Kozak (Hrsg) EuGH und Arbeitsrecht – Wiener Arbeitsrechtsforum 2015

Manz Verlag, Wien 2015, XII, 126 Seiten, broschiert, € 32,–

WALTERJ.PFEIL (SALZBURG)

Dass der EuGH starken Einfluss auf das nationale Arbeitsrecht nimmt, ist fast schon ein Allgemeinplatz. Die Rezeption seiner Judikatur ist durchaus unterschiedlich – und nicht selten Standpunkt-abhängig. Das Spektrum reicht von praktisch kritikloser Exegese bis zu forscher Ablehnung, nicht zuletzt im Hinblick auf die am Gerichtshof in Luxemburg betriebene – von vielen als exzessiv angesehene – Rechtsfortbildung, für die es an demokratischer Legitimation mangle. Eine über den jeweiligen Anlassfall hinausgehende Auseinandersetzung mit dieser Judikatur und ihren Grundsätzen und den angewendeten Methoden hat in Österreich bisher noch (viel zu) selten stattgefunden. Der vorliegende Band schließt einige der hier bestehenden Lücken. Er geht auf das „1. Wiener Arbeitsrechtsforum“ zurück, das am 28.5.2015 in den Räumen der Akademie der Wissenschaften in Wien stattgefunden hat.

Die dafür getroffene Auswahl der ReferentInnen ist ebenso vielversprechend wie jene der von diesen behandelten Themen. Der Sammelband enthält Beiträge von drei wissenschaftlich bestens ausgewiesenen HöchstrichterInnen bzw zwei ebensolchen Arbeitsrechtspraktikern und von einer der führenden Expertinnen für das Zusammenspiel von österreichischem und Unions-Arbeitsrecht. Die Abfolge dieser Beiträge ist stimmig und durchdacht: Zunächst setzt sich Gerhard Kuras (Senatspräsident am OGH und Honorarprofessor an der Universität Wien) mit den Voraussetzungen, aber auch mit der Sinnhaftigkeit von Vorlageanträgen österreichischer Gerichte an den EuGH auseinander. Erfolgt eine solche nicht, obwohl sie rechtlich notwendig wäre, stellt sich die Frage der Staatshaftung, die von Sieglinde Gahleitner (Mitglied des VfGH, Rechtsanwältin und seit kurzem Honorarprofessorin an der Wirtschaftsuniversität Wien) auch im Lichte der Judikatur des VfGH untersucht wird.

Die nächsten beiden Beiträge sind – iwS – der Umsetzung von EuGH-Entscheidungen ins nationale Recht gewidmet. Bertram Zwanziger, Vorsitzender Richter am deutschen BAG, analysiert die diesbezügliche und nicht selten zurückhaltende Praxis im deutschen Arbeitsrecht. Mit der Nutzbarmachung von vor dem Hintergrund anderer Rechtsordnungen ergangener Vorabentscheidungen ist die Frage angesprochen, welcher Rolle dabei der Rechtsvergleichung zukommen soll. Der Herausgeber des Bandes versucht daher herauszuarbeiten, inwieweit auf diesen Ansatz zurückgegriffen werden kann oder gar muss.

Den Abschluss des Bandes bilden zwei Beiträge zu speziellen Sachthemen, die aber für das Verhältnis von EuGH und Arbeitsrecht von geradezu struktureller Bedeutung sind. Christoph Wolf, einer der führenden Arbeitsrechtsanwälte des Landes, befasst sich mit der Notwendigkeit der Sanierung diskriminierender Entgeltregelungen, die – wie gerade die Erfahrungen mit dienstrechtlichen Vorschriften in den letzten Jahren zeigen – nur sehr schwer mit den Vorgaben weitestmöglicher Kostenneutralität zu vereinbaren sind.158Michaela Windisch-Graetz, Professorin an der Universität Wien, widmet sich schließlich den Auswirkungen der Deutung der AN-Freizügigkeit durch den EuGH als allgemeines Beschränkungsverbot insb im Lichte der Anrechnung von Vordienstzeiten.

Angesichts der Fülle der behandelten Themen kann im vorliegenden Rahmen eine inhaltliche Auseinandersetzung nicht einmal mit einzelnen Fragen sinnvoll erfolgen. Dem vorliegenden Band kann aber auch so bescheinigt werden, dass er eine Vielzahl von interessanten Problemen anspricht und wesentlich zu einer Klärung, zum Teil wohl sogar Entkrampfung des nicht immer spannungsfreien Verhältnisses zwischen dem Unionsrecht (in seiner Auslegung durch den EuGH) und dem nationalen Arbeitsrecht (und seiner Anwendung durch heimische Gerichte) beiträgt. Dem Herausgeber und den Veranstaltern der dem Band zugrundeliegenden Tagung gebührt daher Dank und ist zu einer überaus spannenden und höchst anregenden Publikation zu gratulieren.