicht aus, um die33 Rechtswidrigkeit, Kausalität und das Verschulden im Zusammenhang mit dem Einschreiten des Kl bei der SGKK abschließend zu beurteilen.

6.1 Im Kern stützt sich der Vorwurf der Bekl auf den Umstand, dass der Kl gegenüber der SGKK wahrheitswidrig ausgeführt habe, er sei für die Bekl „in völliger persönlicher Abhängigkeit und weisungsgebunden als Dienstnehmer“ tätig gewesen. [...]

6.2 Das insoweit bisher nicht weiter erörterte Vorbringen blieb jedoch widersprüchlich bzw unklar, weil sich aus diesem Vorwurf nicht ableiten lässt, ob der Kl mit seinem Einschreiten bei der SGKK das Vorliegen eines „echten“ Arbeitsvertrags oder das Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit vorgetäuscht haben soll. Beides deckt sich nicht, weil auch bei einem freien Dienstverhältnis kein „echter“ Arbeitsvertrag vorliegt, ein freier DN den „echten“ DN sozialversicherungsrechtlich aber gleichgestellt ist (vgl § 4 Abs 4 ASVG). [...]

6.3 Aus dem Vorbringen der Bekl kann somit nicht zweifelsfrei abgeleitet werden, worin die Täuschung der SGKK durch den Kl gelegen sein soll, die diesen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Die Bekl übersieht offenbar, dass Sozialversicherungsträger im Rahmen einer GPLA-Prüfung ein Vertragsverhältnis nicht ausschließlich danach prüfen, ob ein „echter“ Dienstvertrag (iSd § 4 Abs 2 ASVG) oder ein Werkvertrag (bzw eine Tätigkeit als Unternehmer) vorliegt. Wegen der (im Wesentlichen) gleichen sozialversicherungsrechtlichen Stellung von „echten“ und freien DN gehört auch die Frage, ob ein sogenannter freier Dienstvertrag iSd § 4 Abs 4 ASVG vorliegt, zum Gegenstand dieser Prüfung.

6.4 Ist das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen als freier Dienstvertrag zu qualifizieren, läge durch die Angaben des Kl keine rechtswidrige und für den geltend gemachten Schaden kausale Täuschung vor, sodass ein Schadenersatzanspruch schon deshalb zu verneinen wäre. Die vom Kl durch sein Herantreten an die SGKK veranlasste GPLA-Prüfung war dann schon wegen des Vorliegens eines freien Dienstvertrags geboten, sodass seine „wahrheitswidrigen“ Angaben den behaupteten Schaden nicht verursacht haben und auch nicht rechtswidrig sind. Selbst wenn aber der Vertrag als klassischer Werkvertrag zu qualifizieren ist und der Kl ausschließlich selbstständig tätig war, wäre die Gegenforderung deshalb nicht zwingend zu bejahen. Ein auf § 1295 Abs 2 ABGB gestützter Schadenersatzanspruch wäre nämlich mangels Verschuldens dann zu verneinen, wenn der Kl vertretbar vom Vorliegen eines freien Dienstvertrags ausgehen konnte. [...]

7. Zutreffend haben die Vorinstanzen das Bestehen eines „echten“ Arbeitsvertrags (erkennbar) verneint. [...]

7.2 Vor allem unter Berücksichtigung der vom Kl völlig frei zu gestaltenden Arbeitsweise und Arbeitszeiteinteilung und des Umstands, dass er abgesehen von den Vorgaben zur Nutzung des EDV-Programms und der Pflicht, die Zustimmung der Bekl einzuholen, wenn ein Kunde provisionsfrei gestellt werden sollte, frei von Weisungen agieren konnte und auch durch ein Konkurrenzverbot nicht beschränkt war, ist mangels ausreichender persönlicher Abhängigkeit des Kl ein „echter“ Arbeitsvertrag zu verneinen.

8. Die bisher getroffenen Feststellungen indizieren hingegen das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen freien Dienstvertrags.

8.1 Der freie Dienstvertrag unterscheidet sich vom („echten“) Dienstvertrag iSd §§ 1151 ff ABGB besonders durch die Möglichkeit, den Ablauf der Arbeit selbst zu regeln und jederzeit zu ändern, also durch das Fehlen der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit (RIS Justiz RS0021518). Der freie AN verpflichtet sich nicht dazu, ein bestimmtes Werk herzustellen oder einen bestimmten Erfolg herbeizuführen. Er ist vielmehr nur dazu verhalten, dem Vertragspartner auf eine gewisse Zeit seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Es geht beim freien Arbeitsvertrag um die vertraglich eingeräumte Verfügungsmacht über die Arbeitskraft des Vertragspartners, also die Bereitschaft, eine gewisse Zeit hindurch bloß gattungsmäßig umschriebene Leistungen zu erbringen. Charakteristisch für den freien Arbeitsvertrag ist, dass bei ihm nicht jenes Maß an persönlicher Abhängigkeit gegeben ist, das zur Qualifikation als „echter“ Arbeitsvertrag führen würde (RIS-Justiz RS0021740). [...]

8.2 Im Zusammenhang mit der Prüfung der Sozialversicherungspflicht von Verträgen hat der VwGH in vielen Fällen Vertragsverhältnisse, die von ihrer Gestaltung mit dem hier zu prüfenden vergleichbar sind, als freie Dienstverhältnisse qualifiziert (vgl 2005/08/0082 [Warenpräsentator]; 2007/08/0107 [auf Provisionsbasis zu entlohnender Werber]; 2007/08/0153 [Versicherungsvertreter]; 2011/08/0058 [Maklerunternehmen]). Diesen Fällen lag ebenso wie dem hier zu prüfenden Vertragsverhältnis zugrunde, dass im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen die wesentlichen Betriebsmittel vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden, die DN sich ihre Arbeit und Arbeitszeit frei einteilen konnten und sie nicht an Weisungen gebunden waren.

8.3 Das Berufungsgericht hat (ausschließlich) wegen der erfolgsabhängigen Bezahlung das Vorliegen eines Werkvertrags bejaht. Diese Beurteilung greift zu kurz. Zum einen lässt sich eine solche aus den Feststellungen nicht zwingend ableiten. Es steht lediglich fest, dass die Provisionen während des Vertragsverhältnisses immer höher als die Akontozahlungen waren. Daraus allein kann nicht geschlossen werden, dass das Akonto im Ergebnis (auch) kein unabhängiges Lohnfixum war, blieb doch insb unklar, was gelten soll, wenn die Provisionen geringer waren als der dafür veranschlagte Akontobetrag. Im letzten Absatz von Pkt III. wurde zumindest für den Fall der Vertragsauflösung eine Rückzahlung des Kl ausgeschlossen, sodass jedenfalls insoweit eine erfolgsabhängige Bezahlung nicht zwingend war.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Bekl kein Lohnfixum schuldete, wäre deswegen nicht zwingend auf eine selbstständige Tätigkeit bzw einen Werkvertrag zu schließen. Nach der Judikatur des34 VwGH zur Sozialversicherungspflicht begründet eine provisionsbezogene Entlohnung allein noch keinen Werkvertrag (vgl zB VwGH96/08/0053; VwGH2007/08/0107; VwGH2007/08/0153). [...]

9. Wegen des widersprüchlichen (und damit unschlüssigen) Vorbringens der Bekl und der bisher getroffenen Feststellungen, die die rechtliche Qualifikation des Vertragsverhältnisses als freier Dienstvertrag nahelegen, kann entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts das Zurechtbestehen der Gegenforderung nicht auf die bisherigen Verfahrensergebnisse gestützt werden. Hat das Einschreiten des Kl bei der SGKK dazu geführt, dass eine bislang nicht offenbarte sozialversicherungspflichtige Tätigkeit im Zuge einer GPLA-Prüfung untersucht wird, wären die für einen Schadenersatzanspruch im Zusammenhang mit den deshalb angefallenen Vertretungskosten notwendigen Elemente (kausales, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten) auch dann zu verneinen, wenn nicht sämtliche Angaben des Kl den tatsächlichen Verhältnissen entsprachen und es (auch) in seiner Absicht lag, der Bekl zu schaden. [...]

ANMERKUNG

Die vorliegende E erging nicht im Verfahren nach dem ASGG, ist aber nicht nur in Bezug auf das Schadenersatzrecht, sondern in der Folge auch aus einem arbeits- und sozialrechtlichen Blickwinkel interessant.

1.
Schadenersatzanspruch für wahrheitswidrige Darstellung gegenüber der GKK

Gegenstand der Gegenforderung der Bekl waren Anwaltskosten, die für die anwaltliche Vertretung in dem durch die GPLA ausgelösten Verfahren angefallen sind. Diese stellen einen positiven Schaden dar (OGH 22.1.2015, 1 Ob 211/14g). Dass die Aussagen gegenüber der SGKK objektiv wahrheitswidrig und für die GPLA und die anschließenden Verfahren kausal waren, wurde schon in erster Instanz festgehalten. Fraglich ist insb, ob die Aussagen rechtswidrig und schuldhaft waren. Aus dem Vorbringen der Bekl geht nicht zweifelsfrei hervor, ob der Kl einen echten Arbeitsvertrag (§ 4 Abs 2 ASVG) oder eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vorgetäuscht haben soll. Dies ist hier entscheidend, weil auch ein freier Dienstvertrag iSd § 4 Abs 4 ASVG zu einer Sozialversicherungspflicht führt (was Bekl und Unterinstanzen übersehen haben könnten). Liegt ein solcher vor, war die Wahrheitswidrigkeit der Angaben des Kl nicht kausal für den Schaden der Bekl, denn auch die richtigen Angaben hätten dann schon ausgereicht, um eine GPLA und eine Umqualifizierung des Vertrages mit (fast) denselben sozialversicherungsrechtlichen Folgen wie bei § 4 Abs 2 ASVG zu erreichen.

Lag tatsächlich nicht einmal ein freier Dienstvertrag iSd § 4 Abs 4 ASVG vor, so waren die Äußerungen des Kl rechtswidrig, weil sie bewusst wahrheitswidrig erstattet wurden (RIS-Justiz RS0105665; RS0097183). Vorsätzliche falsche Anschuldigungen können nicht mit dem öffentlichen Interesse am Funktionieren der Rechtspflege gerechtfertigt werden (Kissich in

Kleteĉka/Schauer
, ABGB-ON1.02 § 1330 ABGB Rz 53 mwN). Fraglich ist in diesem Zusammenhang nur, wie die Ausführungen des OGH (Pkt 6.4 und 9 des Urteils) zum mangelnden Verschulden, falls der Kl vertretbar vom Vorliegen eines freien Dienstvertrages ausgehen konnte, zu verstehen sind („Ein auf § 1295 Abs 2 ABGB gestützter Schadenersatzanspruch wäre nämlich mangels Verschuldens dann zu verneinen, wenn der Kläger vertretbar vom Vorliegen eines freien Dienstvertrags ausgehen konnte.“). Versteht man diese Ausführungen so, dass es unabhängig davon, ob der Kl tatsächlich von einer Sozialversicherungspflicht bei der GKK ausgegangen ist, nicht zu einer Haftung kommt, wenn er vom Vorliegen dieser Sozialversicherungspflicht vertretbar hätte ausgehen können, so würde der Kl uU nicht haften, obwohl er wissentlich falsche Angaben gemacht hat und davon ausging, dass kein öffentliches Interesse an diesen besteht, und überdies kein öffentliches Interesse daran bestand. Diese Auffassung ist zweifelhaft.

Zu beurteilen ist nach den Feststellungen der Fall, dass der Kl bewusst eine falsche Aussage gemacht hat und dies (jedenfalls auch) aus dem Motiv, die Bekl zu schädigen. Aus diesem Motiv folgt, dass er es zumindest ernsthaft für möglich gehalten hat, dass er der Bekl einen Schaden zufügt, nämlich die Kosten für die Abwehr des Vorwurfs, ihre Melde- und Zahlungspflichten nach dem ASVG als DG nicht erfüllt zu haben. Ein für eine Ersatzpflicht relevanter Schaden liegt darin allerdings nur, wenn der Vorwurf nicht zutraf. Traf er nicht zu, dann verwirklichte das Handeln des Kl jedoch sowohl das Wissens- und das Willenselement einer zumindest bedingt vorsätzlichen Schädigung: Er hat es ernsthaft für möglich gehalten, dass er durch einen unberechtigten Vorwurf den vormaligen Vertragspartner schädigt und hat sich damit abgefunden. Lässt man die Haftung nun, wie der OGH andeutet, in diesem Fall entfallen, falls eine die Schädigung ausschließende Rechtsauffassung auch nur vertretbar war, so verlangt man für die Ersatzpflicht deutlich mehr als bedingten Vorsatz, nämlich Bewusstsein der Rechtswidrigkeit.

Der OGH stützt seinen den dieser Auffassung zugrunde liegenden Rechtssatz 3 auf die Judikatur zur Schadenersatzpflicht wegen Prozessführung. Dazu wird ua gesagt: „Nicht nur bewusst unrichtige Prozessbehauptungen (bewusster Rechtsmissbrauch) machen schadenersatzpflichtig, sondern auch ein fahrlässiges Verhalten im Prozess. Letzteres gilt aber mit der Einschränkung, dass verfahrensrechtliche Handlungen – im Gegensatz zu sonstigen Schädigungen – erst dann Schadenersatzpflichten auslösen, wenn der eingenommene Prozessstandpunkt bei gehöriger Sorgfalt nicht bloß für zweifelhaft, sondern für aussichtslos gehalten werden musste, was nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist.“ (OGH 5.5.2009, 1 Ob 71/09m). Das vorliegende Urteil überträgt dies, soweit zu sehen erstmals, auf unrichtige Anzeigen35 an eine Behörde. Dazu gibt es sonst so weit zu sehen nur ältere Urteile, deren Rechtssatz lautet: „Eine im guten Glauben an die Behörde erstattete Anzeige verpflichtet zum Ersatz des Schadens, den der Angezeigte durch das Bekanntwerden der in der Anzeige behaupteten Tatsachen in seinem Fortkommen und Erwerbe erleidet, auch dann nicht, wenn sich die Wahrheit dieser Tatsachen nicht erweisen läßt.“ (RIS-Justiz RS0031843; zuletzt OGH 8.7.1959, 3 Ob 160/59). Dies ist hier nicht einschlägig, weil bei bewusst wahrheitswidrigen Angaben der gute Glaube fehlt.

Man kann schon fragen, ob das Übertragen der zitierten Auffassung zur Ersatzpflicht vom Zivilprozess auf Anzeigen bei Behörden voll gerechtfertigt ist, weil der Einschreiter hier – anders als dort – keinerlei Prozesskostenrisiko trägt. Auch wenn man sie überträgt, wäre aber zu bedenken, dass der OGH das fragliche Verneinen der Ersatzpflicht wegen vertretbarerer Rechtsauffassung bislang zum Zivilprozess noch nicht für den Fall bewusst falscher Behauptungen vertreten hat. Vielmehr zeigt das Zitat zu OGH 5.5.2009, 1 Ob 71/09m, dass dieses Verneinen gerade nicht auch zu bewusst unrichtigen Prozessbehauptungen vertreten wird.

Die Frage nach der Ersatzpflicht stellt sich anders, wenn der Vorwurf, der Vertragspartner habe seine Melde- und Beitragspflichten nach dem ASVG nicht erfüllt, zutraf, der Kl also zumindest nach § 4 Abs 4 pflichtversichert war. Die (erfolglose) „Abwehr“ dieser Pflicht kann dann kein ersatzfähiger Schaden sein. Man könnte allenfalls fragen, ob eine Ersatzpflicht besteht, weil ein Einschreiter falsche Angaben macht und überdies davon überzeugt war, dass er nicht nach ASVG versicherungspflichtig war. Dieser Einschreiter hätte dann zwar einen „Schaden“ zufügen wollen, rechtlich hat er jedoch nicht geschädigt; eine Ersatzpflicht muss daher trotz des klaren „Vorsatzes“ ausscheiden.

Da die Frage der Ersatzpflicht bei Anzeigen mit bewusst falschen Angaben praktisch zunehmend relevant sein dürfte, sollte das zuvor Angesprochene noch weiter erwogen werden.

Auch die Ausführungen in Pkt 4 des Urteils, dass „[w]ider besseres Wissen gegenüber einer Behörde erstattete Angaben [...] dann rechtswidrig [sind], wenn sie den Rahmen eines sachdienlichen Vorbringens überschreiten“, sind missverständlich. Die als Zitat angeführten Rechtssätze (RIS Justiz RS0097183; RS0097195) lauten nämlich: „In einer Strafanzeige enthaltene, objektiv unrichtige Beschuldigungen sind, sofern sie den Rahmen eines sachdienlichen Vorbringens nicht überschreiten, nur dann rechtswidrig, wenn sie vom Anzeiger wider besseres Wissen erhoben wurden. [...]“ Die Rechtssätze besagen also, dass unrichtige Beschuldigungen, die wider besseres Wissen erhoben werden, auch dann rechtswidrig sind, wenn sie das sachdienliche Vorbringen nicht überschreiten. UE ist aus mehreren Gründen nicht davon auszugehen, dass der OGH von dieser Rsp abweichen wollte. Einerseits zitiert er die eben genannten Rechtssätze, ohne sein Abweichen auch nur kurz zu erläutern, andererseits kommt er bei der weiteren Begründung des Urteils nicht mehr auf diese Aussage zurück. Auch ist fraglich, inwiefern bewusst unrichtige Äußerungen überhaupt sachdienlich sein können. Es ist uE daher davon auszugehen, dass der OGH hier seine stRsp (wie zuletzt in OGH 15.12.2015, 4 Ob 210/15h) beibehalten wollte.

2.
Qualifikation des Vertrages

Aufgrund der oben genannten Relevanz der sozialrechtlichen Qualifikation des Vertrages für das Bestehen der Gegenforderung hat sich der OGH auch mit dieser auseinandergesetzt. Diesen Ausführungen ist zuzustimmen.

Alle Instanzen haben das Vorliegen eines „echten“ Dienstvertrages (§ 4 Abs 1 iVm Abs 2 ASVG) verneint. Diese Beurteilung ist vor allem aufgrund der fehlenden Weisungsunterworfenheit und der nahezu völlig freien Gestaltbarkeit der Tätigkeit zutreffend (vgl Mosler in

Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm [114. Lfg § 4 ASVG Rz 88]).

Mit der möglichen Qualifikation des Vertragsverhältnisses als dienstnehmerähnlicher freier Dienstvertrag (§ 4 Abs 4 ASVG) haben sich offenbar weder die erste noch die zweite Instanz auseinandergesetzt. Entsprechend gibt es hiezu auch nicht alle nötigen Feststellungen. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen eines Werkvertrages bereits wegen der (nicht zweifelsfrei festgestellten) erfolgsabhängigen Bezahlung bejaht. Aber selbst, falls eine rein erfolgsabhängige Entlohnung vereinbart wurde, führt dies nicht automatisch zum Vorliegen eines Werkvertrages bzw zum Nichtvorliegen eines dienstnehmerähnlichen freien Dienstvertrages (Rebhahn in

Neumayr/Reissner
[Hrsg], ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 76; VwGH 16.3.2011, 2007/08/0153). Gegen das Vorliegen eines Werkvertrages spricht, dass das Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde und demnach nicht mit Herstellung eines bestimmten Werks enden sollte. Es ist keine Umschreibung eines vom Kl zu erbringenden Werks ersichtlich (vgl Zehetner in
Sonntag
, ASVG6 § 4 Rz 87). Zurecht hält der OGH fest, dass das Vorliegen eines freien Dienstvertrages iSd § 4 Abs 4 ASVG indiziert sei. Nach den Feststellungen war der Kl überwiegend mit Betriebsmitteln der Bekl tätig und es geht aus den Feststellungen nicht hervor, dass der Kl nicht im Wesentlichen persönlich tätig gewesen sei (vgl Krejci/Marhold/Karl/Risak in
Tomandl
, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts [28. ErgLfg] 56 ff). Diese Frage ist aber erst nach den vorzunehmenden Sachverhaltsergänzungen beantwortbar.36