Elternteilzeit/Änderung der Lage der Arbeitszeit: Gestaltungsmöglichkeiten und Besonderheiten des Durchsetzungsverfahrens
Elternteilzeit/Änderung der Lage der Arbeitszeit: Gestaltungsmöglichkeiten und Besonderheiten des Durchsetzungsverfahrens
Anspruch auf Elternteilzeit – und/oder Änderung der Lage der Arbeitszeit
Anspruchsvoraussetzungen und allgemeine Grundsätze
Wann müssen die Anspruchsvoraussetzungen für den Rechtsanspruch vorliegen?
Flexible Gestaltungsrechte des/der AN beim Rechtsanspruch auf Elternteilzeit und Lageverschiebung
Bekanntgabe der Elternteilzeit/Lageverschiebung
Elternteilzeit/Lageverschiebung: optimale Instrumente für die partnerschaftliche Teilung der Kinderbetreuung
Elternteilzeit/Lageverschiebung: einmaliges Änderungsrecht
Besonderheiten des Anspruchs auf Änderung der Lage der Arbeitszeit
Besonderheiten des Durchsetzungsverfahrens: Möglichkeiten und Grenzen
Entscheidung des ASG: keine Berufung zulässig
Karenz anstelle einer Elternteilzeit/Lageverschiebung gem § 15m MSchG/§ 8e VKG
Vereinbarte Elternteilzeit/Lageverschiebung: Durchsetzungsverfahren und Fristen
Interessenabwägung?
Kündigungs- und Entlassungsschutz bei der vereinbarten Elternteilzeit/Lageverschiebung
Bis wann muss eine Klage auf vereinbarte Elternteilzeit/Lageverschiebung eingebracht werden?
Nach §§ 15h MSchG/§ 8 VKG haben AN unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Reduktion ihrer Arbeitszeit (im Folgenden: Rechtsanspruch auf Elternteilzeit) bis maximal zum Ablauf des siebten Lebensjahres des Kindes oder einem späteren Schuleintritt. Den Anspruch haben nach § 15o MSchG/§ 8g VKG zudem Adoptiv- und Pflegeeltern sowie Frauen, deren Partnerinnen durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung ein Kind bekommen (§ 1 Abs 1a VKG).*
sie zum Zeitpunkt des Antritts in einem Betrieb mit mehr als 20 AN beschäftigt sind und
das Arbeitsverhältnis ununterbrochen drei Jahre (inklusive Karenzen) gedauert hat,
sie mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt leben oder die Obsorge nach den §§ 177 Abs 4 oder 179 ABGB gegeben ist und
sich der andere Elternteil nicht gleichzeitig für dasselbe Kind in Karenz befindet.90
Für Geburten ab 1.1.2016 gilt zudem gem § 15h Abs 1 Z 3 MSchG/§ 8 Abs 1 Z 3 VKG: Bei der Elternteilzeit muss die individuelle wöchentliche Normalarbeitszeit um mindestens 20 % reduziert und eine Mindestarbeitszeit von zwölf Stunden pro Woche darf nicht unterschritten werden (sogenannte Bandbreite bei der Elternteilzeit).
Neben dem Anspruch auf Elternteilzeit nach § 15h MSchG/§ 8 VKG haben AN zusätzlich die Möglichkeit, eine Änderung der Lage der Arbeitszeit nach § 15p MSchG/§ 8h VKG (im Folgenden: Rechtsanspruch auf Lageverschiebung) zu denselben Bedingungen wie bei der Elternteilzeit zu begehren. Denn dieses Recht ist neben der Elternteilzeit als eigener Anspruch ausgestaltet. Er ermöglicht erwerbstätigen Müttern und Vätern somit, die Arbeitszeiten zu verschieben, ohne dabei Stunden zu reduzieren. Beispielsweise kann eine 40-Stunden-Woche beibehalten, aber der tägliche Beginn und das Ende der Arbeitszeit auf eine andere Uhrzeit verlegt werden. Hier gelten ua dieselben Anspruchsvoraussetzungen und Schutzbestimmungen (besonderer Bestandschutz), nur dass eben das Ausmaß der Arbeitszeit außer Betracht bleibt (siehe Pkt 1.2.2.).
Erfüllt ein/e AN die oben angeführten Anspruchsvoraussetzungen nicht, weil sie/er in einem kleineren Betrieb als 21 Beschäftigte tätig ist oder das Arbeitsverhältnis noch keine drei Jahre gedauert hat, dann kann eine Elternteilzeit/Lageverschiebung nur mit der/dem AG gem §§ 15i, 15p MSchG/§§ 8a, 8h VKG vereinbart werden (im Folgenden: vereinbarte Elternteilzeit/Lageverschiebung; siehe Pkt 3.). Rechtsanspruch und vereinbarte Elternteilzeit/Lageverschiebung unterscheiden sich dabei einerseits in der Dauer des Anspruchs, andererseits in der Rechtsdurchsetzung: Beim Rechtsanspruch muss die/der AG aktiv werden, wenn er mit der von der/vom AN bekanntgegebenen Elternteilzeit/Lageverschiebung nicht einverstanden ist. Er kann eine Klage auf Einwilligung der AN in die von ihm vorgeschlagenen Bedingungen der Elternteilzeit bzw Ausgestaltung der Lage der Arbeitszeit einbringen (§ 15k MSchG und § 8c VKG). Der AG hat aber nach dem Gesetz keine Möglichkeit, die Elternteilzeit/Lageverschiebung generell abzulehnen. Bei der vereinbarten Elternteilzeit/Lageverschiebung hingegen wird die Klagslast der/dem AN auferlegt. Kommt keine Einigung mit der/dem AG über die Ausgestaltung der vereinbarten Elternteilzeit/Lageverschiebung zu Stande, dann muss die/der AN die/den AG auf Einwilligung in die Elternteilzeit/Lageverschiebung beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht (ASG) klagen. Eine vereinbarte Elternteilzeit/Lageverschiebung kann längstens bis zum Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes dauern.
Nach Ende einer Elternteilzeit/Lageverschiebung wird jedenfalls die Arbeitszeit vor Antritt der Lageänderung bzw Elternteilzeit wieder wirksam, da es sich dabei um zeitlich befristete Maßnahmen handelt.*
Die Anspruchsvoraussetzungen müssen nach dem Wortlaut des § 15h MSchG/§ 8 VKG zum Zeitpunkt des Antritts der Elternteilzeit/Lageverschiebung vorliegen. Somit muss die/der AG zum Antrittszeitpunkt die ausreichende Anzahl an AN beschäftigen und die/der AN muss drei Jahre durchgehend zu diesem Zeitpunkt beschäftigt sein. Ebenso darf sich der andere Elternteil mit demselben Kind nicht in Karenz nach MSchG/VKG befinden. Unerheblich ist, was zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der beabsichtigten Inanspruchnahme von Elternteilzeit/Lageverschiebung war. So spielt es beispielsweise keine Rolle, wenn der andere Elternteil bei Bekanntgabe einer Elternteilzeit noch in Karenz ist.
In diesem Zusammenhang werfen Winterauer/Löscher* die Frage auf, ob dann, wenn eine Elternteilzeit nach § 15i MSchG/§ 8a VKG vereinbart wurde, die/der AN automatisch auf den Anspruch auf Elternteilzeit nach § 15h MSchG/§ 8 VKG „umsteigen“ kann, sofern die für den Rechtsanspruch erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Aus Sicht der AutorInnen wäre ua ein „Hineinwachsen“ in den Anspruch durch Ausübung des einmaligen Änderungsrechts (Antrag auf Verlängerung der Elternteilzeit) denkbar. Ein „Herauswachsen“ aus dem Anspruch ist aber jedenfalls nicht die Konsequenz dieser Auslegung (zB wenn der AG nicht mehr die erforderliche Anzahl an AN beschäftigt). Denn der Wortlaut des Gesetzes spricht aus meiner Sicht klar dagegen und es sind auch sonst keinerlei Anhaltspunkte dafür im Gesetz ersichtlich. Die Voraussetzungen für einen Anspruch sind zum Antrittszeitpunkt zu prüfen und daher ausschlaggebend.
Sollten nach Ende einer vereinbarten Elternteilzeit die oben angeführten Anspruchsvoraussetzung vorliegen, dann kann die/der AN mE auch noch eine Änderung der Lage der Arbeitszeit nach § 15p MSchG/§ 8h VKG ausüben (siehe Pkt 1.2.2. Besonderheiten des Anspruchs auf Änderung der Lage der Arbeitszeit).
Der Rechtsanspruch auf Elternteilzeit und/oder Lageverschiebung besteht dem Grunde nach, wobei Beginn, Dauer, Lage und Ausmaß der Arbeitszeit mit der/dem AG zu vereinbaren sind. §§ 15h, 15p MSchG/§§ 8, 8h VKG haben eine einseitig zwingende Wirkung. Demnach liegt es im Ermessen einer/eines AN, ob sie/er von ihrem Anspruch auf Elternteilzeit/Lageverschiebung Gebrauch macht oder nicht. Das Gestaltungsrecht der/des AN wird jedenfalls durch die Bekanntgabe der Elternteilzeit/Lageverschiebung innerhalb der vorgesehenen gesetzlichen Fristen (§ 15j MSchG/§ 8b VKG) ausge-91übt:* Die Absicht, eine Elternteilzeit/Lageverschiebung in Anspruch zu nehmen, hat die/der AN der/dem AG (schriftlich) bekannt zu geben: Innerhalb der Schutzfrist nach der Geburt (bzw für den Vater innerhalb von acht Wochen nach der Geburt), wenn die Elternteilzeit/Lageverschiebung gleich nach der Schutzfrist beginnen soll; ansonsten spätestens drei Monate vor dem beabsichtigten Beginn.*
Für Eltern, deren Kinder ab dem 1.1.2016 geboren wurden, ist zusätzlich zu beachten, dass die Bekanntgabe der Elternteilzeit innerhalb der Bandbreite nach § 15h Abs 1 Z 3 MSchG/§ 8 Abs 1 Z 3 VKG (siehe Anspruchsvoraussetzungen) zu erfolgen hat. Möglich sind gem § 15j Abs 10 MSchG/§ 8b Abs 10 VKG aber auch Elternteilzeitvereinbarungen außerhalb der Bandbreite. Dazu braucht es allerdings eine Einigung mit der/dem AG. Es besteht kein Anspruch darauf. Falls die/der AG aber zustimmt, gelten die (Schutz-)Bestimmungen über die Elternteilzeit.
Elternteilzeit und Lageverschiebung können unter Berücksichtigung der Meldefristen sehr flexibel von Müttern und Vätern in Anspruch genommen werden und zwar unabhängig von einer Karenz nach MSchG und VKG.
So ist es möglich, eine Elternteilzeit/Lageverschiebung nach dem Ende der Schutzfrist zu einem beliebigen Zeitpunkt bis maximal zum Ablauf des siebten Lebensjahres des Kindes oder späteren Schuleintritt anzutreten. Es ist lediglich eine Mindestdauer von zwei Monaten einzuhalten. Mütter und Väter können demnach wahlweise Karenz und/oder Elternteilzeit/Lageverschiebung in Anspruch nehmen.
Haben beide Elternteile einen Rechtsanspruch, dann können eine Elternteilzeit und/oder Lageverschiebung auch optimal für eine partnerschaftliche Teilung der Kinderbetreuung genützt werden: Denn Elternteilzeit/Lageverschiebung kann – anders als bei einer Karenz* – von beiden Elternteilen gleichzeitig über einen längeren Zeitraum für dasselbe Kind in Anspruch genommen werden. Erfüllt ein Elternteil oder auch beide die Voraussetzungen nicht, dann kann eine vereinbarte Elternteilzeit/Lageverschiebung erwirkt werden. Beispielsweise ist es möglich, dass die Mutter einer Änderung der Lage der Arbeitszeit nach § 15p MSchG in Anspruch nimmt und der Vater gleichzeitig mit der/dem AG eine Elternteilzeit im Ausmaß vom 30 Stunden pro Woche vereinbart. Nicht möglich ist allerdings eine Kombination aus Elternteilzeit und Elternkarenz. Nimmt somit ein/e AN Elternteilzeit oder eine Änderung der Lage der Arbeitszeit in Anspruch, dann darf sich der andere Elternteil nicht gleichzeitig für dasselbe Kind in Karenz befinden.
Elternteilzeit/Lageverschiebung können/kann jeweils für jedes Kind nur einmal in Anspruch genommen werden, wobei eine Rückziehung des Antrags einer noch nicht angetretenen Elternteilzeit/Lageverschiebung jederzeit möglich ist und den Anspruch nicht verwirkt (§ 15j Abs 2 MSchG/§ 15b Abs 2 VKG).
Eine einmal angetretene Elternteilzeit/Lageverschiebung kann von einer/einem AN auch einmal verändert (Verlängerung/Änderung des Ausmaßes oder der Lage) oder vorzeitig beendet werden (§ 15j Abs 4 MSchG/§ 8b Abs 5 VKG). Auch hier sind Fristen zu beachten. Für Geburten ab 1.1.2016 gilt zudem, dass die Änderung der Elternteilzeit innerhalb der Bandbreite nach § 15h Abs 1 Z 3 MSchG/§ 8 Abs 1 Z 3 VKG zu erfolgen hat. Bei einer 40-Stunden-Woche ist damit die Arbeitszeit auf 12 bis 32 Stunden eingeschränkt. Die/der AN muss daher auch eine Änderung der Elternteilzeit innerhalb dieser Bandbreite bei der/beim AG bekanntgeben.
Eine Besonderheit bei den Gestaltungsrechten für erwerbstätige Mütter und Väter stellt jedenfalls der Rechtsanspruch auf Lageverschiebung nach § 15p MSchG/§ 8h VKG dar. Dieses Recht ist neben der Elternteilzeit als eigener Anspruch ausgestaltet. Er ermöglicht somit AN die Arbeitszeiten zu verschieben, ohne dabei Stunden reduzieren zu müssen, da nach dem Gesetz das Ausmaß der Arbeitszeit außer Betracht bleibt.*
Möglich wäre sowohl eine Änderung der Tage als auch der Stundeneinteilung. Den Anspruch können selbstverständlich auch Teilzeitkräfte begehren. Beispielsweise kann eine 25-Stunden-Woche beibehalten, aber der tägliche Beginn und das Ende der Arbeitszeit auf eine andere Uhrzeit verlegt werden. Bei Gleitzeit kann die Änderung bezüglich der Kernzeit oder des Gleitzeitrahmens erfolgen.*
Eine Änderung der Lage der Arbeitszeit kann für dasselbe Kind aber auch nach einer bereits ausgeübten Elternteilzeit begehrt werden (§ 15h MSchG/§ 8h VKG).*92
Hinsichtlich des Kündigungs- und Entlassungsschutzes gelten sowohl bei der Elternteilzeit als auch bei der Lageverschiebung dieselben Spielregeln: Der Schutz beginnt grundsätzlich mit der Bekanntgabe, frühestens jedoch vier Monate vor Antritt. Er dauert bis längstens vier Wochen nach dem Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes. Zwischen dem vierten und dem siebten Lebensjahr besteht ein Motivkündigungsschutz gem § 15n Abs 2 MSchG/§ 8f Abs 2 VKG. Sollte daher eine Kündigung nach Ablauf des besonderen Bestandschutzes ausgesprochen werden, kann diese bei Gericht angefochten werden. Eine Anfechtung wird aber nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn die/der AN glaubhaft machen kann, dass die Kündigung wegen der Inanspruchnahme einer Elternteilzeit oder Änderung der Lage der Arbeitszeit ausgesprochen wurde. Das Gesetz sieht keine Frist für die Motivanfechtung vor. Es verweist lediglich auf die Bestimmungen des § 105 Abs 5 ArbVG hinsichtlich der Glaubhaftmachung. Schrank* geht dabei von der Klagsfrist des § 105 Abs 4 ArbVG aus. Argumentierbar ist mE auch nur eine Aufgriffsobliegenheit der/des AN: Der Gesetzgeber hat hier von der Normierung einer Frist abgesehen. Eine planwidrige Lücke* liegt mE nicht vor. Für den Aufgriff wäre allerdings in Anlehnung an die Judikatur und Lehre zur Unwirksamkeit von Kündigungen wegen Betriebsübergangs eine sechsmonatige Frist einzuhalten.*
Die Verfahren zur Durchsetzung des Rechtsanspruchs auf Elternteilzeit und Lageverschiebung sind gleich geregelt (siehe § 15k MSchG und § 8c VKG): Beginn, Dauer, Ausmaß der Elternteilzeit sowie die konkrete Lage der Arbeitszeit sind mit der/dem AG zu vereinbaren. Kommt zwischen AG und AN allerdings binnen vier Wochen ab Bekanntgabe der beabsichtigten Inanspruchnahme keine (innerbetriebliche) Einigung zustande, dann obliegt es der/dem AG aktiv zu werden. Sie/er muss binnen weiterer zwei Wochen ein Verfahren vor dem ASG einleiten (Antrag auf gütliche Einigung durch prätorischen Vergleich). Führt dieses nicht binnen vier Wochen zu einer Einigung, so steht der/dem AG die Möglichkeit (binnen einer weiteren Woche) einer Klage offen. Verabsäumt die/der AG die Einleitung eines Vergleichsversuches vor dem ASG bzw im Anschluss daran die Einbringung einer Klage, so kann die/der AN jedenfalls die Elternteilzeit/Lageverschiebung nach den von ihr/ihm gewünschten Bedingungen antreten.
Geht die/der AG allerdings gegen die von der/dem AN bekanntgegebene Elternteilzeit oder Lageverschiebung vor, dann ist die Klage der/des AG auf Einwilligung der/des AN in die von der/vom AG vorgeschlagenen Bedingungen der Elternteilzeit bzw Ausgestaltung der Lage der Arbeitszeit (Gegenvorschlag der/des AG) gerichtet (§ 15k MSchG und § 8c VKG). Dabei unterliegt die Klagemöglichkeit der/des AG (im Durchsetzungsverfahren) aber auch Grenzen:
Die/der AG hat nach dem Gesetz keine Möglichkeit, eine Elternteilzeit/Lageverschiebung generell abzulehnen. Ein Begehren der/des AG auf Beibehaltung der ursprünglichen Arbeitszeit ist daher nicht möglich.
Beim Rechtsanspruch auf Elternteilzeit ist eine Klage der/des AG auf eine Vollzeitbeschäftigung nicht zulässig.*
Für Geburten ab 1.1.2016 ist bei der Elternteilzeit zudem zu beachten, dass eine Klage der/des AG auf Einwilligung auch nur innerhalb der Arbeitszeit-Bandbreite möglich ist.
Die Änderung des Arbeitsvertrages (zB Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz) ist nicht Gegenstand des Durchsetzungsverfahrens:* Die/der AG kann daher im Rahmen dieses Verfahrens keine Änderung des Arbeitsvertrages erzwingen. Gegenstand dieses Gerichtsverfahrens sind ausschließlich die gesetzlichen Bedingungen für eine Elternteilzeit/Lageverschiebung, also Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Arbeitszeit.* Versetzungen sind daher nur im Rahmen des Arbeitsvertrages möglich. In diesem Zusammenhang ist das Diskriminierungsverbot nach § 3 GlBG* beachtlich. Schikanöse Versetzung aufgrund der Inanspruchnahme einer Elternteilzeit/Lageverschiebung oder als Reaktion, insb, um die Durchsetzung abzuwehren, stellen (mittelbare) Diskriminierungen bei den sonstigen Arbeitsbedingungen dar. Es besteht in einem solchen Fall Anspruch auf Gewährung diskriminierungsfreier Arbeitsbedingungen oder auf Ersatz eines Vermögenschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung (§ 12 Abs 6 GlBG).*
Bei der Entscheidung hat das ASG jedenfalls eine Interessenabwägung zwischen dem Vorschlag der/des AN und der/dem AG vorzunehmen. Das Gericht kann sich dabei entweder dem Vorschlag der/des AG93 oder der/dem AN anschließen. Die/der AG gewinnt das Verfahren gem § 15k Abs 3 MSchG, § 8c Abs 3 VKG nur dann, wenn die betrieblichen Erfordernisse gegenüber den Interessen der/des AN überwiegen. Nach den Materialien* muss es sich bei den betrieblichen Interessen um Umstände handeln, die negative Auswirkungen auf den Betrieb in seiner Eigenschaft als eine dem Zweck der Leistungshervorbringung gewidmete Organisation haben.
Eine Berufung gegen das Urteil des ASG ist gem § 15k Abs 6 MSchG nicht zulässig. Wenn allerdings ein/e AN auf Feststellung klagt, dass sie/er berechtigt ist, die von ihr/ihm bekanntgegebenen Elternteilzeit/Lageverschiebung anzutreten, dann ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel zulässig.*
Während eines laufenden Durchsetzungsverfahrens kann ein/e AN die gewünschte Elternteilzeit/Lageverschiebung allerdings (noch) nicht antreten. Sofern sie/er sich noch in einer Elternkarenz befindet, spielt dieser Umstand keine Rolle. Steht allerdings der Wiedereinstieg knapp bevor, kann das zB aufgrund nicht ausreichender Möglichkeiten einer Kinderbetreuung problematisch sein. Ein/e AN hat in einem solchen Fall folgende Optionen: Die/der AN kann die Arbeitszeit wie vor der Geburt des Kindes bis zu Entscheidung des ASG antreten oder eine Karenz anstelle der Elternteilzeit/Lageverschiebung (Ersatzkarenz) in Anspruch nehmen (§ 15m Abs 1 MSchG/§ 8e Abs 1 VKG).
Ersatzkarenz kann – wie auch eine reguläre Elternkarenz nach MSchG und VKG – maximal bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes dauern. Sie ermöglicht AN nach Scheitern der innerbetrieblichen Verhandlungen eine Karenz entweder
anstelle der Elternteilzeit/Lageverschiebung (Z 1) oder
bis zur Entscheidung des ASG (Z 2)
in Anspruch zu nehmen.
Dazu hat die/der AN die Ersatzkarenz lediglich der/dem AG binnen einer Woche bekannt zu geben.
Nach Z 1 hat ein/e AN die Möglichkeit, nach dem Scheitern der innerbetrieblichen Einigung sofort, also ohne gerichtliches Verfahren über die Elternteilzeit/Lageverschiebung, in Ersatzkarenz zu gehen. Es findet in diesem Fall kein gerichtliches Verfahren statt.
Durch die Möglichkeit nach Z 1 soll die/der AN somit in die Lage versetzt werden, eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Ihr/ihm wird die Bürde abgenommen, auf der beantragten Elternteilzeit/Lageverschiebung zu beharren. Dies geschieht durch die Bekanntgabe, dass sie/er „an Stelle“ der verlangten Elternteilzeit (Ersatz-)Karenz in Anspruch nimmt.*
Die Inanspruchnahmen einer Ersatzkarenz (Z 1) anstelle einer Elternteilzeit bewirkt auch keinen Verzicht der/des AN auf den Anspruch auf Elternteilzeit. Vielmehr ist darin lediglich ein vorläufiges Zurückziehen des Begehrens auf Elternteilzeit zu sehen. Das hat der OGH* jüngst entschieden. Somit steht AN auch nach Inanspruchnahme einer Ersatzkarenz nach Z 1 alle Ansprüche und Rechte, die ihr/ihm nach anderen Bestimmungen des MSchG/VKG zur Verfügung stehen, auch weiterhin offen. Sie/er kann daher auch nach Ablauf der Ersatzkarenz einen neuerlichen Versuch der Inanspruchnahme von Elternteilzeit/Lageverschiebung starten.
Z 2 hingegen betrifft den Fall, dass die/der AN ein Verlangen auf Elternteilzeit/Lageverschiebung gestellt hat, keine innerbetriebliche Einigung mit der/dem AG zu Stande kommt und die/der AN auf ihre/seine Bedingungen beharrt. Somit muss nach dem Scheitern der innerbetrieblichen Einigung ein gerichtliches Verfahren geführt werden. Nach dieser Bestimmung hat die/der AN die Möglichkeit, bis zur (rechtskräftigen) gerichtlichen Entscheidung über die Elternteilzeit/Lageverschiebung Ersatzkarenz in Anspruch zu nehmen.
Erfüllt ein/e AN die Voraussetzungen für den Rechtsanspruch auf Elternteilzeit/Lageverschiebung nach §§ 15h, 15p MSchG/§§ 8, 8h VKG nicht, weil sie/er entweder in einem kleineren Betrieb als 21 Beschäftigte tätig ist oder das Arbeitsverhältnis noch keine drei Jahre gedauert hat, dann kann eine Elternteilzeit/Lageverschiebung nur mit der/dem AG vereinbart werden (§§ 15i, 15p MSchG/§§ 8a, 8h VKG).
Die vereinbarte Elternteilzeit/Lageverschiebung kann längstens bis zum Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes dauern.
Das Verfahren zur Durchsetzung der vereinbarten Elternteilzeit/Lageverschiebung (§ 15l MSchG/§ 8d VKG) unterscheidet sich vom Rechtsanspruch: Beginn, Ausmaß, Dauer sowie die konkrete Lage der Arbeitszeit sind auch hier mit der/dem AG zu vereinbaren. AN müssen ebenso Meldefristen* beachten. Kommt aber binnen zwei Wochen ab Bekanntgabe der Elternteilzeit/Lageverschiebung keine Einigung zwischen AG und AN zu Stande oder lehnt er/sie diese ab, dann muss die/der AN auf Einwilligung in die Elternteilzeit/Lageverschiebung beim zuständigen ASG klagen. Wobei auch hier – wie beim Rechtsanspruch auf Elternteilzeit – für Geburten ab 1.1.2016 eine Bandbreite bei der Arbeitszeit zu beachten ist:* Die individuelle wöchentliche Normalarbeitszeit muss um mindestens 20 % reduziert und eine Mindestarbeitszeit von zwölf Stunden pro Woche darf nicht unterschritten werden. Eine Klage der/des AN94 auf Einwilligung der/des AG kann demnach auch nur innerhalb der Bandbreite eingebracht werden. Erhebt die/der AN keine Klage, dann kann die Elternteilzeit/Lageverschiebung auch nicht angetreten werden.
Möglich sind nach dem Gesetz allerdings auch Elternteilzeitvereinbarungen außerhalb der Bandbreite. Dazu braucht es eine Einigung mit der/dem AG, die nicht gerichtlich erzwungen werden kann. Falls die/der AG aber zustimmt, gelten sämtliche (Schutz-)Bestimmungen über die Elternteilzeit (§ 15j Abs 10 MSchG/§ 8b Abs 10 VKG).
Die verfahrensrechtlichen Vorschriften des § 15l MSchG/§ 8d VKG gehen noch auf die entsprechenden Regelungen des § 15h Abs 7 MSchG und § 8 Abs 7 VKG idF BGBl I 2001/103 zurück.* In der Klage muss die/der AN ihre/seine Vorstellungen über die Elternteilzeit/Lageverschiebung (Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Arbeitszeit) darlegen und diese begründen. Das ASG hat nach dem Wortlaut des Gesetzes der Klage dann stattzugeben, wenn die/der AG die Elternteilzeit/Lageverschiebung aus unsachlichen Gründen ablehnt.*
Da aber der Zweck des Gesetzes in der Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie liegt, spricht nicht jede sachliche Rechtfertigung gegen eine Elternteilzeit/Lageverschiebung. Vielmehr ist die/der AG zu zumutbaren Organisationsänderungen verpflichtet.* Sie/er kann somit nicht geltend machen, dass es der/dem AN zumutbar wäre, die Betreuung durch Dritte sicherzustellen.*
Auch im Durchsetzungsverfahren auf vereinbarte Elternteilzeit hat somit eine Interessenabwägung stattzufinden: Gründe für die Verweigerung sind zu prüfen und abzuwägen.*
Liegen allerdings beweisbare sachliche Gründe vor, dann hat das Gericht die Klage abzuweisen. Die/der AN kann in einem solchen Fall wie beim Anspruch auf Elternteilzeit nur eine Karenz anstelle der Elternteilzeit/Lageverschiebung in Anspruch nehmen (§ 15m MSchG/§ 8e VKG) oder die Arbeitszeit wie vor der Geburt des Kindes antreten. Eine Ersatzkarenz kann gem § 15m Abs 1 MSchG/§ 8e Abs 1 VKG selbstverständlich – wie auch beim Rechtsanspruch – auch schon nach Scheitern der innerbetrieblichen Verhandlungen bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes in Anspruch genommen werden (siehe Pkt 2.2.).
Der besondere Bestandschutz beginnt grundsätzlich mit der Bekanntgabe der Elternteilzeit/Lageverschiebung, frühestens jedoch vier Monate vor dem beabsichtigten Antritt. Er beginnt jedoch nicht vor der Geburt des Kindes. Der Schutz dauert bis vier Wochen nach dem Ende der Elternteilzeit/Lageverschiebung, längstens jedoch bis vier Wochen nach Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes.
Der Bestandschutz gilt aber auch während des gesamten innerbetrieblichen und gerichtlichen Verfahrens auf Einwilligung in die Elternteilzeit/Lageverschiebung (§§ 15k, 15l MSchG, §§ 8c, 8d VKG). Laut OGH* endet der Kündigungs- und Entlassungsschutz allerdings bei der vereinbarten Elternteilzeit/Lageverschiebung spätestens vier Wochen nach dem Ergehen eines Urteils. Das Ende kann aber auch schon vorher eintreten, wenn bei Nichteinigung über die Bedingungen der Elternteilzeit/Lageverschiebung keine Klage von der/dem AN eingebracht wird. Tritt ein Kündigungs- und Entlassungsschutz in diesem Fall nicht durch einen Wechsel in die Ersatzkarenz ein, so läuft der Kündigungs- und Entlassungsschutz vier Wochen nach dem Ende des Verfahrens ab, also vier Wochen nach Beendigung des außergerichtlichen Verfahrens.*
In diesem Zusammenhang ist wieder das GlBG relevant. Kündigungen oder Entlassungen, die als Reaktion auf das Ansuchen einer/eines AN auf (vereinbarte) Elternteilzeit/Lageverschiebung ausgesprochen werden, sind Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses (§ 3 Z 7 und § 12 Abs 7 GlBG) und können beim ASG innerhalb von 14 Tagen ab Zugang der Kündigung oder Entlassung angefochten werden.* Alternativ können AN auch einen Vermögensschaden sowie eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung geltend machen. Die Schutzbestimmungen nach GlBG werden insb in jenen Fällen entscheidend sein, in denen kein Bestandschutz nach dem MSchG/VKG (mehr oder noch nicht) besteht.
Da der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz spätestens vier Wochen nach Scheitern der außergerichtlichen Verhandlungen endet, bestehen in der Praxis immer wieder Unsicherheiten, bis wann ein/e AN eine Klage auf Einwilligung in die Elternteilzeit/Lageverschiebung bei Gericht einbringen muss. Dies auch deshalb, weil das Gesetz95 weder in § 15l Abs 2 MSchG noch § 8d Abs 2 VKG bei der dort jeweils normierten Klage auf Einwilligung in eine Elternteilzeit/Lageverschiebung eine Frist vorsieht. § 15l Abs 2 MSchG/§ 8d Abs 2 VKG sehen lediglich eine Wartefrist von zwei Wochen ab Bekanntgabe der Elternteilzeit/Lageänderung vor. Diese Zeit soll dazu genutzt werden, eine außergerichtliche Einigung herbeizuführen. Wird nach Ablauf dieser Zeit kein Kompromiss erzielt oder lehnt der/die AG die Elternteilzeit/Lageverschiebung ab, dann kann die/der AN eine Klage auf Einwilligung in die Elternteilzeit einschließlich deren Beginn, Dauer, Ausmaß und/oder Lage erheben.
Mit der Frist für die Einbringung einer Klage haben sich – soweit ersichtlich – ASG und OLG Wien beschäftigt.* Den Vorinstanzen erschien dabei eine analoge Anwendung der einwöchigen Frist des § 15m Abs 1 MSchG/§ 8e Abs 1 VKG bzw § 15l Abs 3 MSchG/§ 8d Abs 3 VKG naheliegend: Demnach müssten AN innerhalb einer Woche ab Beendigung der außergerichtlichen Verhandlungen über die Elternteilzeit/Lageverschiebung Klage erheben.
Eine Klärung durch den OGH erfolgte im gegenständlichen Verfahren nicht.* Die Revision wurde mangels Aufzeigens einer entscheidungsrelevanten Rechtsfrage zurückgewiesen.
Auch das Schrifttum hat sich mit der Klagsfrist bei der vereinbarten Elternteilzeit beschäftigt: Ercher/Stech/Langer* empfehlen eine rasche Klagseinbringung, insb in Hinblick auf das Ende des besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutzes. Bettina Schrittwieser* empfiehlt ebenso eine rasche Klagseinbringung: Einerseits zur Beweissicherung, anderseits zur Unterstreichung des Interesses der/des AN an der Elternteilzeit. Wolfsgruber* geht von einer analogen Anwendung der Frist des § 15l Abs 3 MSchG/§ 8d Abs 3 VKG aus, somit von einer Klagsfrist von einer Woche nach der innerbetrieblichen Nichteinigung.
Unter Berücksichtigung der aktuellen E des OGH zum Bestandschutz bei einer vereinbarten Elternteilzeit empfehlen Leitner/Grundtner* zur Sicherheit innerhalb von vier Wochen zu klagen.
Der Ansicht des ASG und OLG Wien sowie dem Schrifttum ist Folgendes entgegenzuhalten: Weder § 15l Abs 2 MSchG noch § 8d Abs 2 VKG sehen bei der dort jeweils normierten Klage auf Einwilligung in eine Elternteilzeit/Lageverschiebung eine Frist vor. Eine Frist ist lediglich bei der Klage auf Änderung oder vorzeitige Beendigung einer Elternteilzeit/Lageverschiebung gem § 15l Abs 3 MSchG bzw § 8d Abs 3 VKG oder der Bekanntgabe einer Ersatzkarenz nach § 15m MSchG bzw § 8e VKG verankert. Eine Gesetzesanalogie setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus.* Diese liegt hier mE aber keineswegs vor, da es sich um gleichzeitig eingeführte, unmittelbar hintereinander liegende und inhaltlich sowie systematisch verbundene Regelungen handelt. Zudem gehen die verfahrensrechtlichen Vorschriften des § 15l MSchG/§ 8d VKG idgF auf die entsprechenden Regelungen des § 15h Abs 7 MSchG und § 8 Abs 7 VKG idF des BGBl I 2001/103 zurück.* Auch diese Bestimmung sah keine Frist für die Einbringung einer Klage vor. Ein „Versehen“ des Gesetzgebers ist daher diesbezüglich auszuschließen. Der Gesetzgeber hat offensichtlich bewusst keine Frist für die Einbringung einer Klage vorgesehen.
Auf Grund der fehlenden Frist im Gesetz trifft AN mE allenfalls eine Aufgriffsobliegenheit: Für den Aufgriff wäre in Anlehnung an die Judikatur und Lehre zur Unwirksamkeit von Kündigungen wegen Betriebsübergangs eine sechsmonatige Frist einzuhalten.*
Dabei ist allerdings zu beachten, dass erwerbstätige Mütter und Väter ohnehin einem starken Druck unterliegen, eine Elternteilzeit/Lageverschiebung so rasch wie möglich durchzusetzen, weil diese für die Kindesbetreuung notwendig ist. Zudem endet auch der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz vier Wochen nach Scheitern der außergerichtlichen Verhandlungen, wenn keine Klage erhoben wird (und der Kündigungs- und Entlassungsschutz nicht aufgrund anderer Bestimmungen eintritt, zB Ersatzkarenz). Aus diesen Gründen wird es im Interesse des/der AN liegen, nach Scheitern des innerbetrieblichen Verfahrens so rasch als möglich, zumindest innerhalb des Bestandschutzes eine Klage zu erheben.96