16Rechtsfolgen der vorzeitigen Auflösung bei einer Kündigung
Rechtsfolgen der vorzeitigen Auflösung bei einer Kündigung
Liegen die Voraussetzungen eines Austritts vor, kommt es nicht auf die gewählte Beendigungsart an, damit der AN die mit einem Austritt verbundenen Ansprüche geltend machen kann.
Jedes Zögern mit der Auflösung vermittelt wegen der gegenteiligen Indizwirkung sofort Zweifel, ob es wirklich unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
Gerade bei der Bestreitung durch die Gegenpartei muss der Kl besonders darlegen, worin die Unzumutbarkeit an einer Vertragsfortführung besteht.
Der Kl war bei der Bekl ab 1.4.2005 als technischer Angestellter, nämlich als Projektleiter Prototypenbau, beschäftigt. Vom 1.5.2013 bis 30.4.2014 war er auch mit der Betreuung der Abteilung Schweißtechnik und Vorrichtungsbau betraut.
Mit E-Mail vom 30.4.2014 erklärte der Kl unter dem „Betreff: Kündigung“ Folgendes:
„Wie bereits mündlich mitgeteilt, kündige ich hiermit aufgrund der angekündigten verschlechternden Versetzung, der ich nicht zugestimmt habe, mein Dienstverhältnis unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist mit Wirkung zum 31.5.2014.Ich behalte mir ausdrücklich die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen vor, stehe aber zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung nach wie vor gerne für Gespräche über eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses zur Verfügung.“
Der Kl begehrte mit seiner Klage die Zahlung von 12.952,56 € brutto sA an Kündigungsentschädigung sowie die Ausstellung eines (qualifizierten) Dienstzeugnisses. Die Bekl habe ihm mit 1.5.2013 unbefristet und unwiderruflich die – im Vergleich zu seiner bisherigen Tätigkeit als Projektleiter – höherwertige Funktion eines Abteilungsleiters übertragen, mit 1.5.2014 aber wieder entzogen und mitgeteilt, dass er künftig nur noch als Projektleiter tätig sein werde. Dabei handle es sich um eine verschlechternde und vertragswidrige Versetzung, die einen von der Bekl verschuldeten Austrittsgrund darstelle. Das Arbeitsverhältnis habe der Kl zwar durch Kündigung beendet, sich aber ausdrücklich auf diesen Austrittsgrund berufen. Er sei finanziell daher so zu stellen, als hätte er einen berechtigten vorzeitigen Austritt erklärt.
Die Bekl wandte ein, dass der Kl sein Arbeitsverhältnis selbst gekündigt habe, sodass ihm schon deshalb keine Kündigungsentschädigung zustehe. Eine verschlechternde Versetzung sei nicht erfolgt. Der behauptete Austrittsgrund sei daher nicht vorgelegen. Darüber hinaus sei dem Kl die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ende der Kündigungsfrist nicht unzumutbar gewesen, weil er es gekündigt und gerade nicht seinen sofortigen vorzeitigen Austritt erklärt habe.
Das Erstgericht erkannte die Bekl schuldig, dem Kl ein einfaches Dienstzeugnis auszustellen. Das Mehrbegehren auf Aufnahme weiterer vom Kl gewünschter Formulierungen in dieses Dienstzeugnis („qualifiziertes Dienstzeugnis“) wies es hingegen ab.
Weiters wies das Erstgericht das Begehren des Kl auf Zahlung einer Kündigungsentschädigung von 12.952,56 € brutto sA ab. Der AN sei zwar auch bei Vorliegen eines Austrittsgrundes berechtigt, das Arbeitsverhältnis durch eine für den AG regelmäßig günstigere Kündigung zu beenden. Dies führe aber nicht zu einem Anspruch auf Kündigungsentschädigung. Insb fehle es hier an den Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 29 Abs 1 AngG, weil der Kl die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses nicht unverzüglich erklärt habe. Ihm sei daher die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch während der Kündigungsfrist nicht unzumutbar gewesen.
Das Berufungsgericht [...] hob [...] das Urteil des Erstgerichts mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss infolge der Berufungen beider Parteien im Umfang der Stattgebung des Klagebegehrens auf Ausstellung eines „einfachen Dienstzeugnisses“ und der Abweisung des Zahlungsbegehrens auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Die vom Kl in der Form einer Kündigung vorgenommene Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei in Wahrheit ein Austritt aus wichtigem Grund gewesen. Im vergleichbaren Fall 4 Ob 67/71 habe der OGH einen Anspruch auf Kündigungsentschädigung bejaht. Die Unzumutbarkeit dürfe nicht streng auf die Zeit der fiktiven Kündigungsfrist eingegrenzt werden, sondern sei dahin zu verstehen, dass das Arbeitsverhältnis aus dem geltend gemachten Austrittsgrund beendet werde und eine Fortsetzung jedenfalls für die Zukunft nicht zumutbar sei. Keinesfalls könne die Beendigungserklärung des Kl als Verzicht auf sein Austrittsrecht verstanden werden. Daher bestehe der geltend gemachte Anspruch auf Kündigungsentschädigung zu Recht, wenn dem Kl der Nachweis eines Austrittsgrundes gelingen sollte, wozu jedoch noch Feststellungen fehlten.
Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss sei zulässig, weil zur Frage, ob bei Selbstkündigung eines AN, der erkennbar einen wichtigen Lösungsgrund geltend macht, ein Anspruch auf Kündigungsentschädigung bestehe, eine einheitliche Rsp fehle. [...]
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, er ist auch berechtigt.
1. Anspruch auf Kündigungsentschädigung besteht gem § 29 Abs 1 AngG dann, wenn der AG den Angestellten ohne wichtigen Grund vorzeitig entlässt oder wenn ihn ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Angestellten trifft (RIS-Justiz RS0028724). Entscheidend für den Anspruch ist daher die Beendigungsart. Nach seinem Wortlaut gelangt § 29 AngG im Fall einer bloßen Kündigung des AN nicht zur Anwendung.
2.1 Als Austritt iSd § 29 Abs 1 AngG wird die Erklärung der vorzeitigen und – in der Regel –141fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses (§ 25 AngG) durch den Angestellten bezeichnet. Der wesentliche Unterschied zwischen der ordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses und dem vorzeitigen Austritt des AN liegt aber weniger in der sofortigen Beendigungswirkung der vorzeitigen Auflösung (zumal dies annähernd auch bei einer AN-Kündigung mit sehr kurzer Frist der Fall sein kann, vgl § 1159 ABGB, § 77 GewO 1859), sondern im Erfordernis eines wichtigen Grundes für den Austritt (Pfeil in ZellKomm2 § 25 AngG Rz 2; SZ 7/178; 4 Ob 22/54; Mayr, Kündigungsentschädigung bei begründeter Selbstkündigung, ecolex 1995, 114 [117]). Der Unterschied eines bloß befristeten Austritts zu einer Kündigung mit Frist liegt daher schon gar nicht im Fehlen der Einhaltung einer Frist, sondern in der Erkennbarkeit des Willens, dass vom Recht auf vorzeitige Auflösung Gebrauch gemacht wird (Grillberger in
2.2 Darauf muss jedoch im vorliegenden Fall nicht näher eingegangen werden, weil in diesem Verfahren zwischen den Parteien nicht strittig ist, dass die Auflösungserklärung des Kl als Kündigung und – entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts – nicht als (befristeter) Austritt anzusehen ist. Der Kl hat sich ausdrücklich darauf gestützt, dass ihm die begehrte Kündigungsentschädigung zustehe, obwohl er nur eine Kündigung ausgesprochen habe.
3. In der Rsp ist seit langem anerkannt, dass es einem AN, der berechtigt ist, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung zu beenden, nicht verwehrt werden kann, dieses Recht in einer für den AG regelmäßig günstigeren Form dadurch auszuüben, dass er sich mit einer größeren oder kleineren Lösungsfrist zufrieden gibt, wenn aus dem Inhalt seiner Erklärung deutlich erkennbar ist, dass er für sich einen wichtigen Lösungsgrund beansprucht (4 Ob 22/54 = SZ 27/56; 4 Ob 15/67 = Arb 8381; RIS-Justiz RS0028469). Eine Lösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigen Gründen liegt in diesen Fällen daher auch dann vor, wenn sie „nicht von heute auf morgen vor sich geht“, sondern in die äußere Form einer Kündigung gekleidet wird (RIS-Justiz RS0028539). Maßgebend ist nur, ob zwischen den Vertragspartnern klar ist, dass ein wichtiger Lösungsgrund geltend gemacht wird und es sich daher nicht um eine gewöhnliche Kündigung handelt, zu der es der Angabe von Gründen nicht bedarf (4 Ob 22/54 ua). Wählt der AN daher wie hier statt des vorzeitigen Austritts die Kündigung und weist er dabei auf den Austrittsgrund hin, so ist dies grundsätzlich zulässig (Krejci in Rummel3 § 1162 Rz 30 aE). In solchen Fällen hat der OGH schon mehrfach Ansprüche auf Abfertigung alt bejaht (iSd §§ 23, 23a AngG für Arbeitsverhältnisse, deren vertraglich vereinbarter Beginn vor dem 1.1.2003 liegt, § 42 Abs 3 Satz 2 AngG, RIS-Justiz RS0031717; RS0060132), aber auch schon einmal den Anspruch auf Kündigungsentschädigung in der E 4 Ob 61/71 (teilweise veröffentlicht in Arb 8900), auf die sich der Kl vornehmlich stützt, sowie auch den Anspruch auf Urlaubsentschädigung alt (§ 9 Abs 1 Z 6 UrlG idF vor dem ARÄG 2000, BGBl I 2000/44).
4. Einen Anspruch auf Kündigungsentschädigung kann der Kl hier aber schon ausgehend von seinen Prozessbehauptungen nicht geltend machen. Dabei ist als selbstverständlich voranzustellen, dass der bloß Kündigende – abgesehen von der gewählten Beendigungsart – nur dann die Ansprüche eines Austretenden erfolgreich geltend machen kann, wenn die Voraussetzungen eines vorzeitigen Austritts vorliegen.
4.1 Ein wichtiger Grund, der die vorzeitige Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ermöglicht, liegt nach einhelliger Rsp und Lehre nur dann vor, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die eine Auflösung anstrebende Vertragspartei unzumutbar ist (Krejci in
4.2 Liegt ein wichtiger Grund (hier iSd § 26 AngG) vor, so ist der AN berechtigt, vorzeitig – daher ohne Einhaltung einer Frist – das Arbeitsverhältnis durch Erklärung des Austritts aufzulösen. Die Gründe für eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind nach der Rsp bei sonstigem Verlust des Auflösungsrechts unverzüglich nach ihrem Bekanntwerden geltend zu machen (RIS-Justiz RS0029249), zumal jedes Zögern mit der Auflösung sofort Zweifel aufwirft, ob es wirklich unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Austrittsgründe trifft nach stRsp den AN (RIS-Justiz RS0107226).
4.3 Dieselben Maßstäbe müssen in Bezug auf den geltend gemachten Anspruch auf Kündigungsentschädigung auch dann gelten, wenn der Angestellte anstelle eines vorzeitigen Austritts aus wichtigem Grund eine bloße Kündigung unter Einhaltung der Frist des § 20 Abs 4 AngG erklärt. Auch in diesem Fall trifft den einen wichtigen Grund behauptenden Angestellten die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen dieses Grundes, der auch die142Erklärung eines vorzeitigen Austritts rechtfertigen könnte (Kuras in
5.1 Der Kl hat im vorliegenden Fall vorgebracht, dass eine sE verschlechternde und vertragswidrige Versetzung durch die Bekl einen Austrittsgrund iSd § 26 AngG darstelle. Er hat jedoch kein Vorbringen erstattet, aus welchem Grund ihm deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gewesen sein sollte. Dies wäre jedoch, weil die Unzumutbarkeit immanenter Bestandteil jedes wichtigen Austrittsgrundes ist, erforderlich gewesen, um die Voraussetzungen auch für einen vorzeitigen Austritt schlüssig darzulegen
5.2 Da der Kl keinen sofortigen Austritt erklärt hat, sondern nur eine Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist, hat er dadurch objektiv zum Ausdruck gebracht, dass ihm die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses trotz der von ihm behaupteten verschlechternden Versetzung durch die Bekl zumindest während der Kündigungsfrist nicht unzumutbar war. Gerade an dieser Konstellation – hinzu kam, dass die Bekl die Unzumutbarkeit substantiiert bestritt – hätte der Kl im Verfahren besonders darlegen müssen, weshalb der objektive Eindruck, die Fortsetzung wäre ihm doch zumutbar, falsch gewesen sei. Selbst wenn man daher davon ausgehen würde, dass im Fall einer Kündigung aus wichtigem Grund die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht so streng auf die Zeit der fiktiven Kündigungsfrist einzugrenzen wäre (vgl Mayr, aaO 117; krit Friedrich in
6. Damit fehlt es im vorliegenden Fall aber an einem ausreichenden Vorbringen des Kl zum Vorliegen eines wichtigen Auflösungsgrundes, der dem Kl – trotz des durch die Einhaltung des gesetzlichen Kündigungsgrundes vermittelten gegenteiligen objektiven Eindrucks – die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht hätte, sodass das Erstgericht das Begehren des Kl auf Kündigungsentschädigung zu Recht abgewiesen hat. Die Frage der Unzumutbarkeit stellt sich für den Kl auch nicht überraschend, denn sie wurde von der Bekl schon in erster Instanz thematisiert.
Dem Rekurs der Bekl war daher Folge zu geben. [...]
Bei der einseitigen Auflösung unbefristeter Verträge gibt es drei Dispositionsmöglichkeiten in Bezug auf die Wahl des Auflösungszeitraums. Die erste Möglichkeit und grundsätzlich der Normalfall ist die nicht zu begründende Kündigungserklärung zu einem durch Vertrag oder Gesetz festgelegten Zeitpunkt unter Einhaltung einer (kollektiv)vertraglichen oder gesetzlich bestimmten Frist. Die zweite Variante besteht darin, den Vertrag vorzeitig mit sofortiger Wirkung wegen eines wichtigen Grundes für beendet zu erklären. Erklärt der AN die Auflösung, nennt man diesen Vorgang Austritt, während diese Handlung beim AG Entlassung heißt. Probleme bereiten Konstellationen dritter Art, die zwischen den oben angeführten Beendigungsmöglichkeiten liegen und nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt sind. Das sind befristete einseitige Beendigungen, in denen ein Vertragspartner (unverzüglich) einen wichtigen Grund ins Treffen führt, aber das Vertragsverhältnis nicht sofort beenden will. In der Zusammenschau mit der Kündigungsentschädigung ist der E die Frage zu entnehmen, ob eine Vertragsauflösung aus wichtigem Grund unter Einhaltung der Kündigungsfrist (und des Kündigungstermins) die Rechtsfolgen einer vorzeitigen Auflösung nach sich ziehen kann.
Das Angestelltengesetz (AngG) erlaubt eine vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses vor Ablauf der Kündigungsfrist „aus wichtigen Gründen“ (§ 25). In der Evaluierung der wichtigen Gründe entwickelte sich die Prüfung der Unzumutbarkeit zum Kern des Auflösungsrechts. Dabei steht die Frage in Zentrum, ob es einem Vertragspartner unzumutbar ist, weiter am Vertrag festzuhalten. Unzumutbarkeit liegt vor, wenn objektiv für einen Vertragspartner eine andere Form der Beendigung nicht in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0028673). Der Fokus auf die objektive Prüfung kommt insofern zum Vorschein, als dass dem Erklärenden der wichtige Auflösungsgrund zum Erklärungszeitpunkt gar nicht bekannt gewesen sein muss, solange dieser nur vorhanden ist (RIS-Justiz RS0028704). Der verwirklichte wichtige Grund als negativer Reflex des einen Vertragspartners in Hinblick auf das Verhalten des Konterparts wird maßgeblich von der Intensität und den Umständen des jeweiligen Verstoßes gegen rechtliche Pflichten bestimmt. Einige der im AngG exemplarisch genannten Verhaltensweisen (§§ 26 f AngG) werden als Dauerhandlung beschrieben. Damit kann der wichtige Grund nicht nur in punktuellen, sondern auch linearen Handlungsabläufen zum Ausdruck kommen, womit der Unzumutbarkeit auch ein zeitlich bewegliches Wertungssystem zugrunde liegt. In der erwarteten Reaktionsweise des potentiell Auflösungsberechtigen kommt dies derart zur Geltung, dass „jedes Zögern mit der Auflösung sofort Zweifel aufwirft, ob es wirklich unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen“ (Pkt 4.2). Dabei sollte man mE die Unzumutbarkeit bei länger dauernden Handlungen nicht automatisch verneinen, wenn der Austritt unverzüglich aber zu einem späteren Datum erklärt wird. Das folgt aus der Natur der Auflösungsmöglichkeit, die nicht als Pflicht ausgestaltet ist (arg „kann“, § 25 AngG). Denn bei § 25 AngG es handelt sich um eine den Vertragsteilen anheimgestellte, generelle Auflösungsmöglichkeit, die neben der Nichtbeachtung der Frist grundsätzlich auch die freie Wahl des Beendigungszeitpunktes umfassen muss. Dabei muss die143 Unzumutbarkeit vor allem zum erklärten Ende des Arbeitsverhältnisses in einer objektiv nachvollziehbaren Weise vorliegen. Eine starre Einschränkung des Prüfhorizonts der Unzumutbarkeit auf die Dauer der gesamten Kündigungsfrist – gemessen ab der unverzüglichen Austrittserklärung – schließt möglicherweise gewichtige Parteiinteressen vorab aus, welche trotz anhaltender Unzumutbarkeit ein vorübergehendes Festhalten am Arbeitsvertrag rechtfertigen können (Schramm, Der arbeitsrechtliche Unverzüglichkeitsgrundsatz [1995] 59). Dass der OGH die Beurteilung der Unzumutbarkeit in Bezug auf die Kündigungsfrist offen lässt (Pkt 5.2), legt nahe, eine Austrittsbefristung nicht schon ohne nähere Prüfung der konkreten Umstände als Entfall der Unzumutbarkeit auszulegen. Dennoch ist es nicht von der Hand zu weisen, dass gerade die nicht fristwahrenden einseitigen Beendigungsarten die Wichtigkeit des Lösungsgrundes, der mit steigender Fortdauer des Vertrags an Aktualität und Schlagkraft verliert, ins Zentrum stellen. Darauf stützt sich der OGH, wenn er der äußeren Form einer Kündigung die Indizwirkung mangelnder Unzumutbarkeit, das Arbeitsverhältnis für die Zukunft fortzusetzen, zuspricht.
Einer der Knackpunkte der Entscheidung ist die Frage, inwiefern die Vorzeitigkeit als Voraussetzung eines „vorzeitigen Austritts“ erforderlich ist. Diese Frage soll in weiterer Folge im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Kündigungsentschädigung beleuchtet werden.
Während der OGH den der E zugrunde liegenden Sachverhalt als Kündigung qualifizierte, sah die Vorinstanz in der Erklärung des Kl einen befristeten Austritt (Pkt 2.2). Worin liegt der Unterschied zwischen einer befristeten vorzeitigen Auflösung und einer erkennbaren Kündigung aus wichtigem Grund? Eine fristwahrende „gewöhnliche“ Kündigung ist nicht durch rechtswidriges Handeln einer Partei geprägt. Das ändert sich, wenn man diese zusätzlich mit einem wichtigen Grund – so wie bei der vorzeitigen Auflösung – versieht. Die Kündigung wird aber damit noch nicht zur Auflösungserklärung, was auch der OGH so sieht. Eine vorzeitige befristete Auflösung unterscheidet sich nämlich mE von einer Kündigung aus wichtigem Grund in der Vorverlagerung des Vertragsendes, sofern man sich „vorzeitig“ auch in Hinblick auf den Kündigungstermin und nicht alleine auf die verfrühte Lösungsmöglichkeit bezieht. Wenn der OGH ausführt, dass eine Kündigungsentschädigung trotz fristwahrender Kündigung zusteht, sofern die Voraussetzungen eines vorzeitigen Austritts vorliegen (Pkt 4.), ist anzunehmen, dass dieser nicht den Subsumtionsbereich des § 25 AngG ausweiten will, sondern den der Kündigungsentschädigung.
Die Unzumutbarkeit stellt nach dem OGH ein Tatbestandselement aller vorzeitigen Auflösungstatbestände dar (Pkt 4.1; vgl dazu Pfeil in
Dieser Anspruch gesteht dem AN Schadenersatz für jenen Zeitraum zu, welcher zwischen dem Termin der dem AG zurechenbaren unrechtmäßigen und schuldhaft (Kuras in
Dagegen soll noch dem OGH für die Geltendmachung von Austrittsansprüchen genügen, wenn unabhängig von der gewählten Beendigungsart die Voraussetzungen einer Vertragsbeendigung aus wichtigem Grund vorliegen. So könne auch der „bloß Kündigende [...] die Ansprüche eines Austretenden erfolgreich geltend machen“ (Pkt 4.), wozu auch der Anspruch auf Kündigungsentschädigung zählt. Der OGH erblickt „das essentielle Tatbestandsmerkmal“ (Pkt 4.1) der Auflösung vorrangig in der Unzumutbarkeit, die sich im wichtigen144 Grund realisiert, und versteht unter vorzeitig die Beendigung „ohne Einhaltung einer Frist“. Nach dem Gerichtshof dürfte es bei der Unterscheidung von bloß befristetem Austritt und Kündigung nicht so sehr auf den Vergleich der Fristen und Termine ankommen als auf die Existenz eines wichtigen Grundes. Bei der Hervorhebung der „Erkennbarkeit des Willens, dass vom Recht auf vorzeitige Auflösung Gebrauch gemacht wird“ (Pkt 2.1), kann man davon ausgehen, dass der OGH den Lösungswillen und nicht die Vorzeitigkeit des Vertragsendes in den Fokus rückt. Hätte also der Kl im vorliegenden Fall den wichtigen Grund der Kündigung in Form der Unzumutbarkeit ausreichend darlegen können, der trotz Erklärung einer Kündigung einen Austritt begründen kann, ist davon auszugehen, dass der OGH dem Kl eine Kündigungsentschädigung zugesprochen hätte. Erst indem der Gerichtshof von einer Beachtung des Beendigungstermins hinsichtlich der Vorzeitigkeit abrückt, kann dieser die Gewährung von Ansprüchen, die sonst nur bei einer vorzeitigen Auflösung zuständen, auf frist- und terminwahrende Beendigungsarten ausweiten. Folgt man dieser Auffassung, wäre es möglich, unter Verweis auf die Auflösungsberechtigung und die Natur der Kündigungsentschädigung (pönal ausgestalteter Schadenersatzanspruch infolge schuldhaft verursachten Austritts) dem AN das Entgelt für den Zeitraum zwischen dem ordentlichen DN-Kündigungstermin und dem fiktiven AG-Kündigungstermin zuzusprechen. Festigt sich dieser Ansatz, wäre jedem AG in Hinblick auf die Kündigungsentschädigung anzuraten, auf die Parität der Kündigungsfristen hinzuwirken. Denn umgekehrt wären Angestellte gut beraten, ihr Dienstverhältnis vor allem unter Verweis auf einen „wichtigen“ Grund (und Beweis der anhaltenden Unzumutbarkeit) zu beenden. Die Risikoverlagerung darf in diesem Fall nicht unterschätzt werden (vgl besonders Friedrich in
Gegen die Differenzierung zwischen gewöhnlichen Kündigungen und Fällen, wo die Ansprüche aus Austrittsgründen geltend gemachten werden können, bloß anhand des Vorliegens von Auflösungsgründen spricht das von § 29 AngG aufgegriffene Zeitelement „vorzeitig“. Die grammatikalische Interpretation dieser Vorschrift legt nahe, dass eine Auflösung (oder Beendigung) nur dann vorzeitig ist, wenn sie in Bezug auf die Frist und den Kündigungstermin des Erklärenden verfrüht erfolgt. Anderenfalls wäre ein Verweis auf den Endtermin, der den letzten Tag jenes Zeitraums, für welchen eine Kündigungsentschädigung noch zu gewähren ist, festlegt, der „durch ordnungsmäßige Kündigung durch den Dienstgeber hätte verstreichen müssen“, entbehrlich. Denn nur durch diese Klarstellung wird ersichtlich, dass die Kündigungsentschädigung nicht jeweils in Bezug auf die eigene Kündigungsfrist berechnet wird, sondern bis zum AG-Kündigungstermin zu bemessen ist. Dementsprechend erschiene es verquer – bezöge man das Kriterium Vorzeitigkeit immer auf den (zumeist späteren) Kündigungstermin des AG –, wenn ein befristeter Austritt aus wichtigen Gründen nach dem AN-Kündigungstermin aber noch vor dem AG-Kündigungstermin erklärt werden könnte. Das widerspräche dem Unzumutbarkeitserfordernis, zumal dann der AN in unzumutbaren Szenarien jedenfalls mit einer Selbstkündigung schnellere Abhilfe fände als mit außerordentlichen Mitteln. Beachtet man die Beschreibung einer Auflösung mit dem Wort vorzeitig im Tatbestand des § 29 AngG, erscheint es nicht geboten, das Tatbestandsmerkmal einer vorzeitigen Auflösung mit dem Recht der vorzeitigen Auflösbarkeit zu verwechseln. Die verfrühte Lösungsmöglichkeit ist zwar Rechtsfolge der in den §§ 26 f AngG demonstrativ statuierten und verwirklichten wichtigen Gründe, was jedoch nicht ausschließt, dass diese Rechtsfolge selbst wiederum ein Tatbestandselement des § 29 AngG darstellt. Im Gegenteil. Gerade die Kündigungsentschädigung ist die materielle Implikation einer vorzeitig vollzogenen Auflösung und damit nicht das Ergebnis einer bloß abstrakten Auflösungsmöglichkeit. Das dispositive Element von § 29 AngG besteht sohin nicht in der Lösungsmöglichkeit und der Frage, wie und ob mit dieser verfahren werden kann, sondern in der konkret nach Tagen zu berechnenden Rechtsfolge eines Schadenersatzanspruchs, der von der Wahl des Beendigungszeitpunktes abhängt. Damit bleibt festzuhalten: Die Vorzeitigkeit der Vertragslösung ist zwar Rechtsfolge des § 25 AngG, gleichzeitig wiederum Tatbestandselement des § 29 AngG, dessen Rechtsfolge die Kündigungsentschädigung darstellt. Diesen Tatbestand kann man nahe am Wortlaut verstehen oder wie der OGH bei beendigungsabhängigen Ansprüchen teleologisch um die Beachtung des Vertragsendes reduzieren. Nicht allgemein abschätzbare Interessenlagen der Vertragsparteien ermöglichen den Angestellten nach letzter Sichtweise ein Rosinenpicken. Dadurch riskiert man eine ungewisse Risikoverlagerung, wenn die Unterscheidung von vorzeitiger Auflösung und bloßer Kündigung an Bedeutung verliert. Nach beiden Sichtweisen muss letztlich immer die Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung begründet werden, deren Indizierung proportional zur zeitlichen Postposition des Vertragsendes abnimmt.145