Resch (Hrsg) Der Arbeitnehmer in Bedrängnis – Mobbing

Verlag des ÖGB, Wien 2016, 148 Seiten, kartoniert, € 24,90

THOMASMAJOROS (WIEN)

Der 2016 in der Reihe „Schriften zum Arbeitsrecht und Sozialrecht“ (hrsg von Reinhard Resch) erschienene Band „Der Arbeitnehmer in Bedrängnis – Mobbing“ geht zurück auf ein von der Universität Klagenfurt gemeinsam mit der Arbeiterkammer Kärnten am 19.6.2015 veranstaltetes Praktikerseminar. Die Beiträge stammen von Peter Hoffmann, Elias Felten, Julia Eichinger und Herbert Hopf.

Der Beitrag von Hoffmann „Die ArbeitnehmerInnen in Bedrängnis – Mobbing“ bringt uns das Thema aus psychologischer Sicht näher. Erläutert werden zunächst die auf den Begründer der Mobbingforschung Heinz Leymann zurückgehende Definition des Mobbingbegriffs sowie der Unterschied zwischen „Mobbing“ und „Konflikt“. Uneingeschränkt zuzustimmen ist dem Autor dahingehend, dass der Begriff „Mobbing“ heute inflationär verwendet wird, sodass die Anliegen von Betroffenen oft (zu Unrecht) nicht ernst genommen werden. Eingegangen wird sodann auf die Verbreitung von Mobbing sowie die negativen Effekte von Mobbing auf die Gesundheit der Betroffenen und das menschliche bzw soziale Wertgefüge. Hoffmann bezieht sich dabei auf psychologische und medizinische Forschungsergebnisse sowie auf national sowie EU-weit durchgeführte statistische Erhebungen. Erläutert wird die mit 1.1.2013 in Kraft getretene Novelle des ASchG, womit auch Maßnahmen zum Schutz der psychischen Gesundheit verbindlich vorgeschrieben werden. Der Autor sieht darin Ansatzpunkte zur Bekämpfung und Verhinderung von Mobbing am Arbeitsplatz (was nach Ansicht des Rezensenten aufgrund der diesbezüglich – im Gegensatz zum „technischen ArbeitnehmerInnenschutz“ – wenig konkreten Bestimmungen einer näheren Untersuchung bedürfte). Als notwendige Schritte fordert Hoffmann vor allem eine stärkere Heranziehung des ASchG, entsprechende Aufklärung und Information von AG und AN, Durchführung von nationalen kontinuierlichen Mobbingberichten sowie verstärkte Forschungsaktivitäten und eine bessere Verankerung von Mobbing in der Gesetzgebung.

Felten behandelt das Thema „Fürsorgepflicht bei Mobbing am Arbeitsplatz“. Anknüpfend an die von der Rsp verwendete sozialwissenschaftliche Definition des Mobbingbegriffs, der insb eine gewisse Dauerhaftigkeit und eine bestimmte Intention/einen bestimmten Effekt der entsprechenden Verhaltensweisen fordert, wird zunächst der diesbezügliche Unterschied zum „Mobbingverbot“ im öffentlichen Dienstrecht sowie den Belästigungstatbeständen insb im GlBG erläutert.156

Aufgrund des eingeschränkten Anwendungsbereiches dieser Bestimmungen ist der Anknüpfungspunkt in den meisten Fällen die in § 1157 ABGB und § 18 AngG geregelte Fürsorgepflicht des/der AG. Diese umfasst auch den Schutz der Persönlichkeitsrechte. „Schwachpunkte“ sind nach Ansicht des Autors dabei vor allem eine Zurückhaltung der Rsp bei Fürsorgepflichtverletzungen iZm Persönlichkeitsrechten (insb aufgrund der strengen Definition des Mobbingbegriffs), das Fehlen einer direkten Vertragsbeziehung zwischen AN untereinander (weshalb diesbezüglich nur Ansprüche aus Deliktshaftung abgeleitet werden können) und die fehlende Möglichkeit, die Erfüllung der Fürsorgepflicht gerichtlich durchzusetzen. Der zuletzt genannte Umstand ist aus Sicht des Rezensenten besonders bedauerlich, verhindert er doch idR die wirksame Durchsetzung dieser Pflicht und „vertröstet“ die betroffenen AN auf Schadenersatz- oder Beendigungsansprüche. Zutreffend ist der von Felten aufgezeigte Wertungswiderspruch zwischen der Rechtsdurchsetzung bei Mobbing und jener bei Belästigungen nach dem GlBG: Bei Belästigungen aufgrund bestimmter Merkmale („qualifiziertes“ Mobbing) finden sich Erleichterungen bei der Rechtsdurchsetzung (insb Beweiserleichterung und teilweise verschuldensunabhängiger Ersatz auch des ideellen Schadens mit einem Mindestbetrag), welche bei Belästigungen ohne diese Motive nicht bestehen, obwohl die Beeinträchtigung dieselbe ist. Zuzustimmen ist auch den dargestellten Lösungsvorschlägen, AG gem § 1313a ABGB für das Verhalten jedenfalls von Vorgesetzten mit Personalverantwortung als deren Erfüllungsgehilfen bei der Wahrnehmung der Fürsorgepflicht haftbar zu machen und den Arbeitsvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu verstehen. Zu hinterfragen ist jedoch die vom Autor vorgeschlagene erweiterte Interpretation des Mobbingbegriffs, zumal dieser an gängige sozialwissenschaftliche Definitionen anknüpft. Zum selben Ergebnis würde man gelangen, wenn man nicht primär auf das Vorliegen von „Mobbing“, sondern allgemein auf die Menschenwürde verletzende Verhaltensweisen mit entsprechender Erheblichkeit abstellt. Was die geforderte Zuerkennung ideeller Schäden auch in den nicht gesetzlich ausdrücklich normierten Fällen betrifft, wäre dies mit § 1323 ABGB vereinbar (und wurde vom OGH in seiner älteren Rsp auch so judiziert). Trotz der „Trauerschmerz-Entscheidungen“ des OGH ist eine allgemeine Tendenz, zur älteren Rsp zurückzukehren, aber nicht bemerkbar.

Der dritte Beitrag ist jener von Eichinger/Hopf und widmet sich den „arbeits- und sozialrechtliche(n) Rechtsfolgen von Mobbing am Arbeitsplatz“. Zur (gesetzlich nicht geregelten) Definition des Mobbingbegriffs betonen die AutorInnen zutreffend, dass keinesfalls „alles erlaubt ist, was nicht unter diese Definition fällt.“ Dargestellt werden zunächst das mit der Dienstrechtsnovelle 2009 eingeführte „Mobbingverbot“ im öffentlichen Dienst (insb § 43a BDG 1979, womit immerhin klarstellt wird, dass Mobbing eine Pflichtverletzung darstellt) sowie die in den §§ 6, 7, 21 GlBG und § 7d BEinstG enthaltenen Belästigungsverbote. Da bei Mobbing eine Verletzung der Menschenwürde vorliegt, hat die Rsp klargestellt, dass Mobbing nicht nur im öffentlichen Dienstrecht, sondern auch im privaten Arbeitsrecht verboten ist. Erläutert werden die arbeits- und schadenersatzrechtlichen Folgen von Mobbing und Belästigung sowie die daraus resultierenden Handlungsmöglichkeiten von AN und AG. Die AutorInnen betonen dabei bspw, dass Mobbing als solches ohne nähere Substantiierung keine Grundlage arbeits- oder schadenersatzrechtlicher Ansprüche ist. Dabei kann es hilfreich sein, den Sachverhalt in konkrete Handlungen und Wirkungen zu „splitten“, wenn daraus jeweils Rechtsfolgen ableitbar sind. Jedenfalls dann, wenn ein solches „Splitting“ nicht weiterführt, ist das Mobbinggeschehen aber in seiner Gesamtheit zu betrachten. Tatsächlich sind Mobbinggeschehen häufig dadurch gekennzeichnet, dass erst durch den Zusammenhang vieler (für sich allein genommen vielleicht rechtsunerheblicher) einzelner Verhaltensweisen eine gewisse – mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausschlusses einer bestimmten Person im Zusammenhang stehende – Systematik sichtbar wird. Hier bestehen aber in der Praxis die größten Abgrenzungsschwierigkeiten! Eingegangen wird von den AutorInnen auch auf sozialrechtliche Folgen von Mobbing und Belästigung sowie das Fehlen eines „Anti-Mobbing-Gesetzes“, welches neben einer „Signalwirkung“ auch eine Klarstellung brächte, dass Mobbing nicht geduldet wird. Aufgrund der – gegenüber einer Belästigung nach dem GlBG/BEinstG – wesentlich schwierigeren Rechtsdurchsetzung bei Mobbing schlagen die AutorInnen die gesetzliche Regelung eines allgemeinen Belästigungstatbestandes mit denselben Rechtsfolgen wie jene im GlBG/BEinstG vor, welcher jedoch nicht an bestimmte Merkmale geknüpft ist. Dies wäre auch aus Sicht des Rezensenten dringend erforderlich!

Den AutorInnen ist es gelungen, ein in der Praxis (leider) bedeutsames Problemfeld von mehreren Seiten zu beleuchten. So wird einerseits der überwiegend juristischen Bearbeitung eine Darstellung der psychologischen Grundlagen vorangestellt. Andererseits finden sich neben einer Aufarbeitung des aktuellen Meinungsstandes für die Praxis und entsprechenden Hinweisen auf weiterführende Fundstellen zur Vertiefung auch eine Erweiterung der wissenschaftlichen Diskussion und rechtspolitische Anstöße. Das vorliegende Werk ist daher jedenfalls als Bereicherung anzusehen!