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Folgearbeitsverhältnis und Beginn der BMSVG-Beitragspflicht

ANDREASMAIR (INNSBRUCK)
  1. § 6 Abs 1 Satz 3 BMSVG ist dahin auszulegen, dass in jenen Fällen, in denen innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten ab dem Ende eines Arbeitsverhältnisses mit demselben AG erneut ein Arbeitsverhältnis geschlossen wird, die Beitragspflicht bereits mit dem ersten Tag dieses Folgearbeitsverhältnisses einsetzt.

  2. Dies gilt unabhängig von der Dauer des ersten Arbeitsverhältnisses und jener des Folgearbeitsverhältnisses.

Die Kl war von 12.10.2009 bis 30.6.2014 bei der Ö GmbH & Co KG beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Kündigung der Kl beendet.

Danach war die Kl von 1.7.2014 bis 19.7.2014 bei der G GmbH beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis wurde innerhalb der Probezeit durch den AG aufgelöst.

Von 21.8.2014 bis 17.9.2014 war die Kl neuerlich bei der G GmbH beschäftigt. Beendet wurde dieses Arbeitsverhältnis durch AG-Kündigung.

Die G GmbH hat keine Beiträge zur Betrieblichen Vorsorgekasse eingezahlt. Zu Gunsten der Kl besteht bei der bekl Vorsorgekasse zum Stichtag 31.12.2014 eine Abfertigungsanwartschaft in Höhe von 1.366,81 € netto. Die Bekl verweigerte die von der Kl geforderte Auszahlung der Abfertigung.

Mit ihrer Klage begehrt die Kl von der Bekl die Auszahlung der Abfertigung von 1.366,81 € netto sA. Da insgesamt 36 Beitragsmonate vorlägen und das letzte Arbeitsverhältnis durch Kündigung des AG beendet worden sei, habe sie gegenüber der Bekl einen Anspruch auf Auszahlung der Abfertigung. Dies auch dann, wenn das letzte – nicht länger als einen Monat bestandene – Arbeitsverhältnis nach dem BMSVG nicht beitragspflichtig gewesen wäre. Da das zweite Arbeitsverhältnis bei der G GmbH aber innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten ab dem Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses bei derselben AG abgeschlossen worden sei, habe für das letzte Arbeitsverhältnis ohnedies eine Beitragspflicht der G GmbH zur Betrieblichen Vorsorgekasse bestanden. Diese sei mit dessen Beginn oder nach Erreichen von in Summe eines Monats bei derselben AG entstanden.

Die Bekl bestritt das Klagebegehren dem Grunde nach, beantragte Klagsabweisung und wandte insb ein, dass Arbeitsverhältnisse in der Dauer von bis zu einem (Natural-)Monat nicht dem BMSVG unterlägen. Da weder das erste noch das zweite Arbeitsverhältnis der Kl zur G GmbH eine Beitragspflicht zur Betrieblichen Vorsorgekasse ausgelöst hätten, bestehe der von der Kl geltend gemachte Auszahlungsanspruch nicht. Der Bekl sei vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger auch kein Arbeitsverhältnis der Kl zur G GmbH gemeldet worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nur die Auflösung eines nach dem BMSVG beitragspflichtigen Arbeitsverhältnisses löse den Anspruch auf Auszahlung der Abfertigung aus (vgl § 14 Abs 1 BMSVG). Nach § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG seien die Zeiten beider Arbeitsverhältnisse der Kl zur G GmbH zusammenzurechnen. Da die Gesamtdauer dieser Arbeitsverhältnisse 30 Kalendertage überschritten habe, sei das letzte Arbeitsverhältnis der Kl nach dem BMSVG beitragspflichtig gewesen. Da die G GmbH aber für die Kl keine Beiträge an die Betriebliche Vorsorgekasse abgeführt habe, habe die Kl analog § 6 Abs 3 zweiter Satz BMSVG keinen Anspruch auf Auszahlung der Abfertigung gegenüber der Bekl.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der Kl das Ersturteil iS einer gänzlichen Klagsstattgabe ab. Für die Beitragspflicht bezüglich des Nachfolgearbeitsverhältnisses komme es nach dem äußersten möglichen Wortsinn des § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG weder darauf an, wie lange das erste Arbeitsverhältnis noch wie lange das Nachfolgearbeitsverhältnis gedauert habe. Die Beitragsfreiheit des ersten Monats gem § 6 Abs 1 BMSVG beziehe sich nur auf das erste Arbeitsverhältnis. Ein anderes Verständnis wäre mit der RL 1999/70/EG nicht vereinbar und widerspräche dem Diskriminierungsverbot des § 2b Abs 1 AVRAG. Der Verfügungsanspruch des AN hänge auch nicht davon ab, ob der Hauptverband das Arbeitsverhältnis der Mitarbeitervorsorgekasse gemeldet habe. Dem AN stehe es vielmehr offen, ein nicht gemeldetes Arbeitsverhältnis der Betrieblichen Vorsorgekasse selbst bekanntzugeben und die Verfügungsberechtigung nachzuweisen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die in der Literatur und Praxis umstrittene Frage, ob die Beitragspflicht eines Nachfolgedienstverhältnisses innerhalb eines Jahres sofort oder erst nach einem Monat einsetze, iSd Rechtssicherheit einer Klärung durch den OGH bedürfe.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Bekl die Abänderung des Berufungsurteils iS einer Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils.

Die Kl beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der Bekl zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Gem § 14 Abs 1 BMSVG hat der Anwartschaftsberechtigte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen die Betriebliche Vorsorgekasse Anspruch auf eine Abfertigung. Nach § 14 Abs 2 BMSVG besteht der Anspruch auf eine Verfügung nach § 17 Abs 1 BMSVG über die Abfertigung allerdings nicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung durch den Anwartschaftsberechtigten, ausgenommen bei Kündigung während einer Teilzeitbeschäftigung nach dem MSchG oder dem VKG (Z 1), durch verschuldete Entlassung (Z 2), durch unberechtigten vorzeitigen Austritt (Z 3),46 oder sofern noch keine drei Einzahlungsjahre (36 Beitragsmonate) seit der ersten Beitragszahlung gem § 6 oder § 7 nach der erstmaligen Aufnahme der Erwerbstätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses oder der letztmaligen Verfügung (ausgenommen Verfügungen nach § 17 Abs 1 Z 2 oder Z 3 oder Abs 2a) über eine Abfertigung vergangen sind (Z 4 erster Satz). Die Verfügung über diese Abfertigung (§ 14 Abs 2 BMSVG) kann gem § 14 Abs 3 BMSVG vom Anwartschaftsberechtigten erst bei Anspruch auf Verfügung über eine Abfertigung bei Beendigung eines oder mehrerer darauf folgender Arbeitsverhältnisse verlangt werden.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Anwartschaftsberechtigte, ausgenommen in den in § 14 Abs 2 BMSVG genannten Fällen, ua die Auszahlung der gesamten Abfertigung als Kapitalbetrag verlangen (§ 17 Abs 1 Z 1 BMSVG).

2. Gem § 6 Abs 1 BMSVG hat der AG für den AN ab dem Beginn des Arbeitsverhältnisses einen laufenden Beitrag in Höhe von 1,53 vH des monatlichen Entgelts sowie allfälliger Sonderzahlungen an den für den AN zuständigen Träger der KV nach Maßgabe des § 58 Abs 1 bis 6 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zur Weiterleitung an die Betriebliche Vorsorgekasse zu überweisen, sofern das Arbeitsverhältnis länger als einen Monat dauert (Satz 1). Der erste Monat ist jedenfalls beitragsfrei (Satz 2). Wird innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten ab dem Ende eines Arbeitsverhältnisses mit demselben AG erneut ein Arbeitsverhältnis geschlossen, setzt die Beitragspflicht mit dem ersten Tag dieses Arbeitsverhältnisses ein (Satz 3).

3. Der erkennende Senat teilt aus folgenden Erwägungen die insb am Wortlaut und Gesetzeszweck orientierte Auslegung des § 6 Abs 1 BMSVG durch das Berufungsgericht:

3.1. § 6 Abs 1 erster Satz BMSVG legt zunächst – als Grundregel – fest, dass die Beitragspflicht des AG grundsätzlich mit dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses eintritt (vgl ErläutRV 1131 BlgNR 21. GP 50); dies allerdings nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis länger als einen Monat dauert. Die Beitragsfreiheit des ersten Monats des Arbeitsverhältnisses (§ 6 Abs 1 zweiter Satz BMSVG) wurde nach den Gesetzesmaterialien aus verwaltungstechnischen Gründen eingeführt, weil in den einzelnen Kollektivverträgen unterschiedliche Probezeiten vorgesehen sind (ErläutRV 1131 BlgNR 21. GP 50). § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG verdrängt dann aber als speziellere Regelung für ein innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten ab dem Ende eines Arbeitsverhältnisses mit demselben AG erneut abgeschlossenes Arbeitsverhältnis diese Grundregel und bestimmt seinem klaren Wortlaut nach, dass für das Nachfolgearbeitsverhältnis die Beitragspflicht bereits mit dem ersten Tag des neu geschlossenen Nachfolgearbeitsverhältnisses entsteht. Diese eindeutige gesetzliche Anordnung setzt weder für das Grundarbeitsverhältnis noch für das Nachfolgearbeitsverhältnis eine bestimmte Dauer voraus, stellt also weder auf ein beitragspflichtiges Grund- noch ein (für sich allein betrachtet) beitragspflichtiges Nachfolgearbeitsverhältnis ab. § 6 Abs 1 zweiter Satz BMSVG schlägt – entgegen der Rechtsansicht der Bekl – auf die Spezialregelung des § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG schon deshalb nicht durch, weil der AG am Beginn des Nachfolgearbeitsverhältnisses in den meisten Fällen noch gar nicht wissen kann, ob es länger als einen Monat dauern wird und daher das von der Bekl intendierte Zuwarten des AG mit der Beitragsentrichtung zur Regel machen würde. Dies würde aber wiederum der grundsätzlichen gesetzlichen Anordnung des § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG, dass die Beitragspflicht schon mit dem ersten Tag des Nachfolgearbeitsverhältnisses eintritt, keinen Raum lassen.

3.2. Auch die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung des § 6 BMSVG sprechen für diese Auslegung. Danach bewirken (daher) mehrere Arbeitsverhältnisse zum selben AG innerhalb eines Jahres, dass für diese Arbeitsverhältnisse innerhalb dieser Zeit auf jeden Fall eine Beitragsleistung ab Beginn des Arbeitsverhältnisses einsetzt (ErläutRV 1131 BlgNR 21. GP 50).

3.3. Mit der „Zwölf-Monate-Regel“ des § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG wollte der Gesetzgeber erkennbar eine Umgehung der Beitragspflicht durch Abschluss von die Monatsfrist nicht überschreitenden Arbeitsverhältnissen zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien verhindern (Resch in

Mayr/Resch
, Abfertigung neu – BMSVG2 § 6 Rz 25; Lang, Abfertigung neu 55). Wie Resch (in
Mayr/Resch
, Abfertigung neu – BMSVG2 § 6 Rz 26) deutlich macht, wären bei anderer Auslegung Konstellationen zulässig, in denen mehrere befristete Arbeitsverhältnisse zwischen den selben Arbeitsvertragsparteien für eine Gesamtdauer von sechs Monaten im Jahr bestünden, ohne dass dafür Beiträge abgeführt werden müssten. Dieses Ergebnis würde nicht nur dem Zweck der „Zwölf-Monate-Regel“, sondern auch der grundsätzlichen Beitragspflicht ab dem zweiten Monat (§ 6 Abs 1 erster und zweiter Satz BMSVG) widersprechen. Letztlich habe – so Resch in ZellKomm2 BMSVG § 6 Rz 5 – die „Zwölf-Monate-Regel“ mit der einmonatigen Beitragsfrist überhaupt nichts zu tun. Schließlich wollte der Gesetzgeber mit der Neufassung des Abfertigungsrechts möglichst viele Beschäftigungsverhältnisse in das neue Abfertigungsrecht einbeziehen (Lang, Abfertigung neu 55). Somit spricht auch die teleologische Interpretation für die Richtigkeit der vorstehenden Interpretation.

3.4. Auch in der Literatur wird die Rechtsansicht vertreten, dass die Ausnahmebestimmung des § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG weder auf eine bestimmte Mindestdauer des Erstarbeitsverhältnisses noch auf eine bestimmte Mindestdauer des Nachfolgearbeitsverhältnisses oder der Gesamtbeschäftigung abstellt, sondern beim zweiten Arbeitsverhältnis bzw bei allen folgenden Arbeitsverhältnissen zum selben AG innerhalb der 12-Monatsfrist die Beitragspflicht des AG sofort mit Beginn des Nachfolgearbeitsverhältnisses eintritt (Binder/Schifko, Abfertigung Neu2 37; Leutner/Achitz/Wöss/Farny, Abfertigung neu § 6 Erl 5; vgl Mosing, Die fallweise Beschäftigung im Arbeits- und Sozialrecht, ZAS 2014/41, 244 [250]). Nach Höfle (Abfertigung47 neu [BMVG] – Lösung arbeitsrechtlicher Fragen, ASoK 2002, 357 [359]) stellt die „Zwölf-Monate-Regel“ in § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG jedenfalls nicht auf die Dauer oder Beitragspflicht des ersten Arbeitsverhältnisses zum selben AG ab. Tomandl (in

Tomandl/Achatz/Mazal
, Abfertigung Neu § 6 Rz 9) hält die Ausnahmebestimmung des § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG nur dann für anwendbar, wenn beide (oder mehrere) Arbeitsverhältnisse zusammengenommen die Dauer von einem Monat übersteigen. Lang (Abfertigung neu 55) kommt zum Ergebnis, dass die Betragspflicht eines Nachfolgedienstverhältnisses iSd § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG einsetzt, sobald die einzelnen Arbeitsverhältnisse in Summe ein Monat Beschäftigung (= 30 Tage) überschreiten. Schrank (Heikle Rechtsfragen des Beitragssystems der „Abfertigung Neu“, ZAS 2003/3, 16 f) und Neubauer/Rath in
Neubauer/Rath/Hofbauer/Choholka
, BMSVG § 6 Rz 48 ff mwN) vertreten unter Bedachtnahme auf die Systematik und den Zweck des § 6 Abs 1 BMSVG hingegen die Ansicht, dass nicht nur das Grundarbeitsverhältnis, sondern auch das Nachfolgearbeitsverhältnis nach dem BMSVG beitragspflichtig seien, dh dem BMSVG unterliegen und jeweils länger als ein Monat dauern müssten, damit für das Nachfolgearbeitsverhältnis eine Beitragspflicht entstehe. Da diese Auslegung, wie bereits oben erwähnt und von Schrank (ZAS 2003/3, 17) auch zugestanden wird, im Wortlaut des § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG keine Deckung findet, weil die Grundbedingung der Überschreitung des Monats darin nicht als Voraussetzung angeführt ist, also seinem Wortsinn auch Nachfolgedienstverhältnisse von unter einem Monat erfasst, wird ihr vom Senat nicht gefolgt.

3.5. Zusammengefasst ist § 6 Abs 1 dritter Satz BMSVG dahin auszulegen, dass in jenen Fällen, in denen innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten ab dem Ende eines Arbeitsverhältnisses mit demselben AG erneut ein Arbeitsverhältnis geschlossen wird, die Beitragspflicht bereits mit dem ersten Tag dieses Nachfolgearbeitsverhältnisses einsetzt, und zwar unabhängig von der Dauer des ersten Arbeitsverhältnisses und jener des Nachfolgedienstverhältnisses.

4. Im Anlassfall bestand daher schon ab Beginn des zweiten Arbeitsverhältnisses zwischen der Kl und der G GmbH von 21.8.2014 bis 17.9.2014 eine Beitragspflicht des AG zur Betrieblichen Vorsorgekasse. Damit hatte die Kl als Anwartschaftsberechtigte bei Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses durch AG-Kündigung gem § 14 Abs 3 iVm § 17 Abs 1 Z 2 BMSVG einen Anspruch auf Auszahlung der bis zu diesem Zeitpunkt „gesperrten“, nunmehr klageweise geltend gemachten Abfertigung aus dem früheren Arbeitsverhältnis von 12.10.2009 bis 30.6.2014. Gesetzliche Gründe dafür, dass der Anspruch auf Verfügung über die „gesperrte“ Abfertigung nicht besteht, liegen nicht vor: Das letzte Arbeitsverhältnis der Kl wurde durch keine „verfügungsschädliche“ Beendigungsart iSd § 14 Abs 2 Z 1 bis 3 BMSVG beendet und es liegen auch nicht weniger als drei Einzahlungsjahre (36 Beitragsmonate) iSd § 14 Abs 2 Z 4 BMSVG vor. Auf die von Mayr (in

Mayr/Resch
, Abfertigung neu – BMSVG2 § 14 Rz 26) vertretene Ansicht, dass Auflösungen in einem beitragsfreien ersten Monat nicht zur Erfüllung des Tatbestands nach § 14 Abs 3 BMSVG ausreichen, braucht hier nicht eingegangen zu werden.

Der Revision der Bekl war daher nicht Folge zu geben. [...]

ANMERKUNG

Die vorstehend abgedruckte E macht zweierlei deutlich: Zum einen demonstriert diese, welche Interpretationsschwierigkeiten selbst einfach und klar formuliert erscheinende gesetzliche Vorgaben erzeugen können. Zum anderen belegt sie die Leistungsfähigkeit juristischer Methodik, derer sich der OGH zur argumentativen Fundierung seiner Ausführungen bedient. Der E ist zuzustimmen.

1.
Normative Vorgaben

In seiner E bemüht sich der OGH um das richtige Verständnis von § 6 Abs 1 BMSVG. Diese Bestimmung beschäftigt sich damit, ab welchem Zeitpunkt AG verpflichtet sind, Beiträge zur Finanzierung der Abfertigung neu zu leisten. § 6 Abs 1 Satz 1 BMSVG legt dabei programmatisch fest, dass AG für jeden AN einen monatlichen Beitrag im Ausmaß von 1,53 % des Bruttoentgelts (Kristen/Pinggera/Schön, Abfertigung neu2 [2004] 53) abzuführen haben. Dies unter der Voraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis länger als einen Monat dauert. Denn: Für den ersten Monat des Arbeitsverhältnisses ist kein BMSVG-Beitrag zu leisten, so die Klarstellung von § 6 Abs 1 Satz 2 BMSVG. Ergänzend beschäftigt sich § 6 Abs 1 Satz 3 BMSVG mit der Konstellation, dass innerhalb eines Jahres zwischen einem AN und demselben AG mehrere Arbeitsverträge abgeschlossen werden. Hier begründet sich aufgrund der Vorgabe von § 6 Abs 1 Satz 3 BMSVG die Beitragspflicht für den AG bereits mit dem ersten Tag des Folgearbeitsverhältnisses.

2.
§ 6 Abs 1 BMSVG als interpretationsbedürftige Norm

Diese Regeln mögen zwar auf dem ersten Blick als klar und eindeutig erscheinen. Trotzdem ist der Gesetzestext dann doch mit einigen Unklarheiten belastet. Dies betrifft bereits die Frage, was unter einem „Monat“ zu verstehen ist. Aufgrund der Gegenüberstellung der in § 6 Abs 1 Satz 1 und Abs 2a BMSVG verwendeten Begrifflichkeiten (Hinweis darauf bei Lang, Abfertigung neu [2015] 57) geht es bei der Festlegung des Beginns der Beitragspflicht um den Naturalmonat und nicht um den Kalendermonat (Neubauer/Rath in

Neubauer/Rath/Hofbauer/Choholka
, Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz [2008] § 6 Rz 12; Schrank, Heikle Rechtsfragen des Beitragssystems der „Abfertigung neu“, ZAS 2003/14 [15]), sodass sich bei einer untermonatigen Arbeitsaufnahme auch ein untermonatiger Beginn der Beitragszahlung ergibt (Zarbach, Auswahl der48 Mitarbeitervorsorgekasse, Beitrags- und Leistungsrecht, in
Grün/Martinek
[Hrsg], Handbuch Mitarbeitervorsorgekasse [2002] Rz 209).

Klärungsbedarf besteht auch bei der Frage, auf welches Arbeitsverhältnis sich die Anordnung der einmonatigen Beitragsfreiheit in § 6 Abs 1 Satz 2 BMSVG eigentlich bezieht. Ausgelöst durch eine eher restriktive Stellungnahme des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger entwickelte sich dazu eine literarische Diskussion, die mit dem vorliegenden Urteil einer verbindlichen Klärung zugeführt wird. Der Hauptverband bezieht nämlich in seinem Fragen-Antwort-Katalog zur Abfertigung neu die einmonatige Beitragsfreiheit sowohl auf das erstmalig begründete Arbeitsverhältnis als auch auf jedes weitere innerhalb von zwölf Monaten mit demselben AG begründete Folgearbeitsverhältnis, sodass nach dieser Auffassung eine BMSVG-Beitragspflicht für den AG nur dann entsteht, wenn sowohl das erstmalig eingegangene Arbeitsverhältnis als auch ein innerhalb von zwölf Monaten begründetes Folgearbeitsverhältnis jeweils länger als einen Monat gedauert haben müssen. Eine Zusammenrechnung aller innerhalb des Zwölf-Monats-Zeitraums zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien geschlossenen Arbeitsverhältnisse sei im Hinblick auf die Begründung der BMSVG-Beitragspflicht nicht vorzunehmen (Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Fragen-Antwort-Katalog [2015] 21 f, 27 f abrufbar unter: www.forumdienstgeber.sgkk.at [20.10.2016]). Obwohl sich einige Vertreter der Lehre diesem Standpunkt angeschlossen hatten (Neubauer/Rath in

Neubauer/Rath/Hofbauer/Choholka
, Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz § 6 Rz 51; Kristen/Pinggera/Schön, Abfertigung neu2 46 f FN 48), überwog doch die Auffassung jener, die die Anordnung der einmonatigen Beitragsfreiheit nur auf das erste, nicht aber auf jedes weitere innerhalb von zwölf Monaten zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien begründete Arbeitsverhältnis bezogen wissen wollten (Lang, Abfertigung neu 55; Resch in
Mayr/Resch
, BMSVG2 [2009] § 6 Rz 33, 36; B. W. Gruber/Schöngrundner, Abfertigung NEU2 [2005] 59; Leutner/Achitz/Wöss/Farny, Abfertigung neu [2003] § 6 Erl 5 sowie OLG Linz 12 Ra 82/15p ARD 6491/14/2016 als Vorinstanz).

Letzterer Position schließt sich der OGH im vorliegenden Urteil an. Unter Zuhilfenahme der grammatikalischen und teleologischen Interpretationsmethode kommt das Höchstgericht zum Ergebnis, dass die Begründung eines weiteren Arbeitsverhältnisses innerhalb der Zwölf-Monats-Frist auch zum sofortigen Entstehen der BMSVG-Beitragspflicht im Folgearbeitsverhältnis führt und zwar unabhängig davon, wie lange das erste und wie lange das Folgearbeitsverhältnis jeweils gedauert haben.

3.
Bewertung

Die E des OGH ist sorgsam begründet und entwickelt ein zutreffendes Verständnis der in § 6 Abs 1 BMSVG enthaltenen Regelungen. Insb würdigt die E die verschiedenen Literaturpositionen in angemessener Weise. Zu begrüßen ist auch die konsequente Handhabung juristischer Interpretationsregeln, die es ermöglichen, den Aussagegehalt des Gesetzestextes zu erfassen. In der Tat wäre es mit dem Sinn der Abfertigung neu nicht zu vereinbaren, würde man die Anordnung der einmonatigen Beitragsfreiheit auf jedes weitere innerhalb des Zwölf-Monats-Zeitraums begründete Arbeitsverhältnis beziehen. Schließlich sprechen die EB davon, dass mehrere Arbeitsverhältnisse zum selben AG innerhalb des Zwölf-Monats-Zeitraums dazu führen, dass „für diese Dienstverhältnisse innerhalb dieser Zeit auf jeden Fall eine Beitragsleistung ab Beginn des Arbeitsverhältnisses einsetzt“ (ErläutRV 1131 BlgNR 21. GP 50). Die gegenteilige Sichtweise würde auch unionsrechtlichen Bedenken begegnen. Da die von § 6 Abs 1 Satz 3 BMSVG geregelte Konstellation typischerweise befristet beschäftigte AN betrifft (und dabei vor allem die Gruppe der fallweisen Beschäftigten: Lang, Auch tageweise Beschäftigte haben Anspruch auf Abfertigung neu, ASoK 2016, 122 [126 f]) und § 4 Z 1 RL 1999/70/EG (bzw in dessen Umsetzung § 2b Abs 1 AVRAG) die Schlechterstellung befristet beschäftigter AN gegenüber unbefristet beschäftigten AN in Bezug auf ihre Beschäftigungsbedingungen (Bezugspunkt ist dabei die gesamte arbeitsrechtliche Stellung des befristet beschäftigten AN: Krebber in

Franzen/Gallner/Oetker
[Hrsg], Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht [2016] § 4 RL 1999/70/EG Anhang Rz 15; Brose in
Preis/Sagan
[Hrsg], Europäisches Arbeitsrecht [2015] § 9 Rz 67) verbietet, würde die vom Hauptverband vertretene Position eine derartige Ungleichbehandlung für befristet beschäftigte AN begründen, für die aber kein sachlicher Rechtfertigungsgrund ersichtlich ist (zu Recht warnt aus diesem Grund Schrank, ZAS 2003/3, 17 vor der Auffassung des Hauptverbandes). Insb ist die von Mosing ins Treffen geführte „Überbrückungsfunktion“ der Abfertigung kein derartiger Rechtfertigungsgrund (Mosing, Die fallweise Beschäftigung im Arbeits- und Sozialrecht, ZAS 2014/41, 244 [250 f]), da diese im System der Abfertigung neu zugunsten des Gedankens, zusätzliche Säule der persönlichen Altersvorsorge zu sein, entscheidend in den Hintergrund gerückt worden ist (vgl dazu Drs, Einführung in das Abfertigungsrecht alt und neu, in dies [Hrsg], Abfertigungsrecht [2012] 1 [4]).

Zu unterstützen ist weiters die Klarstellung des OGH, wonach die BMSVG-Beitragspflicht mit dem ersten Tag des Folgearbeitsverhältnisses einsetzt und zwar unabhängig davon, wie lange das erste und das darauf folgende Arbeitsverhältnis jeweils gedauert haben. Die in der Literatur vertretene Position, die BMSVG-Beitragspflicht im Folgearbeitsverhältnis erst dann entstehen zu lassen, wenn zusammengerechnet mehr als 30 Tage Beschäftigungszeit bei demselben AG vorliegen (Lang, ASoK 2016, 128; dies, Abfertigung neu 55), findet nämlich in den spezifischen Vorgaben von § 6 Abs 1 BMSVG keine Stütze und entspricht auch nicht der Intention des historischen Gesetzgebers (ErläutRV 1131 BlgNR 21. GP 50).49