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Kein Kostenerstattungsanspruch für Leistungen eines freiberuflich tätigen Arztes ohne Berufssitz

BIRGITSCHRATTBAUER (SALZBURG)
  1. Der Gesetzgeber hat den Kostenersatzanspruch für die Leistung eines Wahlarztes daran gebunden, dass dieser nach dem ÄrzteG zulässigerweise als Wahlarzt tätig sein kann. Die Regelungen über die Kostenerstattung sollen ihrer Intention nach nur den fehlenden, aber an sich möglichen Vertrag mit dem Krankenversicherungsträger ersetzen, nicht aber von anderen Voraussetzungen für eine Leistung auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers befreien.

  2. Dem ärztlichen Berufsrecht nicht entsprechende ärztliche Leistungen (hier: Verstoß gegen das in § 45 Abs 4 ÄrzteG normierte Verbot der freiberuflichen Ausübung des ärztlichen Berufes ohne bestimmten Berufssitz) können demnach nicht als Leistungen eines Wahlarztes iSd § 63 Abs 1 B-KUVG (bzw § 135 Abs 1 ASVG) qualifiziert werden.

Beim Kl wurde mit Befund des Wahlarztes Dr H, niedergelassener Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie in B, eine supero-temporale Gesichtsfeldeinschränkung beidseits aufgrund einer Blepharochalasis festgestellt. Aus medizinischer Sicht wurde eine operative Korrektur der Augenlider für sinnvoll erachtet.

Mit diesem Befund suchte der Kl bei der Direktionsärztin der Bekl um Genehmigung zur Durchführung einer Blepharoplastik beidseitig an, welche erteilt wurde. Auf seine Anfrage hin wurde ihm von einer Mitarbeiterin der Bekl in Bezug auf eine Leistungserbringung durch Dr H anhand einer Musterliquidierung ein Anweisungsbetrag von 473,49 € (vorbehaltlich der tatsächlichen Rechnung) in Aussicht gestellt. Die Operation nahm in der Folge nicht Dr H, sondern Dr G [gemeint wohl: Dr S, Anm der Rezensentin], Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie vor. Dr S ist als Oberarzt an der Universitätsklinik des Landeskrankenhauses * angestellt und verfügt über keine Niederlassungsberechtigung als Arzt. Er führte die Operation nicht im Rahmen seines Dienstverhältnisses zur *, sondern in „freiberuflicher Dienstausübung“ in der Ordination der Dr M durch. Diese Ordination ist bei der Ärztekammer Steiermark registriert und ist für die Durchführung von verschiedenen ambulanten Operationen in Lokal- und Vollnarkose ausgestattet. Sie entspricht den gesetzlich geforderten fachspezifischen Qualitätskriterien gemäß Qualitätssicherungsverordnung 2012. Dr S klärte den Kl im Zuge seiner Behandlung darüber auf, dass kein Kostenersatz durch den Versicherungsträger erfolge, weil er über keine (eigene) Ordinationsstätte verfüge. Der Kl unterschrieb daraufhin eine Einverständniserklärung, auf der vermerkt war, dass ein Kostenersatz nicht garantiert werden könne. Er bezahlte in der Folge die ihm von Dr S in Rechnung gestellten 1.100 €.

Mit Bescheid vom 12.8.2015 lehnte die Bekl den Antrag des Kl auf Kostenersatz für die von Dr S in Rechnung gestellten ärztlichen Leistungen im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass dieser über keinen Berufssitz (keine Niederlassungsberechtigung) verfüge, sodass ihm die freiberufliche Ausübung des ärztlichen Berufs nicht gestattet sei. Dagegen richtet sich die Klage des Kl mit dem Begehren auf Kostenersatz von 473,49 €. [...]

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Rechtlich folgerte das Erstgericht zusammengefasst, Dr S habe zwar gegen das Verbot der freiberuflichen Ausübung des ärztlichen Berufs ohne bestimmten Berufssitz verstoßen. Der Zweck dieses Verbots liege aber nur darin, den aus gesundheitspolitischer Sicht notwendigen Qualitätsstandards Rechnung zu tragen, die im vorliegenden Fall nicht unterschritten worden seien. Trotz Verletzung des § 45 Abs 4 ÄrzteG sei daher in einem Fall wie dem vorliegenden eine Kostenerstattung an den Versicherten zu leisten. [...]

Das Berufungsgericht gab der gegen diese E erhobenen Berufung der Bekl Folge und änderte das Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. [...] Da die Erbringung der verfahrensgegenständlichen ärztlichen Leistung dem Verbot der freiberuflichen Ausübung des ärztlichen Berufs ohne bestimmten Berufssitz (Wanderpraxis) widerspreche, sei sie nicht als Leistung ärztlicher Hilfe durch einen Wahlarzt iSd § 63 Abs 1 B-KUVG zu qualifizieren. Eine Kostenerstattung komme daher nicht in Betracht. [...]

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rsp zu der Rechtsfrage fehle, ob bei Inanspruchnahme eines angestellten Arztes als Wahlarzt ein Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Versicherungsträger bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[...]

1.1 Nach § 63 Abs 1 B-KUVG (der § 135 Abs 1 ASVG entspricht) wird die ärztliche Hilfe durch Vertragsärzte und Vertragsgruppenpraxen, durch Wahlärzte und Wahl-Gruppenpraxen (§ 59 Abs 1) sowie durch Ärzte in eigenen Einrichtungen (oder Vertragseinrichtungen) der Versicherungsanstalt gewährt.

1.2 Vertragsärzte sind freiberufliche Ärzte, die mit Krankenversicherungsträgern über die Behandlung krankenversicherter Personen (und deren Angehörigen) einen privatrechtlichen Vertrag (den sogenannten Einzelvertrag) abgeschlossen haben (Felten in

Tomandl
, SV-System [28. Erg-Lfg] 219).

1.3.1 Als Wahlarzt wird hingegen jener Arzt bezeichnet, der weder unmittelbar noch mittelbar (über eine Vertragseinrichtung des Krankenversicherungsträgers) zum Krankenversicherungsträger in einem Vertragsverhältnis steht (RIS-Justiz RS0084806). Nach den Materialien zur Stammfassung der §§ 131, 132 ASVG setzt der Begriff „Wahlarzt“ voraus, dass dieser ein niedergelassener (also288zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigter) Arzt ist. [...]

1.3.2 [...]

1.3.3 Das Fehlen eines Einzelvertrags bewirkt, dass die Kosten vom Versicherten selbst zu begleichen sind und dieser sodann gegenüber dem Krankenversicherungsträger einen Anspruch auf Kostenerstattung hat, der durch Einreichen der saldierten Honorarrechnung geltend gemacht wird. Nach § 59 B-KUVG gebührt Ersatz der Kosten einer anderweitigen Krankenbehandlung in der Höhe des Betrags, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner aufzuwenden gewesen wäre. Nach § 10 der Satzung der BVA hat diese die Kostenerstattung allerdings nur dann zu erbringen, wenn die beanspruchte Leistung dieselben Kriterien erfüllt, wie sie von einem Vertragspartner verlangt werden.

2. Zu den berufsrechtlichen Voraussetzungen ist festzuhalten, dass der Arzt für Allgemeinmedizin, der approbierte Arzt oder Facharzt, der seinen Beruf als freien Beruf auszuüben beabsichtigt, anlässlich der Anmeldung bei der Österreichischen Ärztekammer seinen Berufssitz oder seine Berufssitze im Bundesgebiet frei zu bestimmen hat. Berufssitz ist der Ort, an dem sich die Ordinationsstätte befindet, in der und von der aus der Arzt für Allgemeinmedizin, der approbierte Arzt oder Facharzt seine freiberufliche Tätigkeit ausübt (§ 45 Abs 2 ÄrzteG). § 45 Abs 4 ÄrzteG stellt klar, dass die Tätigkeit als niedergelassener Arzt einen bestimmten Berufssitz voraussetzt und eine Tätigkeit ohne bestimmten Berufssitz („Wanderpraxis“) unzulässig ist. [...]

3.1 Nach der bisherigen Rsp besteht zwischen den berufsrechtlichen Vorgaben des ÄrzteG und dem Umfang des sozialversicherungsrechtlichen Krankenbehandlungsanspruchs ein weitgehender Gleichklang (Felten/Mosler in SV-Komm [23. Lfg] § 133 ASVG Rz 18). Der Gesetzgeber des ASVG ging bei der Honorierung ärztlicher Leistungen somit davon aus, dass ausschließlich in zulässiger Weise erbrachte Leistungen von der KV abzugelten sind. Nur Leistungen, die ein Arzt innerhalb seines Fachgebiets erbracht hat, innerhalb dessen er nach seiner Eintragung in der Ärzteliste tätig sein darf, sind zu entgelten (10 ObS 340/98t, SSV-NF 13/9). Auch wenn es sich um Tätigkeiten handelt, die den Ärzten vorbehalten sind, deckt sich ärztliche Hilfe als Leistung der KV mit der Ausübung des ärztlichen Berufs in sachlicher und personeller Hinsicht (10 ObS 260/92, SSV-NF 6/145; vgl auch 10 ObS 2303/96s, SSV-NF 10/95).

3.2 Diese Grundsätze müssen in gleicher Weise Gültigkeit für die vorliegend zu lösende Frage haben. In den Sozialversicherungsgesetzen finden sich keine eigenen Regelungen, die sich mit der Zulässigkeit der Tätigkeit von Wahlärzten befassen. Vielmehr setzen diese Gesetze voraus, dass ein als Wahlarzt tätiger Arzt diese Tätigkeit nach den berufsrechtlichen Vorschriften zulässigerweise ausüben kann. Es ist dem Gesetzgeber daher auch zu unterstellen, dass er den Kostenersatzanspruch für die Leistung eines Wahlarztes (§ 59 B-KUVG) daran gebunden hat, dass dieser nach dem ÄrzteG zulässigerweise als Wahlarzt tätig sein kann. Die Kostenerstattung soll ihrer Intention nach nur den fehlenden, aber an sich möglichen Vertrag mit dem Krankenversicherungsträger ersetzen. Von anderen Voraussetzungen für eine Leistung auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers wollen die Regelungen über die Kostenerstattung nicht befreien (Grillberger/Mosler, Ärztliches Vertragspartnerrecht 245).

4. Dass im vorliegenden Fall die Tätigkeit des Dr S, der als angestellter Arzt über keinen Berufssitz bzw keine eigene Ordinationsstätte verfügt, gegen § 45 Abs 4 ÄrzteG verstoßen hat, wird im Revisionsverfahren nicht mehr in Zweifel gezogen. Es liegt auch auf der Hand, dass § 45 Abs 4 ÄrzteG nicht dadurch unterlaufen werden soll, dass sich angestellte Ärzte ohne eigene Ordinationsstätte gegen Entgelt der Ordinationsstätten niedergelassener Ärzte (im gesamten Bundesgebiet) bedienen, um dort ärztliche Tätigkeiten auszuüben. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, können die dem ärztlichen Berufsrecht nicht entsprechenden ärztlichen Leistungen des Dr S demnach nicht als Leistung eines „Wahlarztes“ iSd § 63 Abs 1 B-KUVG qualifiziert werden. Mit anderen Worten ist der Kostenersatzanspruch für die Leistung eines Wahlarztes daran gebunden, dass der Arzt nach dem ÄrzteG zulässigerweise als Wahlarzt tätig sein kann, welche Voraussetzung bei Dr S nicht gegeben war. Damit erfüllt die beanspruchte Leistung nicht dieselben Kriterien, die von einem Vertragspartner verlangt werden, sodass eine Kostenerstattung nicht in Betracht kommt (§ 10 der Satzung der BVA).

5. Dem Einwand des Kl, es handle sich bei § 45 Abs 4 ÄrzteG um eine bloß standesrechtliche Vorschrift, die für Dritte nicht bindend sei, ist entgegenzuhalten, dass die Beschränkung der Kostenerstattung auf niedergelassene Wahlärzte ihre Rechtfertigung ua darin findet, dass niedergelassene Ärzte zwecks Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung der Patienten ihre Leistungen in Ordinationsstätten anzubieten haben, die bestimmten Qualitätserfordernissen entsprechen müssen (§ 56 ÄrzteG). Weiters haben niedergelassene Ärzte eine Haftpflichtversicherung mit Mindestversicherungssumme abzuschließen und nachzuweisen (§ 52d Abs 1 ÄrzteG). Die Honorierung von unter Außerachtlassung des § 45 Abs 4 ÄrzteG von angestellten Ärzten als „Wahlarzt“ erbrachten ärztlichen Leistungen würde somit – wie die Bekl vorbringt – eine „Besserstellung“ eines solcherart praktizierenden Arztes gegenüber den Vertragspartnern bedeuten, für die keine gesetzliche Grundlage besteht.

6. Der vom Kl ins Treffen geführte „Grundsatz der freien Arztwahl“ ist der einfachgesetzlichen Ausgestaltung vorbehalten und kann insoweit auch eingeschränkt werden, sofern die Einschränkung nicht ihrerseits verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (VfGHG 24/98). Aus welchem Grund durch eine Beschränkung der Kostenerstattung auf berufsrechtlich zulässigerweise praktizierende Wahlärzte der Grundsatz der freien Arztwahl betroffen sein sollte, ist im Übrigen nicht ersichtlich, weil289der Kl von der Bekl nicht einem bestimmten Arzt zugewiesen wurde, sondern seinen Vertrauensarzt unter Vertragsärzten und Wahlärzten weiterhin frei wählen konnte. [...]

ANMERKUNG

Im Mittelpunkt der vorliegenden E steht das im Detail nicht unumstrittene Verhältnis zwischen dem ärztlichen Berufsrecht und dem Recht der KV. Dem Urteil des OGH, dem vollumfänglich zuzustimmen ist, ist an sich inhaltlich nicht viel hinzuzufügen. Das Erstgericht war freilich entgegen der Ansicht des OGH der Meinung, dass das berufsrechtliche Verbot der freiberuflichen Ausübung des ärztlichen Berufes ohne Berufssitz nicht zwangsläufig auch für den Umfang des Krankenbehandlungsanspruchs von Bedeutung sei. In diesem Sinne erscheint es durchaus lohnend, die wesentlichen Begründungselemente der E des OGH noch einmal einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.

1.
Zum berufsrechtlichen Verbot der Wanderpraxis

Die Ausübung des ärztlichen Berufes kommt nach den Regelungen des ÄrzteG grundsätzlich in zwei verschiedenen Formen in Betracht, und zwar einerseits als freiberufliche Betätigung des Arztes, andererseits als Tätigwerden im Rahmen eines Dienstverhältnisses (vgl § 3 Abs 2 ÄrzteG). Für beide Varianten gelten die berufsrechtlichen Vorschriften des ÄrzteG, sofern nicht ausdrücklich anderes normiert ist.

Beabsichtigt der Arzt, seinen Beruf freiberuflich auszuüben, so hat er anlässlich der für die Berufsausübung obligatorischen Eintragung in die Ärzteliste gem § 45 Abs 2 ÄrzteG seinen Berufssitz anzugeben; die freiberufliche Ausübung des Arztberufes ohne Berufssitz („Wanderpraxis“) wird in § 45 Abs 4 ÄrzteG ausdrücklich untersagt. Eine Ausnahme sieht § 47 ÄrzteG nur dann vor, wenn der freiberuflich tätige Arzt ausschließlich Tätigkeiten auszuüben beabsichtigt, für die keine (eigene) Ordinationsstätte erforderlich ist. Dabei könnte es sich beispielsweise um Tätigkeiten iSd § 45 Abs 3 ÄrzteG handeln, für deren Ausübung kein eigener Berufssitz begründet werden muss (so zB die Berufsausübung im Rahmen von ärztlichen Nacht-, Wochenend- oder Feiertagsdiensten, in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, als Arbeitsmediziner oder im Rahmen von Familienberatungsstellen). Keine Notwendigkeit einer eigenen Ordinationsstätte besteht ferner nach hA im Falle der Betätigung des Arztes als Praxisvertreter in Ordinationen anderer niedergelassener Ärzte oder bei Erbringung konsiliarärztlicher Leistungen (zur systematischen Eingrenzung von „wohnsitzärztlichen Tätigkeiten“ ausführlich Wallner, Zulässiger Aktionsradius des Wohnsitzarztes, RdM 2012/135, 214). Übt der Arzt ausschließlich solche Tätigkeiten aus, so muss er keinen Berufssitz begründen, sondern kann sich mit seiner Wohnadresse als sogenannter Wohnsitzarzt in die Ärzteliste eintragen lassen. Beabsichtigt derselbe Arzt dagegen auch Tätigkeiten auszuüben, für die eine Ordinationsstätte erforderlich ist, oder ist der Arzt zudem auch im Rahmen eines Dienstverhältnisses tätig, so kommt eine Eintragung als Wohnsitzarzt nicht in Frage (§ 47 Abs 2 ÄrzteG).

Im vorliegenden Fall erfolgte die Behandlung des Kl, für die dieser im Anschluss einen Anspruch auf Kostenerstattung geltend machte, durch einen in einer Krankenanstalt beschäftigten Arzt, der seine Leistung freiberuflich, aber ohne eigene Niederlassungsberechtigung, in der Praxis einer Kollegin erbrachte. Das ärztliche Berufsrecht steht einer zusätzlichen freiberuflichen Tätigkeit des angestellten Arztes nicht grundsätzlich entgegen (davon abzugrenzen wäre die arbeitsrechtliche Beurteilung von ärztlichen Nebenbetätigungen – dazu zuletzt ausführlich Resch, Grenzen für Nebenbeschäftigungsverbote bei Spitalsärzten, RdM 2013/137, 203). Sofern es sich dabei nicht ausschließlich um „wohnsitzärztliche“ Tätigkeiten handelt – wovon im Anlassfall keine Rede sein konnte –, muss er die Eröffnung des erforderlichen Berufssitzes allerdings der Ärztekammer zur Eintragung in der Ärzteliste melden (vgl § 29 Abs 1 Z 2 ÄrzteG). Auch die gemeinschaftliche Nutzung von Ordinationsräumlichkeiten und -ausstattung im Wege der Begründung einer Ordinations- und/oder Apparategemeinschaft iSd § 52 ÄrzteG steht dem nebenberuflich in freier Praxis tätigen Spitalsarzt offen; um die Eintragung eines Berufssitzes kommt er freilich auch in diesem Fall nicht herum.

Dass der behandelnde Arzt im gegebenen Fall mit seiner freiberuflichen Betätigung ohne eigene Ordinationsstätte gegen das ausdrückliche Verbot des § 45 Abs 4 ÄrzteG verstoßen hat, wurde im Revisionsverfahren seitens des Kl nicht mehr angezweifelt. Bestritten wurde allerdings die Relevanz dieses (berufsrechtlich in § 199 Abs 3 ÄrzteG durch Verwaltungsstrafe abgesicherten) Verbots der Wanderpraxis für den Anspruch des Versicherten auf Kostenersatz bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes.

2.
Relevanz für den Anspruch des Versicherten auf Kostenerstattung

Der Kl begründet den seiner Ansicht nach trotz Verstoßes des behandelnden Arztes gegen § 45 Abs 4 ÄrzteG bestehenden Anspruch auf Kostenerstattung maßgeblich damit, dass es sich beim Verbot der Wanderpraxis um eine rein standesrechtliche Regelung handle, die für Dritte nicht bindend sei. Dieselbe Rechtsansicht liegt auch dem der Klage stattgebenden Urteil des Erstgerichtes zugrunde. Dieses rückt in seiner Urteilsbegründung den Zweck des berufsrechtlichen Verbotes in den Mittelpunkt, der in der Gewährleistung notwendiger Qualitätsstandards geortet wird. Damit sind wohl in erster Linie die Regelungen des § 56 ÄrzteG angesprochen, mit denen freiberuflich tätige Ärzte ua dazu verpflichtet werden, ihre Ordinationsstätten in einem den hygienischen Anforderungen entsprechenden Zustand zu halten und den fachspezifischen Qualitätsstandards ent-290sprechend zu betreiben. Mit der Begründung, dass diese Qualitätsstandards im vorliegenden Fall nicht unterschritten worden seien (Nutzung der ordnungsgemäß betriebenen Ordination einer Berufskollegin), lehnte das Erstgericht Auswirkungen der Berufspflichtverletzung auf den krankenversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch letztlich ab.

Der OGH rückt dagegen in seiner Entscheidungsbegründung zu Recht einen anderen Aspekt in den Vordergrund. Seine Ausführungen laufen im Wesentlichen darauf hinaus, dass dem Berufsrecht im Hinblick auf den sozialversicherungsrechtlichen Krankenbehandlungsanspruch gewissermaßen eine Schrankenfunktion zukommt (idS auch Resch in

Jabornegg/Resch/Seewald
[Hrsg], Grenzen der Leistungspflicht für Krankenbehandlung [2007] 69 ff). Aus der unmittelbaren Anknüpfung an die Berufsgruppe der Ärzte in § 135 Abs 1 ASVG wurde in Lehre und Rsp schon bisher zutreffend abgeleitet, dass die Bestimmungen des ÄrzteG betreffend die ärztliche Berufsausübung insofern auch für den Umfang des Krankenbehandlungsanspruchs bestimmend sind, als nicht dem Berufsrecht entsprechende Leistungen auch nicht von der gesetzlichen KV im Wege der ärztlichen Hilfe zu finanzieren sind (mwN Felten/Mosler in
Mosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm, § 133 ASVG Rz 18). Außerhalb der Grenzen der Leistungspflicht der gesetzlichen KV liegen damit nach hA insb Leistungen eines Arztes, die nicht iSd § 2 Abs 2 ÄrzteG auf medizinischwissenschaftlichen Erkenntnissen begründet und damit schon aus dem Blickwinkel des Berufsrechts nicht der ärztlichen Berufsausübung zuzurechnen sind (Risak in
Jabornegg/Resch/Seewald
, Grenzen der Leistungspflicht 26; Mosler, Rechtsfolgen unwirtschaftlicher Leistungserbringung durch Vertragsärzte, ZAS 2000, 5 [6]). In die gleiche Richtung zielt die Rsp des OGH, wonach Leistungen, die der Facharzt aufgrund der berufsrechtlichen Beschränkung auf sein Sonderfach nicht erbringen darf, auch nicht von der KV abzugelten sind (vgl OGH10 ObS 340/98tSZ 72/22; OGH10 ObS 403/98gSZ 72/61). Auch hier schlägt das Berufsrecht unmittelbar auf den Krankenbehandlungsanspruch des Versicherten durch. Dass diese Beschränkungen nicht nur Bedeutung für die Leistungserbringung durch Vertragsärzte, sondern auch für den Kostenerstattungsanspruch des Versicherten bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes haben, sollte schon aufgrund der Textierung des § 135 Abs 1 ASVG, der beide Gruppen von Leistungserbringern unterschiedslos anführt, außer Zweifel stehen.

In diese Linie fügt sich das vorliegende Urteil nahtlos ein. Auch beim Verbot der freiberuflichen Berufsausübung ohne Berufssitz handelt es sich um eine berufsrechtliche Regelung, mit der eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die (freiberufliche) Ausübung des ärztlichen Berufs normiert wird. Diese Bestimmungen des ÄrzteG sind – ebenso wie die berufsrechtlich festgelegten Grenzen, außerhalb derer eine bestimmte Tätigkeit schon grundsätzlich nicht mehr als ärztliche Berufsausübung zu qualifizieren ist – unmittelbar auch für das Krankenversicherungsrecht von Bedeutung. Anders verhält es sich dagegen wohl mit jenen Regelungen des ÄrzteG, deren Übertretung zwar ebenso eine Berufspflichtverletzung darstellt (die möglicherweise standesrechtliche Konsequenzen nach sich zieht), die ärztliche Berufsausübung selbst aber nicht in Frage stellt bzw unzulässig macht (zB Verletzung von Dokumentations- oder Auskunftspflichten).

Im gegebenen Fall steht außer Zweifel, dass der behandelnde Arzt mangels Berechtigung zur freiberuflichen Berufsausübung von vornherein nicht als Vertragsarzt in Frage gekommen wäre. Wenn § 338 Abs 1 ASVG den Vertragsschluss mit freiberuflich tätigen Ärzten vorsieht, so ist das Verbot des freiberuflichen Tätigwerdens eines Arztes ohne Berufssitz selbstverständlich auch im Rahmen der Auswahl der Vertragspartner zu beachten. Diese Verknüpfung von Sozialversicherungs- und Berufsrecht würde man aber konterkarieren, wenn man unter Verletzung des § 45 Abs 4 ÄrzteG erbrachte ärztliche Leistungen dann im Wege der Kostenerstattung sehr wohl wieder in den Krankenbehandlungsanspruch einbeziehen würde. Daran ändert sich entgegen der Ansicht des Erstgerichtes auch dann nichts, wenn im Einzelfall Patienteninteressen, deren Schutz wohl letztlich auch das Verbot der Wanderpraxis dient, nicht unmittelbar gefährdet waren.

Das österreichische Krankenversicherungsrecht eröffnet den Versicherten im Bereich der ärztlichen Hilfe eine sehr weitgehende Wahlmöglichkeit. Mit dem System der Kostenerstattung sind auch die Leistungen jener freiberuflich tätigen Ärzte in den Krankenbehandlungsanspruch eingebunden, die sich nicht unmittelbar am Kassenarztsystem beteiligen. Dass hinsichtlich der Höhe des Kostenerstattungsanspruchs an den Honorarbedingungen der Kassenärzte angeknüpft wird, zeugt von der Grundannahme des Gesetzgebers, dass sich Vertrags- und Wahlärzte ausschließlich darin unterscheiden, dass erstere über einen Vertrag mit dem Krankenversicherungsträger verfügen und letztere nicht, dass ansonsten aber von im Wesentlichen gleichen Bedingungen und Voraussetzungen für die Leistungserbringung auszugehen ist. Eine Lockerung berufsrechtlicher Verpflichtungen im Falle der „bloßen“ Betätigung als Wahlarzt könnte einen Anreiz gegen die Teilnahme am Kassenarztsystem und für eine rein wahlärztliche Betätigung darstellen – was am Ende auch nicht im Interesse der Versicherten wäre.

Gegen die Lösung des OGH ließe sich allenfalls einwenden, dass es für den einzelnen Versicherten nicht zumutbar erscheint, sich bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes vergewissern zu müssen, dass dieser seinen berufsrechtlichen Verpflichtungen auch entsprechend nachkommt, um den Anspruch auf Kostenerstattung nicht aufs Spiel zu setzen. Gerade im vorliegenden Fall erscheint der Kl, der vom behandelnden Arzt ausdrücklich auf die fehlende Erstattungsfähigkeit der Kosten mangels eigener Ordinationsstätte hingewiesen wurde, freilich nicht besonders schutzwürdig. Doch selbst die Unterlassung einer entsprechenden Aufklärung durch den Arzt kann wohl nicht zu einer anderen Lösung der Frage nach einem Kostenerstattungsan-291spruch des Versicherten führen; vielmehr wären in diesem Fall Schadenersatzansprüche des Patienten gegen den Arzt zu prüfen.

3.
Freie Arztwahl

Interessant ist schließlich, dass einmal mehr auch das Argument einer behaupteten Verletzung des Grundsatzes der freien Arztwahl ins Spiel gebracht wird. Der OGH widmet diesem Einwand – völlig zu Recht – nicht mehr als ein paar Zeilen. Dass es sich bei dem im Wesentlichen aus den §§ 135 Abs 2 und 342 Abs 1 Z 1 ASVG ableitbaren Prinzip der freien Arztwahl nicht um ein im Verfassungsrang stehendes Grundrecht des Patienten handelt, hat der VfGH in seinem Erk zur Begrenzung der Kostenerstattung auf 80 % des Vertragstarifs (VfGHG 24/98VfSlg 15.787) bereits unmissverständlich klargestellt. Damit ist nicht schon jede (einfachgesetzliche) Einschränkung dieses Grundsatzes als verfassungsrechtlich unzulässiger Eingriff in die Rechte des Patienten anzusehen, sondern nur eine solche, die selbst Verfassungsrecht widerspricht, zB weil sie unsachlich differenziert und damit gleichheitswidrig ist (ausführlich Mosler, Die freie Arztwahl in der Krankenversicherung, DRdA 2015, 139 [143]). Von einer unsachlichen Beschränkung der freien Arztwahl durch die Eingrenzung des Kostenerstattungsanspruchs auf Behandlungen durch einen zulässigerweise praktizierenden freiberuflichen Arzt kann aber, wie der OGH völlig richtig feststellt, keine Rede sein. Das Erstgericht war diesbezüglich freilich noch anderer Ansicht.

4.
Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen, die das ÄrzteG für die freiberufliche Ausübung des Arztberufes normiert, auch im Krankenversicherungsrecht und hier insb für den Anspruch des Versicherten auf Kostenerstattung beachtlich sind. Die Kostenerstattung soll, wie der OGH unter Bezugnahme auf Grillberger betont, nur den fehlenden Vertrag mit dem Krankenversicherungsträger kompensieren, nicht aber von anderen (berufsrechtlich verankerten) Voraussetzungen für eine zulässige Leistungserbringung befreien. Der Frage, ob durch die Verletzung solcher Zulässigkeitsvoraussetzungen im Einzelfall Patientenschutzinteressen verletzt worden sind oder nicht, kommt dabei keine entscheidende Bedeutung zu.