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Sachmittelnutzung durch Betriebsratsmitglied bei schwebend unwirksamer Entlassung

BARBARATROST (LINZ)
  1. Eine gegen nachträgliche Zustimmung ausgesprochene Entlassung (§ 122 Abs 3 ArbVG) ist bis dahin schwebend unwirksam. Das Betriebsratsmitglied ist daher für die Dauer des Schwebezustandes berechtigt, seinen Aufgaben nachzukommen.

  2. Ein Hausverbot bzw eine Suspendierung stellt eine der wohl gravierendsten Berührungen mit dem Beschränkungsverbot dar. Aufgrund des Beschränkungsverbots sind dem Betriebsinhaber (BI) auch Anordnungen und Weisungen verboten, wonach dem Betriebsratsmitglied der Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten nur nach rechtzeitiger vorheriger Bekanntgabe bei einer namentlich bestimmten Mitarbeiterin erlaubt sei.

  3. Der Anspruch auf Sachmittelbeistellung gem § 72 ArbVG steht dem BR als Ganzem zu. Diese Regelung stellt aber nicht eine im Verhältnis zum Beschränkungsverbot speziellere Regel dar. Entzieht der BI dem Organmitglied ohne Rechtfertigung Sachmittel, die der BI dem Personalvertretungsorgan zur Verfügung gestellt und das Personalvertretungsorgan seinem Mitglied ausgefolgt hat, dann kann der Anspruch auf Rückstellung der entzogenen Sachmittel durch Klage des Organmitglieds gegen den BI geltend gemacht werden.

[...]

Rechtliche Beurteilung

[...]

1. Die für das Unternehmen der Bekl maßgeblichen betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen finden sich im PBVG. § 71 PBVG erklärt den Kündigungs- und Entlassungsschutz der §§ 120 bis 122 ArbVG für anwendbar, § 72 Abs 1 PBVG verweist zu den Befugnissen der Arbeitnehmerschaft ua auf die §§ 89 bis 112 ArbVG.

2. Eine gegen nachträgliche Zustimmung ausgesprochene Entlassung (§ 122 Abs 3 ArbVG) ist bis dahin schwebend unwirksam und hat auch noch kein Erlöschen der Mitgliedschaft zum BR zur Folge. Das Betriebsratsmitglied – bzw hier das Personalausschussmitglied – ist daher berechtigt, seinen Aufgaben nachzukommen, solange der Schwebezustand dauert (RIS-Justiz RS0051218; Schneller in

Gahleitner/Mosler
, Arbeitsverfassungsrecht 35 [2015] § 122 Rz 31).

3. Gem § 65 Abs 3 PBVG (§ 115 Abs 3 ArbVG) dürfen die Mitglieder der Personalvertretungsorgane sowie die Ersatzmitglieder in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt werden. Dieses Benachteiligungs- und Beschränkungsverbot sichert die ungestörte Mandatsausübung und dient ua dazu, dem BR eine effektive Interessenvertretungstätigkeit zu ermöglichen (Resch in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 115 Rz 53; Mosler in ZellKomm2 § 115 ArbVG Rz 32; Schneller in
Gahleitner/Mosler
, Arbeitsverfassungsrecht 35 [2015] § 115 Rz 29). Sie ist eine absolut zwingende betriebsverfassungsrechtliche Bestimmung (RIS-Justiz RS0051250).

4. Dass ein unwiederbringlicher Schaden iSd § 381 Z 2 EO auch darin gelegen sein kann, dass die Mandatsausübung des Mitglieds eines Belegschaftsvertretungsorgans durch den BI unzulässig beschränkt wird (vgl 9 ObA 14/93; 9 ObA 244/93; 9 ObA 25/95), wird von der Revisionsrekurswerberin nicht weiter in Frage gestellt.

5. Grundsätzlich sind nach dem Beschränkungsverbot iSd § 65 Abs 3 PBVG (§ 115 Abs 3 ArbVG) alle Anordnungen des BI untersagt, die innerhalb des betriebsverfassungsrechtlichen Wirkungsbereichs den AN die Inanspruchnahme des Personalvertretungsorgans oder dem Personalvertretungsorgan die Ausübung seiner Befugnisse erschweren oder unmöglich machen. Eine Beschränkung der Personalvertretungstätigkeit besteht in jedem Eingriff in den Ablauf des vom Mitglied des Personalvertretungsorgans gewünschten bzw in Aussicht genommenen Verhaltens im Rahmen der Interessenvertretung als Belegschaftsorgan (vgl 8 ObA 58/13g = DRdA 2014/35 [Mayr]). Dem BI ist daher auch verboten, dem einzelnen auch suspendierten Mitglied des Belegschaftsorgans den Zutritt zum Betrieb für die Mandatsausübung zu verwehren (RIS-Justiz RS0051238; Schneller in

Gahleitner/Mosler
, Arbeitsverfassungsrecht 35 [2015] § 115 Rz 38). Nach Klug (Die Grundsätze der Mandatsausübung des Betriebsrates, 83) stellt ein Hausverbot bzw eine Suspendierung eines Betriebsratsmitglieds eine der wohl gravierendsten Berührungen mit dem Beschränkungsverbot dar.

Die Revisionsrekurswerberin vertritt nun dazu die Ansicht, dass der Kl durch die bloße Verpflichtung zur Vorankündigung des Betriebsstellenbesuchs beim BI in seiner Mandatsausübung nicht unzulässig beschränkt werde. Zwischen der Intensität dieses Eingriffs und jener eines Haus- bzw Zutrittsverbots bestehe nämlich ein erheblicher Unterschied. Selbst für die Inanspruchnahme der ad-hoc-Freistellung durch ein Betriebsratsmitglied iSd § 116 ArbVG könne der BI eine Vorabinformation über den Grund und die voraussichtliche Dauer der begehrten Freistellung verlangen, ohne dass darin eine Beschränkung der Mandatsausübung liege.

Dazu ist auszuführen:

Der vom Revisionsrekurswerber angesprochene Vergleich zwischen den Intensitäten verschiedener Maßnahmen des BI, die die Mandatsausübung eines Mitglieds eines Belegschaftsorgans beschränken, stellt sich nicht. Wie bereits oben (Pkt 5) dargelegt, sind dem BI aufgrund des Beschränkungsverbots iSd § 65 Abs 3 PBVG (§ 115 Abs 3 ArbVG) nicht nur alle Anordnungen untersagt, die dem einzelnen Mitglied des Belegschaftsorgans die Ausübung seiner Befugnisse unmöglich machen (wie etwa bei einem generellen Hausverbot). Diese Anordnungen und Weisungen dürfen die freie Mandatsausübung des Personalvertretungsorgans auch nicht bloß erschweren. Letzteres ist hier aber der Fall, weil dem Kl nicht – wie vorher – jederzeit, sondern seit dem Entlassungsausspruch nur nach rechtzeitiger vorheriger308Bekanntgabe bei einer namentlich bestimmten Mitarbeiterin der Bekl der Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten der Bekl gewährt wird. Inwieweit diese Maßnahme „der Sicherheit“ dienen kann, obwohl sie vor dem Entlassungsausspruch nicht für notwendig erachtet wurde, wird in der Revision nicht schlüssig dargelegt. Da die Ausübung der Tätigkeit des Kl als Mitglied des Personalausschusses nach den neuen Vorstellungen der Bekl ab dem Entlassungsausspruch davon abhängt, dass er die allein zuständige Mitarbeiterin der Bekl telefonisch erreicht und diese ihm dann auch tatsächlich, gegebenenfalls sofort, den Zutritt zum Betrieb gewährt, ist die Maßnahme der Bekl geeignet, die freie und unbeschränkte Mandatsausübung durch den Kl zu verhindern.

Mit der mit § 116 ArbVG verbundenen Informationspflicht des Betriebsratsmitglieds ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Die vom Kl verlangte regelmäßige Vorankündigung des Zutritts zum Betrieb würde eine Kontrollmöglichkeit der Bekl bedeuten, die in Widerspruch zu den Rechtswirkungen der Freistellung des Kl als Mitglied des Personalausschusses iSd § 67 Abs 1 PBVG stünde (vgl 9 ObA 240/94; Schneller in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 35 [2015] § 117 Rz 16; Mosler in ZellKomm2 § 117 ArbVG Rz 20; Resch in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 117 Rz 61).

6. Darüber hinaus vertritt die Bekl in ihrem Revisionsrekurs nach wie vor den Standpunkt, dass der Anspruch auf Beistellung von Sachmitteln gem § 47 PBVG nur dem Organ als Ganzem, nicht aber dem einzelnen Organmitglied zustehe. Insofern gehe der Sachmittelbeistellungsanspruch als speziellere Regelung dem Beschränkungsverbot vor.

Dazu ist auszuführen:

Gem § 47 zweiter Satz PBVG sind insb Räumlichkeiten, Kanzlei- und Geschäftserfordernisse sowie sonstige Sacherfordernisse vom BI unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Dass der Anspruch auf Sachmittelbeistellung dem Personalausschuss als Organ der Arbeitnehmerschaft im Ganzen zusteht, ist richtig (vgl zu § 72 ArbVG: 9 ObA 133/91). Die Revisionsrekurswerberin übergeht jedoch, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um den Anspruch des Organs auf Sachmittelbeistellung handelt, sondern um das individuelle Begehren des Kl, ihm bestimmte, bereits persönlich vom Personalausschuss ausgefolgte, von der Bekl aber aus in der Person des Kl gelegenen Gründen entzogene Sachmittel wieder zur Verfügung zu stellen. Für dieses Begehren ist der Kl als Mitglied des Personalausschusses zufolge des Beschränkungsverbots aktiv klagslegitimiert. Das Beschränkungsverbot des § 65 Abs 3 PBVG schützt nämlich nach Rsp und Lehre nicht nur das Belegschaftsorgan als Gremium, sondern auch jedes einzelne Personalausschussmitglied vor einer Erschwerung oder Verhinderung seiner Mandatsausübung (8 ObA 58/13g = DRdA 2014/35 [Mayr]; Resch in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 115 Rz 82; Mosler in ZellKomm2 § 115 ArbVG Rz 20; Schneller in
Gahleitner/Mosler
, Arbeitsverfassungsrecht 35 [2015] § 115 Rz 30). Der Anspruch, nicht benachteiligt und nicht beschränkt zu werden, ist ein Individualanspruch des einzelnen Mitglieds eines Personalvertretungsorgans. Er ist daher durch Klage des Organmitglieds gegen den BI geltend zu machen (Schneller in
Gahleitner/Mosler
, Arbeitsverfassungsrecht 35 [2015] § 115 Rz 32).

Dass der Kl durch die Abnahme des Büroschlüssels und die Verhinderung des Zugangs zum EDV-Netzwerk in seiner Mandatsausübung unzulässig beschränkt wurde, wird im Revisionsrekurs nicht weiter bestritten.

Da § 47 PBVG den Sachmittelanspruch des Personalvertretungsorgans als Ganzes regelt, § 65 Abs 3 PBVG hingegen das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot des einzelnen Mitglieds des Personalvertretungsorgans normiert, stellt § 47 PBVG auch nicht eine im Verhältnis zu § 65 Abs 3 PBVG speziellere Regel dar.

7. Zusammengefasst handelt es sich beim Anspruch eines einzelnen Mitglieds eines Personalvertretungsorgans, in seiner Mandatsausübung nicht benachteiligt und nicht beschränkt zu werden, um einen Individualanspruch des jeweiligen Organmitglieds. Wird die Mandatsausübung beschränkt, indem der BI dem Organmitglied ohne Rechtfertigung Sachmittel entzieht, die der BI dem Personalvertretungsorgan zur Verfügung gestellt und das Personalvertretungsorgan seinem Mitglied ausgefolgt hat, dann kann der Anspruch auf Rückstellung der entzogenen Sachmittel durch Klage des Organmitglieds gegen den BI geltend gemacht werden. Es liegt auch eine unzulässige Beschränkung der Mandatsausübung iSd § 65 Abs 3 PBVG bzw § 115 Abs 3 ArbVG vor, wenn der BI dem einzelnen Mitglied des Belegschaftsorgans den Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten der Bekl nur nach rechtzeitiger vorheriger Bekanntgabe bei einer bestimmten Mitarbeiterin gewährt.

Dem Revisionsrekurs der Bekl war daher nicht Folge zu geben. [...]

ANMERKUNG
1.
Einleitung und Problemstellung

Ein AG zieht die Konsequenzen aus dem (mutmaßlich) rechtswidrigen Verhalten eines Betriebsratsmitgliedes, spricht die Entlassung aus, und zwar unverzüglich, nämlich gegen nachträgliche Zustimmung. Obwohl der Gesetzgeber diese „Sofortmaßnahme“ in § 122 Abs 3 ArbVG für jene besonderen Fälle vorsieht, nimmt er in Kauf, dass ein „Aussperren“ des Betriebsratsmitglieds aus dem Betrieb, wenn dieses auch mit einer Beschränkung der Betriebsratsarbeit verbunden ist, wegen Verstoßes gegen § 115 Abs 3 ArbVG unzulässig ist. Immer? Dies wäre hier anhand dieser E zu hinterfragen. Und mindestens ebenso spannend die Frage: Wer kann nun wirklich darüber bestimmen, welches Betriebsratsmitglied wann welche Ressourcen nutzt?

2.
Beistellung von Sacherfordernissen als Anspruch des Organs und Einschränkung der individuellen Nutzung

Wenn der BI im Rahmen der Verpflichtung nach § 72 ArbVG dem BR Büromaterial, Räumlichkei-309ten, EDV-Geräte usw zur Verfügung stellt, erfüllt er damit eine Pflicht gegenüber dem BR als Kollegialorgan (vgl bereits ausführlich Trost zu OGH9 ObA 175/08pDRdA 2011, 140 ff [142 ff]). Zumeist wird er dies tun, indem er der/dem Vorsitzenden das Sachmittel übergibt, zB den Laptop überreicht, das Passwort mitteilt, Schlüssel aushändigt usw. Die Pflicht des BI ist damit erfüllt, dass er dem Betriebsratsvorsitzenden den Zugang zu den Sacherfordernissen ermöglicht. Wie der Betriebsratsvorsitzende betriebsratsintern mit dem Zur-Verfügung-Gestellten umgeht, ist für den BI grundsätzlich ohne Belang.

Es obliegt also nun dem Betriebsratsvorsitzenden, mit den Sacherfordernissen in angemessener Weise umzugehen. Erfordert die Wahrnehmung der Aufgabe gem § 38 ArbVG zB einen Zugang mehrerer (oder gar aller) Betriebsratsmitglieder zu bestimmten Räumlichkeiten, so ist betriebsratsintern dafür Sorge zu tragen. Ob der Vorsitzende allein die Entscheidung treffen kann, wer zu welchem Zeitpunkt, welche Ressourcen nützen kann, könnte fraglich sein. Denkbar wäre nämlich, dass zB eine Entscheidung, wonach alle Betriebsratsmitglieder Zugang zu dem vom BI im Rahmen des § 72 ArbVG zur Verfügung gestellten Raum (oder Nutzungsrechte für einen Laptop oder PC) haben sollen, an einen entsprechenden Beschluss des BR gebunden wäre. Allein der Umstand, dass der Anspruch „dem BR“ und nicht dem Vorsitzenden zukommt, entscheidet noch nicht automatisch über den konkreten Einsatz der Mittel. Das Recht (und die Pflicht) zur Befugnisausübung trifft nämlich ein einzelnes Betriebsratsmitglied (ohne Funktion) nur dann, wenn eine Delegierung der Aufgabe gem § 69 Abs 1 ArbVG für den Einzelfall (und zwar nur für den Einzelfall; vgl bereits EA Leoben Re 24/83 Arb 10.235) stattgefunden hat. Es ist für eine solche Übertragung grundsätzlich ein Beschluss erforderlich (vgl nur zB Neumayr in

Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum ArbVG [2006] § 69 Rz 8 ff). Allerdings lässt die Rsp – nicht generell, aber ausnahmsweise – auch schlüssige Betrauungen zu (OGH9 ObA 133/91Arb 10.951 =
[Andexlinger]
= ZAS 1992/16, 131 [Resch]
). IdR wird dies ebenso unproblematisch sein, wie etwa auch die nachträgliche Genehmigung eines Handelns eines Betriebsratsmitgliedes (vgl Neumayr in
Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum ArbVG [2006] § 69 Rz 9). Händigt etwa der Vorsitzende einem Betriebsratsmitglied den Schlüssel zum Besprechungsraum aus, nachdem das Betriebsratsmitglied über die Notwendigkeit einer Beratung eines bestimmten AN berichtet hat, kann das Betriebsratsmitglied davon ausgehen, dass ihm schlüssig nicht nur das Benützen des Besprechungsraums gestattet, sondern auch die Vornahme dieser (einen!) Beratung übertragen wurde. Eine generelle Übertragung aller Befugnisse einer bestimmten Art (zB arbeitsrechtliche Beratung) an ein bestimmtes (einfaches) Betriebsratsmitglied ist nach dem Wortlaut des § 69 Abs 1 ArbVG nicht möglich, also auch nicht durch Beschluss des BR. Umso weniger wäre eine solche Übertragung schlüssig, zB durch Schlüsselübergabe, durch den Betriebsratsvorsitzenden möglich. Festzuhalten ist also: Durch die Eröffnung des Zugangs zu Betriebsratsressourcen (Sachmitteln) an einzelne Betriebsratsmitglieder kann diesen im Einzelfall, aber nicht generell, schlüssig eine konkrete Befugnis übertragen werden. Eine Einschränkung des Zugangs zu den Ressourcen kann daher nur insoweit iSd § 115 Abs 3 ArbVG relevant werden, als die Kompetenz des einzelnen Betriebsratsmitgliedes zur Befugnisausübung reicht. Wurde zB einem Betriebsratsmitglied nie die Aufgabe der AN-Beratung übertragen, und wäre der ausschließliche Zweck des Besprechungsraumes jener, dort solche Beratungen durchzuführen, dann läge auch keine Beschränkung vor, wenn dieses Betriebsratsmitglied keinen Schlüssel zu diesem Raum erhielte.

Ergänzend anzumerken ist, dass sich selbst bei einer durch Beschluss erfolgten Aufgabenübertragung (zB Vorbereitung/Begleitung eines Projekts, welches künftig Gegenstand einer BV werden könnte) und einer ebenfalls durch Beschluss eröffneten Zugangsmöglichkeit zu Ressourcen (zB Schlüsselübergabe für den hierfür benötigten Besprechungsraum) daraus naturgemäß kein uneingeschränktes subjektives Recht des einzelnen Betriebsratsmitgliedes auf Benützung der Ressource ergeben würde. So wie vergleichsweise etwa schon beim Barauslagenersatz unbestritten, wäre auch in diesem Fall das Recht zur Inanspruchnahme der Ressource jedenfalls schon mit den tatsächlichen Grenzen der Möglichkeiten beschränkt: Nicht jedes Betriebsratsmitglied hätte immer einen Rechtsanspruch auf den Raum, sondern selbstverständlich nur nach Maßgabe der jeweiligen Auslastung (zB nach entsprechender Reservierung). Gleiches gilt auch für die Nutzung des PC oder – bei besonders großen Unternehmen uU sogar – des dem BR zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeuges.

Egal, ob nun die Eröffnung des Ressourcenzuganges an mehrere oder alle Betriebsratsmitglieder formell durch Beschluss des BR oder durch den Betriebsratsvorsitzenden (im Rahmen seiner Vertretungsmacht gem § 71 ArbVG) erfolgt – in jedem Fall bedeutet dieser Zugang nicht generell, sondern allenfalls im Rahmen des § 69 Abs 1 ArbVG gleichzeitig auch eine Übertragung der jeweiligen Befugnisse. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass das einzelne Betriebsratsmitglied aufgrund der Möglichkeiten der Sachmittelnutzung mehr kann, als es darf.

Auch die Frage, ob der BR als Ganzer, oder aber auch die/der Betriebsratsvorsitzende, einen einmal gewährten Ressourcenzugang nachträglich wieder entziehen kann, ist richtigerweise am Beschränkungsverbot zu messen. Hätte also ein BR den Beschluss gefasst, sämtliche Sachmittel stünden jedem Betriebsratsmitglied zur Verfügung, so könnte eben dieser BR natürlich auch zu einem späteren Zeitpunkt diesen Beschluss wieder einschränken, zB indem künftig der Zugang nur mehr der/dem Vorsitzenden und deren/dessen StellvertreterInnen zukomme. Eine solche nachträgliche Einschränkung wäre aber nur zulässig, wenn dadurch keine zwingenden Rechtsvorschriften verletzt würden. So310läge etwa eine gleichbehandlungswidrige, allenfalls sittenwidrige Einschränkung vor, wenn man gezielt nur Betriebsratsmitglieder einer bestimmten Ethnie oder Religion vom Zugang ausschließen würde. (Zum Ausschluss einer bestimmten Fraktion vgl OGH9 ObA 175/08pDRdA 2011, 140 ff [Trost].) Das Beschränkungsverbot – es kann dieses theoretisch auch durch den BR bzw Betriebsratsmitglieder verletzt werden (vgl Resch in

Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum ArbVG [2007] § 115 Rz 83 mwN) – würde aber nur dann verletzt werden, wenn das betreffende Betriebsratsmitglied zur Ausübung einer die entsprechenden Mittel erfordernden Befugnis überhaupt berechtigt ist. Würde also einem Betriebsratsmitglied gemäß einem Beschluss des BR der ursprünglich überlassene Schlüssel nun wieder entzogen, so wäre dies im Hinblick auf das Beschränkungsverbot dann irrelevant, wenn die Aufgaben dieses Betriebsratsmitglieds mangels Aufgabenübertragung ohnehin nur in der Mitwirkung an der kollektiven Willensbildung des Organs bestünde (vgl so schon Strasser, ZAS 1993, 142 ff [143 f] mit deutlicher Kritik an OGH 2.9.1992, 9 ObA 155/92; vgl auch Spielbüchler, Die Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder,
[235]
). Freilich ist einschränkend anzumerken, dass natürlich jede/r AN sich an jedes Betriebsratsmitglied mit der Bitte um ein Gespräch wenden kann (§ 37 ArbVG), daher grundsätzlich Betriebsratsmitglieder ohne Funktion auch in den Kontakt mit Belegschaftsmitgliedern treten. Dennoch stellt die aus sachlichen Gründen nur zB auf das Vorsitzteam, Ausschussmitglieder oder individuell beauftragte Betriebsratsmitglieder beschränkte Ressourcennutzung noch keine Beschränkung gem § 115 Abs 3 ArbVG dar.

Problematischer könnte sein, wenn dem Ressourcenzugang zwar ein Beschluss des BR zugrunde liegt, die/der Vorsitzende aber danach ohne Beschluss diesen Zugang einschränkt. Zwar ist die Situation hier hinsichtlich des Beschränkungsverbots keine andere: Wenn eine Beschränkung tatsächlich nicht vorliegt und mangels Befugnis auch gar nicht vorliegen kann, wird auch gegen das Verbot nicht verstoßen. Was die interne Willensbildung anbelangt, läge hier dennoch ein wesentlicher Mangel vor, der nicht ohne weiteres mit der Außenvertretungsmacht der/des Vorsitzenden zu beseitigen wäre. Hat aber die/der Vorsitzende im Alleingang den Zugang eröffnet, so steht es ihr/ihm auch frei, aus sachlichen Gründen und unter Beachtung der Grenzen des Beschränkungsverbots den Zugang wieder zu entziehen.

Aus all dem ergibt sich nun eine Lösung für jenen Fall, dass betriebsratsintern – sei es aufgrund eines Beschlusses oder durch Entscheidung der/des Vorsitzenden – allen Betriebsratsmitgliedern der Zugang zu allen Ressourcen eröffnet wurde, nun jedoch der BI einem einzelnen (oder mehreren einzelnen) Betriebsratsmitgliedern diesen Zugang wieder nimmt. Der Anspruch nach § 72 ArbVG ist ein solcher des BR. Ein willkürlicher Eingriff des BI in die interne Regelung der Ressourcennutzung ist daher jedenfalls ausgeschlossen. Wäre aber ein sachlich begründeter Eingriff uU möglich? Im Allgemeinen nicht! Denn alle Fragen einer allfällig schädigenden bzw gefährdenden Inanspruchnahme der Sachmittel sind Sache des BR und im Extremfall im Wege der Haftung des Fonds zu regeln. Dies gilt für Ressourcen verschwendende Betriebsratsmitglieder ebenso wie für solche, die mit den Sachmitteln unsachgemäß umgehen (zB Systemabstürze beim Computer produzieren oder für Blechschäden am Dienstwagen verantwortlich sind). In all diesen Fällen hat der BI (aufgrund der Haftung des Fonds) kein sachlich begründetes Interesse, in die Sachmittelnutzung des BR einzugreifen.

Ein Interesse könnte sich allenfalls ergeben, wenn durch die Sachmittelverwendung durch ein einzelnes Betriebsratsmitglied AN des Betriebes geschädigt würden und der BI als gemeinsamer AG aufgrund der Fürsorgepflicht zum Einschreiten verpflichtet ist. Ein Beispiel hierfür wäre: Das Betriebsratsmitglied nützt den Twitter-Account des BR, um vertrauliche AN-Daten, die auf dem BR-PC gespeichert sind, einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Weil nun aber Weisungen hinsichtlich der Ausübung der Betriebsratstätigkeit unzulässig und unwirksam sind und auch eine Kontrollmöglichkeit des AG bezüglich der Ausübung der Betriebsratstätigkeit nicht besteht, bleibt zumeist (auch als ultimatives Mittel zur Wahrnehmung der Fürsorgepflicht gegenüber den anderen AN) die Entlassung des Betriebsratsmitgliedes.

3.
Beschränkungsverbot bei schwebend unwirksamer Entlassung

Die Entlassung – und bei Betriebsratsmitgliedern vor allem die gegen nachträgliche Einholung der Zustimmung ausgesprochene – hat an sich, dass ein Zuwarten unzumutbar wäre. Die Tatbestände, die der Gesetzgeber für diese Art der sofortigen Reaktion des AG auf ein Fehlverhalten gewählt hat, indizieren das Moment der Gefahr im Verzug. Dabei wird wohl im Regelfall davon auszugehen sein, dass die Gefahr, welche den AG zum sofortigen Handeln bewegt, nicht damit gebannt ist, dass die Entlassung ausgesprochen wird, sondern damit, dass die/der Betreffende sein schädliches Verhalten nicht mehr fortsetzen kann.

Weil aber nach hA die Entlassung gem § 122 Abs 3 ArbVG iVm § 122 Abs 1 Z 2 und 5 ArbVG bis zur Entscheidung des Gerichts schwebend unwirksam (und nicht schwebend wirksam) ist (vgl nur zB Trost in

Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum ArbVG [2005] § 122 Rz 84 mwN), wird in der Praxis häufig zum Mittel der Suspendierung gegriffen. Nun sind aber selbst bei rechtmäßiger Suspendierung nur die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und nicht auch jene aus dem Betriebsratsmandat erfasst. Bei aufrechtem Betriebsratsmandat ist ein mit der Suspendierung verbundenes Hausverbot problematisch und wird in aller Regel von der Rsp als unzulässig iSd § 115 Abs 3 ArbVG abgelehnt (vgl Trost in
Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum ArbVG [2005] § 120 Rz 92). Dass ein (bloß) stark eingeschränkter Zugang zum Betrieb eine eben solche Beschränkung darstellt,311ist nachvollziehbar. Auch ein Abschneiden des Ressourcenzugangs (iSd § 72 ArbVG) erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen des § 115 Abs 3 ArbVG (siehe aber im Detail bereits oben 2.). Zu prüfen wäre nun aber im Einzelfall, ob durch all diese Beschränkungen tatsächlich die Aufgabenerfüllung des Betriebsratsmitglieds eingeschränkt wurde. So darf etwa einem Betriebsratsmitglied auch während des Verfahrens gem § 122 Abs 3 ArbVG nicht die Teilnahme an Sitzungen verwehrt werden (vgl zB Schneller in
Gahleitner/Mosler
, Arbeitsverfassungsrecht Bd 35 [2015] § 120 Rz 9). Hat also ein Betriebsratsmitglied zB aufgrund der betriebsratsinternen Aufteilung keine andere Berechtigung als jene zur Teilnahme an Sitzungen, dann wäre mit der Ermöglichung dieser Teilnahme schon alles getan, um auch dem § 115 Abs 3 ArbVG zu genügen. Zudem wäre zu hinterfragen, ob der sofortige Ausspruch der Entlassung einer Pflicht des AG, nämlich konkret der Fürsorgepflicht, entsprungen war, weil ein weiterer Verbleib des Betriebsratsmitgliedes im Unternehmen eine unmittelbare Gefahr für die AN des Betriebes mit sich bringen könnte. Könnte im Einzelfall eine solche Verpflichtung schwerer wiegen als die sich aus § 115 Abs 3 ArbVG ergebenden Verpflichtungen des AG gegenüber dem Betriebsratsmitglied? Es müsste dies schon ein sehr außergewöhnlicher Fall sein (zB körperliche Attacke gegen AN; Überführung eines Seriendiebes), und selbst dann würde im Zweifel zunächst die Unschuldsvermutung gelten und – etwa vergleichbar mit den Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft – nicht unbesehen von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden dürfen. In jedem Fall aber müsste dargetan werden, warum gerade jene Beschränkung erforderlich wäre (zB Zutrittsverbot zu einem bestimmten Raum), um die konkrete Gefahr hintanzuhalten. Eine Abwägung zwischen geschütztem Interesse auf Befugnisausübung und allenfalls gefährdeten Interessen der AN (und wohl auch des AG) wäre in jedem Fall vorzunehmen.

4.
Conclusio
  • Dem Ergebnis der E ist zuzustimmen.

  • Die interne Aufteilung der Sachmittel gem § 72 ArbVG ist Sache des BR, und der BI hat darauf keinen Einfluss.

  • Hausverbote (generelle und auch partielle) während des Verfahrens nach § 122 Abs 3 ArbVG werden idR dem Beschränkungsverbot gem § 115 Abs 3 ArbVG widersprechen. Ob eine Verletzung des Beschränkungsverbotes vorliegt, ist aber immer daran zu messen, in welchem Ausmaß das einzelne Betriebsratsmitglied tatsächlich zur Befugnisausübung berechtigt ist.

  • Bei einer zu befürchtenden Gefährdung der AN (oder des AG) durch ein Betriebsratsmitglied müsste diese nachgewiesen und die Position der Gefährdeten mit jener des in seiner Befugnisausübung beschränkten Betriebsratsmitgliedes abgewogen werden.